23.4.1825 Zurzach, 24.2.1899 Bern, reformiert, von Zurzach. Jurist, Aargauer Regierungsrat, Ständerat sowie politisch der freisinnigen Parteifamilie nahestehender Bundesrat.
Emil Welti war das erste Kind des Jakob Friedrich Welti und der Barbara geborene Fischhaber, die anlässlich der Heirat 1824 von der katholischen zur reformierten Konfession konvertierte. Sein Vater amtierte als Gemeinderat und Bezirksgerichtspräsident von Zurzach und gehörte während Jahrzehnten dem Grossen Rat und dem Obergericht des Kantons Aargau an; sein Grossvater Abraham Welti war Mitglied der helvetischen Nationalversammlung und der Consulta gewesen. Emil Welti wuchs mit drei Schwestern und fünf Brüdern, darunter Johann Jakob Welti, in Zurzach auf. 1853 heiratete Welti Karoline Gross, die Tochter des Zurzacher Gemeinderats und Wirts Ulrich Gross; der Ehe entsprossen die Kinder Friedrich Emil und Luise Mathilde Welti.
Emil Welti besuchte die reformierte Primarschule und die Sekundarschule in Zurzach und ab 1840 das Gymnasium in Aarau, an dem er 1844 die Matura ablegte. Danach studierte er bis 1847 Rechtswissenschaften in Jena und Berlin; im gleichen Jahr eröffnete er nach bestandener Fürsprecherprüfung eine Anwaltspraxis in Zurzach. Er beteiligte sich als Freiwilliger auf Seiten der Tagsatzungsarmee am Sonderbundskrieg (Sonderbund), war aber nie in Kampfhandlungen verwickelt. Im Auftrag der Aargauer Regierung war er im Herbst 1848 als Aktuar der Untersuchungsbehörde gegen den Sonderbundskriegsrat tätig.
Weltis politische Laufbahn verlief steil: 1852 wurde er vom Grossen Rat des Kantons Aargau zum Präsidenten des Bezirksgerichts Zurzach gewählt. 1856 gelang ihm die Wahl in den Grossrat. Schon kurz darauf wurde er zum siebten Mitglied der Aargauer Kantonsregierung ernannt. Während seiner zehnjährigen Regierungszeit war er dreimal Landammann (1858-1859, 1862-1863 und 1866). In seine Amtszeit als Justizdirektor (1856-1862) fielen die Einführung eines neuen Strafgesetzes und einer neuen Strafprozessordnung sowie der Bau der Strafanstalt Lenzburg (Strafrecht). Die rechtliche Gleichstellung der aargauischen Juden, für die sich Welti engagiert hatte, liess sich vorerst nicht vollumfänglich realisieren. Als Erziehungsdirektor (1862-1866) verantwortete Welti ein neues Schulgesetz, welches den Schulunterricht für alle Sieben- bis Fünfzehnjährigen für obligatorisch erklärte und die Lehrer besser besoldete (Schulwesen). Parallel zu seinem politischen Aufstieg machte Welti auch im Militär Karriere. 1854 wurde er Oberleutnant, 1856 Hauptmann, 1858 Major der Infanterie und 1860 Bataillonskommandant im Dienst des Kantons Aargau. Als Oberstleutnant trat er 1861 in den eidgenössischen Generalstab ein, 1866 wurde er zum eidgenössischen Oberst befördert.
1857-1866 vertrat Welti seinen Kanton im Ständerat (Bundesversammlung), den er 1860 und 1866 präsidierte. Er verstand sich zeitlebens bestens mit Vertretern aller politischen Richtungen. Als Militär- und Aussenpolitiker, der sich auch in Budget- und Rekursfragen auskannte, machte er sich schnell einen Namen. Während des Savoyerhandels 1860 und der Unruhen bei den Genfer Staatsratswahlen 1864 wurde Welti jeweils als eidgenössischer Kommissär in die Calvinstadt entsandt (Bundesinterventionen).
