Obwalden
Version vom: 07.02.2018
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Obwalden mit den wichtigsten Ortschaften
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Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Eine der vier Waldstätten, vielleicht schon kurz nach 1291, wohl vor 1309 als Teil Unterwaldens Ort der Eidgenossenschaft, bis 1798 unter der Bezeichnung Unterwalden ob dem (Kern-)Wald. An der Tagsatzung geteilte Stimme mit Nidwalden. 1798-1803 Distrikt Sarnen des helvetischen Kantons Waldstätten. 1803-1999 unter der Bezeichnung Unterwalden ob dem Wald Halbkanton der Eidgenossenschaft. Mit der Bundesverfassung von 1999 wurde die schon früher gebräuchliche Bezeichnung Obwalden offiziell, wobei diese trotz der geteilten Vertretung im Ständerat und der nur halb gewerteten Standesstimme auf den Begriff Halbkanton verzichtet. Französisch Obwald, italienisch Obvaldo, rätoromanisch Sursilvania. Amtssprache ist Deutsch. Hauptort ist Sarnen.
Struktur der Bodennutzung im Kanton Obwalden
Fläche (2006) | 490,5 km2 | |
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Wald / bestockte Fläche | 197,3 km2 | 40,2% |
Landwirtschaftliche Nutzfläche | 185,8 km2 | 37,9% |
Siedlungsfläche | 15,8 km2 | 3,2% |
Unproduktive Fläche | 91,6 km2 | 18,7% |
Struktur der Bodennutzung im Kanton Obwalden - Arealstatistik der Schweiz
Das Kernterritorium umfasste das Tal der Sarner Aa vom Brünigpass bis zum Alpnachersee sowie dessen Seitentäler, das Tal der Grossen Schliere im Westen und das Kleine sowie das Grosse Melchtal im Osten. 1815 kam die Talschaft und ehemalige Klosterherrschaft Engelberg als Exklave dazu.
Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Obwalden
a Einwohner, Nationalität: Wohnbevölkerung; Sprache, Religion: ortsanwesende Bevölkerung
b 1880 und 1900 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch
c zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig
d gemäss landwirtschaftl. Betriebszählung 1996
Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Obwalden - Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen; Bundesamt für Statistik
Von der Urzeit bis ins Hochmittelalter
Ur- und Frühgeschichte
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Den bisher ältesten Fund in Obwalden stellt das im Brand bei Lungern zum Vorschein gekommene Mikrorückenmesser aus dem ausgehenden 8. Jahrtausend v.Chr. dar. Aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. stammen mehrere Einzelfunde; der Horgener Kultur sind wohl das Beil und die beiden Knochenklingen von Giswil sowie die Hammeraxt aus Wilen zuzuordnen. Diese Funde deuten darauf hin, dass die Täler im Gebiet von Obwalden im 4. Jahrtausend begangen wurden und vielleicht auch temporär besiedelt waren. Eindeutige Belege für neolithischen Ackerbau oder für Dauersiedlungen aus dem 4. und 3. Jahrtausend v.Chr. liegen aber bis heute nicht vor.
Das frühbronzezeitliche Grab vom Foribach in Kerns macht eine Siedlung im umliegenden Gebiet für die Zeit zwischen 2000 und 1700 v.Chr. plausibel. Auf eine bronzezeitliche Siedlung am Sarnersee deutet auch der einer vorkeltischen Namensschicht angehörende Name Sarnen hin. Streufunde aus der Zeit von 1500 bis 1100 v.Chr., etwa Bronzebeile und -dolche, kamen unter anderem auf den verschiedenen Passwegen (Frutt, Brünig, Surenen) zum Vorschein; bronzezeitliche Siedlungsspuren wurden auf dem Renggpass (Hergiswil, unweit der heutigen Kantonsgrenze), im Brand bei Lungern und auf dem Landenberg festgestellt. Für den Renggpass lässt sich zudem die – zumindest temporäre – Haltung von Ziegen und Schafen nachweisen. Demnach dürften im 2. Jahrtausend auch Obwaldner Gebiete in höheren Lagen bereits teilweise genutzt worden sein. Keltische oder von den Römern übernommene keltische Ausdrücke in galloromanischen Flurnamen weisen auf die den Römern vorangehenden Kelten hin.
