SchaffhausenKanton
Version vom: 11.05.2017
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
1501-1798 Ort der Eidgenossenschaft, 1798-1803 Kanton der Helvetischen Republik, seit 1803 Kanton der Eidgenossenschaft. Amtssprache ist Deutsch. Französisch Schaffhouse, italienisch Sciaffusa, romanisch Schaffusa. Hauptort ist Schaffhausen.
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Schaffhausen mit den wichtigsten Ortschaften
[…]
Schaffhausen liegt als einziger Kanton der Schweiz nördlich des Rheins. Nur der zu Stein am Rhein gehörende Teil Vor der Brugg wird im Süden nicht durch den Rhein begrenzt. Im Norden bildet der Höhenzug des Randen, ein Kalkausläufer des Juras, die Grenze zu Deutschland, im Westen der Klettgau, der als Kornkammer des Kantons gilt, vor allem aber als Weinbaugebiet national bekannt ist. Das Kantonsgebiet ist dreigeteilt in den südlichen (unteren) Kantonsteil, den Hauptteil des Kantons mit der Stadt Schaffhausen und den östlichen (oberen) Kantonsteil. Schaffhausen als Grenzkanton hat 151,8 km gemeinsame Grenze mit Deutschland, während die Grenze zu den benachbarten Kantonen Zürich und Thurgau zusammen 33,6 km ausmacht.
Struktur der Bodennutzung im Kanton Schaffhausen
Fläche (2006) | 298,5 km2 | |
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Wald / bestockte Fläche | 128,6 km2 | 43,1% |
Landwirtschaftliche Nutzfläche | 134,3 km2 | 45,0% |
Siedlungsfläche | 31,8 km2 | 10,6% |
Unproduktive Fläche | 3,8 km2 | 1,3% |
Struktur der Bodennutzung im Kanton Schaffhausen - Arealstatistik der Schweiz
Der Aufbau des Territoriums erfolgte im Wesentlichen durch den Erwerb von Herrschaftsrechten vom Spätmittelalter bis ins 16. Jahrhundert. Spätere Versuche zur Arrondierung des Herrschaftsgebiets schlugen fehl. Die Stadt Stein am Rhein und die Dörfer Hemishofen und Ramsen im oberen Kantonsteil kamen 1798 zu Schaffhausen, wie auch das bisher zürcherische Dörflingen, das mit dem Kanton Zürich 1798 gegen Ellikon am Rhein getauscht wurde. Die letzte grosse Grenzbereinigung mit Deutschland erfolgte 1967, als der Weiler Verenahof, bisher eine deutsche Enklave, an Schaffhausen gelangte. Das Dorf Büsingen vor den Toren der Stadt Schaffhausen blieb deutsch, wobei seit 1964 ein Staatsvertrag die gegenseitigen Beziehungen regelt. Die Zahl der selbstständigen Gemeinden verringerte sich 2004-2009 durch Gemeindefusionen von 34 auf 27. Im Hauptort Schaffhausen leben rund 45% der Bevölkerung.
Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Schaffhausen
a Einwohner, Nationalität: Wohnbevölkerung; Sprache, Religion: ortsanwesende Bevölkerung
b 1880 und 1900 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch
c zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig
d gemäss landwirtschaftl. Betriebszählung 1996
Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Schaffhausen - Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen; Bundesamt für Statistik
Ur- und Frühgeschichte
Steinzeitliche Jäger und Sammler
Autorin/Autor:
Markus Höneisen
Ur- und frühgeschichtliche Fundorte im Kanton Schaffhausen (A)
[…]
Erste Siedlungsspuren datieren aus dem Spätglazial (Älteste Dryas). Zu den bekanntesten Fundstellen gehört die Höhle Kesslerloch bei Thayngen. Die dort gefundenen Mahlzeiten- und Werkabfälle wurden mittels C-14-Methode auf 15'500-12'000 v.Chr. datiert. Jägergruppen nutzten das Kesslerloch im Frühjahr als Basislager während der Rentierjagd. Möglicherweise für die Jagd hielten die Jäger bereits Hunde. Aus dem Kesslerloch sind Kleinkunstwerke erhalten, so die Ritzzeichnung des "Weidenden Rentiers" auf einem Lochstab. Weitere Fundstellen liegen im Fulachtal (Bsetzi, Vordere Eichen), im Freudenthal (Rosenhalde) und unter dem Abri Schweizersbild am Stadtrand von Schaffhausen, wo Siedlungsreste und eiszeitliche Kleinkunst, unter anderem eine stilisierte Frauenstatuette aus fossiler Kohle, gefunden wurden.
Ur- und frühgeschichtliche Fundorte im Kanton Schaffhausen (B)
Die Mittelsteinzeit ist dagegen kaum durch Funde belegt. Lediglich vom Schweizersbild liegen Reste von Feuerstellen und bearbeitete Hirschgeweihstangen vor, die mittels C-14-Methode um 7000 v.Chr. datiert wurden.
Erste Bauern
Autorin/Autor:
Markus Höneisen
Besser ist die Quellenlage wieder für die sesshaften Siedler der zweiten Hälfte des 6. Jahrtausends v.Chr. Erste Bauern errichteten im fruchtbaren Klettgau weilerartige Ansiedlungen mit Langhäusern und Kleinbauten. Sie hinterliessen Keramikgefässe, Beile und Äxte aus Stein, Erntemesser, Mahlsteine und Pfeilspitzen. Die bänderverzierte Keramik ist in Gächlingen mit einer Frühphase vertreten, zusammen mit Keramik der La-Hoguette-Gruppe. Die Schaffhauser Funde gehören zu den bisher südlichsten Zeugen der Linearbandkeramik (Bandkeramikkultur), während die Funde der La-Hoguette-Gruppe die südöstlichsten Ausläufer bilden. Aus mittelneolithischer Zeit (5. Jt. v.Chr.) stammen Siedlungsspuren der Grossgartacher und Rössener Kultur. Die Siedlungsplätze liegen bevorzugt auf leichten Anhöhen entlang der Bachläufe (Gächlingen, Oberhallau, Neunkirch) sowie in markanter Höhenlage (Wilchingen-Flüehalde, Neuhausen-Ottersbühl, Stein am Rhein-Hohenklingen).
Siedlungsspuren aus dem frühen Jungneolithikum (um 4000 v.Chr.) sind auch in den Randentälern (Schaffhausen-Grüthalde) und im Reiat (Büttenhardt, Lohn) vertreten. Anreiz zur Besiedlung bot offenbar das Vorkommen von Feuerstein. Die eher kleinen Knollen im Massenkalk wurden intensiv abgebaut und bevorzugt zu kleinen Bohrern, sogenannten Dickenbännlispitzen, verarbeitet, die in den nahen Bodenseeraum exportiert oder vor Ort zur Herstellung von Kalkröhren- und Knopfperlen verwendet wurden. Bestattungen unter Abris und in Höhlen der Region wiesen mehrfach einen derartigen Perlenschmuck auf. Zwischen 3800 und 3600 v.Chr. bestand auf einer Landzunge im Moorgebiet von Thayngen-Weier eine ausgedehnte Siedlung, die dank Feuchtbodenerhaltung einen Einblick in die Siedlungsweise und Wirtschaft der Pfyner Kultur ermöglichte. Die Keramik lässt Einflüsse der Michelsberger Kultur erkennen. Siedlungsfunde der Pfyner und der ihr folgenden Horgener Kultur sind zudem vom Ausfluss des Untersees (Stein am Rhein) und von Höhensiedlungen (Siblinger Schlossranden, Wilchingen-Flüehalde) belegt.
Siedler der Bronze- und Eisenzeit
Autorin/Autor:
Markus Höneisen
Während nur wenige Funde aus dem Spätneolithikum und der beginnenden Bronzezeit vorliegen, sind Gräber und Siedlungen ab der entwickelten Frühbronzezeit wieder besser bekannt. Umfangreiche spätbronzezeitliche Siedlungsspuren zeigen, dass zumindest der Klettgau um 1000 v.Chr. recht dicht besiedelt gewesen sein muss. In fast allen heutigen Siedlungszonen bestanden bereits damals Ansiedlungen. Erstmals dürften die Abhänge des Randen gerodet worden sein. Auf etlichen Höhenzügen befanden sich befestigte Siedlungen.
Demgegenüber sind eisenzeitliche Ansiedlungen nur spärlich nachgewiesen, ganz im Gegensatz zu zahlreichen Grabhügeln (zum Beispiel Hemishofen-Sankert) und Gräbern. Eisenzeitliche Funde konzentrieren sich in der Nähe anstehender Eisenerze, was vermuten lässt, dass diese schon damals genutzt worden sind. Wie im benachbarten Süddeutschland fehlen aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert auch im Kanton Schaffhausen Funde vollständig, im Unterschied zum linksrheinischen Gebiet.
Römische Zeit
Autorin/Autor:
Markus Höneisen
Die römische Okkupation wird erst im Verlauf des 1. Jahrhunderts n.Chr. entlang der wichtigen Nord-Süd-Verbindungen fassbar: An der Strasse von Vindonissa (Windisch) nach Brigobannis (Hüfingen) entstand um 70 n.Chr. die Kleinstadt (Vicus) Iuliomagus, die auf der Tabula Peutingeriana eingezeichnet ist. Der Ort entwickelte sich im 1. und zu Beginn des 2. Jahrhunderts zu beträchtlicher Grösse mit ausgedehntem Tempelbezirk und Thermen, Wohn-, Werkstatt- und Magazinbauten. Bereits nach der Mitte des 2. Jahrhunderts setzte sein Niedergang ein. Entlang der Verkehrswege im Klettgau wurden im 1. und 2. Jahrhundert Gutshöfe und Wirtschaftsbauten errichtet. In den Randentälern, im Reiat und auch entlang des Rheins liessen sich solche nicht nachweisen.
Die zweite bedeutende Verkehrsachse am Ausfluss des Untersees war eine Strasse, die von Ad Fines (Pfyn) nach Tasgetium (Eschenz) und nordwärts weiter zur Donau verlief. Eine Holzbrücke, auf 81/82 n.Chr. dendrodatiert, führte beim Seeausfluss über die Insel Werd, die bereits im frühen 1. Jahrhundert mit einem Militärposten gesichert gewesen sein dürfte.
Spätantike und Frühmittelalter
Autorin/Autor:
Markus Höneisen
Als Teil des Donau-Iller-Rhein-Limes wurde gegen Ende des 3. Jahrhunderts auf einem Hügel am rechten Rheinufer, 500 m flussabwärts von der älteren Siedlung Tasgetium, ein Kastell mit einem Brückenkopf errichtet (Stein am Rhein-Burg). An gleicher Stelle führte wohl auch eine neue Brücke über den Rhein. Zum Kastell gehörte an der Ausfallstrasse nach Süden ein Gräberfeld, dessen Bestattungen sich durch kostbare Glasbeigaben aus dem Rheinland auszeichnen (z.B. Jagdschale). Um 600 wurde im zerfallenen Kastell eine hölzerne Kirche als Grabbau einer germanischen Adelsfamilie errichtet.
Gegen Ende des 4. Jahrhunderts wurde auch bei Schleitheim, abgesetzt vom ehemaligen römischen Vicus, eine germanische Ansiedlung gegründet, aus der sich das heutige Dorf entwickelte. Aus dem Frühmittelalter ist ein umfangreiches Reihengräberfeld (Schleitheim-Hebsack) mit gegen 1000 Bestattungen bekannt sowie eine zu Beginn des 7. Jahrhunderts errichtete Steinkirche, die anfänglich wiederum einer Adelsfamilie als Bestattungsort diente.
Die archäologischen Grabungen in den Kirchen von Stein am Rhein-Burg und Schleitheim sowie die bis ins 6. Jahrhundert zurückreichenden Grabbeigaben mit christlicher Symbolik aus dem Gräberfeld Schleitheim-Hebsack belegen eine frühe Christianisierung der Region. Für die fränkische Zeit typische Patrozinien zeugen ebenfalls von einer frühen Ausbreitung des christlichen Glaubens.
Im 6. und 7. Jahrhundert wurden weitere Dörfer gegründet, deren Namen die Endungen -heim (Aazheim, Barzheim, Ramesheim) und -ingen (u.a. Siblingen, Löhningen, Beringen) tragen. Überwiegend liegen sie an den alten Verkehrswegen; erstmals entstanden nun aber auch in den Randentälern und auf den Hochflächen des Reiat dauerhafte Siedlungen. Am Stadtrand von Schaffhausen wurde das einstige Dorf Berslingen fast vollständig ausgegraben. Es entwickelte sich aus einem um 600 errichteten Gehöft. In einer ersten Ausbauphase wurde auch eine einfache Steinkirche mit zugehörigem Friedhof angelegt. Um die Jahrtausendwende stand das Dorf in voller Blüte, ein Jahrhundert später aber wurde ein grosser Teil der Höfe wieder aufgegeben.
Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
Hochmittelalterliche Herrschaftstrukturen
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Mitte des 8. Jahrhunderts gliederte sich das Gebiet des Kantons Schaffhausen politisch in den Klettgau im Westen und den Hegau im Nordosten. Im Reichsteilungsentwurf Kaiser Karls des Grossen von 806 wird die Enge als Grenze zwischen den beiden Gauen erwähnt. Mit der Reichsteilung von 843 kam das Gebiet an das ostfränkische Reich. Als Teil des Stammesherzogtums Schwaben geriet es in die Auseinandersetzungen verschiedener um die Herzogswürde konkurrierender Adelsfamilien. Das unter den Ottonen erstarkende Heilige Römische Reich nahm in der Folge vermehrt Einfluss auf die Geschicke im Herzogtum Schwaben. Die Benediktinerabteien St. Gallen, St. Blasien, St. Georgen, Reichenau, Rheinau, Petershausen, das Kloster Öhningen und der Bischof von Konstanz erwarben im Lauf der Zeit zusammenhängende Güterkomplexe und verstreute Besitzungen. Ursprünglich dem Adel gehörende Eigenkirchen, so in Merishausen, Erzingen und Schleitheim, gelangten in den Besitz einzelner der genannten Klöster. Wichtig für Schaffhausen wurde das in der Region begüterte hochadelige Geschlecht der von Nellenburg.
Hochmittelalterliche Städtegründungen: Stein am Rhein und Schaffhausen
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Die Lage der Region am Verkehrsweg Rhein führte zur Gründung der Märkte Stein am Rhein und Schaffhausen. Hadwig (994), Witwe des aus dem Geschlecht der Hunfridinger stammenden Herzogs Burchard III., stiftete auf dem Hohentwiel bei Singen ein Kloster, das lehensrechtlich dem Bistum Bamberg unterstellt war und 1007 durch König Heinrich II. nach dem Fronhof Stein am Rhein verlegt wurde. Als Benediktinerkloster St. Georgen begünstigte es den Aufschwung der Siedlung Stein am Rhein zur Stadt. Für den Ort Schaffhausen lassen sich Siedlungsspuren archäologisch bis ins 7. Jahrhundert zurückverfolgen. 1045 erhielt Graf Eberhard von Nellenburg für die villa Scafhusun das Münzrecht.
