19.6.1857 (nicht der 18.6.) St. Gallen, 23.7.1927 St. Gallen, reformiert, von St. Gallen. Jurist, Ständerat des Kantons St. Gallen, freisinniger Bundesrat.
Arthur Hoffmann gehörte einer Familie angesehener Advokaten und freisinniger Politiker der Stadt St. Gallen an. Sein Vater Karl Hoffmann hatte die für den Aufstieg des St. Galler Freisinns bedeutende Anwaltskanzlei seines Stiefvaters Johann Baptist Gruber übernommen und politische Karriere als liberaler Gross- und Ständerat gemacht. Er wurde 1881 in den Bundesrat gewählt, nahm die Wahl aber nicht an. Arthur Hoffmanns Mutter Sabine Elisabeth geborene Steinlin stammte aus einer alten St. Galler Bürgerfamilie; ihr Vater, der Spitalamtsverwalter Georg Leonhard Steinlin, war ebenfalls Grossrat gewesen. Arthur Hoffmann heiratete 1884 Frieda Clementine Moosherr, die Tochter des Arztes Hermann Ulrich Moosherr von St. Gallen und Bürglen (TG). Der Ehe entsprangen zwei Töchter und ein Sohn.
Nach der Matura an der Kantonsschule St. Gallen studierte Arthur Hoffmann 1876-1880 Jurisprudenz an den Universitäten Genf, München, Leipzig, Strassburg und Zürich, wo er 1880 promovierte. Im gleichen Jahr trat er in die Anwaltskanzlei seines Vaters ein und führte sie ab 1890 zunächst allein, dann zusammen mit dem späteren Nationalrat Robert Forrer. Der Familientradition gemäss engagierte sich Hoffmann politisch in der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP); er wirkte an der Schaffung von strafferen Strukturen mit und präsidierte eine Zeit lang jeweils die Stadt- und die Kantonalpartei.
Hoffmann gehörte 1886-1891 dem st.-gallischen Grossen Rat (1892, 1898 und 1904 Präsident) sowie 1889-1890 dem kantonalen Verfassungsrat an. Der Grosse Rat wählte ihn zudem 1896 in den Ständerat, in dem er den Kanton St. Gallen bis 1911 vertrat. In der kleinen Kammer, die er 1902-1903 präsidierte, trieb er vor allem die Behandlung juristischer und militärischer Geschäfte voran. Er war Berichterstatter bei der Vorlage für das von Eugen Huber redigierte und Ende 1907 angenommene Zivilgesetzbuch (ZGB), beim Bundesgesetz von 1911, welches das ZGB mit dem Obligationenrecht (OR) ergänzte, sowie beim Bundesgesetz von 1907 über die Militärorganisation (MO), das die rechtliche Grundlage für die von der Armeespitze befürwortete Reform des Militärs bildete.
Die Vereinigte Bundesversammlung wählte Hoffmann am 4. April 1911 als Nachfolger des im Amt verstorbenen Baslers Ernst Brenner in den Bundesrat. Dank der Unterstützung aller Fraktionen und des Fehlens eines Gegenkandidaten schaffte er die Wahl bereits im ersten Wahlgang mit 186 von 195 abgegebenen Stimmen. Hoffmann übernahm zunächst das Justiz- und Polizeidepartement, in dem er sich unter anderem den Massnahmen zur Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs auf den 1. Januar 1912, der weiteren Vereinheitlichung des Obligationenrechts und der – allerdings erst 2007 verwirklichten – Schaffung eines eidgenössischen Verwaltungsgerichts widmete. Bei der Neuverteilung der Departemente im Bundesrat wechselte er 1912 ins Militärdepartement. Angesichts der immer offensichtlicher werdenden Kriegsgefahr unterstützte er die stark auf Disziplin und Drill setzenden Führungs- und Ausbildungsziele der Armeespitze (Militärische Ausbildung). Ebenso machte er sich für die Umsetzung des 1902 in Kraft getretenen Militärversicherungsgesetzes stark.
In der Wintersession 1913 wählte das Parlament Hoffmann mit 180 von 185 abgegebenen Stimmen zum Bundespräsidenten. Bis dahin war es üblich gewesen, dass der Bundespräsident während seines Präsidialjahrs das Politische Departement (EPD) führte, weshalb dieses jedes Jahr einen neuen Vorsteher hatte. Infolge einer Änderung dieser Regelung durch eine Verwaltungsreform leitete Hoffmann das Politische Departement von 1914 bis 1917. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs trug sein Einsatz für Ulrich Wille massgeblich dazu bei, dass die Bundesversammlung diesen trotz Vorbehalten der lateinischen Schweiz am 3. August 1914 zum General wählte. Die dem Bundesrat vom Parlament gleichentags erteilten unbeschränkten Vollmachten erweiterten Hoffmanns aussenpolitischen Spielraum erheblich. Mit einer offiziellen Neutralitätserklärung informierte der Bundesrat die massgebenden Staaten, dass die Schweiz ihre Neutralität einhalten werde. Eloquent sprach sich Hoffmann in öffentlichen Verlautbarungen für die Befolgung einer rigorosen Neutralitätspolitik aus. Diese wurde mit humanitären Aktionen (Heimschaffung internierter Zivilpersonen aus Krieg führenden Staaten, Austausch verletzter Kriegsgefangener, Internierung pflegebedürftiger Kriegsgefangener in der Schweiz) und der Übernahme zahlreicher Schutzmachtmandate für die Krieg führenden Staaten verbunden (Gute Dienste). Auf eine offizielle, von Hoffmann aktiv geförderte Friedensnote von 1916 reagierten die Krieg führenden Staaten desinteressiert oder ablehnend.
