
2.2.1843 Plainpalais (heute Gemeinde Genf), 17.5.1902 Plainpalais, reformiert, später Freidenker, von Genf. Sohn des François, begüterten Kaufmanns und Grundbesitzers, und der Louise geborene Choisy. 1) Eugénie Bosson (1899), Tochter des Henri, 2) 1901 Augustine Lachaud, Tochter des Jean, geschieden von August Schneegans, Politiker aus dem Elsass. Georges Favon, der in konservativem Milieu aufgewachsen war, legte an der Akademie Genf eine klassische Maturität ab und studierte Jura in Heidelberg. Zunächst in konservativen politischen Kreisen tätig (1864), schloss er sich gegen 1872 den Freisinnigen an. 1875 gründete er «Le Petit Genevois» (ab 1877 Le Genevois), das Organ des volksnahen Freisinns. Bis zu seinem Tod blieb Favon Eigentümer und Redaktor der Zeitung. 1876-1902 war er Abgeordneter im Genfer Kantonsparlament, 1880-1881 Ständerat, 1881-1893 und 1894-1902 Nationalrat und 1899-1902 Genfer Regierungsrat (Erziehungswesen). Ab 1883 hielt Favon an der Universität Genf Vorlesungen über soziale Systeme.
Im Genfer Freisinn unterstützte Favon zuerst die antikatholische Politik von Antoine Carteret; später distanzierte er sich von dieser Linie und wandte sich sozialpolitischen Problemen zu. Er erstrebte eine Allianz mit den Sozialisten und warb sogar um die katholische Wählerschaft. 1889 stand er an der Spitze einer gespaltenen Kantonalpartei, die zudem in der Minderheit war. 1897 führte er sie jedoch im Bündnis mit den Sozialisten an die Macht zurück. Mit seiner epikureischen Grundhaltung widersetzte er sich dem reformierten Pietismus: Weil ihm ein heiteres, lockeres Genf vorschwebte, verteidigte er Glücksspiele und die sogenannte Maisons de tolérance (Bordelle). Auf Bundes- und Kantonsebene verfolgte er eine etatistische Politik, die beim Volk oft wenig Anklang fand. So schlug er zum Beispiel ohne Erfolg eine allgemeine Krankenversicherung und den Gewerkschaftszwang vor. In Genf bekämpfte er vergeblich die Einführung des Proporzwahlsystems, die Gemeindeabstimmung und das Gesetz über die Vereinbarkeit verschiedener politischer Ämter. Am Schulgesetz von 1886, welches das Genfer Bildungswesen modernisierte, war er hingegen massgeblich beteiligt. Als Regierungsrat baute er die Universität durch die Schaffung von Polikliniken aus; weiter liess er die Gebäude der Hochschule vergrössern und förderte die Sozialwissenschaften, die er liberalen, sozialistischen und christlichen Denkschulen öffnen wollte. Favon war Freimaurer und leitete die Loge Fidélité et Prudence. Trotz oder gerade wegen seines Charismas war er eher Tribun und Polemiker als Regierender; er verlieh dem Genfer Freisinn zwar neuen Auftrieb, indem er sein Engagement in sozialen Belangen stärkte, doch fällt seine Bilanz durchzogen aus: Erfolgen im Bildungswesen (Schule und Universität) stehen das Scheitern sozialer Anliegen, für die die Zeit noch nicht reif war, und die Unterstützung veralteter Wahlsysteme gegenüber.