Von 1860 an stand Welti als möglicher Bundesratskandidat zur Debatte, da radikale Kreise altgediente Magistraten in der Exekutive durch frische Kräfte ersetzen wollten. Welti war Gegenkandidat des Aargauers Friedrich Frey-Herosé, der 1848 ins erste Bundesratsgremium gewählt worden war. Während Welti bei den Bundesratswahlen 1860 noch erklärte, dass er eine eventuelle Wahl nicht annehmen würde, trat er 1863 gegen Frey-Herosé an, verlor die Wahl im vierten Wahlgang aber knapp. 1866 erklärte Frey-Herosé seinen Rücktritt. Welti wurde am 8. Dezember 1866 bereits im ersten Wahlgang mit 103 Stimmen (absolutes Mehr 80) zum Bundesrat gewählt. Wilhelm Mathias Naeff und Samuel Schwarz erhielten 24 bzw. 18 Stimmen.
Welti gehörte der Landesregierung von 1867-1891 an. Er galt ab den 1870er Jahren als starker Bundesrat, der für seine Anliegen die benötigten Mehrheiten fand. 1869, 1872, 1876, 1880, 1884 und 1891 amtierte er als Bundespräsident. Da dessen Wahl im 19. Jahrhundert noch nicht dem Anciennitätsprinzip folgte und nicht turnusmässig geregelt war, glich sie einem Popularitätstest, den Welti sechsmal für sich entschied. In den politischen Auseinandersetzungen um die Revision der Bundesverfassung (BV) 1872 und 1874 tat Welti sich als prominenter Verfechter der Zentralisierung von Armee und Recht hervor. Er lief seinem föderalistisch gesinnten Gegenspieler Jakob Dubs zunehmend den Rang ab, weshalb dieser 1872 aus dem Bundesrat zurücktrat. Im gleichzeitig stattfindenden Kulturkampf nahm Welti eine vermittelnde Position ein.
Das Militärdepartement leitete Welti bis 1875. Auf seinen Antrag hin beschloss der Bundesrat 1868 die Ausstattung der Infanterie mit dem Vetterli-Gewehr als Ordonnanzwaffe. Weltis grösste Leistung war die Umwandlung der aus den Truppenkontingenten der einzelnen Kantone zusammengesetzten Armee in ein einheitlich bewaffnetes und ausgebildetes Bundesheer. Schon 1868 hatte Welti einen entsprechenden Entwurf für eine neue Militärorganisation vorgelegt. Während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870-1871, in dem es wiederholt zu Spannungen zwischen Welti und General Hans Herzog kam, traten die Schwächen in der Landesverteidigung offen zutage, was den Forderungen nach einer Zentralisierung des Militärwesens Nachdruck verlieh. Die Annahme der neuen Bundesverfassung ermöglichte 1874 die weitgehende Realisierung von Weltis Konzeption.
1877-1891 stand Welti mit wenigen Unterbrüchen dem Post- und Telegrafendepartement vor, das 1879 in Post- und Eisenbahndepartement umbenannt wurde. 1881 führte er ein Jahr das Justiz- und Polizeidepartement; unter seiner Ägide wurde das schweizerische Obligationenrecht verabschiedet.
Welti hatte sich schon 1869 in seiner ersten Amtszeit als Bundespräsident mit der Alpenbahnfrage zu befassen. Beim Entscheid Italiens und der deutschen Staaten, den Bau der Gotthardbahn zu unterstützen, sowie dem Abschluss der entsprechenden Staatsverträge spielte er als Präsident der ersten internationalen Gotthardkonferenz eine Schlüsselrolle (Aussenpolitik). Als Mitglied der dreiköpfigen bundesrätlichen Gotthardkommission sorgte Welti auch dafür, dass der Bund und die Kantone im Gotthardunternehmen ein Mitspracherecht erhielten. 1878 trat er entschieden für dessen Nachsubventionierung durch den Bund ein und trug viel zu dessen Rettung bei.
