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Walenstadt

Ansicht des Städtchens am Walensee von Osten. Kolorierte Aquatinta von Franz Hegi nach einer Zeichnung von Johann Jakob Wetzel (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Sammlung Gugelmann).
Ansicht des Städtchens am Walensee von Osten. Kolorierte Aquatinta von Franz Hegi nach einer Zeichnung von Johann Jakob Wetzel (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern, Sammlung Gugelmann). […]

Politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region Sarganserland. Die am Ostende des Walensees und am Südhang der Churfirsten gelegene Gemeinde umfasst das historische Städtchen Walenstadt sowie die Dörfer Walenstadtberg, Tscherlach und Berschis. 801-850 de Ripa Vualahastad, 1045 Vualastade, bis 1952 Wallenstadt, romanisch Riva. 1850 1868 Einwohner; 1900 2994; 1950 3349; 2000; 4532.

Aus neolithischer Zeit stammt ein Steinbeil (Dechsel), das am Kleinen Alvier in Berschis gefunden wurde. Eine vorrömische Sperre auf dem Reischibe bei Walenstadt wird der rätischen Urbevölkerung zugeschrieben. Eine römische Fundstelle auf dem St. Georgenberg bei Berschis lässt auf ein römisches Kastell (Wachtturm) schliessen. Die Bedeutung dieser an einer wichtigen Durchgangsroute von Zürich nach Chur und über die Alpenpässe gelegenen Siedlung zeigt sich daran, dass Walenstadt früh als Warenumschlagplatz vom Wasser auf das Land und als Sustort belegt ist. So berichtet das churrätische Reichsguturbar um 840 von Handel und Fischfang in Walenstadt.

Zwischen 1240 und 1280 erhielt Walenstadt das Stadt- und Marktrecht, 1282 wird erstmals ein Schultheiss erwähnt. 1303 gehörte die niedere Gerichtsbarkeit der habsburgischen Herrschaft Windegg. Das Hochgericht stand während der Märkte im Frühjahr und Herbst (jeweils 14 Tage) den Grafen von Werdenberg-Sargans, in der übrigen Zeit den Grafen von Habsburg zu, die im 14. Jahrhundert die Ausburgergemeinden Oberterzen, Mols und Walenstadtberg Walenstadt zuteilten. Durch den eidgenössischen Schiedsspruch von 1462 wurde der Gerichtsbezirk Walenstadt von der habsburgischen Herrschaft Windegg gelöst und mit den Herrschaften Freudenberg und Nidberg als Vogtei unter die Herrschaft der sieben alten Orte (ohne Bern) gestellt. Mit der 1483 erworbenen Grafschaft Sargans wurde das ganze Gebiet als Landvogtei Sargans bis 1798 von den Eidgenossen verwaltet. Der Stadtrat von Walenstadt behielt jedoch das Niedergericht, während der eidgenössische Landvogt in Sargans die hohe Gerichtsbarkeit ausübte. 1566 raffte ein "grosses Sterben" in drei Monaten 650 Personen dahin, rund zwei Drittel der Einwohner Walenstadts. Der Stadtbrand von 1799 zerstörte rund ein Viertel von Walenstadt und kostete 35 Feuerwehrmännern das Leben. In der Helvetik gehörte Walenstadt mit dem Sarganserland zum Kanton Linth. Bei der Gründung des Kantons St. Gallen 1803 übernahm Quarten von Walenstadt die Siedlungen Oberterzen und Mols. Dafür erhielt Walenstadt von Flums die Siedlungen Tscherlach und Berschis. Die neue politische Gemeinde Walenstadt bildete bis 2002 einen Teil des Bezirks Sargans. Seither gehört sie zum Wahlkreis Sarganserland.