Klosterstiftungen und deren Bedeutung für die Region
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
1049 stiftete Graf Eberhard die Benediktinerabtei Allerheiligen als Eigenkloster. Die Nellenburger bauten Schaffhausen danach zum Zentrum ihrer Herrschaft aus. Graf Burkhard (um 1101/1102) zog zur Klosterreform den Abt Wilhelm von Hirsau bei, verzichtete auf das Eigentumsrecht am Kloster, sicherte ihm freie Vogtwahl zu und liess den neuen Rechtsstatus 1080 durch Papst Gregor VII. bestätigen. Auch übergab er dem Kloster die villa Scafhusa "cum publica moneta, mercato et omnibus pertinentiis suis" und verzichtete damit auf die Stadtherrschaft. Damit wurde Allerheiligen Stadtherrin mit Münz- und Marktrecht sowie allen anderen Gerechtigkeiten. Als Reformkloster hirsauischer Richtung zog es aus seinen Herrschaftsrechten jedoch nur den wirtschaftlichen Nutzen und übertrug die Herrschaftsausübung weltlichen Vögten. In den 1080er Jahren liess Graf Burkhard für seine Mutter Ita (um 1104) das Benediktinerinnenkloster St. Agnes errichten.
1092 schenkte Graf Burkhard dem Kloster Allerheiligen die sogenannte Mundat am Randen, einen Wildbannbezirk. Der klösterliche Grundbesitz wurde im 12. Jahrhundert durch Stiftungen wesentlich erweitert. Allerheiligen war die wichtigste Grundbesitzerin in der Stadt Schaffhausen und den umliegenden Dörfern und verfügte über ausgedehnte Güter im süddeutschen wie schweizerischen Raum. Daneben erwarben im Mittelalter auch das Benediktinerinnenkloster St. Agnes in Schaffhausen, das Benediktinerkloster St. Georgen in Stein am Rhein sowie lokal ansässige niederadlige Familien umfangreichen Grundbesitz und Herrschaftsrechte in der Region.
Städtische Entwicklung und kommunale Bewegung
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Nach dem Aussterben der von Nellenburg zu Beginn des 12. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Konflikten zwischen dem Kloster Allerheiligen als Stadtherrin und den weltlichen Vögten, zumeist Angehörigen der weiteren nellenburgischen Verwandtschaft, die zu ihren Gunsten in die klösterlichen Herrschaftsrechte eingriffen. Rückhalt suchte das Kloster einerseits beim Reich, andererseits schreckte es aber auch nicht vor Urkundenfälschungen zurück, um seine Rechte zu wahren. Um 1190 wird Allerheiligen als direkt dem Reich unterstelltes Kloster erwähnt. Doch schon 1197 verlieh Philipp von Schwaben die Vogtei und Herrschaft über Schaffhausen an Herzog Berchtold V. von Zähringen. Mit dessen Tod 1218 endete die Zähringer Herrschaft über Schaffhausen und die Stadt fiel an das Reich zurück. Da das Kloster Allerheiligen seine Herrschaftsrechte nicht selbst ausübte, gelang es einzelnen Stadtbürgern leicht, im 13. Jahrhundert städtische Hoheitsrechte zu übernehmen. Gleichzeitig emanzipierten sich die Stadtbewohner von der klösterlichen Herrschaft und organisierten sich als Bürgerschaft, wie die erstmalige Verwendung eines städtischen Siegels 1253 durch die Stadtgemeinde und die Erwähnung eines Rats 1272 belegen. Auch aussenpolitisch wurde die Stadt Schaffhausen ab dem 13. Jahrhundert aktiv. Der in Finanznöten steckende Kaiser Ludwig der Bayer verpfändete Schaffhausen 1330 an die österreichischen Herzöge; begünstigt wurde diese Übergabe durch den habsburgfreundlichen Stadtadel. Fortan unterstützte Schaffhausen die habsburgischen Herzöge militärisch und finanziell. Schaffhausen war auf dem besten Weg, Residenzstadt in den österreichischen Vorlanden zu werden. Allerdings resultierte aus dieser Zeit eine Schuldenlast, die sich im 15. Jahrhundert noch vergrösserte.
Pfennige mit dem Widder, um 1160, um 1180/1190 und um 1250 (Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen; Fotografie Kurt Wyprächtiger).
Städtische Unruhen und Bündnispolitik
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Innerhalb der Stadtmauern Schaffhausens kam es ab dem Ende des 13. Jahrhunderts wiederholt zu Konflikten. Dabei stritten sich einzelne Gruppen aus der Oberschicht um die Macht, aber auch Interessengruppen aus anderen Gesellschaftsschichten wie insbesondere die sich in Zünften organisierende Handwerkerschaft versuchten, ein politisches Mitspracherecht zu erringen. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde die städtische Verfassung wegen politischer Differenzen zwischen der adligen Oberschicht und den aufstrebenden Kaufleuten und Handwerkern mehrmals abgeändert (1350, 1367, 1375, 1405) sowie 1388 und 1391 ein Verfassungsentwurf ausgearbeitet. Mit der Einführung der Zunftverfassung 1411 trat eine gewisse innenpolitische Beruhigung ein.
Nach dem Zerwürfnis zwischen König Sigismund und dem österreichischen Herzog Friedrich IV. erlangte die Stadt Schaffhausen 1415 wiederum die Reichsfreiheit. In den folgenden Jahrzehnten versuchte Habsburg wiederholt, die Stadt erneut unter seine Botmässigkeit zu zwingen. Erschwerend für die Stadt kam hinzu, dass die Habsburger ab den späten 1430er Jahren auch das Reichsoberhaupt stellten. Schaffhausen sicherte deshalb seine Unabhängigkeit durch Bündnisse mit anderen Städten und Herrschaftsträgern (1312 Bund der Bodenseestädte mit Zürich, Konstanz und St. Gallen, 1420 Weinsberger Bund mit 32 anderen Reichsstädten, 1425 Juppenbund des Adels und der Städte am Hochrhein und im südlichen Schwarzwald, 1407 Ritterschaftsbund zu St. Jörgenschild, Schwäbischer Städtebund). Diese Bündnisse waren nur von geringer Wirkung und boten dem bedrängten Schaffhausen wenig Schutz, bezog die Stadt jedoch in kriegerische Unternehmungen ein. Besonders schwerwiegende Folgen hatte dabei die Verwicklung in den süddeutschen Städtekrieg von 1449-1450. Rund um die Stadt entbrannte ein Kleinkrieg meist österreichisch gesinnter Adliger unter dem Grafen von Sulz. In seiner Not suchte Schaffhausen Hilfe bei der Eidgenossenschaft. 1454 schloss die Stadt ein auf 25 Jahre begrenztes Bündnis mit den Eidgenossen. Als zugewandter Ort war Schaffhausen verpflichtet, an den eidgenössischen Kriegszügen, unter anderem nach Grandson, teilzunehmen. 1479 wurde das eidgenössische Bündnis um weitere 25 Jahre verlängert. Im Schwabenkrieg von 1499 wurde insbesondere die ländliche Umgebung von Schaffhausen militärisch stark bedrängt. 1501 trat die Stadt als zwölfter Ort der Eidgenossenschaft bei.
Die kommunale Entwicklung in den Dörfern und Kleinstädten
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
In den einzelnen Dörfern wie auch in der dem Bischof von Konstanz gehörenden Kleinstadt Neunkirch entwickelten sich im Spätmittelalter kommunale Strukturen. Ausgeprägt waren diese zum Beispiel in dem unter der Herrschaft des Bischofs von Konstanz stehenden Dorf Hallau, wo bereits 1343 eine organisierte gebursami (Baursame) erwähnt wird, die sich im Spätmittelalter zahlreiche Rechte sicherte und durch Zukäufe das Gemeindegebiet erweiterte. In den meisten anderen Dörfern wurden im 14. und 15. Jahrhundert die grundherrschaftlichen Abhängigkeiten ebenfalls zugunsten von genossenschaftlichen Zusammenschlüssen, also sich weitgehend selbstverwaltenden Dorfgemeinden, abgeschwächt. Ihren Abschluss fand diese Entwicklung zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als der erstarkende Stadtstaat Schaffhausen die Dorfgemeinden unter seine Herrschaft brachte. Beeinflusst von reformatorischen Ideen regte sich dagegen Widerstand, insbesondere im Bauernkrieg von 1525, der auf Hallau wie auch den schweizerischen Klettgau übergriff und schliesslich niedergeschlagen wurde.
Die Kleinstadt Stein am Rhein, ein Reichslehen der Freiherren von Klingen und ab 1419 im Besitz der von Klingenberg, erkaufte sich 1457 die Reichsfreiheit und gelangte in den Besitz der Burg Hohenklingen, des Dorfs Hemishofen und des linksrheinischen Gebiets Vor der Brugg. 1459 trat das Städtchen in ein 20 Jahre dauerndes Schutzbündnis mit Zürich und Schaffhausen, wobei Zürich dieses Bündnis beherrschte. 1484 schloss Stein am Rhein schliesslich ein Burgrecht mit Zürich ab, das fortan die Landeshoheit ausübte und die städtische Autonomie weitgehend beschnitt.
Territoriale Entwicklung
Autorin/Autor:
Oliver Landolt, Roland E. Hofer
Eine aktive Politik Schaffhausens zum Erwerb eines städtischen Territoriums lässt sich bis in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen: Dazu wurden Burgrechte mit landsässigen Adligen und Klöstern (1330 Klarissenkloster Paradies) abgeschlossen, Herrschaftsrechte und Grundbesitz durch das erstmals 1253 erwähnte Heiliggeistspital gekauft und Gebiete gewaltsam durch die Stadt Schaffhausen erobert. Doch machte sich immer wieder mächtige Konkurrenz bemerkbar. Während der österreichischen Pfandschaft (1330-1415) war eine eigene Territorialpolitik nicht möglich. Mit der Wiedererlangung der Reichsfreiheit war dieses Hindernis beseitigt, doch hatte inzwischen Zürich seine Nordgrenze an den Rhein vorgeschoben, was eine Ausdehnung Schaffhausens nach Süden erschwerte. 1434 kam sogar das nördlich des Rheins gelegene Dorf Dörflingen an Zürich und war Teil der Landvogtei Andelfingen. Einer Erweiterung nach Osten Richtung Hegau, dem natürlichen Hinterland der Stadt Schaffhausen, war ebenfalls eine Grenze gesetzt, da die Landgrafschaft Hegau ab 1465 Österreich gehörte. Eine zusätzliche Belastung stellte die mangelnde Einbindung des lokalen Adels in die städtische Territorialpolitik dar, weshalb es der Stadt Schaffhausen nicht gelang, alle Adelsvogteien ihrer Bürger aufzukaufen, sondern diese zum Teil an Zürich verlor.
Im sogenannten Allerheiligenkrieg 1521 eroberte Schaffhausen das dem Bischof von Konstanz gehörende Hallau und kaufte 1525 zusammen mit Neunkirch die Herrschaft mit allen Rechten. Mit der Säkularisation der Klöster gingen zahlreiche ländliche Herrschaften in den Besitz Schaffhausens über: 1524 trat das säkularisierte Kloster Allerheiligen Teile von Merishausen, Neuhausen, Hemmental, Reuthe im Hegau und Grafenhausen im Schwarzwald ab. 1529 verkaufte das von der Säkularisation bedrohte Klarissenkloster Paradies der Stadt Schaffhausen Guntmadingen, halb Löhningen, Lohn, Opfertshofen, Altdorf und Büttenhardt. Die Vogtei über Buch erlangte die Stadt durch das Benediktinerinnenkloster St. Agnes.
Der Glaubensgegensatz nach der Reformation machte es noch schwieriger, sich auf Kosten des Nachbarn auszudehnen, also aus den einzelnen Landesteilen ein geschlossenes Territorium zu bilden, blieb das Umland doch katholisch. Gelang es dennoch, einen Kauf zu vereinbaren, wie 1638 denjenigen von Gailingen und Randegg, scheiterte der Abschluss am Veto Österreichs, das sich gegen eine Ausdehnung der Eidgenossenschaft auf Kosten des Reichs wehrte. Ausserdem entwickelte die im Rat stark vertretene Handwerkerschaft kaum Visionen für eine konsequente Schaffhauser Territorialpolitik und nahm Gelegenheiten zu Gebietsvergrösserungen nicht wahr.
Staatsbildung und Verwaltung im Ancien Régime
Verfassung
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
Der Habsburger Herzog Friedrich IV. bewilligte am 1. Juli 1411 die Einführung einer Zunftverfassung in Schaffhausen. Der mit diesem Entscheid vielleicht beabsichtigte Versuch, die ab 1330 habsburgische Landstadt näher an sich zu binden, scheiterte, da Schaffhausen 1415 wieder reichsfrei wurde. Mit der Einführung der Zunftverfassung wurden die Auseinandersetzungen um die Ausgestaltung des politischen Systems in Schaffhausen beendet, die ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts (Verbot der Zunftbildung 1332) immer wieder aufgeflammt waren. Die ab ca. 1250 nachweisbaren Handwerker erreichten damit einen gleichen Anteil an der politischen Herrschaft wie der Adel. Fortan teilten sich die zehn Handwerkerzünfte sowie die beiden Gesellschaften der Herren und Kaufleute die politische Macht, mit je zwei Vertretern im Kleinen Rat (24) und je sieben Vertretern im Grossen Rat (84).
Wer ein Gewerbe in der Stadt Schaffhausen treiben wollte, musste Mitglied einer Zunft sein, wobei sich ab dem Ende des 16. Jahrhunderts die Vererbung des Zunftrechts durchsetzte. Theoretisch standen alle Staatsämter (zum Beispiel beide Bürgermeister, beide Säckelmeister) allen Mitgliedern der Zünfte und Gesellschaften offen. Da diese Ämter aber kaum besoldet waren, wurden sie faktisch meistens von Vertretern der vermögenden Schicht übernommen, die über Einkünfte aus dem Handel und aus eigenem Grundbesitz verfügten. Dies galt zumindest für die Mitglieder des Kleinen Rats, dessen Sitzungskadenz ab dem 16. Jahrhunderts stetig zunahm. Im 18. Jahrhundert trat der Kleine Rat in der Regel zwei- bis dreimal wöchentlich zusammen.
Der mit der Zunftverfassung von 1411 erreichte Interessenausgleich erwies sich als stabil. Nur gelegentlich führte Kritik am Regiment zu einer Verfassungskrise, so 1525 im sogenannten Rebleuteaufstand, als sich die Rebleute- und die Fischerzunft weigerten, den Bürgereid abzulegen. Weiter reichende Folgen hatte die Verfassungskrise von 1688-1689, die wegen der Ausbildung absolutistischer Tendenzen im Regiment ausbrach. Die Kritik richtete sich im Wesentlichen gegen die allmähliche Monopolisierung der Macht durch den Kleinen Rat. Durch den Widerstand der Zünfte wurde der Zugang zu den Ämtern demokratisiert, d.h. neu durch das Los bestimmt, und die Vermögenssteuer für die Bürger der Stadt Schaffhausen abgeschafft (bis 1798). Diese Änderungen verhinderten die Herausbildung eines eigentlichen Patriziats, das die Herrschaft unter sich teilte. Das demokratisch-republikanische Element blieb im Stadtstaat Schaffhausen im Gegensatz zu anderen Stadtorten der Eidgenossenschaft dominierend. Im Zuge der Aufklärung wurde im 18. Jahrhundert die Kritik der wirtschaftlich und politisch bevormundeten Landbevölkerung an der Herrschaft der Gnädigen Herren lauter und manifestierte sich in einigen Auseinandersetzungen zwischen dem Stadtregiment und der untertänigen Landschaft, so im Wilchingerhandel 1717-1729 und in den Hallauer Unruhen 1790.