Emailfibel mit Tierkopffuss aus dem römischen Gutshof von Alpnach, Mitte 2. Jahrhundert n. Chr. (Historisches Museum Obwalden, Sarnen).
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1914-1915 wurde in Alpnach ein römischer Gutshof ausgegraben, der vom späten 1. Jahrhundert n.Chr. bis in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts bewohnt gewesen war. Ob nach dem Brand der Villa um 270 n.Chr. in Alpnach noch einzelne Teile des Betriebs weitergeführt wurden, ist unklar.
Früh- und Hochmittelalter
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Die alemannische Besiedlung des Obwaldnerlands begann um 700, wie frühalemannische Funde in Sachseln und vor allem lautverschobene romanische Ortsnamen zeigen. Die Alemannen liessen sich zuerst um die Seen nieder; die bereits ansässigen Galloromanen wohnten offenbar etwas höher auf den Plateaus. Die Ortsnamen mit den Endungen -ingen, -wil und -hofen zeigen, wo die Kernzonen der Alemannensiedlungen am Sarnersee und auf dem Kernserplateau in der Zeit vom 8. bis etwa ins frühe 11. Jahrhundert lagen. Die gallorömische Bevölkerung hat vor allem im Gebiet des Pilatus, am Sachsler Berg und im Melchtal sowie am Giswilerstock ihre romanischen Namen hinterlassen. Auch in Obwalden stellt sich die Landnahme demnach als Vermischungsprozess zwischen Galloromanen und Alemannen dar, in dem die alteingesessene gallorömische Bevölkerung immer mehr in Minderheit geriet, bis sie in der germanisch-alemannischen Bevölkerung aufging. Die Alemannen gründeten mit Vorliebe Einzelhöfe. Aus diesen entstanden nach und nach durch Erbteilungen und den Zuzug neuer Siedler Weiler, die sich später um eine Kirche zu Pfarrdörfern (Kirchgenossengemeinden) entwickelten.
Obwalden gehörte wohl seit dem 9. Jahrhundert zum Zweiten Königreich Burgund, das nach dem Feldzug im Winter 1032-1033 vom salischen Kaiser Konrad II. dem Heiligen Römischen Reich zugeschlagen wurde. Damit kamen die Lenzburger aus dem Aargau ins Land. Mit dem Bau der Burg auf dem Landenberg durch die Grafen von Lenzburg scheint in Obwalden die Erschliessung des Landes inter silvas vorangetrieben worden zu sein. Flurnamen, insbesondere Rodungsnamen mit Schwand und Schwendi geben einen Hinweis auf diesen Vorgang, wobei sich der Landesausbau bis ins 15. Jahrhundert hinzog.
Mit der Erschliessung des Landes ging die Ausbildung von Grundherrschaften einher. Neben den Klöstern und Stiften (v.a. das von Murbach abhängige St. Leodegar in Luzern und Beromünster) traten schon früh auch weltliche Grundherren wie die Grafen von Lenzburg und die Freiherren von Rotenburg bzw. von Wolhusen in Erscheinung. Um 1200 kamen dann auch adlige Geschlechter aus dem zähringischen Rektorat Burgund (von Zähringen) in die Innerschweiz. So setzten sich zum Beispiel die über den Brünig ausgreifenden Freiherren von Brienz, die späteren von Ringgenberg, begleitet von Ministerialen wie etwa den Herren von Rudenz, in Obwalden fest.
Die grundherrliche Organisation des Klosters St. Leodegar, das Höfe in Sarnen, Giswil und Alpnach besass, und jene des Stiftes Beromünster gaben wichtige Impulse für die Ausbildung der Pfarreiorganisation und der allmählichen Durchsetzung der Pfarr- und Zehntsprengel. Im 12. Jahrhundert kam diese Entwicklung zu einem ersten Abschluss. Der erste Bau der 1036 erwähnten Peterskirche in Sarnen, der Mutterkirche Obwaldens, wurde im 8. Jahrhundert errichtet (karolingische Fundamente); die Marienkirche von Alpnach dürfte auf das 8. oder 9. Jahrhundert zurückgehen. Die Kirchen von Kerns, Sachseln und Giswil erhielten spätestens im 12. Jahrhundert das Pfarreirecht. In Lungern ist um 1275 eine Kirche bezeugt.
