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PruntrutGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Jura, Hauptort des Bezirks Pruntrut, im Tafeljura im Tal der Allaine gelegen. 1136 Purrentru; französisch Porrentruy. 1380 ca. 1400 Einwohner; um 1480 1000; um 1540 1600; 1770 2408; 1809 2355; 1818 1896; 1850 2280; 1900 6959; 1950 6523; 2000 6753; 2010 6687. Frankophone Stadt mit einer im 20. Jahrhundert schwindenden deutschsprachigen Minderheit (1888 14%; 1970 7%; 2000 2,9%). Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum der Ajoie, Knotenpunkt der Verkehrswege Basel-Besançon und Bern-Paris via Belfort. 1528-1792 Residenzstadt des Fürstbischofs von Basel (Fürstbistum Basel), 1793-1800 Hauptort des französischen Departements Mont-Terrible, 1800-1814 Unterpräfektur des Departements Haut-Rhin, 1815 Hauptort des bernischen Oberamts Pruntrut, 1831-1978 des Amtsbezirks. Seit der Gründung von Republik und Kanton Jura 1979 Sitz mehrerer kantonaler Institutionen.

Pruntrut (Gemeinde): Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.
Pruntrut (Gemeinde): Situationskarte 2020 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2020 HLS.

Frühgeschichte bis Frühmittelalter

Erste menschliche Spur ist ein mesolithisches Werkzeug, das im Hinterhof des Hôtel-Dieu zum Vorschein kam. Weitere Einzelfunde stammen aus dem Neolithikum, der Spätbronzezeit und der Eisenzeit. In Richtung Alle wurde ein über ein Kilometer langes Stück einer Römerstrasse mit einer Station aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. ausgegraben, das ein Teil der Verbindung Augst-Mandeure (Epomanduodurum) war. Diese Strasse führte durch das Elsass und das Tal der Allaine, wobei in Pruntrut eine Strasse nach Besançon via Damvant abzweigte. Bei En Solier wurde 1983 ein gallorömisches Heiligtum (fanum) entdeckt. Laut verschiedenen Indizien dürfte sich am Ort der späteren mittelalterlichen Stadt eine gallorömische Siedlung befunden haben. Im Hinterhof des Hôtel-Dieu traten zudem verkohlte Überreste eines Baus aus dem 10. oder 11. Jahrhundert zutage.

Mittelalter und Ancien Régime

Vom Burgflecken zur Bischofsresidenz

Die erste Siedlung entstand im Frühmittelalter in der Umgebung der 1140 erwähnten Kirche Saint-Germain. Die Grafen von Pfirt, denen Pruntrut gehörte, bauten an einem leicht zu befestigenden Standort eine Burg und machten Pruntrut zum Hauptort der Herrschaft Ajoie. Eine Siedlung (heute Faubourg de France) entstand am Fuss der Burg, eine andere südlich auf dem gegenüberliegenden Hügel. Die wohl vor 1283 errichtete Stadtmauer umfasste beide Siedlungen, nicht aber die Pfarrkirche Saint-Germain.

1236 verpfändeten die Grafen von Pfirt Pruntrut den Grafen von Montbéliard, traten ihre Rechte über die Ajoie aber 1281 dem Bischof von Basel ab. Der Graf von Montbéliard weigerte sich, Pruntrut herauszugeben, worauf Bischof Heinrich von Isny die Unterstützung König Rudolfs I. von Habsburg erbat. Nach sechswöchiger Belagerung durch die königlichen Truppen übergab der Graf die Stadt. Der König stellte dem Bischof von Basel am 20. April 1283 einen Freibrief für Pruntrut aus, dessen weltlicher Herr dieser wurde.