Der Solddienst spielte besonders nach der Reformation in Schaffhausen keine grosse Rolle. In militärischen Auseinandersetzungen wurde Schaffhausen am stärksten während des Dreissigjährigen Kriegs einbezogen. Die stadtstaatliche Militärorganisation bewährte sich dabei mehr schlecht als recht. Eine überregionale Bedeutung erlangte Schaffhausen vor allem während des 18. Jahrhunderts als Werbestation für Söldner.
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
Eine wichtige Stütze fand das weltliche Regiment in der reformierten Staatskirche. Der Kleine Rat lehnte noch 1528 in zwei Abstimmungen die Abschaffung der Messe mit wachsender Mehrheit ab, während der Grosse Rat die Einführung der Reformation in der Tendenz befürwortete. Letztlich dürfte der Entscheid zur Einführung der Reformation mehr (aussen-)politischem Kalkül als religiösem Eifer zuzuschreiben sein. Seit der Schaffung des Christlichen Burgrechts der reformierten Stadtorte der Eidgenossenschaft 1527 sah sich Schaffhausen als rechtsrheinischer Brückenkopf aussenpolitisch isoliert. Der Preis, den es für die Überwindung der aussenpolitischen Isolation zu zahlen galt, war die Einführung der Reformation 1529, was den Beitritt zum Christlichen Burgrecht ermöglichte. Zudem konnte der Kleine Rat mit diesem Schritt verhindern, dass radikale Elemente das Tempo der Reformation bestimmten. Die Lage dazu war günstig, lebte doch der Reformator Sebastian Hofmeister ab 1525 in der Verbannung, die auch nach 1529 nicht aufgehoben wurde. In Schaffhausen wurde also die Reformation ohne Reformator eingeführt, was dem Kleinen Rat die Möglichkeit gab, die Umsetzung der reformatorischen Forderungen gezielt zu lenken. Diese berechnend-behutsame Umsetzung der Reformation führte zum Beispiel auch dazu, dass entgegen den Wünschen der reformierten Geistlichkeit noch bis gegen Ende des 16. Jahrhunderts einzelne Katholiken im Kleinen Rat vertreten waren.
Herrschaftsstruktur
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
Das Schaffhauser Staatsgebiet war in zehn Vogteien eingeteilt. Jede Vogtei wurde von einem Obervogt verwaltet. Die Vogteien bestanden aus einer Anzahl von Dörfern, deren Niedergerichtsbarkeit und teilweise auch das Hochgericht bei der Stadt Schaffhausen lag. Die Gemeinden verfügten über eine grosse Autonomie, die der Rat in Schaffhausen auch im Zeichen des aufkommenden Absolutismus nicht wesentlich einzuschränken vermochte. Entsprechend schwach war die stadtstaatliche Verwaltung auf der untertänigen Landschaft. Die Verdichtung der Herrschaft blieb insgesamt gering, auch wenn mit der Schaffung des Ehegerichts nach Einführung der Reformation ein zusätzliches Instrument zur Disziplinierung der Untertanen geschaffen wurde und der Stadtstaat einen beträchtlichen Machtzuwachs erhielt, da er als Rechtsnachfolger die Eigentumstitel der aufgehobenen Klöster Allerheiligen und St. Agnes übernahm.
Obwohl sein Territorium klein und zersplittert war, pflegte Schaffhausen auch nach der Einführung der Reformation enge und vielfältige Beziehungen über die Grenze hinweg. Schaffhausen hielt zum Beispiel Kirchenpatronate im katholischen Reich und katholische Herrschaften hatten umgekehrt Patronate in Schaffhauser Gebiet inne. Die Stadt war für den Hegau das wirtschaftliche Zentrum und dank ihrer Finanzkraft eine Art Bank für benachbarte Fürsten und Prälaten. Die verzahnten und eingespielten grenzüberschreitenden Verbindungen zwangen zur Zusammenarbeit, die sich erst im 19. Jahrhundert mit der Herausbildung der Nationalstaaten und der endgültigen Festlegung der Landesgrenzen allmählich lockerten.
Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert
Bevölkerung und Siedlung
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Über die demografische Entwicklung von Stadt und Landschaft im Mittelalter und in der frühen Neuzeit ist wenig bekannt. Erst 1771 wurde eine einigermassen zuverlässige Volkszählung durchgeführt. Am besten dokumentiert sind die städtischen Verhältnisse in Schaffhausen und Stein am Rhein: Rödel des Klosters Allerheiligen über die grundzinspflichtigen Liegenschaften in der Stadt Schaffhausen geben für einzelne Jahre (um 1100, 1253, 1299) die Zahl der Häuser an, aus denen sich die Bevölkerungszahl ungefähr errechnen lässt. Alle anderen Grundbesitzer sind dabei aber nicht erfasst. Die von 1392 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erhaltenen städtischen Steuerbücher, in denen die steuerpflichtigen Stadteinwohner verzeichnet wurden, geben weitere Hinweise über die Bevölkerungsentwicklung der Stadt. Stein am Rhein verfügt über Steuerbücher aus dem 15. Jahrhundert, aus denen sich die städtische Bevölkerungszahl ungefähr ermitteln lässt (um 1500 rund 1200 Einwohner). Vom Rückgang der Bevölkerung auf dem Land zeugen die noch im MA abgegangenen Dörfer und Siedlungen (zum Beispiel Berslingen, Hofstetten, Aazheim). 1530 liess der städtische Rat von Schaffhausen in seinem Herrschaftsgebiet eine Zählung der "hertstetten" (Feuerstätten) durchführen, die 747 Feuerstätten ergab. Unterhallau und Thayngen waren mit je 120 Feuerstätten die grössten Dörfer. Angaben zur demografischen Entwicklung in den Städten und auf der Landschaft enthalten die ab dem 16. Jahrhundert einsetzenden Kirchenbücher. 1540 wurden zuerst in der Stadt Schaffhausen Tauf- und Eheregister eingeführt; 1558 folgte Lohn mit den Angaben für Altdorf, Bibern, Büttenhart und Opfertshofen. 1559 setzt die Überlieferung für Stein am Rhein und Hemishofen ein.
Schaffhausen und Stein am Rhein wie auch die Landschaft wurden ab dem Spätmittelalter wiederholt von epidemischen Seuchen wie der Pest heimgesucht. Besonders verlustreich waren der Pestzug von 1611 und diejenigen der späten 1620er Jahre. Letztmals wurde das Gebiet 1635 von der Pest verheert. Trotz einer hohen Geburtenrate stieg die Bevölkerungszahl wegen der hohen Kindersterblichkeit und wiederholt auftretenden Hungerkrisen nur langsam an. 1771 zählten die Stadt Schaffhausen sowie die Landschaft zusammen 19'379 Personen. Wenn die zu dieser Zeit noch zum Stand Zürich gehörende Stadt Stein am Rhein sowie die Dörfer Hemishofen, Ramsen und Dörflingen dazugezählt werden, betrug die Bevölkerungszahl gegen 22'000 Einwohner. Die ökonomische Bevormundung durch die Stadt Schaffhausen und die wirtschaftliche Not trieben die ländlichen Untertanen ab dem 17. Jahrhundert zur Auswanderung (nach Württemberg und in die Pfalz, im 18. Jahrhundert nach Amerika). Der städtische Rat suchte die Emigration zumeist vergeblich zu verbieten.
Wirtschaft
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Schaffhausen und Stein am Rhein entwickelten sich im Mittelalter von Marktsiedlungen zu Städten mit einem breit gefächerten Gewerbe. Dank der Diversifizierung wirkten sich ökonomische Einbrüche weniger schlimm aus als in Gebieten mit einer Konzentration auf wenige Güter. Der Nord-Süd-Verkehr über den beschwerlichen Landweg hatte eine geringere wirtschaftliche Bedeutung als der Transport in ost-westlicher Richtung über den Rhein. Die Grösse des Wirtschaftsraums und Marktgebiets von Schaffhausen zeigt sich in der Verbreitung der Schaffhauser Münze und des Schaffhauser Getreidemasses, die im Spätmittelalter vom deutschen Klettgau im Westen bis in die Baar im Norden reichte. Im Süden und Osten wurde Schaffhausen hingegen von den wirtschaftlich stärkeren Städten Zürich und Konstanz bedrängt.
In der Region Schaffhausen war die Landwirtschaft im Mittelalter und in der frühen Neuzeit der dominierende Wirtschaftszweig. Die klimatischen Verhältnisse der im Windschatten der Vogesen und des Schwarzwalds gelegenen Gegend mit ihrer Niederschlagsarmut wie auch die Bodenqualität begünstigten die Agrarwirtschaft, die im Dreizelgensystem betrieben wurde. An den für den Ackerbau ungeeigneten Hanglagen wurden Weinreben angepflanzt. Das Exportgut Wein erlebte im 15. und 16. Jahrhundert eine eigentliche Blütezeit. Absatzgebiete des Schaffhauser Weins waren vor allem die Zentral- und die Ostschweiz sowie der süddeutsche Raum. Der städtische Rat regelte den Weinbau, Ackerbau und Viehzucht vernachlässigte er dagegen eher. In normalen Erntejahren reichte die Getreideproduktion der Region zur Selbstversorgung und manchmal wurde sogar Getreide in den süddeutschen und schweizerischen Raum exportiert. Fiel die Ernte schlecht aus, musste Getreide aus dem Elsass und aus Süddeutschland importiert werden. Schaffhausens Wirtschaftspolitik strebte in erster Linie eine ausreichende Versorgung der Stadt mit den wichtigsten Nahrungsmitteln und Gütern an: So verbot zum Beispiel der städtische Rat 1757 und 1759 den Kartoffelanbau, um sicherzustellen, dass genügend Getreide für die Stadtbevölkerung angepflanzt wurde. Erst als der gesamte mitteleuropäische Raum 1771 wegen Ernteausfällen von einer Teuerungswelle erfasst wurde, hob der Rat das Verbot auf. Obwohl grosse Wälder in der weiteren Umgebung der Stadt lagen, führte Schaffhausen immer wieder Holz aus dem Schwarzwald, dem Allgäu und dem Vorarlberg ein, das kostengünstig über den Bodensee und den Rhein transportiert wurde. Die Schaffhauser Fischer belieferten den regionalen Markt mit Fischen. In vorreformatorischer Zeit reichten diese jedoch nicht aus, sodass als Fastenspeise konservierte Meerfische importiert wurden.
Aufgrund ihrer verkehrsgeografisch günstigen Lage nahm die Stadt Schaffhausen eine wichtige Rolle im Salzhandel ein. Ein bedeutender Teil des Salzes wurde aus Bayern und Österreich über den Rhein und Schaffhausen transportiert und gelangte so in das weitere Gebiet der Schweiz. Die Stadt erwirtschaftete aus dem Salzhandel beträchtliche Einnahmen und einzelne Stadtbürger erwarben damit grossen Reichtum. Im 13. Jahrhundert beteiligte sich die Stadt, die zur Leinwandgewerberegion am Bodensee gehörte, am Fernhandel mit Tuchen: Die spärlich überlieferten Quellen erwähnen die Champagner Messen, Oberitalien und den Mittelmeerraum als Absatzgebiete für Leinwand aus Schaffhausen. Im 14. Jahrhundert büsste die Stadt ihre hervorragende wirtschaftliche Stellung allmählich ein. Das einheimische Webergewerbe produzierte hauptsächlich geringwertige Grautuche für den örtlichen wie regionalen Markt, die verschiedentlich auch in andere Regionen der Schweiz exportiert wurden.
Das Handwerk von Schaffhausen und Stein am Rhein bediente die einheimischen städtischen Märkte wie auch die Dörfer. In Schaffhausen sorgten die Zünfte für die Qualitätskontrolle der produzierten Waren und die Protektion der Zunftangehörigen vor der Konkurrenz durch Fremde und Landhandwerker. Streng schützte die Stadt Schaffhausen ihr Marktrecht, wobei hierfür auch die Vorherrschaft der Zünfte verantwortlich war: Sämtliche Bestrebungen, Märkte im Untertanengebiet zu errichten, wurden unterdrückt. So scheiterten im 17. und 18. Jahrhundert zum Beispiel alle Versuche des Städtchens Neunkirch, das Marktrecht zu erlangen. Einzig im Dorf Unterhallau wurde ein Kaufhaus für einheimische Untertanen toleriert. Weder Spezereiläden noch der Hausierhandel mit Tee, Zucker, Seife, Tabak, Indienne oder Eisen waren erlaubt. Obwohl die Stadt Schaffhausen das Gewerbemonopol für sich beanspruchte, liess der Rat auf der Landschaft die für die Landwirtschaft notwendigen Gewerbe der Schmiede, Wagner, Schreiner, Maurer und Zimmerleute zu wie auch andere Handwerke, sofern diese für den lokalen oder regionalen Markt produzierten. Auch wurde die Weberei für den Hausgebrauch und im Nebenerwerb gestattet, wobei etwa in Unterhallau auch eine zunftähnliche Organisation entstand, die Ausbildung und Lehrabschluss kontrollierte.
Familiär oder überfamiliär organisierte, im Fernhandel mit den unterschiedlichsten Produkten wie Tuch, Eisen, Kupfer, Buchsbaumholz, Salz, Wein und Getreide tätige Handelsgesellschaften lassen sich ab dem 16. Jahrhundert in der Stadt Schaffhausen feststellen. Zur Förderung des Handels wurde Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem Vorbild anderer Städte ein Kaufmännisches Direktorium eingerichtet. Während der Rat zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Seidenspinnerei im Verlagssystem noch verboten hatte, förderte er sie von der zweiten Hälfte des 17. bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, jedoch ohne grossen Erfolg. Nachdem die Obrigkeit 1754 die Baumwollspinnerei zugelassen hatte, beschäftigten städtische Verleger Heimarbeiter in Schleitheim, Beggingen, Hemmental, Merishausen und Bargen damit. Die Schaffhauser Baumwollspinnerei hatte aber gegen die grosse Konkurrenz aus dem Schwarzwald einen schweren Stand.
Geringfügige Eisenerzvorkommen im Merishauser Tal wurden bereits im Mittelalter ausgebeutet. Zur Verhüttung der im 17. Jahrhundert im Lauferberg und auf den Hochebenen des Reiat entdeckten Bohnerze wurde 1630 am Rheinfall ein Eisenschmelzofen erbaut. Wegen Rohstoffmangels wurde der Ofen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingestellt. Bohnerz wurde aber noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gefördert. Gips, der in der Bau- wie der Landwirtschaft Verwendung fand, kam in der Umgebung Schleitheims vor und wurde ab dem 18. Jahrhundert abgebaut. Reichhaltige Lehmvorkommen liessen schon früh Ziegeleien entstehen, unter anderem in Lohn.