Das Patronatsrecht der Kirche von Sarnen teilten sich das Stift Beromünster und St. Leodegar. In Alpnach hatte das Luzerner Kloster den alleinigen Besitz. Dieser ging wie die Patronate der Kirchen von Sachseln und Giswil 1291 an das Haus von Habsburg über. Im Besitz des Stifts Beromünster blieb die Kirche von Kerns. 1358 wurde auch St. Niklausen ins Stift Beromünster inkorporiert. 1367 ging das Patronatsrecht an das Männerkloster Engelberg. Das Frauenkloster Engelberg war schon 1305 in den Besitz des Patronatsrechts von Lungern gekommen. 1415 gelangten all diese Patronatsrechte de facto und 1460 de iure an die jeweiligen Kilchgenossengemeinden und bildeten damit sogenannte Volkspatronate (Patronatsrecht).
Herrschaft und Politik vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
Die Verselbstständigung des Landes im Spätmittelalter
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Im frühen 12. Jahrhundert übertrugen die Grafen von Lenzburg einen grossen Teil der Güter an ihr Hauskloster Beromünster. Nachdem die älteste Burg auf dem Landenberg um 1210 wieder verlassen worden war, entstanden im 13. Jahrhundert im Land kleine Turmburgen, die dem lokalen Adel, den klösterlichen und dynastischen Dienstleuten als repräsentative und wehrhafte Behausungen dienten. In Sarnen sassen auf der unteren Burg die Kellner von Sarnen, die von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis ins frühe 14. Jahrhundert bezeugt sind, in Giswil auf der Burg Hunwil die Herren von Hunwil und auf der Burg Rosenberg im Kleinteil die Meier von Giswil, murbachisch-habsburgische und wolhusische Ministeriale. Auch in Lungern sind die Herren von Vittringen als rotenburgisch-wolhusische Dienstleute nachgewiesen. Welche Güterkomplexe zu diesen Burgen gehörten, ist unklar.
Erstmals fassbar sind die Leute von Sarnen (de Sarnon locorum homines) in der päpstlichen Bulle von 1247, die sie mit den Leuten von Schwyz exkommunizierte, weil sie Friedrich II. unterstützt und sich so ihrem rechtmässigen Herrn, Rudolf von Habsburg-Laufenburg, entzogen hatten. In der Bulle erscheinen die Leute von Sarnen überdies erstmals als Talgemeinde im Sinne der kirchenrechtlichen universitas. 1257 veräusserten die Grafen Gottfried, Rudolf und Eberhard von Habsburg unter lehensrechtlichen Bedingungen ihr Besitztum in Unterwalden an die Getreuen Ulrich von Alpnach, Heinrich von Kerns, Burkhard von Zuben, Konrad von Einwil, Walter von Oberdorf, Heinrich im Feld sowie Rudolf, den Ammann (minister) von Sarnen. Die Urkunde benennt damit einerseits die politische Führungsschicht in der Mitte des 13. Jahrhunderts und weist andererseits auf habsburgisch-laufenburgischen Grundbesitz hin, der durch den Kellner von Sarnen verwaltet wurde. Dank des Kaufs der verschiedenen Murbacher Herrschaftstitel in den «oberen Landen» 1291 durch die Habsburger dürfte die Gleichstellung aller Leute einer Gerichtsgemeinde ein wesentlicher Grund zur Ausbildung der Talgemeinde als universitas vallis gewesen sein. Die Talgemeinde wurde dann 1309 durch die Freiheitsbriefe König Heinrichs VII. an Unterwalden reichsunmittelbar sowie von jeder auswärtigen Gerichtsbarkeit ausser der königlichen befreit. Die lantlüte und eidgenoze von Unterwalden schlossen mit denjenigen von Uri und Schwyz das Bündnis von 1315; die Hauptrolle bei der Abfassung des Morgartenbriefs dürfte allerdings Schwyz gespielt haben (Bundesbriefe).
Weisses Buch von Sarnen, geöffnet, verfasst von Landschreiber Hans Schriber, um 1470 (Staatsarchiv Obwalden, Sarnen).
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Weisses Buch von Sarnen, geschlossen, mit Originaleinband, verfasst von Landschreiber Hans Schriber, um 1470 (Staatsarchiv Obwalden, Sarnen).