Diese sehr kurze Urkunde gewährte den Einwohnern von Pruntrut gleiche Rechte und Freiheiten wie den Bürgern Colmars 1278 und einen wöchentlichen Markt am Donnerstag. Das angewandte Recht beruhte auf lokalem Gewohnheitsrecht und wurde später in Mandaten niedergeschrieben, zum Beispiel in den Polizeiordonnanzen von 1547 und 1598. Die Gerichtsrechte bildeten die Grundlage für die Entstehung weiterer Institutionen. Der Gemeindeverwaltung stand ein Rat mit neun Mitgliedern vor, von denen sechs von der Burgergemeinde gewählt wurden, darunter der Bürgermeister und der Unterprior (conforteur) als dessen Stellvertreter. Zwei weitere Ratsmitglieder waren Adlige und der Fürstbischof ernannte als neuntes Ratsmitglied den Schultheiss aus den Reihen der Burger. Die Vertreter der Burgergemeinde wechselten sich in drei Gruppen zu sechs Mitgliedern jährlich ab (ab dem 15. Jahrhundert kooptiert).

Ende des 13. Jahrhunderts verloren die Montbéliard gegenüber dem Fürstbischof und der Stadt Basel an Einfluss. Der Fürstbischof erhielt die Rechte der Kastvogtei und stellte das Gerichts- und Verwaltungspersonal. Die Stadt Basel machte im Einzugsgebiet des Wochenmarkts ihren monetären und wirtschaftlichen Einfluss geltend. 1386-1461 waren Pruntrut und die Ajoie erneut an die Grafen von Montbéliard verpfändet, die die bestehenden Freiheiten bestätigten und einige Steuerprivilegien gewährten. Nachdem der Fürstbischof 1528 Pruntrut als Residenzort gewählt hatte, sah sich die städtische Obrigkeit mit einem modernen Staat konfrontiert, der die Stadtprivilegien in Frage stellte. Der Wunsch nach einer grösseren Gemeindeautonomie äusserte sich im Teilerfolg der Reformation 1555-1580, die Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee aber wieder zerschlug. In den folgenden Jahrhunderten erweiterte der Fürstbischof seine Herrschaft über die Stadt, indem er schrittweise das Schul- und Kirchenwesen sowie die Armenfürsorge übernahm. Der Widerstand der Stadtbürger unter Jean Georges Bruat und Pierre François Choullat in den Landestroublen 1730-1740 wurde unterdrückt.

Entwicklung des Stadtbilds

Gouache von David Alois Schmid, um 1845 (Musée de l'Hôtel-Dieu, Pruntrut; Fotografie Jacques Bélat).
Gouache von David Alois Schmid, um 1845 (Musée de l'Hôtel-Dieu, Pruntrut; Fotografie Jacques Bélat). […]

Der obere, südliche Teil der mittelalterlichen Stadt wurde vom Ende des 13. bis zum 18. Jahrhundert durch den Bau der späteren Pfarrkirche Saint-Pierre (1321-1333) und die Anlage des Jesuitenkollegiums (um 1600) mit Kloster, kleinem Seminar und Kirche Mariä Himmelfahrt tiefgreifend umgestaltet. 1716 entstand das grosse Seminar und 1760 die theologische Fakultät mit einer Pagenschule für junge Adlige, die später in den Dienst des Fürstbischofs traten. Die Altstadt ist spätgotisch geprägt und die beiden monumentalen Brunnen der Venner und der Samariterin wurden um 1560 im Renaissancestil erbaut. Pruntrut verdankt seine in der Schweiz einzigartige Stellung als barocke Fürstenresidenz dem Umbau zahlreicher Bürgerhäuser und der Errichtung bemerkenswerter Gebäude im 18. Jahrhundert, etwa des Rathauses, des Hôtel-Dieu und des Hôtel des Halles, Werke des Architekten Pierre-François Paris, des Hôtel de Gléresse und der Villa Reinach. Ende des 18. Jahrhunderts zählte Pruntrut fünf Stadttore, von denen heute lediglich die zwei des Faubourg de France noch existieren. Abgesehen vom Faubourg Saint-Germain wuchs die Stadt bis ins 19. Jahrhundert nicht über ihre Mauern hinaus. Das Schloss, das im Norden über der Stadt thront, enthält Bauelemente vom 13. bis Anfang des 18. Jahrhunderts.

