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Ittigen

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Bern. Die 1980-1983 entstandene Gemeinde liegt im unteren Worblental auf einer Terrasse am Mannenberg (688 m) in der Agglomeration Bern. 1318 Yttingen, 1326 villa de Ittigen. 1764 498 Einwohner; 1930 2321; 1950 2543; 1960 3602; 1980 9435; 2000 10'999.

Prähistorische Zeugen fanden sich in Worblaufen (latènezeitliches Gefäss mit Leichenbrand, römische Münzen, frühmittelalterliche Gräber), im Ortsteil Papiermühle (frühmittelalterliches Gräberfeld 5.-6. Jh., ca. 30 Gräber mit Beigaben), bei Neuhaus (frühmittelalterliche Gräber) und im Wydacker (Skramasax). Am Südhang des Mannenbergs wurde ein mittelalterlicher Quellfassungsstollen entdeckt. Die bäuerlichen Kleindörfer Ittigen und Worblaufen waren Gütergemeinden oder Dorfschaften mit gesonderten Ackerfluren und gemeinschaftlich genutzter Allmend und Wald, an denen auch Einzelhöfe (Kappelisacker, Eyfeld, Altikofen, Fischrain, Talgut) Teil hatten. Im Tal lagen Weiler (Papiermühle, Schermen, Neuhaus, Badhaus). Die Ackerbauern – Dörfer und Höfe – teilten Allmend (Vordermoos 1684/1689) und Wald (Mannenberg 1787) auf ihre Höfe auf. Ab dem 17. und 18. Jahrhundert richteten sie ihre Produktion auf den Stadtberner Wochenmarkt aus, indem sie zu Lasten des Kornbaus den Anbau von Gemüse, Obst und Gras – Letzteres liess sich im Winter als Heu an Küher verkaufen – steigerten.

Im Sog des Grossgewerbes an der Worblen und um die Zollstätten entstanden sukzessive gewerbliche Weiler bei Papiermühle (Papiermühle 1466 erwähnt, Zollstätte, Wirtshaus), bei Schermen (Mühle), bei Neuhaus (Zollstätte, Wirtshaus), bei Badhaus (Heilbad 15. Jh., Wirtshaus) und beim Dörfchen Worblaufen (Papiermühle, Hammerschmieden). Hier liess sich Kleinhandwerk nieder und im 19. Jahrhundert die Fabrikindustrie. Im Schermen wurde um 1831 eine Nudel- und Schokoladefabrik gegründet (1917 versetzt). Stadtnähe und Sonnenhang bewogen Bernburger im 17. und 18. Jahrhundert zum Bau von Landsitzen (Mannenberg in Ittigen, Sand- und Lindenhof in Worblaufen und Talgut). Die Gutsareale gaben später den Baugrund für Neuquartiere ab.

Dorfschaften, Höfe und Weiler gehörten zur Kirchgemeinde Bolligen und bildeten den Viertel Ittigen als Kirchgemeindebezirk und Wahlkreis für das Chorgericht. Die Kirchgemeinde erfüllte wesentliche kommunale Aufgaben, so Armen-, Niederlassungs- und Schulwesen; der Viertel war beteiligt (z.B. Einziehen von Steuern), aber nicht selbstständig (eigenes Armenwesen 1774 abgelehnt). Erst mit der eigenen Schule (1813 gegründet, 1818 eröffnet) errang Ittigen eine gewisse Selbstständigkeit. Innerhalb der neuen Einwohnergemeinde Bolligen wandelte sich der Viertel Ittigen nach 1834 zur Viertelsgemeinde Ittigen (neben Bolligen, Ferenberg, Ostermundigen). Dieser oblagen Schulwesen, Strassenbau und Feuerwehr, der Gesamtgemeinde Bolligen dagegen Finanz-, Steuerwesen und höhere Schulen. Die komplizierte Gemeindestruktur führte im 20. Jahrhundert zu Diskussionen um Eingemeindung in Bern (1913, 1919), Zentralisation (1930, 1945 sowie 1963) oder Dezentralisation (1956, 1962 sowie 1972). 1978 stimmten die Einwohner für die Dezentralisation; die Viertelsgemeinde Ittigen wurde daher 1980-1983 selbstständige Einwohnergemeinde. Kirchlich blieb Ittigen Teil der Kirchgemeinde Bolligen – heute mit drei Pfarrämtern, dem reformierten Kirchgemeindehaus Ittigen (1952) und seit 1980 dem Ökumenischen Zentrum am Rain.

Ab Ende 19. Jahrhundert stieg die Bevölkerung langsam, nach 1960 kräftig an; Zuzüger lockte das Arbeitsplatzangebot in Ittigen oder die gute Verbindung nach auswärts durch Eisenbahnlinien (1913 Bern-Worb mit drei Stationen, 1915 Bern-Solothurn, heute beide Regionalverkehr Bern-Solothurn) und Buskurse. Die Bautätigkeit erfasste zuerst die Gewerbe- und Arbeiterquartiere Worblaufen, Papiermühle und Eyfeld (ab 1850). Um das alte Dorf Ittigen (Bereich Ittigenstrasse-Asylstrasse-Niesenweg) entstanden ab 1950 und vor allem ab 1970 Neubauquartiere (Kappelisacker, Aespliz, Neuhaus, Badhaus u.a.); am Sonnenrain wuchs Ittigen mit Bolligen zusammen. Das Primarschulhaus wurde 1953, das Sekundarschulhaus 1983 erstellt. Die Eisen- (seit 1857) und vor allem die Autobahn (seit 1962) durchschneiden das Gemeindeareal und trennen den Ortsteil Worblaufen räumlich ab.

Quellen und Literatur

  • T. Lehmann et al., Bolligen, 1982
  • K. L. Schmalz, Bolligen, 1982
  • H. Gugger, Ittigen, 1998
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Ittigen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.02.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000220/2008-02-14/, konsultiert am 13.10.2024.