Die Herrschaftsrechte kamen von den Wolhusern und deren Rechtsnachfolgern, den Herzögen von Österreich, im frühen 14. Jahrhundert als Lehen an die Edlen von Rudenz und von Hunwil, die sich im Land niederliessen. Die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts führenden Kellner von Sarnen scheinen sich nach 1307 aus der Politik zurückgezogen zu haben; die im Weissen Buch von Sarnen erwähnte Episode der Eroberung der unteren Burg von Sarnen könnte mit diesem Rückzug in Verbindung stehen. Das Weisse Buch gibt auch über die Bündnispolitik aus der Sicht der Länderorte interessante Hinweise. Die mächtigen, mit den Dynasten von Strättligen und Ringgenberg verschwägerten Herren von Hunwil prägten die Entwicklung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dank diplomatischen Vorgehens gelang es ihnen, die noch reale Präsenz der Habsburger in den 1330er und 1340er Jahren weiter einzudämmen, bis nur noch eine vage Lehenshoheit bestand, und die verschiedenen Rechtsansprüche im Land unter eine einheitliche Führung zu bringen. Auf dem Lehenstag von Zofingen wurden sie 1361 von Österreich mit dem Meieramt Giswil belehnt, die von Rudenz erhielten den Hof Alpnach. Das grosse Gewicht der Herren von Hunwil, die das Amt des Landammanns ab 1328 innehatten, führte aber auch zur Bildung einer Opposition innerhalb der zu Reichtum gelangten bäuerlichen Oberschicht, die eine Erweiterung ihrer Weidgebiete über den Glaubenberg und durch das Mariental ins Entlebuch bzw. über den Brünig ins Haslital (Oberhasli) schon lange anstrebte und dafür im Gegensatz zu der dominierenden Adelsfamilie auch bereit war, den Bruch der Beziehungen mit Bern und dem Haus Habsburg in Kauf zu nehmen. Nachdem Sprüche zweier eidgenössischer Schiedsgerichte – beide tagten unter dem Vorsitz von Verwandten der von Hunwil – anlässlich des Ringgenberger Handels und eines Marchenstreits um Alpgebiete westlich von Giswil solchen Vorstössen 1381 einen Riegel geschoben hatten, beschloss die Landsgemeinde 1382 in Wisserlen, Angehörige der von Hunwil, von Tottikon und von Waltensberg für immer von Ämtern, Rat und Gerichten auszuschliessen. Auswärtigen und Klöstern wurde der Erwerb von Grundbesitz in Obwalden noch im gleichen Jahr untersagt.
Bei der Eindämmung des habsburgischen Einflusses im zweiten und dritten Viertel des 14. Jahrhunderts hatten die neuen bäuerlichen Führungsschichten, für die der Auskauf der Grundherrschafts- und Zehntrechte im Vordergrund stand, wahrscheinlich noch eng mit den Herren von Hunwil zusammengearbeitet. Diese Grossbauern standen an der Spitze der lokalen Teilsamen (Korporationen), die sich Ende des 14. und im Verlauf des 15. Jahrhunderts festigten, und waren auch in den Einrichtungen der Kirchgenossengemeinden (Kilchgänge) wie der sich herausbildenden Eigenverwaltung des Landes vertreten. Die sechs lokalen Kirchgenossengemeinden bestimmten – eben vermutlich vor allem aus dieser grossbäuerlichen Schicht – die 1352 erstmals bezeugten Rats- und Gerichtsherren des Landes, so zum Beispiel 1387 Sarnen und Kerns je sechs Ratsherrn, Sachseln, Alpnach, Giswil und Lungern je vier, die zum Teil auch als Richter des örtlichen Siebnergerichts (lokale untere Gerichtsbehörde) fungierten. Über allen Rats- und Gerichtsinstanzen stand die ab 1373 zu fassende Landsgemeinde, die wahrscheinlich seit dem späten 14. Jahrhundert den Landammann wählte.
Vom Ende des 14. Jahrhunderts an war das Fünfzehnergericht für wichtigere Zivilsachen zuständig und auch Appellationsinstanz für Urteile der Siebnergerichte der sechs Kilchgänge. Es wurde jedes Jahr neu zusammengesetzt: Die beiden grossen Kilchgänge wählten als Richter je zwei, die vier kleinen je einen ihrer Ratsherren, den dritten bzw. zweiten Richter wählten sie ausserhalb des Kirchenrats aus. Nach Bedarf tagten die vierzehn Richter unter dem Vorsitz des regierenden Landammanns.