Im Widerspruch zu seinen öffentlichen, absolute Neutralität anmahnenden Äusserungen betrieb Hoffmann eine Geheimdiplomatie mit dem Ziel, zwischen einem Staat der Entente und den Zentralmächten zu vermitteln und dadurch einen ersten Schritt hin zu einem allgemeinen Frieden zu machen. Drei solche Vermittlungsbemühungen scheiterten. Während jene vom Frühling 1916 zwischen Deutschland und französischen Oppositionellen und von Anfang 1917 zwischen Deutschland und den zum Kriegseintritt entschlossenen USA geheim blieben, wurde Hoffmanns dritter Versuch, zusammen mit Robert Grimm auf einen Separatfrieden zwischen Deutschland und Russland hinzuwirken, publik (Grimm-Hoffmann-Affäre). Gestützt auf Angaben der deutschen Regierung und ohne Wissen der anderen Bundesräte äusserte sich Hoffmann in einem Telegramm vom 3. Juni 1917 an den in Petrograd (St. Petersburg) weilenden Grimm über die deutschen Kriegsziele. Diese Nachricht wurde abgefangen und am 16. Juni in verfälschter Form veröffentlicht; die Ententemächte kritisierten daraufhin Hoffmanns Vorstoss umgehend als Neutralitätsbruch. Kundgebungen in der Westschweiz und im Tessin forderten von der Landesregierung die Einhaltung der in den Haager Konventionen geregelten Neutralitätsverpflichtung. Die schwierige aussenpolitische Lage entspannte sich erst, nachdem Hoffmann am 18. Juni 1917 seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gegeben und sich der Gesamtbundesrat öffentlich von Hoffmanns Vermittlungsversuch distanziert hatte. Hoffmanns Nachfolger im Bundesrat wurde der Genfer Liberale Gustave Ador.
Hoffmann kehrte nach St. Gallen zurück und eröffnete eine Anwaltskanzlei, übernahm aber keine politischen Ämter mehr. Hingegen wurde er ab 1918 Präsident des kantonalen Kassationsgerichts, der Vereinigung schweizerischer Stickereiexporteure (Stickerei) und des Hochschulrats der Handelshochschule St. Gallen. 1922-1927 erarbeitete er im Auftrag des Bundesrats den Revisionsentwurf für das OR. Hoffmann hatte zahlreiche Verwaltungsratsmandate inne, vor seiner Zeit als Bundesrat etwa bei den Vereinigten Schweizerbahnen (VSB), der Helvetia-Versicherungsanstalt und der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), nach 1917 bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und der Maschinenfabrik Oerlikon (MFO). Im Militär bekleidete er den Rang eines Obersten.
Hoffmann erschien seinen Zeitgenossen als verschlossene, reservierte Persönlichkeit. Er vertrat innerhalb seiner Partei einen für die damalige Zeit konservativen Liberalismus. Das Amt des Bundesrats trat er als hoch geachteter, mit vielen Vorschusslorbeeren bedachter Politiker an und galt bald als das dominierende Mitglied des Kollegiums. Umso mehr schlug bei seiner Demission der Respekt in Anfeindung um. Vor allem die lateinische Schweiz warf ihm Deutschfreundlichkeit vor, die sich aber in dem für das deutschschweizerische Bürgertum damals üblichen Rahmen bewegte. Hinter Hoffmanns Vermittlungsbemühungen stand seine Beunruhigung über die sich dramatisch verschlechternde Versorgung der Schweiz mit lebensnotwendigen Gütern. Angesichts dieser Lage postulierte Hoffmann ein «Notrecht nach Frieden» und ein «Recht auf Frieden», das den neutralen Staat berechtige, sich selbstständig um Frieden zu bemühen. Diesen Überlegungen folgend, suchte er aktiv die Rolle des Friedensvermittlers, liess dabei aber ausser Acht, dass sich seine Aktionen zum Vorteil der Zentralmächte ausgewirkt hätten. Wegen des Widerspruchs zwischen der öffentlich geäusserten Forderung nach strikter Neutralität und der betriebenen Geheimdiplomatie charakterisierte Paul Widmer die Aussenpolitik Hoffmanns 2017 als janusköpfig.