Gesellschaft
Autorin/Autor:
Oliver Landolt
Im Hochmittelalter entwickelte sich die Stadt Schaffhausen zum Anziehungspunkt für die sozial breit gefächerte Bevölkerung aus dem näheren und weiteren Umland. Der Anteil geistlicher Personen in der Stadt muss im Hoch- und Spätmittelalter recht hoch gewesen sein (Benediktinerkloster Allerheiligen, Benediktinerinnenkloster St. Agnes, Franziskanerkloster, Leutpriester und Kapläne in den verschiedenen Kirchen, Beginen). Lokal ansässige niederadlige Familien, deren Burgen sich vereinzelt als Ruinen oder fast vollständig erhalten haben (Radegg, Randenburg, Herblingen), nahmen vom 12. bis 14. Jahrhundert Wohnsitz in der aufstrebenden Stadt Schaffhausen und bestimmten hier mit der allmählichen Emanzipation von der klösterlichen Stadtherrschaft als Bürger die städtische Politik. Infolge der krisenhaften wirtschaftlichen Entwicklung im Spätmittelalter verarmten einzelne dieser Familien oder starben aus. Als Reaktion auf die Zunftbewegung des Handwerks schlossen sich die politisch an Einfluss verlierenden Stadtadligen sowie die reicheren, in Handel und Kaufmannschaft tätigen Bürger in Gesellschaften zusammen. Auch in der Stadt Stein am Rhein bildeten sich aus Handwerkern bestehende Einungen sowie aus Kaufleuten und Adligen zusammengesetzte Kaufleute- und Herrenstuben. Nach 1411 bestimmten diese Vereinigungen bis Ende des 18. Jahrhunderts das Alltagsleben ihrer Mitglieder in politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht. Die in ärmeren Zünften organisierten Bevölkerungsgruppen wie die Rebleute bildeten soziale Unruheherde (Rebleuteaufstand 1525), die immer wieder für gesellschaftliche Spannungen sorgten. Die sich im Spätmittelalter überregional organisierenden Handwerksgesellen einzelner Berufssparten machten sich auch in der Stadt Schaffhausen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts bemerkbar, wogegen die städtische Obrigkeit im Verbund mit anderen Städten einschritt.
Durch Handel und Kaufmannschaft reich gewordene Stadtbürger investierten ihr Geld in Liegenschaften und Herrschaften im städtischen Umland, errichteten hier teilweise repräsentative Bauten (Sonnenburggut, Schloss Herblingen, Holländerhaus in Hofen) und kamen bisweilen in Konflikt mit den territorialpolitischen Interessen der Stadt Schaffhausen. Dieses Stadtpatriziat orientierte sich an adligen Lebensformen und einzelne Familien liessen sich auch Adelsbriefe ausstellen. Die Ansässigkeit von Juden in der Stadt Schaffhausen ist ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts belegt. Als Kreditgeber spielten sie neben den im 14. und frühen 15. Jahrhundert belegten christlichen Geldverleihern, den Lombarden bzw. Kawerschen, eine wichtige Rolle für die städtische und ländliche Bevölkerung. Judenverfolgungen 1349 und 1401 löschten die jüdische Gemeinde jeweils vollständig aus. Nach wenigen Jahren siedelten sich jeweils wieder Juden an. 1472 wurde ihnen das Wohnrecht in der Stadt Schaffhausen entzogen. Ein jüdischer Arzt samt seiner Familie erhielt im 16. Jahrhundert dennoch das Aufenthaltsrecht. Auch in Stein am Rhein waren Juden ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zur Aufkündigung ihres Aufenthaltsrechts Ende des 15. Jahrhunderts ansässig.
Die Steuerbücher der Städte Schaffhausen (14.-17. Jahrhundert) und Stein am Rhein bieten Einblick in die Vermögensverhältnisse und die soziale Schichtung der Bevölkerung. Eine kleine Schicht reicher bis sehr reicher Bürger stand einer grossen Masse armer oder sogar vermögensloser Menschen gegenüber. Besondere Spannungen ergaben sich zwischen den politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich vollberechtigten Bürgern und den zumeist wenig vermögenden, mit minderen Rechten ausgestatteten Hintersassen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde es immer schwieriger, das in der Regel mit hohen finanziellen Kosten verbundene Bürgerrecht zu erwerben. Ende des 17. Jahrhunderts bestand beinahe ein Fünftel der städtischen Bevölkerung Schaffhausens aus Hintersassen. In ähnlicher Weise schlossen sich auch die Burger in den Landgemeinden gegenüber Neuzuzügern ab, die zumeist nur noch das Hintersassenrecht erwerben konnten. Durch Realteilung wurde der bäuerliche Grundbesitz in der frühen Neuzeit immer stärker zerstückelt, was dazu führte, dass die überwiegende Mehrheit aller Güterbewirtschafter Kleinbauern mit Kleinstbetrieben waren. Mittels gewerblicher Nebenverdienste versuchten besonders die ärmeren Kleinbauernfamilien ihren Lebensunterhalt aufzubessern. Neben Kleinbauern waren auch Taglöhner besonders im Rebbau begehrte Arbeitskräfte.
In der Stadt Schaffhausen entstand im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit eine Reihe von Fürsorgeinstitutionen, welche die unterschiedlichsten Gruppen von Bedürftigen auffingen: das Heiliggeistspital, das Leprosorium, die Spende für Hausarme, die Elendenherberge für fremde Handwerksgesellen, Pilger und Bettler, das Säckle, eine durch die Obrigkeit organisierte Almosensammlung, sowie das Lazarethus für kranke Dienstboten und andere Stadtbewohner. Geäufnet wurde das Vermögen dieser Institutionen insbesondere durch religiöse Stiftungen. Die Armenordnung von 1524 verbot den Gassenbettel, sie wurde aber, wie weitere Verordnungen auch, nur mangelhaft durchgesetzt. Die Zünfte übernahmen für die Angehörigen und ihre Familien eine gewisse soziale Verpflichtung. In der Stadt Stein am Rhein existierte ab Beginn des 14. Jahrhunderts ebenfalls ein Spital und ein Siechenhaus. In den Dörfern beruhte die Armenfürsorge gleichfalls weitgehend auf kirchlichen Stiftungen und Almosensammlungen.
Kirchliches und religiöses Leben
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
Für die Entstehungszeit der Stadt Schaffhausen bildete das 1049 gegründete Benediktinerkloster zu Allerheiligen das spirituelle und politische Zentrum und ab 1080 eine der herausragenden Stützen der cluniazensischen (hirsauischen) Reformbewegung. 1080-1150 erlebte das Skriptorium von Allerheiligen seine Blütezeit. Ab ca. 1250 machte die aufstrebende Bürgerschaft der Stadt Schaffhausen dem Kloster Allerheiligen die Herrschaft streitig. Der Abt blieb zwar nominell Stadtherr und das Kloster gehörte im überregionalen Vergleich zu den grossen Grundbesitzern, doch schwand seine Bedeutung als geistiges Zentrum. Als Antwort auf den Bedeutungsverlust des Klosters Allerheiligen erfolgte die Gründung des Franziskanerklosters um 1250. Der Bettelorden wurde auch in Schaffhausen schnell populär, die Klosterkirche und der dazugehörende Friedhof zu einem bevorzugten Bestattungsort. Ohne weitreichende spirituelle Ausstrahlung blieb das in den 1080er Jahren gegründete Frauenkloster St. Agnes.
Die Stadt Schaffhausen wurde nicht zu einem eigentlichen Wallfahrtsort, selbst wenn es eine lokale Verehrung des Grabs von Eberhard von Nellenburg in der Klosterkirche gab. Grössere Anziehungskraft erlangte der Grosse Gott von Schaffhausen, ein grosses Kruzifix, das in der Klosterkirche hing. In Hallau wurden die beim Bau der Bergkirche 1491 gefundenen Gebeine mit der Thebäischen Legion in Verbindung gebracht, worauf eine überregionale Wallfahrt dorthin einsetzte, die bis zur Reformation anhielt.
Nach dem Beschluss zur Einführung der Reformation 1529 brauchte der Aufbau einer neuen Kirchenorganisation Zeit. Erst der Generationenwechsel am Ende des 16. Jahrhunderts führte zur eindeutig reformierten Ausrichtung des Stadtstaats Schaffhausen und seiner Bevölkerung. Eine wichtige Rolle bei der Ausbildung der Staatskirche kam Johann Konrad Ulmer zu, der ab 1569 Antistes der reformierten Kirche war. Er verfasste den ersten Katechismus von 1569, die erste Kirchenordnung von 1592 und 1596, die für die kommenden Jahrhunderte die Grundlage der Staatskirche bildete, und das erste reformierte Gesangbuch für die Schaffhauser Kirche, das 1579 als eigenständige Publikation erschien. Der Organisationsgrad der Schaffhauser Staatskirche blieb im Vergleich zu anderen reformierten Staatskirchen auch im 17. und 18. Jahrhundert gering. So fanden zum Beispiel keine regelmässigen Visitationen statt und das Führen von Kirchenbüchern blieb dem einzelnen Pfarrer anheimgestellt, auch wenn dafür weiterhin eine Bewilligung des Rats nötig war.
Die innerkirchliche und theologische Entwicklung der Schaffhauser Staatskirche folgte der reformierten Orthodoxie, die sich in der Auseinandersetzung mit dem katholischen Gegner ausbildete, wobei Zürich wichtiges Vorbild blieb. So übernahm die Schaffhauser Staatskirche die Haltung der reformierten Staatskirchen gegenüber den Täufern, die mit Unterstützung der Schaffhauser Geistlichkeit vom Schaffhauser Rat verfolgt wurden, sich jedoch bis in die 1650er Jahre auf der Landschaft halten konnten. Im 18. Jahrhundert bildete sich eine starke pietistische Strömung innerhalb der Schaffhauser Geistlichkeit aus, die aber von der Leitung der Schaffhauser Staatskirche argwöhnisch beobachtet und bekämpft wurde. Von einzelnen Pfarrern abgesehen ist kein wirklich entscheidender Einfluss der Aufklärung innerhalb der Schaffhauser Geistlichkeit festzustellen. Dies hing zum einen mit den überschaubaren Verhältnissen im Stadtstaat Schaffhausen zusammen, zum anderen aber auch mit dem Fehlen einer Universität, die geistige Strömungen hätte aufnehmen können.
Die geistliche Karriere diente häufig der Versorgung von Söhnen mittelständischer Familien der Stadt Schaffhausen. Pfarrer konnte nur ein Stadtbürger werden. Ab 1540 erhielten angehende Pfarrer Stipendien für die universitäre Ausbildung, zum Beispiel in Zürich (Carolinum), Strassburg, Marburg, Göttingen oder Basel. Der vom Rat auf die erste Pfarrstelle der Stadtkirche St. Johann gewählte Pfarrer übernahm zugleich als Antistes die Leitung der Schaffhauser Staatskirche. Die Geistlichen waren vom Rat gewählte Beamte, die dem Rat Rechenschaft schuldig waren und deren Spielraum eng begrenzt blieb. Auf der Landschaft vollzogen die Pfarrer obrigkeitliche Massnahmen wie das Verkünden von Sittenmandaten. Der Rat behielt sich auch in kirchlichen Angelegenheiten das letzte Wort vor. Die Geistlichen hatten daher neben den seelsorgerischen Aufgaben auch konkret herrschaftsstützende Funktion.
Die Schulen wurden von der Geistlichkeit betreut, oft waren die Lehrer Geistliche. Auf der Landschaft blieben die Schulen trotz sporadischer Versuche zur Verbesserung ungenügend und mangelhaft geführt. Das Collegium humanitatis in der Stadt Schaffhausen bildete als gymnasiale Stufe die Spitze der Ausbildungsmöglichkeiten und diente im Wesentlichen als Vorbereitung auf universitäre Studien.
Nur wenige als Theologen ausgebildete Schaffhauser erlangten als Wissenschafter Bedeutung. Dazu zählen Johann Jakob Rüeger, der um 1600 die erste, auf umfassenden Quellenstudien basierende Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen verfasste, sowie die Brüder Johannes von Müller und Johann Georg Müller. Ersterer als eigentlicher Historiker der Eidgenossenschaft und europaweit bekannter Homme de lettres, Letzterer als Schul- und Kirchenreformer.
Der Staat im 19. und 20. Jahrhundert
Politische und Verfassungsentwicklung
Revolution und Helvetik (1798-1803)
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Mit der Hallauer Huldigungsverweigerung und dem Hallauer Memorial von 1790 begann die vorrevolutionäre Bewegung auf der Schaffhauser Landschaft. Zwar forderte das Memorial die Wiedereinführung der vom Stadtregiment beschnittenen alten Rechte, war aber zugleich von den Ideen der Französischen Revolution beeinflusst. Die städtische Obrigkeit griff mit harter Hand durch. Weitere revolutionäre Regungen waren damit vorerst unterdrückt. Die Teilbesetzung der Schweiz durch Frankreich im Januar 1798 wendete das Blatt. Im Kongress von Neunkirch vom 30. Januar bis 1. Februar 1798 verlangten die Landgemeinden von der Stadt ultimativ gleiche Rechte und Pflichten für die Landbewohner, die Aufhebung der Obervogteien und eine gemeinsam ausgearbeitete Verfassung. Die Klein- und Grossräte der Stadt Schaffhausen kamen den Forderungen am 6. Februar 1798 nach, und eine 48-köpfige Nationalversammlung entschied sich am 26. März für die Basler Konstitution von Peter Ochs. Statt dieser diktierte Frankreich am 2. April die Helvetische Einheitsverfassung. Von Aarau aus wurde der Regierungsstatthalter eingesetzt, eine fünfköpfige Verwaltungskammer organisierte den Kanton. Neu wurden dem Kanton Schaffhausen die Distrikte Diessenhofen (bis 6. Juni 1800) und Stein am Rhein sowie die Gemeinde Dörflingen zugeteilt. In jedem Dorf bildete sich eine Urversammlung mit eigenen Behörden; die Hintersassen waren stimmberechtigt. In der Stadtgemeinde Schaffhausen galten die historischen zwölf Gesellschaften und Zünfte je als eine Urversammlung. Ab 1800 umfasste der Kanton Schaffhausen 36 Gemeinden.
Einschneidend für das Alltagsleben wurden die französische Besetzung am 1. Oktober 1798 und die Geschehnisse im Zweiten Koalitionskrieg ab dem 1. März 1799. Als rechtsrheinisches Frontgebiet mit den Brückenorten Schaffhausen, Diessenhofen und Stein am Rhein war der Kanton zwar von hoher strategischer Bedeutung, militärisch aber gegen die anrückenden Österreicher und Russen nicht zu halten. Die Franzosen setzten sich daher am 13. April 1799 nach der verlorenen Schlacht von Stockach über den Rhein ab und zerstörten hinter sich alle Rheinbrücken. Schaffhausen erlebte eine kurze Interimszeit. Erst die von der Koalition verlorene Zweite Schlacht von Zürich schaffte die Voraussetzung für den erneuten Vorstoss der Franzosen nach Osten. Das Gebiet des Kantons Schaffhausen gelangte am 1. Mai 1800 wieder unter französische Oberhoheit.