Wirtschaft und Gewerbe

Dank des Wochenmarkts und der Messen, die dreimal jährlich, später monatlich stattfanden, entwickelte sich der Verwaltungshauptort Pruntrut auch zum Handelszentrum der Ajoie. Die Einwohnerzahl stieg von etwa 1600 um 1540 auf 2408 gemäss Bevölkerungszählung von 1770, mit 1743 Einwohnern in der Stadt und 665 am Bischofshof. Ab dem 15. Jahrhundert fusste die lokale Gesellschaft auf vier Zünften der Weber, Bauern, Schuhmacher und Kaufleute, die auch die Rolle geistlicher Bruderschaften übernahmen. Die Niederlassung des Hofs und des fürstlichen Verwaltungszentrums ab 1528 sowie die Einrichtung des Kollegiums und mehrerer geistlicher Institutionen förderten die lokale Wirtschaft. Sie begünstigten im 18. Jahrhundert zudem die Entstehung eines Bürgertums aus Juristen, die meist im Dienst des Fürstbischofs tätig waren. Dieses trat neben den bischöflichen Adel, der vor allem aus dem Elsass und aus Freiburg im Breisgau stammte.

Geistliche und soziale Institutionen

Die Pfarrei Pruntrut ist seit 1140 bezeugt, ihr Kollator war der Erzbischof von Besançon. Dieser blieb das geistliche Oberhaupt von Pruntrut und von der Ajoie, bis die Pfarrei 1781 der Diözese Basel zugeteilt wurde. Saint-Germain war die erste Pfarrkirche; der Bau aus dem 11. Jahrhundert wurde Anfang des 13. Jahrhunderts durch ein neues Gotteshaus ersetzt, das später mehrere Umgestaltungen erfuhr. Die 1349 geweihte Kirche Saint-Pierre wurde 1475 Pfarrkirche. Ihre gotische Kapelle Saint-Michel, zwischen 1450 und 1487 an der Südseite des Schiffs erbaut, diente dem 1377 gegründeten Chorherrenstift Saint-Michel. Neben den Jesuiten (Kollegium ab 1591 von Blarer eingerichtet) liessen sich mit den Ursulinerinnen (1619), den Annuntiatinnen (1646 dauerhaft etabliert) und den Kapuzinern (1663) weitere Orden in der Stadt nieder. Um 1650 bauten die Bürger im Osten der Stadt die Kapelle Notre-Dame-de-Lorette, die noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Wallfahrtsort besucht wurde. Ebenfalls 1591 eröffnete Blarer eine Druckerei, die Schul- und Unterweisungsbücher im Sinn der Katholischen Reform herausgab. Im 18. Jahrhundert bildeten das Kollegium mit Bibliothek und Theater sowie der Bischofshof für Musik die kulturellen Zentren von Stadt und Region. Im selben Jahrhundert ersetzte die Bürgerschaft das alte Spital von 1406 durch das Hôtel-Dieu.

19. und 20. Jahrhundert

Unter französischer Herrschaft

Modell der Bastille aus Originalsteinen und Gips von Pierre-François Palloy, um 1793 (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen).
Modell der Bastille aus Originalsteinen und Gips von Pierre-François Palloy, um 1793 (Bernisches Historisches Museum; Fotografie Stefan Rebsamen). […]

Nicht die Revolutionäre des Comité de la Commune de Porrentruy, das sich am 20. Juli 1790 konstituiert hatte, sondern die Truppen des revolutionären Frankreich vertrieben am 27. April 1792 den Fürstbischof aus seiner Residenz. Im Herbst triumphierte in Pruntrut die Revolution mit Hilfe des opportunistischen, moderaten Flügels des Pruntruter Bürgertums. Am 23. März 1793 stimmte die Nationalversammlung der Raurachischen Republik auf Druck der Pariser Gesandten für den Anschluss des Pays de Porrentruy (Ajoie) an Frankreich. Die Stadt wurde Hauptort des Departements Mont-Terrible. 1800 wurde dieses dem Departement Haut-Rhin einverleibt und Pruntrut erhielt den Status einer Unterpräfektur. Der maire (Stadtpräsident), sein Adjunkt sowie ein Rat aus zehn Mitgliedern, die der Präfekt von Colmar ernannte, leiteten die Gemeindeverwaltung. 1794 wurde das ehemalige Kollegium in die Zentralschule von Mont-Terrible umgewandelt; unter dem Consulat war es kommunale Sekundarschule und im Empire ein Gymnasium. Nachdem die in Frankreich einmarschierten Alliierten am 24. Dezember 1813 Pruntrut erreicht hatten, waren sich die Pruntruter über die Zukunft des ehemaligen Fürstbistums uneinig: Die bischöfliche Partei erstrebte die Rückkehr des Fürstbischofs an die Spitze eines Schweizer Kantons, während die französische Partei die bestehenden politischen und sozialen Verhältnisse beibehalten wollte.

