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SidersGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Wallis, Hauptort des gleichnamigen Bezirks, im mittleren Rhonetal am rechten Flussufer gelegen, bestehend aus der Stadt Siders und den Dörfern Granges (1972 Fusion), Noës und Muraz sowie Quartieren, Hügeln und Weilern (Gerunden, Plantzette, Le Vieux-Sierre, Le Bourg, Glarey, Borzuat, Zervettaz, Villa d'en Bas bzw. d'en Haut, Sous Géronde, Cuchon, Monderèche). Der Bergbach Raspille im Osten bildete zu Beginn des 21. Jahrhunderts die deutsch-französische Sprachgrenze. Um 800 Sidrium (Abschrift aus dem 12. Jh. mit Bezug auf 515), 1179 Sirro, 1393 Syder; französisch Sierre. 1802 724 Einwohner; 1850 875; 1900 1833; 1950 7161 (ohne Granges), 2000 14'317 (mit Granges), davon 74,8% Französischsprachige, 12,6% Deutschsprachige.

Urgeschichte und Antike

Das Gemeindegebiet wurde schon früh begangen und besiedelt, insbesondere der Hügel Gerunden, wo Gegenstände und Grabbeigaben aus dem Neolithikum (geschliffene Steinaxt), aus der Bronzezeit (Waffen, Schmuck), aus der jüngeren Eisenzeit ("Walliser" Beinreifen), aus der Römerzeit (Inschriften, Gefässe, Schmuck, Münzen) und aus dem Frühmittelalter (Topf aus Speckstein, goldener Siegelring des Graifarius aus dem 6. Jh.?) gefunden wurden. Auf den Hügeln Crête-Plane, Piney, Plantzette und Goubing sowie am Südhang mit den Quartieren Liddes, der Kapelle Saint-Ginier, des Schlosses Villa, der Kirche Sainte-Croix, Les Grands-Prés, Muraz, Glarey und Les Bernunes wurde ebenfalls umfangreiches, teilweise aus Gräbern stammendes Fundmaterial entdeckt, das von der Bronzezeit bis zur karolingischen Epoche datiert. In Les Grands-Prés ist eine erste Siedlung (Feuerstelle) vom Beginn der jüngeren Eisenzeit (5.-6. Jh. v.Chr.) bezeugt. Mauerreste aus römischer Zeit wurden unter der Kapelle Saint-Ginier (villa?), beim Schloss Villa, bei der Kirche Sainte-Croix (kleines, terrassenartig angelegtes Thermalbad, am Hang darüber Werkstätten), in Les Grands-Prés bei Muraz (villa?) und in Gerunden gefunden, wo mit Strebepfeilern verstärktes Mauerwerk auf ein öffentliches Gebäude hindeutet. Es scheint keinen eigentlichen Ortskern gegeben zu haben, sondern vielmehr eine in günstiger Umgebung entstandene Gruppierung von separaten Behausungen, in denen Vertreter der Oberschicht wohnten, wie die freigelegten Inschriften zeigen (zwei Altäre, wovon einer Merkur geweiht war, sowie fünf in Saint-Ginier, in der Kirche von Marais, in Goubing und Gerunden erhaltene Epitaphe). In Siders residierten in der frühen Kaiserzeit Caius Cominus Chius, duumvir oder Bürgermeister der Civitas Vallensium, und in der späten Kaiserzeit die Familie der dem Senatorenstand angehörenden Vinelia Modestina. Die Kapelle Saint-Félix wurde im 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts auf dem Hügel Gerunden gebaut.

Gemeinde

Der Hof (curtis) wurde 515 vom Burgunderkönig Sigismund der Abtei Saint-Maurice zu Lehen gegeben. Ab dem 11. Jahrhundert war Siders eine Herrschaft des Bischofs von Sitten, der sie durch Viztume und Meier, ab 1293 durch Kastlane verwalten liess. Die Adelsfamilien und die Bevölkerung bewohnten die Hügel Gerunden, Le Vieux-Sierre und Plantzette. Auf jedem dieser Hügel befand sich eine Burg, die den Viztumen und Meiern als Wohnsitz und der Bevölkerung als Zufluchtsort diente. Die Burgen wurden Mitte des 14. Jahrhunderts geschleift, als die Adelsfamilien mit dem Bischof von Sitten und die Oberwalliser Zenden mit den Grafen von Savoyen im Krieg standen. Die zerstörten Orte wurden verlassen und die meisten Bewohner, die Adligen und die bischöflichen Beamten siedelten sich weiter nördlich, in Plan-Sierre, an. Nur das Schloss Goubing südöstlich von Siders, das den Herren von Granges gehörte, überdauerte die Kriegswirren des 14. Jahrhunderts.

Ansicht des Städtchens Siders von Süden mit den Reben und Obstgärten. Lavierte Federzeichnung des Baslers Emil Wick, um 1865 (Universitätsbibliothek Basel, AN VI 50 Beilage 2, Fol. 80r).
Ansicht des Städtchens Siders von Süden mit den Reben und Obstgärten. Lavierte Federzeichnung des Baslers Emil Wick, um 1865 (Universitätsbibliothek Basel, AN VI 50 Beilage 2, Fol. 80r). […]

Die Contrée Siders war ursprünglich ein Zusammenschluss von Allmendgenossen. Die meisten von ihnen waren dem Bischof von Sitten unterstellt und hatten von diesem das Recht erhalten, sich zweimal jährlich zu versammeln, um die Verwaltung ihrer Allmenden und Angelegenheiten der örtlichen Polizei zu regeln. Im 14. und 15. Jahrhundert nahm diese Genossenschaft eine politische Dimension an, indem sie sich an der Verwaltung des Landes beteiligte und das Recht erlangte, ihren eigenen Richter und Verwalter, den Kastlan, zu wählen. Die aus der bischöflichen Herrschaft Siders hervorgegangene Noble Contrée (Grossgemeinde) bildete den Kern des Zenden Siders, von dem die spätere Stadt Siders das untere Drittel Plan-Sierre ausmachte. Plan-Sierre übernahm bald die Führungsrolle in der Noble Contrée. Bis 1798 wurde die Noble Contrée durch die Versammlung der Dorfvertreter unter der Leitung des Grosskastlans verwaltet. 1559 wurde Plan-Sierre in die vier Quartiere Villa, Monderèche, La Salla und Glarey unterteilt. 1620 liess es ein Gemeindehaus erbauen.

