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EugenHuber

13.7.1849 Oberstammheim, 23.4.1923 Bern, reformiert, von Altstätten. Sohn des Konrad, Arztes im Zürichbiet. 1) Lina Weissert, 2) Maria Schuler. Studium in Zürich, Genf und Berlin, 1872 Dr. iur. Vorlesungen bei Rudolf von Jhering, Johann Adolf Tomaschek und Lorenz von Stein in Wien.

Fotografie von Eugen Huber, um 1890 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Fotografie von Eugen Huber, um 1890 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Ab Mai 1873 war Eugen Huber als Journalist für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) tätig, ab 1876 als Chefredaktor. 1877 entschloss er sich angesichts der vielen Konflikte im Kontext des Eisenbahnbaus zum Rücktritt und wurde Ende Jahr Polizeivorsteher und Untersuchungsrichter in Trogen. Im Frühjahr 1881 erhielt er einen Ruf als Professor für öffentliches Bundesrecht, Zivilrecht und schweizerische Rechtsgeschichte der Universität Basel. Der schweizerische Juristenverein betraute ihn 1884 mit der Aufgabe, eine vergleichende Übersicht über die 25 kantonalen Gesetzgebungen im Hinblick auf eine Vereinheitlichung des Privatrechts zu erstellen. Aus diesem Auftrag erwuchs Hubers vierbändiges Werk "System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts" (1886-1893), dessen erste drei Teile die verschiedenen kantonalen Rechtssysteme darstellen, während der vierte eine Geschichte des schweizerischen Privatrechts entwirft. Für den Historiker Huber trägt der Blick in die Vergangenheit zu einer positiven Bewertung des Gewohnheitsrechts bei, das vom spezifischen Charakter des schweizerischen Staatswesens in seiner ganzen Einmaligkeit und Vielfalt zeugt. In den vielen lokalen Rechtsgewohnheiten mittelalterlichen Ursprungs, die in den meisten Kantonen teilweise noch praktiziert werden, erkannte er Ansätze eines helvetischen "Volksgeists", der ihm als Grundlage für die Vereinheitlichung des schweizerischen Privatrechts geeignet erschien. 1888-1892 lehrte Huber Handelsrecht und deutsches öffentliches Recht in Halle. Seine Freundschaft mit Rudolf Stammler und Max von Rümelin übte entscheidenden Einfluss auf seine Rechtsauffassung aus. Die Universität Bern berief ihn 1892 auf den Lehrstuhl für schweizerisches Privatrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie. Ausserdem erteilte ihm das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) den Auftrag, das Privatrecht zu vereinheitlichen und einen Vorschlag für ein schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) auszuarbeiten. 1900 wird Hubers Text als Vorentwurf des EJPD veröffentlicht.

Als Neuem gegenüber aufgeschlossener Traditionalist war es ihm ein Anliegen, im neuen Privatrecht die Respektierung lokaler Traditionen mit dem Innovationswillen einer nationalen Kodifizierung zu verbinden. Das ZGB wurde am 10. Dezember 1907 angenommen und trat am 1. Januar 1912 in Kraft. Als Rechtsberater des EJPD vertrat Huber die Schweiz am ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Erst in seinem letzten Lebensabschnitt legte er seine Rechtstheorie in dem umfangreichen Buch "Recht und Rechtsverwirklichung" (1921) systematisch dar. Darin billigte er dem Richter grosse Macht zu: Ihm obliege es, bestehende Gesetzeslücken durch seine Rechtsprechung zu schliessen. Dieser schöpferische Umgang mit dem Recht müsse aber frei von Willkür sein. Für Juristen besteht Hubers grosses Verdienst darin, dass er die Rechtssetzung des Richters durch den Einbezug anderer als der gesetzlichen Rechtsquellen (Gewohnheiten, Dogmen, Jurisprudenz) einschränkte. 1922 erschien das Werk "Das Absolute im Recht", das gleichsam sein juristisches Testament darstellt. Als Neukantianer vertrat er die Auffassung, dass sich das Recht nicht auf das positive Recht reduzieren lasse. Ausser Letzterem gebe es auch die Idee des gerechten Rechts, das der Vernunft und dem subjektiven Rechtsempfinden entspringe – ein Gedanke, der gleichzeitig das Fundament des positiven Rechts verkörpert und das Ideal, dem dieses entgegen strebt. Für Huber resultiert der Inhalt jeder Rechtsordnung aus der Verbindung der Idee vom gerechten Recht mit den lokalen soziologischen und kulturellen Gegebenheiten ("Realien"). Hubers Persönlichkeit war überaus facettenreich; er wirkte als Journalist, Historiker, Rechtstheoretiker und Philosoph. Im Gedächtnis der Nachwelt blieb einzig seine Rolle bei der Schaffung des ZGB präsent. Eugen Huber erhielt Ehrendoktorate der Universitäten Groningen, Zürich und Genf.

Quellen und Literatur

  • BAR, Korrespondenz
  • F. Wartenweiler, Eugen Huber, der Lehrer, Gesetzgeber und Mensch, [1932] (hagiografisch)
  • D. Manaï, Eugen Huber, jurisconsulte charismatique, 1990
  • P. Caroni, «Il mito svelato: Eugen Huber», in ZSR, 110, 1991, 381-419
Von der Redaktion ergänzt
  • Hofer, Sibylle: Eugen Huber – Vordenker des Schweizer Zivilrechts, Zürich 2023.
Weblinks
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Zitiervorschlag

Dominique Manaï-Wehrli: "Huber, Eugen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.09.2022, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004533/2022-09-27/, konsultiert am 28.03.2024.