Von der Berner Herrschaft zum Kanton Jura

Nach dem Anschluss der südlichen Gebiete des Fürstbistums Basel an den Kanton Bern 1815 (Vereinigungsurkunden) wurde Pruntrut Hauptort des Oberamts Pruntrut, nach 1831 des Amtsbezirks. 1817 wurde die Bürgergemeinde (1817 52% der Einwohner; 1910 27%) und damit auch die politische Ungleichheit zwischen Bürgern und Einwohnern wieder eingeführt. Die liberale Berner Verfassung von 1831 gewährte mit der Schaffung der Einwohnergemeinden allen ansässigen Schweizer Bürgern gleiche Rechte. Bis zur Aufteilung der Allmenden 1865 führte diese duale Struktur zu Zwist zwischen der Bürger- und der Einwohnergemeinde. Seit 1916 besteht der im Proporz gewählte Gemeinderat aus dem Stadtpräsidenten und acht Ratsmitgliedern. 1972 ersetzte ein Stadtrat mit 41 Mitgliedern die Gemeindeversammlung. Seit der Schaffung des Kantons Jura 1979 ist Pruntrut Sitz des Kantonsgerichts und der wichtigsten Bildungs- und Kulturinstitutionen.

In den 1830er Jahren war Pruntrut ein Herd des jurassischen Liberalismus. Das politische Leben war im 19. Jahrhundert von den schweren Konflikten zwischen Liberal-Radikalen und Katholisch-Konservativen um das Verhältnis von Kirche und Staat geprägt, die in der Absetzung von Joseph Trouillat als Stadtpräsident 1860 und im Kulturkampf der 1870er Jahre gipfelten. Beide Lager verteidigten ihre Positionen in der Presse: Die Liberal-Radikalen schrieben in den Blättern Helvétie (1832-1848), Le Jura (1850-1970) und im Delsberger Le Démocrate (1877-1993), die Katholisch-Konservativen in verschiedenen Zeitungen, bevor sie sich mit Le Pays (1873-1993) ein permanentes Sprachrohr schufen. 1860-1972 stellten die Radikalen den Stadtpräsidenten und meistens auch die Mehrheit im Gemeinderat. Die Opposition zwischen den «roten» Radikalen und den «schwarzen» Katholisch-Konservativen tat der Verteidigung gemeinsamer jurassischer Interessen und Identität im Kanton Bern keinen Abbruch (französische Gesetzgebung, Bürgerschaft, Eisenbahn). Im 20. Jahrhundert näherten sich die beiden traditionellen Parteien einander an, teilweise wegen der ab 1912 zu verzeichnenden Sitzgewinne der Sozialdemokraten im Gemeinderat. 2005-2008 setzte sich der Gemeinderat aus vier CVP-Mitgliedern (darunter dem Stadtpräsidenten), zwei Freisinnigen, zwei Sozialdemokraten und einem unabhängigen Christlich-Sozialen zusammen.