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte sich die Herrschaft des Landes Obwalden vollends durch: Aufgrund eines Schiedsgerichts mussten die Giswiler 1432 auf ihr eigenes Hochgericht zugunsten des Landes verzichten. Im Meieramt Giswil, das die Herren von Hunwil um 1400 an die Kirchgenossen von Giswil verkauft hatten, lebten noch alte Herrschaftsrechte fort, die einer umfassenden Gerichtshoheit, wie sie Obwalden von König Sigismund 1415 in einem Blutgerichtsbarkeitsprivileg zugesprochen worden war, weichen mussten. Zeichen dieser Landeshoheit waren das nach 1415 erbaute Rathaus und das Zeremonialschwert des Landammanns.
Obwalden beanspruchte von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis 1798 in allen eidgenössischen und gemeinsamen Landessachen von Unterwalden ob und nid dem Wald zwei Drittel. Insbesondere stellte Obwalden auch den Gesandten an die Tagsatzung jeweils zwei Jahre hintereinander, Nidwalden diesen nur jedes dritte Jahr.
Sühnekreuz mit Christusbild für Landammann Dionys Heintzli, 1486 (Historisches Museum Obwalden, Sarnen).
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Die 1381/1382 an die Macht gelangte bäuerliche Oberschicht war aber nicht nur an der Ausdehnung der Alpgebiete in die Nachbarterritorien, sondern wegen des Welschlandhandels (Viehhandel) auch an einer Expansion gegen Süden interessiert. 1403 besetzten Uri und Obwalden die Leventina (Ennetbirgische Feldzüge); 1415 dehnte König Sigismund den an Obwalden verliehenen Blutbann auf die Leventina aus. 1419 kam auch die Stadt Bellinzona unter Urner und Obwaldner Herrschaft. Mit der Niederlage in der Schlacht bei Arbedo 1422 verloren Obwalden und Uri diese Eroberungen wieder, ebenso die ab 1410 im Val d'Ossola gewonnenen Gebiete, an denen Obwalden wegen der Route über die Pässe Brünig, Grimsel und Gries schon ab dem 14. Jahrhundert besonders gelegen war. Der Friedensvertrag zwischen den Eidgenossen und Mailand, das erste Mailänder Kapitulat von 1426, wurde 1427 durch einen in Brig zwischen Obwalden und Mailand geschlossenen Handelsvertrag ergänzt, der den Handelsverkehr über den Griespass durch das Val d'Ossola regelte und Obwalden damit erhebliche Vorteile brachte.
Obwalden strebte nach den Burgunderkriegen nochmals eine Gebietserweiterung an; der Versuch des Landammanns Heinrich Bürgler, den Luzernern das Entlebuch zu entreissen, löste 1478 den Amstaldenhandel aus. Aber auch dieser Versuch scheiterte und führte zu weiteren Händeln mit den übrigen Eidgenossen und dem Hause Österreich (Mötteli- und Kollerhandel). Obwalden gelang es im Gegensatz zu Schwyz oder Uri im Spätmittelalter nicht, sein Territorium auszudehnen.
Die Häupterherrschaft der frühen Neuzeit
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Die Landsgemeinde nahm in der Zeit der konfessionellen Spannungen mit Zürich gegen die Reformation Stellung. Nach der Badener Disputation (1526) waren die Fronten auch in Obwalden klar gezogen. Mit einer betont altgläubigen Haltung trat Obwalden nun den reformierten eidgenössischen Orten entgegen. Das führte auch zu kriegerischen Intermezzi wie dem von Johannes Salat beschriebenen Auszug über den Brünig von 1528, der die Freunde im Oberhasli zum Festhalten am alten Glauben ermutigen sollte. Der Zug, den die Berner abwehrten, bildete mit den Anlass zum Ersten Kappelerkrieg 1529. Nach dem katholischen Sieg von Kappel 1531 und dem Zweiten Landfrieden verfolgte Obwalden eine streng gegenreformatorische Linie, was vor allem in den Auszügen in die Hugenottenkriege und in den Allianzen und Bündnissen mit der spanischen und der französischen Krone vom 16. bis ins 18. Jahrhundert zum Ausdruck kam. Im 18. Jahrhundert waren insbesondere die politisch führenden Familien von Flüe und Stockmann profranzösisch eingestellt.
