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Tiefencastel

Gesamtansicht des Dorfs. Aufnahme von Florentin Charnaux kurz vor dem Brand von 1890, veröffentlicht im Album Vues de Suisse et de Savoie in Genf (Fundaziun Capauliana, Chur).
Gesamtansicht des Dorfs. Aufnahme von Florentin Charnaux kurz vor dem Brand von 1890, veröffentlicht im Album Vues de Suisse et de Savoie in Genf (Fundaziun Capauliana, Chur). […]

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Hauptort des Bezirks Albula, bildet seit 2015 mit Alvaneu, Alvaschein, Brienz/Brinzauls, Mon, Stierva und Surava die neue Gemeinde Albula/Alvra. Dorf am Fuss von Albulapass und Julierpass. 831 in Castello Impitinis mit Sitz des königlichen Verwalters, ab 14. Jahrhundert Tüffenkasten, romanisch Casti. 1850 135 Einwohner; 1880 209; 1900 257; 1950 327; 2000 230.

Auf Plattas bronzezeitliche Siedlung, auf dem Kirchenhügel römisches Kastell, Erzmünzenfunde aus dem 3. und 4. Jahrhundert. Im Frühmittelalter befestigte Siedlung, im Mittelalter Zollbrücke. Vermutlich von der Schenkung Ottos I. 960 an bischöfliches Herrschaftsgebiet, ging Tiefencastel als Lehen an die Vazer und andere lokale Vasallen. Nach Mitte des 16. Jahrhunderts war das Gericht Tiefencastel (niedere Gerichtsbarkeit) mit den Nachbarschaften Tiefencastel, Alvaschein und Mon Teil des Hochgerichts Oberhalbstein im Gotteshausbund. Beim heutigen Bildstock an der Julierstrasse stand die im 6./7. Jahrhundert erbaute Kapelle St. Ambrosius. 1343 wird die heutige Kirche St. Stefan erwähnt, die 1650 durch Kapuziner neu erbaut und mit bedeutenden Schnitzereien und Malereien ausgestattet wurde. 1635-1945 besorgten italienische Kapuziner von Tiefencastel aus das Albulatal. 1890 zerstörte ein Grossbrand grosse Teile des Dorfes. Bis 1900 führte die Hauptverkehrsachse der sogenannten Oberen Strasse über Julier- und Septimerpass durch Tiefencastel. Nach dem Ausbau der Passwege machten die Errichtung der Pferdepost- (1835) und der Bahnstation (1900) Tiefencastel zum Verkehrsknotenpunkt. Eine teilweise Dorfumfahrung (1999) brachte Erleichterung für das ab den 1970er Jahren unter enormem Durchgangsverkehr leidende Dorf. Der ursprünglich landwirtschaftlich geprägten Gemeinde brachten ab 1850 erste Hotelbauten vor allem für Passanten zusätzliche Verdienst. Bis 1950 war Tiefencastel der wichtigste Viehmarktort der Region. Kleingewerbe- und Dienstleistungsbetriebe, wenig Industrie. 1990 Eröffnung der Kraftwerkzentrale Filisur-Tiefencastel. 2005 arbeiteten 34% der in Tiefencastel Erwerbstätigen im 2., 62% im 3. Sektor. Teilweise regionale Zentrumsfunktionen (Kreis-Sekundarschulen, Consumverein Albula-Oberhalbstein). Trotz romanischem Kindergarten und Unterstufe ist die romanische Sprache auf dem Rückzug (1980 50%, 2000 38%).

Quellen und Literatur

  • Kdm GR 2, 1937 (19752), 320-328
  • P. Palmy, Zur Gesch. des MA von Albula/Surmeir und Umgebung, Beil. zum Bündner Kal., 1966-71
  • J.A. Sigron, Heimatbuch Tiefencastel, 1968
  • Gem. GR
Weblinks
Weitere Links
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Zitiervorschlag

Gion Peder Thöni: "Tiefencastel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001413/2016-12-01/, konsultiert am 08.11.2024.