Wirtschaft und Gesellschaft

Nach 1815 befand sich Pruntrut in einer schwierigen wirtschaftsgeografischen Lage: Das kleine politische, administrative und wirtschaftliche Zentrum der Ajoie war durch die neue Landesgrenze von seinem französischen Hinterland und durch die Hügelkette von Les Rangiers vom restlichen Jura und von der Schweiz abgeschnitten. Vertreter aus Politik und Wirtschaft versuchten ab 1830, die Ajoie mittels eines Ausbaus der Strassenverbindungen zur übrigen Schweiz (Tunnelprojekte unter dem Mont-Terri) aus ihrer Isolierung zu holen, etwa ab 1842 auch mittels eines Anschlusses ans schweizerische und französische Eisenbahnnetz. Die Eröffnung der Linie Pruntrut-Delle 1872 verband die Stadt mit den Chemins de fers de l'Est und mit Paris. Nachdem Deutschland 1871 das Elsass annektiert hatte, wurde die Stadt 1877 dank der Linie Pruntrut-Delsberg zum schweizerischen Anschlussbahnhof für den französischen Nord-Süd-Verkehr (Calais-Paris-Basel, Bern-Mailand). Die kurze, 1901 eröffnete Strecke Pruntrut-Bonfol wurde 1910 mit der Erweiterung bis Pfetterhausen ans elsässische Bahnnetz angeschlossen. 1913 war Pruntrut der viertgrösste Güterbahnhof der Schweiz. Nach der Wiederangliederung des Elsass an Frankreich 1918 und dem Rückgang der Schiene gegenüber Automobil und Flugzeug verlor die französisch-schweizerische Bahnstrecke über Belfort an Bedeutung und wurde 1992 geschlossen. 1998 verband die Autobahn A16 (Transjurane) Pruntrut mit Delsberg. Der Flugplatz Pruntrut-Courtedoux ist seit 1947 in Betrieb. Seit 2004 ist Pruntrut durch die Basler S-Bahn und den lokalen Transport urbain bruntrutain erschlossen.

1842 wurde auf Initiative des Regierungsstatthalters Henri-Joseph Choffat im Armenhospiz des Schlosses eine Lehrwerkstätte für Uhrmacher eröffnet. Die Uhrmacherei entwickelte sich rasch: 1870 zählte Pruntrut rund 60 Betriebe. 1884 entstand eine Uhrmacherschule, 1887 ein Büro für Edelmetallkontrolle. 1889 beschäftigte die Uhrenindustrie von der Herstellung von Einzelteilen bis zum Endprodukt mit 750 Personen mehr als die Hälfte der im 2. Sektor Tätigen, während der Rest in Brauereien sowie in Schuh- und Kleiderfabriken arbeitete. Auch im 20. Jahrhundert blieb die Uhrenindustrie der wichtigste Industriezweig. Nach der Restrukturierung der Uhrenindustrie und dem Einbruch der Schuh- und Bekleidungsindustrie nahm der 2. Sektor ab 1975 gegenüber dem 3. (2005 68% der Stellen) trotz der Ansiedlung neuer Unternehmen (Möbel-, Elektroöfenherstellung, Bauwesen) und des Einsatzes der Association de développement économique du district de Porrentruy stetig ab. Dennoch ist Pruntrut weiterhin wirtschaftlich attraktiv: Die Bilanz der Pendler aus der Ajoie und aus dem nahen Ausland ist positiv (2000 ca. 700 Wegpendler und 3387 Zupendler).

Die Zunahme des Schienenverkehrs und die industrielle Entwicklung führten zu einer regen Bautätigkeit östlich und westlich der Stadtmauern, zwischen Stadt und Bahnhof, um das alte Handwerkerquartier Saint-Germain und entlang der Strasse nach Courtedoux. 1955-1956 wurde das neue Spital Les Minoux nahe des 1934 eröffneten Sanatoriums errichtet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand nördlich des Bahnhofs eine Industriezone und Wohnquartiere dehnten sich in alle Richtungen aus.