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Die Mediationsverfassung von 1803 schuf eine neue Kantonsorganisation. In den drei Distrikten Schaffhausen, Reiat/Stein und Klettgau wurden je sechs Wahlzünfte gebildet, auf der Landschaft durch Zusammenzug von Gemeinden, in der Stadt durch Zusammenlegung von je zwei historischen Zünften. Die 18 Wahlzünfte wählten einen Kantonsrat von 54 Mitgliedern auf Lebenszeit. Diese bestimmten zwei sich jährlich ablösende Bürgermeister und einen 15-köpfigen Kleinen Rat als Exekutive, der auch richterliche Funktionen wahrnahm. Die 1803 geschaffenen Distrikte (Gerichtsbezirke) wurden 1831 auf sechs erweitert und bestanden bis zu ihrer Aufhebung 1999. Das Gesetz über den Zehntenloskauf von 1805 ermöglichte den Gemeinden, den Zehnten für den 20-fachen Jahresertrag von den Klosterämtern abzulösen und den Betrag den neuen Besitzern zu verrechnen. Die erst 1876 abgeschlossene Ablösung machte aus zehnt- und grundzinspflichtigen Bauern freie Landeigentümer.
Die Restauration von 1814 schuf einen Kantonsrat von 74 Mitgliedern, 52 davon aus den Städten Schaffhausen und Stein am Rhein. Das Zurückdrängen der Landvertreter rächte sich, als 1818 22 Landgemeinden sich weigerten, das in der Stadt beschlossene neue Steuergesetz zu vollziehen. Der folgende Hochverratsprozess gegen 73 Kantonsbürger, darunter ein Kantonsrat, 13 Gemeindepräsidenten und 28 Gemeinderäte, erbitterte die Landschaft gegen die Stadt und war eine der Ursachen, die nach der Julirevolution in Paris 1830 zum liberalen Umschwung in Schaffhausen führten. Ein bewaffneter Zug der Klettgauer in die Stadt am 16. Mai 1831 löste dort ein Umdenken aus: Bürgermeister und Räte demissionierten. An ihre Stelle trat ein nach Volkszahl gewählter Verfassungsrat, der das Repräsentationsverhältnis zwischen Stadt und Land im Kantonsrat auf 30 zu 48 Sitze festlegte. Vier Jahre später wurde eine proportionale Sitzverteilung von 18 zu 60 eingeführt. Die neue Kantonsverfassung von 1831 setzte Grundprinzipien des Liberalismus wie Volkssouveränität, Gewaltentrennung und Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen durch.
Autorin/Autor:
Eduard Joos
An vorderster Front trat der wirtschaftlich durch den Deutschen Zollverein bedrängte Kanton Schaffhausen für einen starken Bundesstaat mit einheitlichem Wirtschaftsraum ein. Zur Abwehr der Staatszersplitterung sandte er ein militärisch erfolgreiches Kontingent in den Sonderbundskrieg und stimmte der neuen Bundesverfassung mit 79% Ja-Stimmen deutlich zu. Die Kantonsverfassung von 1852 ersetzte das bisher vorherrschende Regierungsprinzip mit kollektiv entscheidenden Räten und Kommissionen. Die auf sieben Mitglieder reduzierte Regierung arbeitete nun in einem Departementalsystem. Durch die beschleunigte Gesetzgebung des 57-köpfigen Kantonsrats wurden innert 33 Jahren alle wichtigen Staatsbelange in 82 Gesetzen geregelt, die dem neu eingeführten Volksveto unterstanden. Kommissionen wurden durch besoldete Beamte ersetzt, doch regelmässig lehnte das Volk die entsprechenden Besoldungsgesetze ab. Die demokratische Verfassung von 1876, gegen den zähen Widerstand der ländlichen Konservativen erst nach drei abgelehnten Entwürfen in der Volksabstimmung angenommen, brachte die Reduktion der Regierung auf fünf vollamtliche, vom Volk gewählte Mitglieder, die Volkswahl der Ständeräte, ein fakultatives Gesetzes- und Finanzreferendum sowie die Volksinitiative (1000 Unterschriften). Da fast jede der 36 Gemeinden zu einem Wahlkreis für den Kantonsrat wurde, bestand das Parlament bis 1956 zu gut einem Drittel aus Gemeindepräsidenten. 1895 erfolgte die Einführung des obligatorischen Gesetzesreferendums; bis 1980 wurden dem Volk 147 Gesetze vorgelegt, davon wurden 138 gutgeheissen und nur neun verworfen. 1895 wurde auch eine Totalrevision der Kantonsverfassung beschlossen, nach 82 Kommissionssitzungen, zwei Entwürfen und drei Volksabstimmungen aber 1899 erfolglos abgebrochen. Erst 2002 hatte, nach einem gescheiterten Versuch im Jahr zuvor, eine neue Kantonsverfassung wieder Erfolg. Sie brachte unter anderem die Volksmotion und eine Abschwächung des obligatorischen Referendums. 2004 wurde eine FDP-Initiative zur Verkleinerung des Kantonsrats von 80 auf 60 Mitglieder vom Stimmvolk gutgeheissen.
Die Parteienherrschaft im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Im 19. Jahrhundert entstanden politische Strömungen aus bestimmten Anlässen und um führende Persönlichkeiten. Neben ersten sporadischen Parteibildungen, wie sie etwa aus dem Streit um die Linienführung der Eisenbahn hervorgingen, kamen in der zweiten Jahrhunderthälfte mit dem Demokratischen, dem Politischen und dem Grütliverein diejenigen Bewegungen auf, aus denen sich über Zwischenstufen die im selben Jahr 1904 gegründete Freisinnig-demokratische Partei (FDP) und die Sozialdemokratische Partei (SP) entwickelten. Von der bis zum Generalstreik alles beherrschenden FDP spaltete sich 1918 die Bauernpartei (BP) ab; sie trat 1943 der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei Schweiz (ab 1971 Schweizerische Volkspartei, SVP) bei. Die drei grossen Parteien erreichen seit 1920 immer 68-94% aller Kantonsratssitze; alle weiteren Parteien - zum Beispiel 1905 der Liberale Verein (LV), ab 1913 Liberal-demokratische Partei (LDP), 1911 die Christlich-soziale Partei (CSP), später Katholische Volkspartei (KVP) bzw. Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), 1922 die aus dem Zusammenschluss von LDP und Evangelisch-sozialer Vereinigung entstandene Evangelische Volkspartei (EVP), 1935 Jungliberale Bewegung (JBS), 1937 Landesring (LdU), 1974 POCH, 1988 Autopartei, 1990 die aus dem Zusammenschluss von JBS und Umweltforum Schaffhausen entstandene Ökoliberale Bewegung (ÖBS) - spielten belebende Nebenrollen. Alle drei grossen Parteien erlebten ihre besonderen Stürme. Die Schaffhauser SP trat unter Walther Bringolf überraschend der Kommunistischen Internationale bei und nannte sich ab 1921 Kommunistische Partei (KP), nach dem Bruch mit dem Stalinismus 1931 Kommunistische Partei-Opposition, bevor sie sich 1935 als Sozialistische Arbeiterpartei wieder der SP Schweiz anschloss. Deren Namen übernahm sie aber erst 1961. Die überalterte FDP erlebte eine Zerreissprobe, als 1933 junge Parteimitglieder austraten und die Neue Front (später Nationale Front) gründeten. Zwischen dem scharfen Linkskurs der KP und dem Rechtskurs der Front wurde die Bauernpartei hin und her gerissen: Bis 1940 näherte sie sich unter Paul Schmid-Ammann der Linken an, 1940-1942 huldigte sie unter Hans Zopfi einem rechtsbürgerlichen Kurs und verstand sich danach als Mitte-Partei. Mit der Kriegswende im Zweiten Weltkrieg erlebte die Linke eine Hausse, die bis 1980 andauerte. Nach der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 verdoppelte sich zwar der Wahlkörper von 18'875 auf 40'702 Stimmberechtigte, ein grundsätzlicher Wechsel der Wählerstärke der Parteien war damit nicht verbunden. In der Wirtschaftskrise nach 1973 mehrten sich die Rufe nach Rückbau, Privatisierung und einem schlanken Staat, wobei insbesondere Doppelspurigkeiten in der Verwaltung zwischen Kanton und Stadt kritisiert wurden. Seither sind die Mitte- und Rechtsparteien wieder auf dem Vormarsch, insbesondere die SVP, die in den 1990er Jahren zur stärksten Kraft aufstieg.
Sitze des Kantons Schaffhausen in der Bundesversammlung 1919-2015
| 1919 | 1922 | 1925 | 1928 | 1931 | 1935 | 1947 | 1959 | 1967 | 1979 | 1987 | 2003 | 2007 | 2011 | 2015 |
---|
Ständerat |
FDP | 2 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | | 1 | 1 | | |
BP/BGB/SVP | | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
SP | | | | | | | | | | | 1 | | | | |
Parteilos | | | | | | | | | | | | | | 1 | 1 |
Nationalrat |
FDP | | 1 | 1 | 1 | | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | | | |
BP/BGB/SVP | 2 | 2 | 1 | 1 | 1 | | | | | | | | 1 | 1 | 1 |
SP | | | | | | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
KP/KPO | | | 1 | 1 | 1 | | | | | | | | | | |
Sitze des Kantons Schaffhausen in der Bundesversammlung 1919-2015 - Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Schaffhausen 1904-2016
| 1904 | 1918 | 1920 | 1924 | 1928 | 1935 | 1947 | 1960 | 1968 | 1999 | 2000 | 2004 | 2008 | 2012 | 2016 |
---|
FDP | 5 | 4 | 3 | 2 | 3 | 2 | 1 | 2 | 2 | 1 | 2 | 2 | 2 | 2 | 2 |
BP/BGB/SVP | | 1 | 2 | 3 | 2 | 2 | 2 | 2 | 1 | 1 | 1 | 2 | 2 | 2 | 2 |
SP | | | | | | 1 | 2 | 1 | 2 | 2 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
ÖBS | | | | | | | | | | 1 | 1 | | | | |
Total Sitze | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 |
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Schaffhausen 1904-2016 - Staatskanzlei; Eduard Joos
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Schaffhausen 1904-2016
| 1920 | 1924 | 1932 | 1936 | 1944 | 1948 | 1956 | 1964 | 1976 | 1988 | 1996 | 2004 | 2008 | 2012 | 2016 |
---|
FDP | 20 | 21 | 21 | 14 | 15 | 18 | 21 | 20 | 19 | 15 | 17 | 14 | 12 | 9 | 9 |
BP/BGB/SVP | 29 | 32 | 29 | 31 | 29 | 26 | 18 | 18 | 16 | 17 | 23 | 27 | 16 | 16 | 19 |
SP | 19 | 2 | 2 | 26 | 31 | 20 | 30 | 27 | 25 | 26 | 23 | 24 | 14 | 13 | 13 |
KP/KPO | | 14 | 13 | | | | | | | | | | | | |
CSP/KVP/CVP | 1 | 3 | 6 | 2 | 3 | 5 | 7 | 8 | 7 | 6 | 4 | 3 | 3 | 3 | 2 |
LdU | | | | | | 2 | 3 | 3 | 6 | 2 | | | | | |
LV/LDP/EVP | 3 | 3 | 3 | 2 | 1 | 2 | 1 | 2 | 3 | 2 | 2 | 1 | 1 | 1 | 1 |
JBS/ÖBS | | | | | | 1 | 1 | 1 | 2 | 2 | 3 | 6 | 5 | 4 | 2 |
POCH | | | | | | | | | 2 | 1 | 1 | | | | |
JSVP | | | | | | | | | | | | 3 | 3 | 3 | 1 |
Autopartei | | | | | | | | | | 8 | 3 | | | | |
Andere | 6 | 2 | 2 | 1 | 1 | 6 | 1 | 1 | | 1 | 4 | 2 | 6 | 11 | 13 |
Total Sitze | 78 | 77 | 76 | 76 | 80 | 80 | 82 | 80 | 80 | 80 | 80 | 80 | 60 | 60 | 60 |
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Schaffhausen 1904-2016 - Bundesamt für Statistik; Schaffhauser Kantonsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 3 Bände, 2001-2002; Staatskanzlei
Medien
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Seit 1664 sind Zeitungen aus Schaffhausen erwähnt, das als Grenzort, Sammelpunkt der Postlinien und Eingangstor der Schweiz Nachrichten oft einen Tag früher verbreiten konnte. Ab 1798 publizierten die Zeitungen auch politische Lokalnachrichten. 1840 entstand das liberal-freisinnige "Schaffhauser Tagblatt" (bis 1937), 1857 "Der Klettgauer", die erste Zeitung der Landschaft, die seit 2009 als "Schaffhauser Landzeitung" herauskommt. Das 1861 gegründete, zu Beginn angriffige, um 1900 konservativ liberale "Schaffhauser Intelligenzblatt" heisst seit 1940 "Schaffhauser Nachrichten" und war 2010 die beherrschende Lokalzeitung, die durch die Verbindung mit Radio Munot (seit 1983) und dem Schaffhauser Fernsehen (seit 1994) fast eine Monopolstellung erlangt hatte. Die 1918 gegründete sozialdemokratische, 1921-1935 kommunistische "Arbeiter-Zeitung" lebt im Wochenblatt "Schaffhauser az" weiter. Auch das wöchentliche Gratisblatt "Schaffhauser Bock" (seit 1965) verstand sich bis 2004 als streitbarer Gegenpol zu den bürgerlichen "Schaffhauser Nachrichten". Ferner gab es 2010 noch die "Klettgauer Zeitung" (seit 1868), das "Heimatblatt" in Thayngen (seit 1953) und das 1993 gegründete, seit 1998 regelmässig sendende Radio RaSa. 1933-1943 erregte der "Grenzbote" als Organ des Frontismus nationales Aufsehen. Rund 20 weitere Schaffhauser Zeitungen haben ebenfalls nicht überlebt.
Schaffhausen als Grenzkanton
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Als Umschlags- und Handelsplatz des Rheintransitverkehrs war Schaffhausen mit Baden und Württemberg eng verknüpft, bis der Deutsche Zollverein ab 1836 Schaffhausen wirtschaftlich zum Grenzland machte. Der politische Bruch erfolgte im Ersten Weltkrieg, stärker und für Jahre nachwirkend ab 1933 und im Zweiten Weltkrieg, als sich die Bewohner des schwach verteidigten rechtsrheinischen Brückenkopfs vom nationalsozialistischen Deutschland umzingelt sahen. In zivilem Ungehorsam unterliefen Schaffhauser zum Teil die offizielle Flüchtlingspolitik und ermöglichten Juden und anderen Flüchtlingen den Übertritt in die Schweiz, besonders vor Kriegsende. Nach dem Krieg normalisierte sich die Zusammenarbeit im engeren Grenzverkehr wieder: 1971 trat der Kanton der Internationalen Bodenseekonferenz bei und 2006 wurde der Verein Agglomeration Schaffhausen gegründet, in dem die angrenzenden Kantone und Gemeinden ebenso wie die benachbarten Landkreise und deutschen Kommunen vertreten sind. Hingegen zeigten sich die Schaffhauser in Volksabstimmungen zu europarelevanten Fragen skeptisch und ablehnend. Mit der Motorisierung stark zugenommen haben Einkäufe jenseits der Grenze, die immer weniger als solche empfunden wird.
Staatliche Tätigkeit und Verwaltung
Kommunale und kantonale Verwaltung
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Seit der Mediationsverfassung wählen die Gemeindebürger ihre Behörden selbst. Der Gemeinderat hatte Verwaltungs-, Polizei- und Gerichtsfunktionen und war Fertigungsbehörde. Ab 1846 übernahm die Gemeinde die Bannvermessung und das Grundbuch (1911 kantonalisiert), ab 1876 das Zivilstandswesen (2004 kantonalisiert).
