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Gossau (ZH)

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Hinwil. Umfasst die fünf Ortsteile (Wachten oder Schulwachten) Gossau (859 in Cozzesouwo) mit der Kirchensiedlung Berg, Bertschikon, Grüt, Herschmettlen und Ottikon. Die Gemeinde erstreckt sich über das oberste Glatttal; ihre Topografie ist geprägt von eiszeitlichen Moränenhügeln (Drumlins) und dem grossen Becken des ehemaligen Gossauer Rieds. 1634 875 Einwohner; 1730 1649; 1850 3089; 1910 2322; 1941 2387; 1970 4759; 1990 7157; 2000 8685.

Älteste Siedlungsspuren im Drumlingebiet Gossau-Bertschikon-Grüt (bronzezeitliche Grabhügel, Schalenstein) und am Ufer des ehemaligen Gossauerried-Sees (eisenzeitliche Siedlung in der Stocken). Alemannisches Gräberfeld in der Tägernau. Dieser Ort lag zusammen mit der benachbarten Lützelnau (745 Lucicunauvia) und Gossau-Dorf in bevorzugtem frühmittelalterlichem Siedlungsgebiet, wie dies auch ein Kranz von Siedlungen mit -ikon-Namen nahelegt. Sie wurden durch das Kloster St. Gallen mit der Kirche auf dem Berg ausgestattet (877 Gozeshuova in atrio sancte Marie publice) und bildeten im ausgehenden Mittelalter ein Freigericht (Dingstatt Binzikon mit Rodel 1435). Nach Gossau waren auch die Gemeinde Grüningen (bis 1610), Teile der Gemeinde Oetwil am See (bis 1729) und Unterwetzikon (bis 1775) kirchgenössig. Mit der Gründung des Städtchens Grüningen mitten im Freigericht (um 1250) wurden die Freien endgültig in die Herrschaft Grüningen eingegliedert. 1408 kam Gossau mit der Herrschaft Grüningen an Zürich. Kirchherren waren im 13. und 14. Jahrhundert die Freiherren von Matzingen, 1366-1414 die Ritter von Landenberg-Werdegg, welche den Kirchensatz an das Kloster Rüti verkauften. Nach dessen Aufhebung 1525 war Gossau ein Zentrum der Wiedertäufer. Sein Pfarrer Sebastian Ramsperg fiel 1531 zusammen mit zehn weiteren Gossauern bei Kappel. 1820 wurde die alte gotische Kirche mit Ausnahme des Turms abgebrochen und durch einen 1200-plätzigen, klassizistischen Querbau ersetzt. Dessen Dachstuhl stürzte aber bei der Aufrichtefeier am 22. Juni 1820 ein. Das Unglück forderte 25 Tote und 300 Verletzte.

Zehntenplan, aufgenommen mit dem Messtisch vom Zürcher Ingenieur und Mathematiker Johann Heinrich Vogel, 1700 (Staatsarchiv Zürich, Plan Q 46).
Zehntenplan, aufgenommen mit dem Messtisch vom Zürcher Ingenieur und Mathematiker Johann Heinrich Vogel, 1700 (Staatsarchiv Zürich, Plan Q 46). […]

Bis zum Zusammenschluss zur politischen Gemeinde um 1800 bildeten die Wachten unabhängige Dorfgemeinden. Die Topografie erschwerte die Ausbildung einer Dreizelgenwirtschaft und begünstigte schon im Spätmittelalter und vor allem im 16. Jahrhundert die Privatnutzung und die Bildung sogenannter einbeschlossener Höfe ausserhalb der Dorfsiedlungen und Dorffluren. Um 1800 erfolgte die endgültige Aufteilung der Allmenden und die Gründung weiterer Einzelhöfe. Eine Oberschicht aus Vollbauern und Gewerbetreibenden betätigte sich ab dem 17. Jahrhundert auch als Baumwollverleger. Die textile Heimindustrie führte zu einer markanten Bevölkerungszunahme und manifestiert sich in den typischen Reihenbauten (Flarz), zum Beispiel in Grüt und Oberottikon. Im 18. Jahrhundert war Gossau die bevölkerungsreichste Gemeinde des Zürcher Oberlandes. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brach die Heimindustrie zusammen, die Landwirtschaft richtete sich vermehrt auf Milchwirtschaft (acht Käsereien) aus. 1910 wurde die Landwirtschaftliche Genossenschaft gegründet. Zur selben Zeit bis ca. 1950 wanderten zahlreiche Emmentaler Bauernfamilien ein. Der Gesamtmelioration 1941-1946 folgte 1977 eine erneute Güterregulierung (Bau der Forch-Autostrasse).

Mit dem Bau der Glatttallinie über Wetzikon (1857) geriet Gossau ins Abseits. Die 1903 eröffnete Strassenbahn Wetzikon-Meilen (WMB) mit Stationen in Grüt, Gossau und Ottikon vermochte den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufzuhalten. 1950 wurde sie liquidiert und Gossau ans Busnetz der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland angeschlossen; das einheimische Gewerbe erlebte einen Aufschwung. Nach Einführung des Zonenplans 1965 entfaltete sich vor allem in Gossau, Grüt und Bertschikon eine rege Bautätigkeit: 1960-1990 stieg die Zahl der Einwohner um 218%, 1951-1991 entstanden sieben Schulhäuser, 1959 die katholische Kirche, 1992 ein neues Gemeindehaus. Die Zahl von 288 Betrieben (1990) dokumentiert den kleingewerblichen Charakter der Gemeinde. 2000 war ein gutes Drittel der Erwerbstätigen im 2. und fast die Hälfte im 3. Sektor tätig. Gossau wies ausserdem dreimal mehr Weg- als Zupendler auf.

Quellen und Literatur

  • G. Strickler, Gesch. der Herrschaft Grüningen, 1908
  • Kdm ZH 2, 1943, 184-188
  • Gossau – deine Heimat, 1-, 1962-
  • H.M. Gubler, Ref. Kirchen von Uster, Gossau, Bäretswil, 1976
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Jakob Zollinger: "Gossau (ZH)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000087/2013-11-28/, konsultiert am 29.03.2024.