Kulturelles und religiöses Leben

Während der Restauration wurde der humanistische Unterricht am Kollegium mit Geistlichen, vor allem mit ehemaligen Lehrern aus Bellelay, weitergeführt. Das liberale Regime von 1831 wandelte das Institut in eine öffentliche, laizistische Sekundarschule um. Das Lehrerseminar wurde 1837 eröffnet. Im Rahmen der Neugestaltung des bernischen Erziehungswesens gewichtete die 1858 gegründete Kantonsschule (regionale Sekundarschule und jurassisches Gymnasium) die geistes- und naturwissenschaftlichen Fächer gleich stark. Die beiden konfessionell gemischten Schulen erregten Anstoss bei den Katholiken, die daraufhin mit den Schulen Sainte-Ursule und Saint-Paul für Mädchen und 1898 mit dem Collège Saint-Charles für Knaben eigene, heute noch bestehende Privatschulen gründeten. 1979 entstand aus der Kantonsschule das kantonale Gymnasium und 1982 vereinigte das Institut pédagogique jurassien die Lehrerseminare von Pruntrut und Delsberg (2001 in die Pädagogische Hochschule Bern-Jura-Neuenburg integriert). Seit 1988 befinden sich die Gewerbeschule sowie die Schule für Uhrmacherei und Mikrotechnik im Centre professionnel.

Als Gründungsort der Société jurassienne d'émulation von 1847 beherbergt Pruntrut das Archiv des ehemaligen Bistums Basel, Kantonsbibliothek und -archiv sowie das Musée de l'Hôtel-Dieu. Der 1793 abgeschaffte katholische Kultus wurde 1800 wiedereingeführt und die Pfarrei Pruntrut in die Diözese Strassburg eingegliedert, bevor sie 1815 wieder zu Basel kam. Das katholische Pfarrhaus diente in den 1830er Jahren als Treffpunkt der antiliberalen Opposition und war im Kulturkampf zeitweise vom christkatholischen Pfarrer besetzt. Seit 1998 werden die Pfarreien Pruntrut, Fontenais und Bressaucourt gemeinsam verwaltet. 1816 liess sich in Pruntrut der erste deutschsprachige reformierte Pfarrer im katholischen Teil des Juras nieder; die reformierte Kirche wurde 1891 eingeweiht. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machten die Reformierten etwa 20% der Bevölkerung aus, 2000 waren es nur noch 10%. Die kleine, 1850 gegründete jüdische Gemeinschaft, die aus dem Elsass zugezogen war, errichtete 1874 eine Synagoge. Da sie nach dem Zweiten Weltkrieg immer kleiner wurde (1888 122 Personen; 1910 84; 1930 38; 1950 30; 2000 3), wurde die Synagoge geschlossen und 1983 abgerissen.

Quellen und Literatur

  • AAEB
  • ARCJ
  • BurgerA P.
  • GemA P.
  • L. Vautrey, Notices historique sur les villes et les villages du Jura bernois 2-4, 1863-68 (Neudr. 1979)
  • E. Folletête, La paroisse de Porrentruy et son église St. Pierre, 1939
  • J.R. Suratteau, Le département du Mont-Terrible sous le régime du Directoire, 1965
  • A. Bandelier, Porrentruy, sous-préfecture du Haut-Rhin, 1980
  • P. Pégeot, Le pays de Montbéliard et la région de Porrentruy au Moyen Age, 1982
  • P. Pégeot, «Porrentruy et ses franchises», in Actes SJE, 1983, 45-57
  • P. Pégeot, «Le personnel dirigeant d'une petite ville médiévale: Porrentruy au XVe siècle», in Actes SJE, 1986, 9-23
  • M. Berthold, République et Canton du Jura, 1989, 120-150
  • Du Collège des Jésuites au Lycée cantonal, 1991
  • Guide archéologique du Jura et du Jura bernois, 1997, 104-107
  • N. Barré, Le Collège des jésuites de Porrentruy au temps de Jacques-Christophe Blarer de Wartensee, 1588-1610, 1999
  • La communauté juive dans le Jura, Ausstellungskat. Pruntrut, 2000
  • V. Hirsch, Der Hof des Basler Bf. Johannes von Venningen (1458-1478), 2004
  • P.-Y. Donzé, Formation professionnelle et développement industriel dans le district de Porrentruy, 2005

Zitiervorschlag

François Kohler: "Pruntrut (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.05.2020, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/003003/2020-05-19/, konsultiert am 28.03.2024.