1803 bestand die kantonale Verwaltung, von der erst 1831 die Stadtverwaltung abgetrennt wurde, hauptsächlich aus dem Staatsschreiber, dem Ratsschreiber, dem Archivar, dem Oberschulherrn und den beiden Seckelmeistern, die sich auf die Amtsleute der Klosterverwaltung stützen konnten. Amtsgewalt wurde ferner durch Mitglieder der Kommissionen, unter anderem Kirchen- und Schulrat, Sanitätsrat und Polizeikommission, ausgeübt. Ein Markstein in der Staatstätigkeit war die Einführung der obligatorischen Gebäudeversicherung 1809. Mit dem Übergang zum Departementalsystem begann 1852 der systematische Verwaltungsaufbau, zuerst durch die Wahl von Sekretären, bald durch zusätzliche Beamte, Abteilungen und Institutionen (1883 Kantonalbank, 1905 Schleitheimerbahn, 1909 Kantonslabor, Elektrizitätswerk, 1912 Grundbuchamt, 1916 Vermessungsamt, 1930 Meliorationsamt). 1938 gab es 601 Staatsangestellte, 1949 waren es 732. 2009 wies der Stellenplan des Kantons Schaffhausen inklusive Schulen und Spitäler 2623 bewilligte Stellen aus. Der Kanton war grösster Arbeitgeber der Region geworden.
Finanzen
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Seine Ausgaben finanzierte der Kanton Schaffhausen hauptsächlich durch Erträge aus Regalien, Zoll und Wald. Das Postregal war bis 1833 an drei Familien verpachtet, 1833-1853 an das Haus von Thurn und Taxis; es brachte jährlich 3180 Fr. ein. Daneben erhob der Kanton bei Bedarf Vermögenssteuern, meist 1-2‰. 1817 war die Staatsschuld durch Kriege, Truppendurchzüge und die Erneuerung des Strassennetzes auf 450'000 Fr. angewachsen. Das von der Landschaft vehement bekämpfte Finanzgesetz von 1818 brachte jährliche Einnahmen von 46'640 Fr. Zur Schuldentilgung wurde 1835-1845 das Staatswaldrevier Staufenberg für 371'000 Fr. an eine Holzhandelsgesellschaft versteigert. Ab 1833 wurde die Kantonsrechnung öffentlich. Das damalige Umsatzvolumen von 200'000 Fr. stieg bis 2007 auf 617 Mio. Franken. Die Progressivsteuer wurde 1879 eingeführt. 1919 wurde Schaffhausen zu einer Steueroase für Holdinggesellschaften. 1956-1988 war diese Begünstigung aufgehoben. Seither steht Schaffhausen wieder an der Spitze im schweizerischen Steuerwettbewerb.
Recht und Justiz
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Für Zivilfälle waren ab 1803 die in den Bezirken geschaffenen Stadt- und Landgerichte zuständig. Sie wurden 1831 auf sechs Bezirksgerichte mit sieben, ab 1852 mit fünf Mitgliedern vereinheitlicht. Das aus 13 Grossräten bestehende Appellationsgericht war auch Kriminalgericht. Um vier Kleinräte erweitert, bildete es das Malefizgericht. 1814-1831 war der Kleine Rat wieder wie im Ancien Régime oberste Gerichtsinstanz. 1831 entstand die regierungsunabhängige Justiz mit einem Appellationsgericht (ab 1852 Obergericht) und einem Kantonsgericht, dem das Verhöramt zugeordnet wurde. Das erste kantonale Strafgesetz von 1834 wurde vom Kanton Basel übernommen, das von 1859 nach dem Vorbild des Grossherzogtums Baden gestaltet. Das Privatrechtliche Gesetzbuch von 1863 war eine kantonale Eigenleistung, die Bürgerliche Prozessordnung von 1869 wurde zu zwei Dritteln aus der Zürcher Zivilprozessordnung übernommen. Heinrich Bolli schuf die kantonale Strafprozessordnung von 1909. 1822 wurde der letzte Verurteilte am Galgen hingerichtet, 1847 das letzte Todesurteil öffentlich mit dem Richtschwert vollstreckt. Bis 1912 wurden Freiheitsstrafen in der Strafanstalt an der Bachstrasse vollzogen, seit 1914 besitzt Schaffhausen nur noch ein Untersuchungs- und Kurzzeitgefängnis. Die schwerfälligen Bezirksgerichte wurden 1928 durch Einzelbezirksrichter ersetzt und diese 1998 ins Kantonsgericht integriert. 2010 hatte das Obergericht fünf Mitglieder und fünf Ersatzrichter, das Kantonsgericht umfasste sechs Mitglieder und fünf Ersatzrichter.
Gesundheit und Sozialwesen
Autorin/Autor:
Eduard Joos
Zwischen 1810 und 1999 stieg die Zahl der im Kanton tätigen Medizinalpersonen von 16 auf 401. Die Aufsicht führte 1805-1852 der Sanitätsrat, dann die Regierung, ab 1856 unterstützt durch Bezirksärzte, ab 1970 durch den Kantonsarzt. Aus dem städtischen Krankenhaus ging 1901 das Kantonsspital hervor, das 1954 und 1976 erweitert wurde. Die Psychiatrische Klinik Breitenau entstand 1891. Diese beiden Anstalten wurden 2007 mit dem 1955 eingerichteten, 1969 neu erbauten kantonalen Pflegeheim zu den Spitälern Schaffhausen vereinigt und unter eine Führung gestellt.
Bis 1935 waren die Bürgergemeinden für die Armenlasten zuständig, seither die Einwohnergemeinden. Ab 1832 entstanden auch in Landgemeinden Armenhäuser. In vielen Dörfern, besonders im Klettgau, unterstützten die Gemeinden die Auswanderung finanziell, um die Armenkasse zu entlasten. 1853-1868 führte der Kanton eine Zwangsarbeitsanstalt auf dem Griessbach, die wegen des bescheidenen Erfolgs bald wieder aufgehoben wurde. Sozialfürsorge betrieben die Kirchen, die Gemeinnützige Gesellschaft und grosse Industrieunternehmen, die sich ab 1900 vor allem um den sozialen Wohnungsbau kümmerten. Unter dem Druck der Linksparteien übernahm der Kanton im 20. Jahrhundert immer mehr Sozialaufgaben.
Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im 19. und 20. Jahrhundert
Bevölkerung und Siedlung
Autorin/Autor:
Roland E. Hofer
1798 lebten 24'889 Personen im heutigen Kantonsgebiet, 2007 waren es 74'527. Die Bevölkerungszunahme (+212%) blieb damit im schweizerischen Vergleich (+348%) bescheiden. Von allen Kantonen im Mittelland und Jura wies Schaffhausen die geringste Wachstumsrate auf.
19. Jahrhundert: Bescheidenes Wachstum, Massenauswanderung, Verstädterung
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Bis zum Beginn der Industrialisierung nach 1850 nahm die Bevölkerung in allen Gemeinden deutlich zu, am wenigsten in den Städten Schaffhausen und Stein am Rhein. Die Krisen um 1800 sowie von 1814 und 1834 machten sich auch in Schaffhausen bemerkbar, führten aber nur 1814 zu einem Sterbeüberschuss. Dafür erreichte die Auswanderung nach Übersee nach der schweren Agrarkrise von 1846-1847 einen ersten, zu Beginn der 1880er Jahre einen zweiten Höhepunkt. Insgesamt verliessen im 19. Jahrhundert mehr als 10'000 Personen den Kanton. Schaffhausen belegte damit einen der vordersten Ränge der schweizerischen Auswanderungsstatistik. Die Bezirke Unter- und Oberklettgau, in denen die Güterzerstückelung wegen der Realteilung ausgeprägt war, waren von der Übersee-Emigration besonders stark betroffen. Die kleinbäuerlichen Emigranten zogen die Hoffnung auf eigenen Boden im fernen Ausland der Fabrikarbeit in der nahen Stadt vor. Zwischen 1850 und 1910 stieg hingegen die ausländische Bevölkerung von rund 1350 Personen auf über 10'000 (23%) an. Ca. 75% der Immigranten kamen aus Deutschland, ca. 17% aus Italien. Als Resultat der weitgehend auf die Agglomeration Schaffhausen konzentrierten Industrialisierung und der entgegengesetzten Wanderungsbewegungen verschoben sich innerhalb des Kantons die Gewichte nachhaltig: 58% der Gesamtbevölkerung lebten 1910 in den drei stark industrialisierten Gemeinden Schaffhausen, Neuhausen und Thayngen. Noch 1850 hatte deren Anteil weniger als ein Drittel ausgemacht.
20. Jahrhundert: Schwierige Zwischenkriegszeit, Babyboom und Stagnation
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
In den beiden Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg wuchs die Schaffhauser Bevölkerung nur noch schwach. Dafür verantwortlich war in erster Linie das rasche Absinken der Geburtenrate ab 1920 aufgrund der Geburtenkontrolle und des Rückgangs der Säuglingssterblichkeit. Ein Grossteil der ausländischen Arbeitskräfte hatte zudem bei Kriegsausbruch 1914 die Schweiz wieder verlassen müssen; der Ausländeranteil sank während der ganzen Zwischenkriegszeit stetig und erreichte im Zweiten Weltkrieg mit nur noch 6% den Tiefpunkt.
1938-1945 stieg die Geburtenrate noch einmal auf über 20‰ und verharrte während der 1950er und 1960er Jahre auf hohem Niveau, während sich die Mortalität bei etwa 10‰ einpendelte. Daraus resultierte das markanteste Bevölkerungswachstum der jüngeren Schaffhauser Geschichte: Der Kanton zählte 1950 57'500, 1970 72'800 Einwohner. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte deutlich (von weniger als 4000 1950 auf rund 14'000 1970): Diese stammten bis 1960 vor allem aus Italien, später auch aus Jugoslawien, Spanien und der Türkei. Zwei von drei Personen lebten 1970 in der Stadt Schaffhausen oder in Neuhausen.
Die Rezession von 1973-1975 vernichtete im Kanton Schaffhausen Tausende von Arbeitsplätzen, von denen drei Viertel von Ausländern besetzt gewesen waren. Der Kanton verlor zwischen den Volkszählungen 1970 und 1980 nicht weniger als 3500 Einwohner, die meisten durch Rückwanderung von ausländischen Arbeitern. Erst 1990 erreichte der Kanton Schaffhausen wieder den Stand von 1970; seitdem wächst er langsam. Während die Agglomeration Schaffhausens an Einwohnern einbüsste, nahm die Bevölkerung in praktisch allen ländlichen Gemeinden zu, besonders deutlich in einem Gürtel rund um die Stadt Schaffhausen, zu dem auch die Gemeinden im nördlichen Zürcher Weinland gehören.
Wirtschaft
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Um 1800 war die Stadt Schaffhausen Zentrum von Handwerk, Handel und Transitverkehr. Die Zünfte wehrten sich bis 1855 mit Erfolg gegen die Einführung der Gewerbefreiheit. Nur gerade drei Fabriken produzierten in Ansätzen industriell: ab 1736 eine Baumwolldruckerei, eine 1813 gegründete Baumwollspinnerei am städtischen Rheinufer sowie ab 1811 die Eisengiesserei Neher am Rheinfall, aus der die Aluminium Industrie AG (später Alusuisse) hervorging. Die Giesserei von Johann Conrad Fischer im Mühlental, Kern der späteren Georg Fischer (+GF+), blieb dagegen bis weit nach der Jahrhundertmitte ein bescheidener gewerblicher Betrieb. Für den Warenverkehr war die Schifffahrt auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch wichtig: Schaffhausen besass bis 1837 auf dem Oberen Wasser (rheinaufwärts) ein Schifffahrtsprivileg, auf dem Unteren Wasser (unterhalb des Rheinfalls) sogar bis 1864. Deutsche Dampfboote bedienten Schaffhausen ab 1824, Schweizer Dampfschiffe verkehrten auf der Rheinstrecke ab 1851. Die durch die napoleonischen Kriege beschädigten Landstrassen wurden nach 1815 zum Teil in Fronarbeit allmählich erneuert und befestigt.
Die Landschaft war weitgehend agrarisch geprägt. Die grosse Mehrheit der Bauern verfügte über zu wenig Ackerland, um davon leben zu können. Das Einkommen wurde durch Taglöhnerei, Weinbau und dörfliches Kleinhandwerk ergänzt. Dreizelgenordnung, Flurzwang und kollektiver Weidgang wurden erst allmählich und gegen hartnäckigen Widerstand der Kleinbauern abgeschafft. Die weite Verbreitung des ländlichen Handwerks und des arbeitsintensiven Weinbaus in der dörflichen Unterschicht waren massgeblich dafür verantwortlich, dass sich in Schaffhausen keine Heimindustrie etablieren konnte und die Landschaft bis ins 20. Jahrhundert wenig zur wirtschaftlichen Modernisierung beitrug.
Aus der Krise zum industriellen Aufschwung
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Erst in den 1840er Jahren erschütterte eine mehrfache Krise diese stabilen Strukturen: Der Beitritt der nördlichen Nachbarn zum Deutschen Zollverein erschwerte bereits ab 1836 den Handel mit den wichtigsten Partnern. Bis 1848 behinderte zudem das Fehlen eines einheitlichen schweizerischen Wirtschaftsraums eine Neuausrichtung etwa des Weinhandels auf das schweizerische Gebiet. Gleichzeitig geriet die Drehscheibenfunktion von Schaffhausen im Nord-Süd- und Ost-West-Transitverkehr zunehmend unter Druck. Missernten und die Kartoffelkrankheit von 1846-1847 führten zu Teuerung und einer generellen Konsumkrise, unter der auch das Gewerbe zu leiden hatte. Diese Krise wurde zum eigentlichen Katalysator der 1850 einsetzenden Modernisierung.
Die Gründung des schweizerischen Bundesstaats, die Durchsetzung eines eidgenössischen Wirtschaftsraums ohne Binnenzölle und mit mässigen Schutzzöllen an der Landesgrenze, die Professionalisierung der kantonalen Verwaltung, der Ausbau der direkten Demokratie in der Verfassung von 1852 sowie die Einführung der Gewerbefreiheit 1855 schufen günstige Rahmenbedingungen für einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung. Sie zeugen gleichzeitig auch von einem Mentalitätswandel bei einem beträchtlichen Teil der städtischen Bevölkerung. Diese neue Denkweise ermöglichte es zum Beispiel Heinrich Moser, im Kanton Schaffhausen neue Fabrikarbeitsplätze zu schaffen (1853 Waggonfabrik in Neuhausen, ab 1863 Schweizerische Industrie-Gesellschaft SIG) und mit dem Schaffhauser Grosskaufmann und Politiker Friedrich Peyer im Hof den Anschluss von Schaffhausen ans schweizerische Eisenbahnnetz zu erkämpfen (Rheinfallbahn Schaffhausen-Winterthur, 1857). Neben Moser und Peyer trugen eine ganze Reihe auswärtiger Investoren, aber auch vermögende Schaffhauser Familien dazu bei, dass der Industrialisierungsprozess an Dynamik gewann. Ansässige gewerbliche und industrielle Unternehmungen nutzten die durch den Moserdamm erschlossene Wasserkraft des Rheins. Schon bald siedelten sich auch Industrien vor allem aus der Textil- und Maschinenbranche sowie der erste Vorläufer der späteren International Watch Co. (IWC) an. Vom Aufschwung profitierten entgegen den Befürchtungen auch das Handwerk und vor allem die Eisen- und Stahlproduktion am Rheinfall (Neher) und im Mühlental (+GF+). Ab 1862 unterstützten die Bank in Schaffhausen, ab 1883 die Schaffhauser Kantonalbank als erste moderne Universalbanken den industriellen Aufschwung. Zahlreiche Spar- und Leihkassen begannen gleichzeitig an Stelle der traditionellen städtischen Kreditgeber die Bedürfnisse der Kleinbetriebe in Stadt und Land zu befriedigen.