Die Kirche in Walenstadt ist erstmals im churrätischen Reichsgutsurbar bezeugt. Ausgrabungen belegen indes ein älteres Gotteshaus, das aus der merowingischen Zeit stammen dürfte. König Heinrich III. bestätigte 1045 die Kirche als Besitz des Stifts Schänis, doch vermutlich kam sie noch im 11. Jahrhundert an das Kloster Pfäfers. Ein Leutpriester erscheint urkundlich um 1243. Die neue Pfarrkirche St. Luzius und Florin wurde 1306 eingeweiht. Deren Schiff und der Turm aus dem 11. Jahrhundert sind erhalten geblieben. Das Patronatsrecht gehörte dem Kloster Pfäfers. Trotz der Förderung durch Pfarrer Balthasar Vögeli und seinen Bruder Schultheiss Kaspar Vögeli 1521-1526 setzte sich die Reformation in Walenstadt nicht durch. 1523 lösten sich Quarten mit Murg und Quinten von der Mutterkirche Walenstadt ab und wurden selbstständig. 1568 wurde Oberterzen der Pfarrei Quarten zugeteilt. 1788 löste sich Mols von der Pfarrei Walenstadt. Als die Aufhebung des Klosters Pfäfers (1838) bevorstand, wurde 1837 die Kirchgemeinde Walenstadt gegründet. Infolge der Zuwanderung entstand 1866 die reformierte Kirchgemeinde und 1903-1905 wurde die reformierte Kirche gebaut.

Wegen der schlechten Abflussverhältnisse des Walensees kam es ab Mitte des 18. Jahrhunderts zu häufigen Überschwemmungen, die zu einer langsamen Versumpfung Walenstadts und seines Umlands und zu einer Häufung von Krankheiten (Malaria) führten. Erst die Linthkorrektion 1807-1816 senkte den Wasserspiegel um knapp 5 m und stoppte diese Entwicklung. Nachdem 1837 auf dem Walensee die ersten Dampfschiffe ihren Betrieb aufgenommen hatten, löste die Eröffnung der Fahrstrasse Walenstadt-Kerenzerberg-Mollis 1848 einen starken Rückgang des Schiffsverkehrs aus. Dieser brach mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Sargans-Weesen-Rapperswil (SG) 1859 vollends ein. Die Folge war eine grosse Arbeitslosigkeit. 1844-1848 unterstützte die Ortsgemeinde Walenstadt 36 Familien (ca. 165 Personen) bei ihrer Ausreise nach Nordamerika. 1858 trat Walenstadt der Seezkorporation zur Entwässerung des Seeztals (ab 1855) bei. Die Industrialisierung setzte in Walenstadt erst nach dem Bau des Seezkanals ein. Sie begann 1862 mit der Buntweberei Walenstadt, die 1991 den Betrieb einstellte, und einer Kalkfabrik, der Vorgängerin der Zementfabrik CKU Unterterzen, die ebenfalls einging. Ebenfalls 1862 erfolgte die Einrichtung des kantonalen Schiess- und Exerzierplatzes, der 1875 zur Eidgenössischen Schiessschule Walenstadt erweitert wurde. 1914 erwarb die Eidgenossenschaft den Waffenplatz. Dieser bildet für Walenstadt einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. 1877 entstand die Wasserkorporation Walenstadt, 1891 das kantonale Spital Walenstadt und 1895 das Elektrizitätswerk Töbeli. 1909 öffnete das Lungensanatorium Knoblisbühl in Walenstadtberg seine Tore. Es wurde 1976 in die St. Gallische Rehabilitationsklinik Walenstadtberg für Atemwegerkrankungen und multiple Sklerose, 2011 in die Stiftung Kliniken Valens und Walenstadtberg umgewandelt. In den 1960er Jahren erlebte Walenstadt einen wirtschaftlichen Aufschwung, der mit einer starken Bautätigkeit einherging. Neben traditionellem Weinbau, Landwirtschaft, Gewerbe, Kleinindustrie und dem Infanterie-Ausbildungszentrum erlangten zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Dienstleistungsbereich und vor allem der Tourismus mit der Walenseeschifffahrt, modernen Sport- und Freizeitanlagen sowie dem Campingplatz am See eine wachsende Bedeutung für die Gemeinde. Walenstadt besitzt eine gut erhaltene Altstadt mit Ortsmuseum und pflegt ein lebendiges Brauchtum (Maskenschnitzer, Walenstadter Fasnacht).

Quellen und Literatur

  • Kdm SG 1, 1951, 380-410
  • P. Gubser, St. Luzius und Florin, Walenstadt, 1987
  • P. Gubser, Es begann im Drachenloch, 1998
  • P. Gubser, Walenstadter Chronik, 2007
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Paul Gubser: "Walenstadt", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.08.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001359/2013-08-28/, konsultiert am 12.09.2024.