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Lützelflüh

Ansicht von Lützelflüh mit Kirche und Schloss Brandis aus südöstlicher Richtung, Emme abwärts. Gouache von Johann Wolfgang Kleemann (39,2 x 55,2 cm), 1780 (Regionalmuseum Chüechlihus, Langnau im Emmental).
Ansicht von Lützelflüh mit Kirche und Schloss Brandis aus südöstlicher Richtung, Emme abwärts. Gouache von Johann Wolfgang Kleemann (39,2 x 55,2 cm), 1780 (Regionalmuseum Chüechlihus, Langnau im Emmental). […]

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Verwaltungskreis Emmental, mitten im Emmental auf einem weiten Gebiet beidseits der Emme und am Unterlauf der Grünen gelegen. Sie umfasst das Dorf Lützelflüh (heute Oberdorf genannt), die Weiler Waldhus und Flüele sowie Teile der Dörfer Trachselwald und Ranflüh. Ferner gehören im Tal auf dem rechten Ufer der Emme die Dörfer Ramsei und Grünenmatt, auf dem linken die Gewerbesiedlung Unter-Lützelflüh (ehemals Goldbachschachen), Teile des Dorfes Goldbach sowie die Exklaven Oberried und Lauterbach dazu. Die seit 1970 bestehende Neusiedlung Lützelflühschachen ist nach Rüegsauschachen ausgerichtet. 1888-1889 erfolgten Grenzbereinigungen (Abtausch von Einzelhöfen) mit Rüegsau und Sumiswald. 1225 Lucelfluo. 1764 1691 Einwohner; 1850 3433; 1900 3444; 1950 4042; 2000 3957; 2010 4060.

Lützelflüh: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Lützelflüh: Situationskarte 2019 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Zwei hochmittelalterliche Erdwerke bei Ginsberg und Chälperg, die hochmittelalterliche, urkundlich jedoch nicht belegte Burgstelle Münneberg ob Flüele, die Wehranlage im Talgraben ob Schmidslehn und die Burgruine Brandis (römischer Münzfund) verweisen auf einheimische Herrensitze. Stammsitz und Ausdehnung der hochmittelalterlichen Freiherrschaft Lützelflüh, aus deren Fundus die Abtei Trub vor 1130 gestiftet wurde, sind unbekannt. Das Kirchspiel Lützelflüh (entspricht ungefähr dem heutigen Gemeindebann) samt Kirche (1250 erwähnt) mit Kirchensatz bildete wohl ab dem 13. Jahrhundert einen Teil der Herrschaft Brandis. Deren Niedergerichtsrechte reichten nur über die Gemeindegebiete rechts der Emme (Dorf-, Egg-, Grünenmatt-, Ranflühviertel), während das Emmenviertel auf der linken Seite zu den Niedergerichten Ranflüh und Hasle gehörte. Hochgerichtlich unterstand das Kirchspiel dem Landgericht Ranflüh (die Exklaven Lauterbach und Oberried steuerten ab 1602 als oberer Viertel von Hasle weiterhin mit dem Emmental). Lützelflüh teilte das Schicksal der Herrschaft Brandis: 1607 kam es an Bern und war der Landvogtei Brandis unterstellt, ab 1803 gehörte es zum Oberamt bzw. 1831-2009 zum Amtsbezirk Trachselwald.

Ansicht von Lützelflüh, Blick in südlicher Richtung Emme aufwärts. Gouache von Johann Wolfgang Kleemann (39,6 x 55 cm), 1780 (Regionalmuseum Chüechlihus, Langnau im Emmental).
Ansicht von Lützelflüh, Blick in südlicher Richtung Emme aufwärts. Gouache von Johann Wolfgang Kleemann (39,6 x 55 cm), 1780 (Regionalmuseum Chüechlihus, Langnau im Emmental). […]

Der Bau der Emmenbrücke 1583-1584 schloss Lützelflüh an die Strasse nach Burgdorf an, wobei der Brückenzoll den Zoll in Goldbach ersetzte. Der Bevölkerungsdruck ab dem 16. Jahrhundert erzeugte grosse soziale Unterschiede: Grossbauern, vor allem von Einzelhöfen des Eggviertels, in Waldhus und Lützelflüh (ehemalige Zelgdörfer, die im 16. Jahrhundert zum Feldgrasbau übergingen), sicherten sich mit Leiheverträgen Weideland in den Schachen, da sich arme Taglöhner und Störhandwerker anzusiedeln begannen. Die Ufersicherung (Schwellen) lastete zunehmend auf den armen Schachensiedlungen. 1783-1784 zählte Goldbachschachen 22 Taunerhäuser, die alle der untersten Steuerklasse angehörten. Eine Ausnahme bildete der Farbschachen, wo sich Grossgewerbe, vor allem eine Mühle und 1673 eine Färberei-Bleicherei, niederliess. Im 20. Jahrhundert erlebten die Schachendörfer dank dem Bau der Emmentalbahn 1881, der Emmenverbauung 1886 und der neuen Talstrasse als gewerblich-industrielle Zentren einen Aufschwung. So entstanden eine Hafer- und Gerstenmühle (1898), Fabriken, die Apparate, Metallbauteile, Kunststoff und Parkett herstellten, sowie Käseexportfirmen. 1879 errichteten Lützelflüh und Goldbach eine Sekundarschule. Die Gemeinde besitzt ferner eine Zivilschutzausbildungsstätte. Das Zentrum Kulturmühle und ein Gotthelf-Museum (Albert Bitzius) sind von überregionaler Bedeutung.

Bahnhof Lützelflüh-Goldbach und Hafermühle (links). Ansichtskarte Nr. 1478 des Postkartenverlags Robert Deyhle & Cie., Bern, um 1920 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Graphische Sammlung).
Bahnhof Lützelflüh-Goldbach und Hafermühle (links). Ansichtskarte Nr. 1478 des Postkartenverlags Robert Deyhle & Cie., Bern, um 1920 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Graphische Sammlung). […]

Quellen und Literatur

  • Häusler, Fritz: Das Emmental im Staate Bern bis 1798, 2 Bde., 1958-1968.
  • Rettenmund, Jürg: Amtsbezirk Trachselwald, 1991.
  • Hug, Regula; Zaugg, Karin: Bauinventar der Gemeinde Lützelflüh, 2002.
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
1225: Lucelfluo

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Lützelflüh", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.04.2020. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000551/2020-04-08/, konsultiert am 29.03.2024.