Zweite Industrialisierungswelle um die Jahrhundertwende
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg setzte sich die Industrialisierung ungebremst fort. Basis war der Ausbau des Eisenbahnnetzes mit den Linien Waldshut-Schaffhausen-Konstanz (1863), Schaffhausen-Etzwilen-Stein am Rhein (1895), Schaffhausen-Bülach-Zürich (1897) und die kantonale Strassenbahn Schaffhausen-Schleitheim (1905, seit 1964 Busbetrieb) sowie die Umstellung der Energieversorgung auf Elektrizität. Die Produktion von Strom durch die Stadt Schaffhausen ab 1897 und das flächendeckende Verteilnetz des kantonalen Elektrizitätswerks ab 1908 erlaubten die Erschliessung neuer, wasserkraftunabhängiger Industrie- und Gewerbeareale und trugen zur Dezentralisierung der Industriestandorte bei. Mit der Gründung der Alusuisse 1888 in Neuhausen am Rheinfall und dem schnellen Wachstum der +GF+ sowie der SIG wurde der Kanton Schaffhausen zu einem Zentrum der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie. Um 1900 konnte der grosse Investitionsbedarf nicht mehr durch das lokale Finanzkapital gedeckt werden. Aktiengesellschaften und auswärtige Grossbanken spielten eine zunehmend beherrschende Rolle. Die Gesamtbeschäftigung wuchs zwischen 1888 und 1910 um 38%. Um die Jahrhundertwende arbeiteten erstmals mehr Menschen im 2. Sektor als in der Landwirtschaft, doch ging die Industrialisierung bis nach dem Ersten Weltkrieg nicht zu Lasten der Landwirtschaft, die noch immer mehr als 6000 Beschäftigte zählte. Obwohl die Arbeitskräfte, anfänglich insbesondere die Facharbeiter, vor allem von auswärts kamen, schuf die Industrie auch Verdienstmöglichkeiten für die Arbeiterbauern und trug damit zur Stabilisierung der ländlichen Wirtschaft bei.
Erwerbsstruktur des Kantons Schaffhausen 1860-2000a
a bis 1960 ohne Teilzeitangestellte
b Residualgrösse einschliesslich "unbekannt"
c ortsanwesende Bevölkerung
d Die Beschäftigtenzahlen der Volkszählung 2000 sind wegen der grossen Zahl "ohne Angabe" (5 194) nur begrenzt mit den vorhergehenden Daten vergleichbar.
Erwerbsstruktur des Kantons Schaffhausen 1860-2000 - Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen
Weltkriege und Zwischenkriegszeit, Aufschwung und Krise
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die starke Stellung der Eisen- und Maschinenindustrie und die traditionell enge Verflechtung mit Deutschland verhalfen der Schaffhauser Wirtschaft in beiden Weltkriegen nach Anfangsschwierigkeiten zu rüstungsbedingtem Boom und Vollbeschäftigung. Weit schwieriger war die Zwischenkriegszeit. Der Einbruch zu Beginn der 1920er Jahre war für Industrie und Banken heftig. Die Bank in Schaffhausen und die Ersparniskasse Stein am Rhein überlebten den deutschen Währungszerfall nicht, doch erholte sich die Wirtschaft bis 1929 wieder. Die Weltwirtschaftskrise traf ab 1930 vor allem die Metallindustrie hart. Die Arbeitslosigkeit vervierfachte sich zu Beginn der 1930er Jahre. Die 1928 beschlossene obligatorische kantonale Arbeitslosenversicherung für Unselbstständige und gezielte Arbeitsbeschaffungsprogramme federten die schlimmsten sozialen Härten ab.
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die Frankenabwertung von 1936 und die beginnende Aufrüstung leiteten den längsten und nachhaltigsten Wirtschaftsaufschwung des 19. und 20. Jahrhunderts ein. Nach Kriegsende 1945 erfolgte, anders als nach dem Ersten Weltkrieg, kein wirtschaftlicher Einbruch. Die Schaffhauser Industrie profitierte von der gewaltigen Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern im zerstörten Europa. Der Anteil der Metall- und Maschinenindustrie nahm noch einmal zu, auch weil die Textilindustrie langsam, aber stetig schrumpfte. Ingesamt waren 1960 mehr als 61% aller Beschäftigten im 2. Sektor tätig. Die +GF+ entwickelte sich zu einem multinationalen Konzern mit mehr als 20'000 Mitarbeitenden um 1970. Die begrenzten Platzverhältnisse in den bestehenden Industriegebieten führten zur Verlegung der Fabriken aufs Land: Thayngen, Beringen, Neunkirch und Ramsen wurden zu neuen Industriestandorten. Die Stadt Schaffhausen erschloss in den 1960er Jahren ein grosses Industrieareal im nördlichen Herblingertal. Dort wurde 1979 auch das erste grosse Einkaufszentrum eröffnet.
Gleichzeitig mit dem Aufschwung der Metallindustrie durchlief die Schaffhauser Landwirtschaft einen späten, aber radikalen Strukturwandel. Meliorationen schufen in allen Gemeinden die Grundlagen für Mechanisierung und Spezialisierung. Die Abwanderung aus der Landwirtschaft nahm nach dem Zweiten Weltkrieg drastische Formen an. Von den mehr als 4000 bäuerlichen Betrieben, die um 1900 bestanden hatten, war Mitte der 1950er Jahre bereits die Hälfte verschwunden. 2007 existierten im Kanton Schaffhausen nur noch 450 hauptberufliche Landwirte.
Einbruch und späte Diversifizierung
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die Erdölkrise von 1973-1975 traf Schaffhausen heftig. Die starke Abhängigkeit von der Metallindustrie führte zu einem massiven Einbruch der Beschäftigung: Ein Drittel aller Industrieunternehmen musste zwischen 1976 und 1986 aufgeben. Die Fabrikarbeitsplätze verminderten sich von über 18'000 auf knapp 13'000. Die Stahlgiesserei, ab dem 19. Jahrhundert ein Leuchtturm der Schaffhauser Wirtschaft, verschwand vollständig. Die Schaffhauser Arbeitslosenzahlen lagen deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt.
Die Erholung verlief schleppend. Pläne für den Ausbau der Hochrhein-Wasserstrasse hatten sich schon 1964 zerschlagen. Der Verzicht auf einen Beitritt zum Zürcher Verkehrsverbund trug dazu bei, dass der Kanton Schaffhausen schlechter durch den öffentlichen Verkehr erschlossen blieb als andere Zürcher Nachbarkantone. Die Verkehrsanbindung ans schweizerische und europäische Autobahnnetz erfolgte mit der A4 von Zürich nach Stuttgart erst 1996 nach langen Auseinandersetzungen um die Frage der Stadtdurchfahrt. Ab 1995 gelang es der Wirtschaftsförderung, neue Unternehmen mit rund 2000 Arbeitsplätzen im Kanton anzusiedeln. Die Grenzlage und die bilateralen Verträge mit der Europäischen Union spielten dabei eine entscheidende Rolle. Die Wirtschaftsstruktur veränderte sich rasch: Anstelle weniger grosser entstanden zahlreiche mittlere und kleinere Unternehmen. Der Anteil des 3. Sektors wuchs stark, blieb aber auch im 21. Jahrhundert deutlich unter dem schweizerischen Durchschnitt. Der Tourismus blieb trotz der nach wie vor hohen Anziehungskraft des Rheinfalls (2005 rund 1,5 Mio. Besucher) für die regionale Wirtschaft von geringer Bedeutung.
Gesellschaft
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Das soziale Gefälle war sowohl in der Stadt als auch auf dem Land während des ganzen 19. Jahrhunderts hoch: Bis 1870 wies Schaffhausen die typischen Merkmale einer vorindustriellen Gesellschaft auf. Die kleine finanzstarke städtische Oberschicht aus Kaufleuten und Grossgewerbetreibenden verstand es, ihr Vermögen durch Heirat zusammenzuhalten. Sie spielte auch politisch eine dominante Rolle. Ihr stand eine vergleichsweise kleine Mittelschicht von ökonomisch erfolgreichen Handwerkern und Bürgern gegenüber. Mehr als 75% der städtischen Bevölkerung zählten aber zur Unterschicht, neben ärmeren Handwerkern insbesondere die Hintersassen, Dienstboten und Gesellen. Sie blieben bis 1848 politisch und zivilrechtlich benachteiligt. Auch die ländliche Gesellschaft war im 19. Jahrhundert stark fragmentiert. Auf wenige Grossbauern kam eine grosse Zahl von Kleinbauern, die wenig oder kein Land, oft nur einen Hausteil und etwas Kleinvieh besassen. Sie waren für ihren Unterhalt von Taglöhnerei oder einem Gewerbe abhängig. Die teilweise heftigen Konflikte um die Abschaffung des allgemeinen Weidgangs sind Ausdruck der prekären Lebensverhältnisse der bäuerlichen Unterschicht. Diese innere Spaltung der städtischen und ländlichen Bevölkerung überlagerte den tiefen Stadt-Land-Gegensatz, der durch den Umsturz von 1830 nur politisch überwunden wurde.
Nach 1870: Industrie- und Klassengesellschaft
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Lande blieben bis weit nach dem Ersten Weltkrieg stabil. Ganz anders in der Stadt. Die Industrialisierung führte zu hoher Fluktuation und Mobilität. Schaffhausen entwickelte sich bis 1910 zu einer ausgeprägten Arbeiterstadt; mehr als 60% aller Beschäftigten arbeiteten in einer Fabrik, darunter sehr viele Ausländer. Sie besassen kein Vermögen und verdienten weniger als 2000 Fr. pro Jahr. Die Erwerbsquote der Frauen war hoch; sie erreichte 1910 mehr als 50%, sank in der Kriegs- und Zwischenkriegszeit auf rund 35% und überstieg erst nach 1980 wieder die 50%-Marke. Die Arbeiterfamilien lebten hauptsächlich in der Altstadt, in beengten und bis zum Bau der Schwemmkanalisation 1903 hygienisch oft problematischen Verhältnissen. Von den Arbeitersiedlungen, die zwischen 1872 und 1920 von Wohnbaugenossenschaften und Unternehmen ausserhalb des Stadtkerns errichtet wurden, profitierten vor allem besser gestellte Facharbeiter und Angestellte. Der Arbeiterschaft stand gemäss Steuerstatistik von 1910 eine Oberschicht von rund 12% Privatiers, Unternehmern, leitenden Angestellten und Angehörigen freier Berufe gegenüber. Die schlossähnlichen Villen des Grossbürgertums auf den Hügeln vor den Toren der Stadt machten die scharfen sozialen Gegensätze sichtbar. Während des Ersten Weltkriegs und in der Folge des Generalstreiks 1918 verfestigten sich die Klassenschranken. Erst die wachsende Bedrohung durch den Nationalsozialismus und die Überwindung der Weltwirtschaftskrise weichten die verhärteten gesellschaftlichen Fronten auf und führten zu einer zunehmenden Integration der Arbeiterschaft in die bürgerliche Gesellschaft.
Arbeitersiedlung "Schweizersbild" oder Pantli in Stetten (SH), erbaut 1916-1921, abgebrochen 1975. Glasplatte, um 1920 (Konzernarchiv der Georg Fischer AG, Schaffhausen, GFA 16/2806).
[…]
Die individualisierte Konsumgesellschaft
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Am langen Nachkriegsaufschwung partizipierten praktisch alle gesellschaftlichen Gruppen. Die wachsende Kaufkraft und das billige Erdöl revolutionierten insbesondere die Mobilität: Die Anzahl der Motorfahrzeuge verfünfzehnfachte sich zwischen 1945 und 1974, die Zahl der Pendlerinnen und Pendler verdoppelte sich im gleichen Zeitraum, viele Dörfer wurden zu Schlafgemeinden. Für Arbeit und Konsum war die Mehrheit nicht mehr auf die örtliche Infrastruktur angewiesen. Städtischer und ländlicher Raum durchdrangen sich zunehmend. Die Individualisierung der Gesellschaft zeigte sich im wachsenden Anteil der Paare ohne Kinder (1960 32%, 2000 rund 47%) und der Zunahme der Einpersonenhaushalte; ländliche Gemeinden weisen jedoch nach wie vor einen deutlich höheren Anteil "traditioneller" Familien auf. Die Zahl der vor allem teilzeitlich erwerbstätigen Mütter erhöhte sich zwischen 1970 und 1990 von 25 auf über 50%. Der Anteil der über 80-Jährigen ist seit 1985 im Vergleich mit der Schweiz überdurchschnittlich gewachsen, während die jüngste Altersgruppe der unter 19-Jährigen absolut und relativ abgenommen hat. Die Gesellschaft ist seit dem Zweiten Weltkrieg immer internationaler geworden; während Italiener 1960 fast 60% der ausländischen Bevölkerung ausmachten, lebten 2007 Menschen aus mehr als 110 Staaten in Schaffhausen. Das grösste Kontingent stellte mit 3875 Personen Deutschland, knapp gefolgt von den Nachfolgestaaten Jugoslawiens mit 3855 Angehörigen. Italien und die Türkei belegten mit Abstand die nächsten Plätze.
Kultur
Vom Staatskirchentum zum religiösen Pluralismus
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die dominierende Rolle der reformierten Staatskirche ging rechtlich mit der neuen liberalen Kantonsverfassung von 1876 zu Ende. Erst 1915 gelang die Bildung einer vom Staat unabhängigen öffentlich-rechtlichen Landeskirche mit eigenen Organen. Einen Einbruch in den reformierten Einheitsstaat bewirkte 1803 der Anschluss des Bezirks Stein am Rhein. Die katholische Minderheit in Ramsen behielt ihren privilegierten Status bei und wurde zur ersten anerkannten andersgläubigen Gruppe im Kanton. Den rund 700 in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts meist aus Süddeutschland zugewanderten Katholiken in der Stadt Schaffhausen, überwiegend Gesellen und Dienstboten, gestand die Kantonsregierung 1841 die Errichtung einer katholischen Pfarrei zu. Bis 1968 blieben die Schaffhauser Katholiken privatrechtlich organisiert. Seither sind sie wie die Reformierten und die Christkatholiken öffentlich-rechtlich anerkannt. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts verringerte sich mit der veränderten Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung und aufgrund der zunehmenden Säkularisierung der Anteil der Katholiken und der Reformierten an der Gesamtbevölkerung, während die Zahl der Muslime deutlich zunahm.