Nach 1848 wurden die einzelnen Dörfer der Noble Contrée zu politischen, von der Walliser Kantonsverfassung anerkannten Gemeinden. Siders wurde Hauptort des Zenden bzw. des Bezirks. Durch die Schaffung der politischen Gemeinden wurde die Noble Contrée zur Grossburgerschaft und in den Rang einer Wirtschaftsgemeinschaft zurückgestuft, von der sich Siders 1914 trennte. Als Hauptort des Zenden Siders kämpfte Siders 1798 und 1799 mit den anderen Zenden gegen die Franzosen. 1799 wurde Siders von französischen und waadtländischen Truppen besetzt. Die Franzosen richteten in Siders ihr Hauptquartier ein. In den Auseinandersetzungen zwischen den Oberwalliser Konservativen und den Unterwalliser Freisinnigen diente Siders Ersteren 1839-1840 als Regierungssitz. Seit 1848 zählt der Gemeinderat (Exekutive) neun Mitglieder, der Generalrat (Legislative) 60. Das Parteienspektrum erweiterte sich, als zu den Konservativen (heute Christdemokraten) 1913 die Freisinnigen, 1945 die Sozialdemokraten und 2004 die Grünen hinzukamen. 2007 wurde die Agglomeration Siders/Crans-Montana geschaffen, um die gemeinsamen Probleme, vor allem im Bereich des Tourismus und der Mobilität, zu bewältigen.

Siders ist eine der ältesten Pfarreien der Diözese Sitten. Die frühesten Spuren der Pfarrkirche Saint-Martin auf dem Hügel Gerunden reichen in die Mitte oder die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts zurück. 1331 wurde das Pfarreizentrum in die Kapelle Notre-Dame du Marais in Plan-Sierre verlegt. Einige Jahre nach der Aufhebung der Pfarrei Villa wurde 1687 die heutige Pfarrkirche Sainte-Catherine geweiht. Die Zunahme der Wohnbevölkerung führte 1968 zur Gründung der Pfarrei Sainte-Croix, 1981 zu jener vom Heiligen Geist (deutschsprachig). Die reformierte Kirche wurde 1904 errichtet.

Tourismusplakat, gestaltet von dem aus Siders stammenden Künstler Edmond Bille, 1936 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Tourismusplakat, gestaltet von dem aus Siders stammenden Künstler Edmond Bille, 1936 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Obwohl im 19. Jahrhundert zahlreiche Offiziere aus fremden Diensten in die Heimat zurückkehrten, bewahrte Siders seinen Charakter als vorwiegend von der Landwirtschaft und vom Weinbau geprägte Gemeinde. 1931 wurde die Rebbaugenossenschaft gegründet. Einen Aufschwung erfuhr Siders nach dem Anschluss an die Eisenbahn 1868, dem Ausbau der Verkehrsverbindungen und der Melioration der Rhoneebene, bei der unter anderem ein Seitenarm der Rhone als Gerundensee abgetrennt wurde. Der Ausbau der touristischen Infrastruktur, zum Beispiel die Bergbahn Siders-Montana Vermala 1908, die Inbetriebnahme der Aluminiumfabrik in Chippis 1908 sowie der Walzwerke in Siders 1929 führten zu einem raschen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum, das durch die Autobahn A9 1996 zusätzlich begünstigt wurde. Mit der Eröffnung der Gewerbe- und Handelsschule 1928, des Walliser Zentrums für Tourismusausbildung 1983 (heute Schweizerische Tourismusfachschule), der Walliser Schule für Gestaltung 1997 und der Fachhochschule Westschweiz Wallis 2002 entwickelte sich Siders zu einem bedeutenden Schulungszentrum. Dank seines Klimas ("Siders – Stadt der Sonne") und seiner Lage zog Siders zahlreiche Maler (Edmond Bille, Charles-Clos Olsommer), Schriftsteller (Rainer Maria Rilke, Charles Ferdinand Ramuz, S. Corinna Bille und Maurice Chappaz), Musiker (Jean Dätwyler) sowie die Lausanner Familie Mercier (Schloss Mercier von 1908, seit 1991 im Besitz des Kantons) an.

Quellen und Literatur

Urgeschichte und Antike
  • M.-R. Sauter, «Préhistoire du Valais», in Vallesia 5, 1950, 138-141; 10, 1955, 25-27; 15, 1960, 273 f.
  • O. Paccolat, «Sierre et sa région», in Vallis Poenina, Ausstellungskat. Sitten, 1998, 191-193
Gemeinde
  • O. Conne, La contrée de Sierre: 1302-1914, 1991
  • F.-O. Dubuis, A. Lugon, «Les premiers siècles d'un diocèse alpin», in Vallesia 50, 1995, 148-155
  • F. Huot, «Le destin religieux de la colline de Géronde», in Ann. val., 2003, 113-128
  • J.-H. Papilloud, 1908 Sierre, 2008
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Francois Wiblé; David Rey: "Siders (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.05.2013, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/002794/2013-05-02/, konsultiert am 13.04.2024.