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Kehrsatz

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Seftigen. Das Dorf Kehrsatz liegt auf einer Terrasse am Südosthang des Gurten und besitzt einen Anteil am Belpmoos. 1281 Kersaz. 1764 214 Einwohner; 1850 466; 1900 568; 1950 971; 1970 2773; 2000 3710.

In Kehrsatz wurden Gräber aus der Latènezeit (Zimmerwaldstrasse 27) sowie ein ausgedehntes gallorömisches Gutshofareal mit Umfassungsmauer (Maygut-Breitenacker) und ein römisches Münzdepot (Gurtental) entdeckt. Der Ort bildete im Mittelalter vermutlich einen Teil der Herrschaft Belp-Montenach. Güter mit Vogteirechten kamen ab dem 13. Jahrhundert zunehmend an Bernburger und Klöster (Interlaken, Frienisberg, Köniz). Im 15. Jahrhundert sind die einzelnen Vogteirechte in einer bernburgerlichen. Niedergerichtsherrschaft vereint (Twingrecht 16. Jh.). Der Herrschaftssitz befand sich auf dem Schloss Kehrsatz, das im 14. Jahrhundert erbaut worden war und dessen heutiger Bau auf Ende 16. Jahrhundert datiert (mit späteren Umbauten). Im Lauf der Zeit wechselten sich die Bernburgerfamilien von Ringoltingen, Spilmann, Simon (15. Jahrhundert), Michel (16. Jahrhundert), von Bonstetten, Güder (17. Jahrhundert), Wurstemberger, Hackbrett, von Graffenried und von Tscharner (18. Jahrhundert) als Besitzer ab. Hochgerichtlich unterstand Kehrsatz 1388-1798 dem bernischen Landgericht Seftigen. Nach dem Abgang der Herrschaftsrechte 1798 und weiteren Besitzerwechseln erwarb der Staat Schloss und Gutsbetrieb Kehrsatz. Ab 1888 wurde darin eine Mädchenerziehungsanstalt untergebracht, heute ein staatliches Schulheim. In der Umfassungsmauer des Schlosses steht ein spätgotischer Turm, das ehemalige Chorgerichtsgefängnis. Der Gemeindeteil Selhofen (Salhof = Herrenhof) war Herkunftsort einer gleichnamigen Bernburgerfamilie des 13.-14. Jahrhunderts. 1783 wurde er als "Schlösslein und freyes Gut" bezeichnet. Bis 1798 bildete Selhofen einen eigenen Gerichtsbezirk im Stadtgericht Bern.

Das Bauerndorf kam dank leichter Erreichbarkeit (Gürbetalbahn, Strasse) ab den 1960er Jahren als Vorort in den Sog der Stadt Bern. Mit der raschen Überbauung der Dorfmitte und neuen Quartieren wuchs ab 1957 auch die kommunale Infrastruktur; unter anderem wurde 1958 das Gemeindehaus und 1969 die Schulanlage Selhofen mit Primar- und Sekundarschule (ab 1980 offen für die Längenberggemeinden) gebaut und 1990 zog die Gemeindeverwaltung in den ehemaligen Landsitz Blumenhof. Neben dem Blumenhof besteht mit dem Lohn ein zweites bedeutsames Landgut, das im Besitz der Eidgenossenschaft ist. Mit wachsender Bevölkerung löste sich Kehrsatz schrittweise von der Kirchgemeinde Belp: 1962 war es ein Hilfs-, 1966 ein Hauptpfarramt und ab 1972 eine selbstständige Kirchgemeinde. 1976 taten sich Katholiken und Reformierte zum Bau des Ökumenischen Zentrums mit der Andreaskirche zusammen. Trotz Verstädterung wird in Kehrsatz weiterhin Landwirtschaft betrieben, wobei heute vor allem das Gewerbe sowie Handels- und Servicefirmen zum Wachstum beitragen. 2000 arbeiteten mehr als drei Viertel der in Kehrsatz wohnhaften Erwerbstätigen auswärts.

Quellen und Literatur

  • Chäsitz – üses Dorf, 1976 (41998)
  • H. von Fischer, Das Landgut Lohn in Kehrsatz BE, 1982
  • Der Landsitz Blumenhof in Kehrsatz, 1990
  • I. Meili-Rigert, Bauinventar der Gem. Kehrsatz, 2004
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Kehrsatz", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.08.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000493/2007-08-08/, konsultiert am 29.03.2024.