Von der Standesschule zur allgemeinen Volksbildung
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Der Schulbesuch war zwar schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts obligatorisch, die Bildungsunterschiede zwischen Stadt und Land und zwischen den Schichten waren aber beträchtlich. Der kirchliche Einfluss blieb hoch, der Lehrstoff war eng begrenzt; in den Dorfschulen und für die Kinder der Hintersassen in der Stadt mussten Lesen, Schreiben und Katechismus genügen, für die städtischen Bürgerkinder kamen Geschichte, Geografie, Geometrie und Zeichnen hinzu. Das Gymnasium mit einer humanistischen und einer naturwissenschaftlich-mathematischen Abteilung war für Knaben der städtischen Oberschicht reserviert. Der bildungspolitische Aufbruch nach 1850 stand in engem Zusammenhang mit dem gleichzeitigen ökonomischen Umschwung. Für den ganzen Kanton galten fortan im Wesentlichen der gleiche erweiterte, konfessionsneutrale Fächerkanon und das Prinzip des Ganzjahresunterrichts. Für die begabteren Schülerinnen und Schüler wurden im ganzen Kanton Realschulen eingerichtet, die einerseits auf das Berufsleben, andererseits auf den Übertritt ans Gymnasium vorbereiteten. Alle kantonalen Schulen waren unentgeltlich. 1898 wurde das Gymnasium auch für Mädchen geöffnet und ein eigenes Lehrerseminar als weitere Abteilung des Gymnasiums eingerichtet. Seit 2003 führt der Kanton eine eigene pädagogische Hochschule.
Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1855 ging die jahrhundertealte Kontrolle der Lehrlingsausbildung durch die Zünfte zu Ende. Die Berufsbildung blieb bis weit ins 20. Jahrhundert hinein weitgehend ohne Regelung. Allmählich entwickelte sich aus der Repetierschule für die 16- bis 20-Jährigen eine schulische Ergänzung zur Ausbildung am Arbeitsplatz. 1919 wurde auf kantonaler Ebene die Berufslehre rechtlich verbindlich geregelt und die Schulpflicht für alle Lehrlinge eingeführt. 1933 bewirkte das neue eidgenössische Berufsbildungsgesetz die Zentralisierung der Berufsschulen in der Stadt Schaffhausen. Mit dem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Berufsbildung einen Höhenflug. Einen wesentlichen Ausbau des Bildungswesens brachte die Schulgesetzrevision von 1981. Sie verpflichtete die Gemeinden, einen zweijährigen Kindergarten anzubieten, brachte gleiche Lehrpläne für Knaben und Mädchen und führte die neue Orientierungsschule mit zwei Leistungszügen ein, welche die bisherige Oberstufe der Primarschule und die Realschule ersetzte. Auf der Sekundarstufe II näherten sich gymnasiale und berufliche Ausbildung in den letzten Jahrzehnten immer mehr an: Die Kantonsschule eröffnete 1975 eine Diplomabteilung (ab 2006 Fachmittelschule), erweiterte ihren Fächerkanon und das Angebot an Maturitätsprofilen und wurde damit für eine wachsende Zahl von Jugendlichen attraktiv. Bei der Einführung der Berufsmaturität gehörte der Kanton Schaffhausen 1993 zu den schweizerischen Pionieren: Diese führte in der Berufsbildung zu einer Stärkung der Allgemeinbildung und ermöglichte die Zulassung zu den Fachhochschulen.
Von der Vereins- zur vielfältigen Freizeitkultur
Autorin/Autor:
Markus Späth-Walter
Die Regenerationsverfassung von 1831 schuf mit der Vereins- und der Pressefreiheit wichtige Voraussetzungen für den kulturellen Aufbruch. Auf der Landschaft wurden Schützen-, Gesangs-, Musik- und Turnvereine, vereinzelt aber auch Kulturvereinigungen gegründet, die vaterländische Schauspiele mit eidgenössischen oder lokalen Sujets aufführten. Sie zeugten vom neuen Selbstbewusstsein der Landbevölkerung und wurden rasch zu wichtigen Trägern der Dorfkultur. Fünfmal war Schaffhausen zwischen 1837 und 1897 Schauplatz grosser Eidgenössischer Turn-, Sänger- und Schützenfeste. In der Stadt widmeten sich der Munotverein (gegründet 1839), der Kunstverein (gegründet 1847) und der Historisch-antiquarische Verein (gegründet 1856, seit 1940 Historischer Verein) der Erforschung und Erhaltung des kulturhistorischen Erbes. Die Naturforscher erreichten bereits 1843 die Einrichtung eines naturhistorischen Museums. Die Naturforschende Gesellschaft und der Historische Verein edierten schon im 19. Jahrhundert wissenschaftliche Publikationsreihen, die immer noch zu den wichtigsten Katalysatoren der regionalen Forschung zählen. Vom industriellen Aufschwung nach der Jahrhundertmitte profitierte auch das städtische Kulturleben. Mit privatem Kapital entstand 1865-1867 auf dem Herrenacker das Imthurneum, ein repräsentatives Kuppelgebäude, das als Konzertsaal, Theater und Musikschule diente. Sein Programm richtete sich vor allem an die bürgerlichen Ober- und Mittelschichten. Die Arbeiterbewegung, aber auch die katholische Minderheit organisierten sich in Vereinen mit eigenen Kulturprogrammen. Walther Bringolf, 1933-1968 sozialistischer Stadtpräsident von Schaffhausen, machte das Heranführen der Arbeiter an die Hochkultur zum politischen Programm. Unter seiner Ägide wurde auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise das Vielspartenmuseum Allerheiligen in den Gebäuden des ehemaligen Klosters eingerichtet sowie das Stadttheater ausgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreiteten grosse Kunstausstellungen und regelmässige Bach-Feste Schaffhausens Ruhm als Kulturstadt. War Bringolfs Kulturauffassung noch wesentlich am Kanon der Hochkultur orientiert, entstanden nach 1968 Kulturinitiativen, die sowohl nach neuen Inhalten wie nach neuen Veranstaltungsformen und -orten suchten. Neben die klassische Musik trat der Jazz, neben das Stadttheater eine Kleintheaterszene. Die 1979 stillgelegte Kammgarnfabrik am Rhein wurde zu einem wichtigen Kulturzentrum und mit den Hallen für Neue Kunst zu einem Museum mit internationaler Ausstrahlung.
Quellen und Literatur
- Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
- StadtA Schaffhausen
- StadtA Stein am Rhein
- StadtB Schaffhausen
- StASH
- J.J. Rüeger, Chronik der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 2 Bde., 1884-92
- SSRQ SH I/1; I/2
- Das Stifterbuch des Klosters Allerheiligen zu Schaffhausen, hg. von H. Gallmann, 1994
- R. Gamper et al., Kat. der ma. Hs. der Ministerialbibliothek Schaffhausen, 1994
- R. Gamper, S. Marti, Kat. der ma. Hs. der Stadtbibliothek Schaffhausen, 1998
- J. von Müller, J.G. von Müller, Briefwechsel und Familienbriefe 1766-1789, hg. von A. Weibel, 3 Bde., 2009
- Kommentar zum Briefwechsel Johannes von Müller - Johann Georg Müller, hg. von A. Weibel, 3 Bde., 2011
Historiografie- Johann Jakob Rüeger verfasste um 1600 auf der Basis der Urkunden des Klosters Allerheiligen eine illustrierte Chronik, in der er versuchte, Orts-, Schweizer- und Weltgeschichte miteinander zu verbinden. Band 5 enthält eine genaue topografisch-historische Beschreibung der Stadt Schaffhausen, Band 7 die Genealogie der Geschlechter der Stadt. Die Chronik blieb ungedruckt, bis Carl August Bächtold sie 1884-1892 als "Chronik der Stadt und Landschaft Schaffhausen" herausgab. Rüegers Werk blieb bis ins 19. Jahrhundert die einzige, nach wissenschaftlichen Kriterien verfasste Geschichtsschreibung. 1844 gab Hans Wilhelm Harder zusammen mit Eduard Im Thurn die "Chronik der Stadt Schaffhausen" heraus, die sich allerdings auf ein blosses Aneinanderreihen der Schaffhauser und auswärtigen Geschichte beschränkt. Zur 400-Jahr-Feier der Zugehörigkeit Schaffhausens zur Eidgenossenschaft erschien 1901 neben der "Festschrift der Stadt Schaffhausen zur Bundesfeier 1901" die vom Grossen Rat in Auftrag gegebene und von einem Autorenteam mit wissenschaftlichem Anspruch verfasste "Geschichte des Kt. Schaffhausen von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1848". Diese teilweise bebilderte und in einem narrativen Duktus gehaltene Geschichte richtete sich an ein breites Publikum. Das Werk konzentriert sich auf die politische Geschichte sowie die Kirchen-, Rechts-, Schul- und Kunstgeschichte. Die 1928-1931 von Theodor Pestalozzi verfasste, dreibändige "Kulturgeschichte des Kt. Schaffhausen und seiner Nachbargebiete im Zusammenhang der allgemeinen Kulturgeschichte" stellt einen eingehenden Abriss der allgemeinen Kulturgeschichte dar, in den die Schaffhauser Lokalgeschichte eingearbeitet wurde. Das Werk geht thematisch weiter, indem es einige besonders aufschlussreiche Kapitel zur Kirchen- und Reformationsgeschichte, Stadt- und Dorfwirtschaft sowie zur Territorialbildung liefert. Die 1972 erschienene "Geschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen" von Karl Schib behandelt ausführlich die Zeit vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert, etwas knapper die Ur- und Frühgeschichte sowie das Frühmittelalter. Erstmals werden hier die politische Geschichte sowie die Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte gleichwertig nebeneinandergestellt. Die von einem Autorenteam zum 500-Jahr-Jubiläum der Zugehörigkeit des Kantons zur Eidgenossenschaft geschriebene dreibändige "Schaffhauser Kantonsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" (2001-2002) verfolgt den Ansatz, Strukturen mit Ereignissen zu verbinden. Im Sinne einer histoire totale werden hier die Themen in einem Längsschnitt über 200 Jahre dargestellt.
Reihen und Bibliografie- Beitr. zur vaterländ. Gesch., 1863-1936 (seit 1937 SchBeitr.)
- Bibl. zur Schaffhauser Gesch. und Kunstgesch., 1936-
- Kdm SH 1, 1951
- Kdm SH 2, 1958
- Kdm SH 3, 1960
- Schaffhauser Biogr., 6 Tl., 1956-2007
Allgemeines- T. Pestalozzi-Kutter, Kulturgesch. des Kt. Schaffhausen und seiner Nachbargebiete im Zusammenhang der allg. Kulturgesch., 3 Bde., 1928-31
- B. Bruckner-Herbstreit, Die Hoheitszeichen des Standes Schaffhausen und seiner Gem., 1951
- Schib, Schaffhausen
- K. Bänteli et al., Das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen, 1999
- Schaffhauser Recht und Rechtsleben, 2001
- W. Elsener, M. Weigele, Der Kt. Schaffhausen in alten Ansichten, 2005
- E. Eugster et al., Stein am Rhein, 2007
- I. Hermann et al., Die Bauernhäuser des Kt. Schaffhausen, 2010
Ur- und Frühgeschichte- W.U. Guyan, Erforschte Vergangenheit, 2 Bde., 1971
- Die Kultur der Eiszeitjäger aus dem Kesslerloch und die Diskussion über ihre Kunst auf dem Anthropologen-Kongress in Konstanz 1877, Ausstellungskat. Konstanz, 1977 (21984)
- M. Höneisen, «Kesslerloch und Schweizersbild: Zwei Rentierjäger-Stationen in der Nordschweiz», in ArS 9, 1986, 28-33
- M. Höneisen, «Die latènezeitl. Siedlungsfunde von Merishausen-Barmen», in JbSGUF 72, 1989, 99-126
- M. Höneisen et al., Frühgesch. der Region Stein am Rhein, 1993
- M. Höneisen, S. Peyer, Schweizersbild: ein Jägerlager der Späteiszeit, 1994
- K. Bänteli et. al., Berslingen - ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen, 2000
- Ex terra lux, Ausstellungskat. Schaffhausen, 2002
- A. Burzler et al., Das frühma. Schleitheim, 2 Bde., 2002
- J. Trumm, Die römerzeitl. Besiedlung am östl. Hochrhein (50 v.Chr.-450 n.Chr.), 2002
- Im Schutze mächtiger Mauern, Ausstellungskat. Konstanz, Frauenfeld, Schaffhausen, 2004
- K. Altorfer, M. Höneisen, «Neues zur frühen bäuerl. Besiedlung am Hochrhein», in HA 38, 2007, 2-12
- H. Napierala, Die Tierknochen aus dem Kesslerloch, 2008
Mittelalter- E. Schudel, Der Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936
- H. Ammann, Schaffhauser Wirtschaft im MA, [1949]
- HS III/1, 1490-1535, 1941-1951; V/1, 241-249; IX/2, 646-654
- T. Hildbrand, Herrschaft, Schr. und Gedächtnis, 1996
- M. Schultheiss, Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen 1400-1550, 2006
Frühe Neuzeit- J. Wipf, Reformationsgesch. der Stadt und Landschaft Schaffhausen, 1929
- G. Leu, Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931
- E. Steinemann, «Die schaffhauser. Auswanderung und ihre Ursachen», in ZSG 14, 1934, 310-359
- K. Bächtold, Beitr. zur Verwaltung des Stadtstaates Schaffhausen von der Reformation bis zur Revolution, 1947, (Teildr.)
- J. Zimmermann, Beitr. zur Militärgesch. Schaffhausens bis zum Beginn des 19. Jh., 1961
- H.U. Wipf, Die Hallauer Unruhen von 1790, 1971
- R.E. Hofer, "Üppiges, unzüchtiges Lebwesen", 1993
- W.R.C. Abegglen, Schaffhauser Schreinerhandwerk, 1997
- C. Ulmer, W.R.C. Abegglen, Schaffhauser Goldschmiedekunst, 1997
- R.E. Hofer, «Zwischen Wahrheit und Legende», in Mit der Gesch. leben, hg. von O. Sigg, 2003, 135-151
- R. Hasler, Die Schaffhauser Glasmalerei des 16. bis 18. Jh., 2010
19. und 20. Jahrhundert- Die Kantonsgeschichte enthält in Bd. 3 ein umfassendes Literaturverzeichnis, das alle wesentlichen Publikationen zur Geschichte des Kantons Schaffhausen im 19. und 20. Jahrhundert, die bis 2002 erschienen sind, umfasst. Daher wird darauf verzichtet, dort genannte Literatur hier noch einmal aufzuführen.
- E. Joos, Parteien und Presse im Kt. Schaffhausen, 1975
- SchaffGesch.
- M. Wipf, Bedrohte Grenzregion, 2005
- Cilag 1936-2006, 2006
- A. Knoepfli, «"... das äusserste herausgeholt"», in Der vergessene Wirtschaftskrieg, hg. von R. Rossfeld, T. Straumann, 2008, 171-199
- C. Koller, «Kriegs- oder Friedensgewinnler?», in Der vergessene Wirtschaftskrieg, hg. von R. Rossfeld, T. Straumann, 2008, 225-257
- A. Knoepfli, Im Zeichen der Sonne, 2010
Zitiervorschlag
Roland E. Hofer; Markus Höneisen; Oliver Landolt; Eduard Joos; Markus Späth-Walter: "Schaffhausen (Kanton)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007388/2017-05-11/, konsultiert am 06.11.2024.