Politische Gemeinde des Kantons Waadt, Bezirk Ouest lausannois, am Genfersee zwischen der Venoge und der Chamberonne gelegen, nebst Saint-Sulpice auch das Wohnquartier Les Pierrettes und die Industriezone En Champigny umfassend. 1228 Sanctus Surpiscius. 1402 58 Feuerstätten; 1764 135 Einwohner; 1850 255; 1900 295; 1950 792; 2000 2914.
Von der Urgeschichte zum Frühmittelalter
In der Nähe von Dorigny und bei der Schifflände befanden sich im Neolithikum zwei Seeufersiedlungen, wobei von der Letzteren keine Spuren mehr übrig sind. Eine dritte aus der späten Bronzezeit lag an der Mündung der Venoge. Einige Grabstätten aus der Bronze- und Latènezeit wurden bei En Champagny, solche aus dem Frühmittelalter bei Saint-Sulpice und bei Vers l'Ochettaz entdeckt. In den Fundamenten der mittelalterlichen Kirche kam römisches Material zutage. Aber die Gemeinde ist hauptsächlich wegen der bedeutenden Gräberfelder bekannt, die während der Ausbeutung der Kiesgruben bei En Pétoleyres gefunden wurden. 1910-1912 grub Julien Gruaz mehr als 200 Erd- und Plattengräber aus dem Frühmittelalter (Anfang 5.-Mitte 7. Jh.) aus. Aufgrund der Analyse der Grabbeigaben lassen sich die ältesten Gräber den Burgundern zuordnen. 1912-1914 legte Gruaz 87 Grabstätten aus der frühen Latènezeit frei. Diese reichlich mit Grabbeigaben ausgestatteten Gräber wurden zwischen 450 und 280 v.Chr. angelegt. Die Gebeine lagen entweder in der blossen Erde, in Särgen oder auf Holzbahren. Im Laufe dieser Ausgrabungen stiess man in Kremationsgräbern auf Keramikurnen aus dem Ende der Bronzezeit. 1928-1930 entdeckte Frédéric Tauxe in denselben Kiesgruben Kremationsgräber aus der Römerzeit.
Gemeinde
Im Mittelalter nannte man das Gebiet zwischen Dorf und See Cheretenges (in der Form Terretenges als Flurnamen überliefert), möglicherweise der frühere Name der Gemeinde. Seinen jetzigen Namen gab dem Dorf die in zwei Etappen im 11. und 12. Jahrhundert erbaute Kirche St. Sulpicius, im 12. und 13. Jahrhundert war das Gotteshaus auch Maria Magdalena geweiht. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts schenkten die Adligen von Bex ihre zwischen dem Bief und der Chamberonne gelegenen Güter der Benediktinerabtei Molesme (Burgund). Zwischen 1105 und 1111 genehmigte der Bischof von Lausanne Giroldus de Faucigny die Gründung eines kleinen Priorats in Saint-Sulpice und bestätigte diese Schenkungen, die er zudem durch die Kirche, den Zehnten und diverse Abgaben ergänzte. Als weitere Schenkungen folgten 1135 die Kapelle von Ecublens (VD), 1156 die Kirche von Préverenges, jene von Blonay, wo ein Priorat erbaut und vor 1221 mit demjenigen von Saint-Sulpice vereinigt wurde, sowie Ländereien in Saint-Saphorin-sur-Morges, Denges und Bremblens. Der Prior von Saint-Sulpice wurde durch den Abt von Molesme ernannt. 1430 erhielt er vom Generalkapitel die Erlaubnis, seinen Eigenleuten die Befreiung durch Ablösung von Telle und Todfall zu ermöglichen. Nach 1456 wurde das Priorat durch Kommendatarpriore beaufsichtigt, die sich in Saint-Sulpice wiederum durch Verwalter vertreten liessen. Die Prioratskirche diente nach 1228 ebenfalls als Pfarrkirche, nach der Reformation wurde sie Filialkirche von Ecublens. 1536 säkularisierte Bern die Niederlassung; deren Güter fielen an die Stadt Lausanne, welche die Klosterbauten in einen Landwirtschaftsbetrieb – den man oft Seigneurie de Saint-Sulpice (Herrschaft Saint-Sulpice) nannte – umwandelte und an diverse Notabeln von Lausanne verpachtete.
Saint-Sulpice gehörte 1536-1798 zur bernischen Vogtei Lausanne, 1798-2006 zum Bezirk Morges. Die ersten Register der Gemeindeverwaltung gehen auf das Jahr 1740 zurück, das heutige Gemeindehaus stammt von 1818. Die Société pour la conservation et la restauration de l'église romane wurde 1888 ins Leben gerufen. In der Nähe der ab 1402 belegten Mühle an der Venoge gab es eine Papiermanufaktur, die um 1632 geschlossen wurde. 1813 entstand dort eine Tuchfabrik, die bis in die 1930er Jahre in Betrieb war. 1958 bezog das Lötmittelunternehmen Castolin (heute Messer Eutectic Castolin Switzerland SA) seine Gebäude in En Champigny. Nach 1900 wurden die ersten Villen im Quartier Les Pierrettes erstellt. Das bescheidene Landwirtschafts-, Weinbau- und Fischerdorf Saint-Sulpice hat eine Bevölkerungsexplosion erlebt, denn die Nähe Lausannes, der 1964 erstellten A1 und des Campus von Universität und ETH Lausanne haben zahlreiche Bewohner angelockt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist Saint-Sulpice eine wohlhabende Wohngemeinde mit etwas Industrie, Handwerk, Handel und Tourismus. 2000 waren mehr als vier Fünftel der Berufstätigen Pendler.
Quellen und Literatur
- G. Kaenel, Recherches sur la période de La Tène en Suisse occidentale, 1990
- R. Marti, Das frühma. Gräberfeld von Saint-Sulpice VD, 1990
- P. Bissegger, Eglise de Saint-Sulpice, 1982
- HS III/1, 1471-1486