Politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region Toggenburg. Einziges Städtchen des Toggenburgs, rechts der Thur am Fusse der Wasserfluh und der Ruine Neu-Toggenburg auf einem Felssporn gelegen. 1228 Liehtvnsteige, 1310 Liechtensteig. 1560 um 400 Einwohner; 1850 875; 1900 1387; 1950 1798; 2000 1893.
Lichtensteig wurde von den Grafen von Toggenburg gegründet (1228 erwähnt), die nach Süden expandierten, da die nördlichen Besitzungen Wil und die Alt-Toggenburg an das Kloster St. Gallen vergabt worden waren. Auch die 1270 erstmals erwähnt Neu-Toggenburg, die ab dem 15. Jahrhundert zerfiel, gehört in diesen Zusammenhang. 1310 ist in Lichtensteig zum ersten Mal ein Schultheiss erwähnt. Im 14. und vor allem im 15. Jahrhundert entwickelte sich Lichtensteig zum Marktort (1374 Erwähnung des Lichtensteig-Masses). 1400 wurden mit dem ersten von vier Freiheitsbriefen das Vorrecht und die Marktrechte bestätigt, welche Lichtensteig gegenüber den Landgemeinden heraushoben. Gemäss dem Vierten Freiheitsbrief von 1439, ausgestellt durch die Freiherren von Raron, wurde der Zwölferrat durch die Bürger bestellt, das Zwölfergericht je zur Hälfte durch den Landesherrn und die Bürger. Gewählt wurde an der jährlichen Maiengemeinde. Der Landesherr wählte aus den Vorschlägen der Bürger den Schultheissen. 1411 schrieb Kaplan Dietrich von Lichtensteig im Auftrag von Graf Friedrich VII. die «Toggenburger Weltchronik» nach dem Vorbild des mittelalterlichen Epikers Rudolf von Ems. 1425 ist eine Stadtschule erwähnt. Mit dem Kauf der Landschaft Toggenburg 1468 durch die Fürstabtei St. Gallen wurde Lichtensteig bis 1798 Verwaltungssitz des fürstäbtischen Landvogts (Landvogtei im heutigen Rathaus). 1469 bestätigte der St. Galler Fürstabt Ulrich Rösch die vier Freiheitsbriefe. Im alten Rathaus in der Hintergasse tagten der Zwölferrat, das Niedergericht, der toggenburgische Land- und Kriegsrat, das toggenburgische Landgericht und die evangelische Synode. Ab 1534 sind die Ratsbücher überliefert. 1798 erklärte sich Lichtensteig frei.
Anfänglich nach Wattwil kirchgenössig, wurde Lichtensteig 1435 zur eigenen Pfarrei erhoben. Zwischen 1524 und 1531 trat Lichtensteig mehrheitlich zur Reformation über (1528 Stadtratsbeschluss). Trotz teilweiser Rekatholisierung (1532 Wiedereinführung des katholischen Gottesdiensts) blieben die damals geschaffenen konfessionellen Verhältnisse bis um 1900 bestehen. Die katholischen Geschlechter der Fuchs, Wirth, Würth und Germann zeichneten sich vorwiegend als Verwaltungsbeamte und Wirte aus, die reformierten Giezendanner, Steiger oder Zehender als Silber- und Goldschmiede, Zinngiesser und Hafner. 1532-1647 waren die Reformierten nach Wattwil kirchgenössig. Die Kirche wurde paritätisch genutzt, die Schulen hingegen waren getrennt. 1678-1680 wurde ausserhalb der Stadtmauern eine Loreto-Kapelle erbaut. 1868 erfolgte der Bau der paritätischen neugotischen Kirche an einem neuen Standort (1968 abgebrochen). Mit dem Neubau einer reformierten Kirche (1967) und der katholischen Kirche St. Gallus (1970) wurde das Simultanverhältnis 1967 beendigt. Bereits 1868 hatten sich die konfessionell getrennten Schulen vereinigt (1892 definitiv).
Die Altstadt von Lichtensteig mit ihren Arkaden und Bürgerhäusern, im Wesentlichen eine Bausubstanz des 16. bis 18. Jahrhunderts, gilt als nationales Kulturgut. Im 19. Jahrhundert erlangte Lichtensteig Bedeutung als Marktort mit dem Wochenmarkt für Garn- und Baumwolltücher und vier Jahrmärkten. Im 20. Jahrhundert entwickelten sich daraus sechs Hauptmärkte und der wöchentliche Kälbermarkt. Ab 1863 war Lichtensteig Sitz der Toggenburger Bank, die 1912 mit der Bank in Winterthur zur Schweizerischen Bankgesellschaft fusionierte. Ab 1870 war Lichtensteig mit einem Bahnhof auf Wattwiler Boden dem Bahnverkehr angeschlossen. 1874 wurden die Gebiete Blatten, Hof und Loretto, die zur Gemeinde Oberhelfenschwil gehörten, Lichtensteig zugeteilt. Traditionelles und neu geschaffenes Brauchtum sind das seit 1652 nachweisbare Toggenburger Landschiessen, der Toggenburger Waffenlauf, der Foto-Flohmarkt, das Drehorgeltreffen und die Jazztage. Die Kulturgeschichte der ganzen Landschaft wird im Toggenburger Museum gezeigt, in drei weiteren Museen mechanische Musikinstrumente, Europas grösste Modelleisenbahn der Spur 0 und eine mechanische Buchdruckerei.