Angesichts des ruinösen Wettbewerbs unter den Eisenbahngesellschaften und anderer Probleme verfocht Welti ab den frühen 1870er Jahren die Ansicht, dass die Eisenbahnen besser kontrolliert und allenfalls verstaatlicht werden müssten. Er unterstützte 1872 ein neues Eisenbahngesetz, auf dessen Basis die Konzessionserteilung von den Kantonen auf den Bund überging, und stellte 1883 das Rechnungswesen der Eisenbahngesellschaften unter die Aufsicht des Bundes. Als die Verhandlungen rund um den Ankauf der Schweizerischen Nordostbahn durch den Bund scheiterten, bemühte sich Welti, dessen Einflussmöglichkeiten durch den Kauf von Aktien der Eisenbahngesellschaften zu erweitern. Dem Bund gelang es, 1890-1891 Anteile der Jura-Simplon-Bahn zu erwerben, und die Führungsgremien der Schweizerischen Centralbahn willigten in den Verkauf der gesamten Centralbahn an Letzteren ein, nachdem dieser bereits die Hälfte des Aktienkapitals erworben hatte. Die Bundesversammlung genehmigte den Kauf, worauf die Gegner des Geschäfts das Referendum ergriffen. Das Volk sprach sich am 6. Dezember 1891 gegen die Verstaatlichung der Centralbahn aus. Welti erklärte noch am selben Tag den Rücktritt, weil er glaubte, in Eisenbahnangelegenheiten nichts mehr bewirken zu können. Seine Politik wurde allerdings von seinem Nachfolger Josef Zemp fortgesetzt, und Welti erlebte 1898 noch, dass die Schweizer Stimmbürger den Rückkauf der Bahnen guthiessen.
Emil Welti wurde nach seiner Demission Vizepräsident des eidgenössischen Schulrats. Er hatte sich zeitlebens für Bildung eingesetzt, sich selbst Italienisch beigebracht und wissenschaftliche Studien auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte betrieben, für die er von der Universität Zürich 1866 den Ehrendoktortitel erhalten hatte. Er war Mitgründer der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau und sprang gelegentlich dozierend beim Unterricht der alten Sprachen am Berner Gymnasium ein. 1892 reiste er im Auftrag des Bundesrats nach Madrid, um einen Handelsvertrag mit dem Königreich Spanien zu erneuern. 1860 erhielt Welti das Ehrenbürgerrecht von Genf, 1867 dasjenige von Aarau. Er galt als begnadeter Redner und wurde bereits zu Lebzeiten mit dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck verglichen. Zwei Denkmäler in Zurzach und Aarau, Briefmarken sowie nach ihm benannte Strassen in Aarau, Bern und Zürich erinnern noch heute an ihn.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Welti noch Bewunderung zuteil, ab den 1940er Jahren prägte Kritik die Erinnerungskultur. Kontrovers diskutiert werden von der historischen Forschung Weltis Rolle im Deutsch-Französischen Krieg und seine Beziehung zu Alfred Escher. Weltis politisches Netzwerk und das «System Escher» hatten in den 1870er Jahren ein starkes Machtzentrum im Bundesstaat gebildet; eine konfliktuelle Zuspitzung des Verhältnisses zwischen den beiden sich auf Augenhöhe begegnenden Leaderfiguren in Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten der Gotthard-Bahn-Gesellschaft, die 1878 den Rücktritt Eschers als deren Direktionspräsident nach sich zogen, scheint in den Quellen nicht auf. Umstritten ist zudem Weltis Rolle im Skandal um den Freitod von Lydia Welti-Escher. Die Schwiegertochter des Bundesrats hatte während ihrer Ehe eine Affäre mit dem Künstler Karl Stauffer-Bern und war mit diesem nach Rom geflohen, wo sie in einer psychiatrischen Anstalt und er in einem Gefängnis interniert wurde. Nachdem lange angenommen worden ist, Welti habe als Bundesrat Stauffers Festnahme in die Wege geleitet, belegen neue Quellenstudien, dass er die Verhaftung weder gewollt noch angestossen hat.