Seit Ende des 15. Jahrhunderts bestellten die grossen Kilchgänge Sarnen sowie Kerns je fünfzehn und die kleinen Kilchgänge Sachseln, Alpnach, Giswil sowie Lungern je sieben Kirchenräte an der Maigemeinde. An der Martinigemeinde im November wurden besondere Beamte gewählt, für die Finanzverwaltung der Seckelmeister, für die Pfarrkirchen- und die Kapellenverwaltungen der Kirchenvogt und die Kapellenvögte sowie für die Verwaltung der Armenkapitalien der Spendvogt. Ein Weibel und ein Unterweibel besorgten die Verbindung zwischen Kirchenrat und Gemeindebürgern. Jeder Kilchgang besass im Siebnergericht eine Gerichtsbehörde. Dieses entschied zivilrechtliche Fälle bis zu einem bestimmten Streitwert endgültig und beurteilte Fälle mit höheren Streitwerten als erste Instanz.
Das Landvolk versammelte sich in Sarnen zur Landsgemeinde, ab 1647 jeweils am letzten Sonntag des Aprils. Teilnahmeberechtigt war jeder Landmann ab dem 14. Altersjahr. Zu den alljährlichen Geschäften gehörte die Wahl des regierenden Landammanns aus der Reihe von gewöhnlich vier Altlandammännern. In der Rangfolge nach den vier Landammännern standen der Statthalter (ab ca. 1630 gewählt), der Landseckelmeister und der Landesbauherr (1564 erstmals bezeugt), die in ihrem Kilchgang automatisch dem Kirchenrat angehörten. Neben den sieben zivilen gab es mit den zwei Landsfähnrichen oder Landsvennern (seit 1622 bezeugt), den zwei Landshauptmännern (seit 1597 bezeugt) und dem Pannerherrn (Träger des Unterwaldner Panners) fünf militärische Ämter. Trotzdem zählten die «Ringherren» bzw. die «Landesvorgesetzten» – diese Bezeichnungen waren in der frühen Neuzeit für die von der Landsgemeinde gewählten Amtsträger gebräuchlich (Häupter) – nicht zwölf Personen, denn meistens wurden die militärischen Ämter zivilen Ringherren übertragen; der Pannerherr war immer ein Landammann. Der Landrat wählte bis Ende des 18. Jahrhunderts die zwei Zeugherren, dann die Landsgemeinde ab 1803 den ersten und ab 1811 den zweiten, womit beide auch zu den Ringherren gehörten. Der Oberzeugherr war ebenfalls gewöhnlich ein Landammann; erst ab 1804 wurde nur noch das Amt des Pannerherrn mit einem zivilen verbunden.
Die 58 Ratsherren der Kilchgänge und die Ringherren bildeten den Landrat (Räte). Für den Zweifachen und den Dreifachen Rat suchte sich jeder Landrat einen respektive zwei Männer als Begleiter aus, bis 1785 auch deren Wahl in die Kompetenz der Kilchgangsversammlung gelegt wurde.
Regeln für die Aufteilung der Verwaltungsgeschäfte zwischen den Ringherren und den drei Ratsgremien bestanden nicht. Welcher Rat einzuberufen war, entschieden die Ringherren. Es gab keine Gewaltentrennung. Die Ringherren und die drei Räte waren auch Strafgerichtsinstanzen, denen die Fälle abgestuft nach ihrer Schwere zugeordnet wurden. Die Verhängung der Todesstrafe fiel in die Kompetenz des Dreifachen Rates; 1629 war die Malefizgerichtsbarkeit von der Landsgemeinde auf ihn übergegangen. Von 1612-1877 hatte Obwalden einen eigenen Henker.
Die Verteilung der Ringherren lässt eine Geschlechterherrschaft erkennen: Im 17. Jahrhundert stellten die Wirz sechs Landammänner; die Familie hatte das Amt während 92 Jahren inne. Von den 24 Landammännern des 18. Jahrhunderts stammten sechs aus dem Geschlecht von Flüe und je vier aus den Familien Stockmann und Bucher, die Sarner Imfeld und die Wirz konnten dagegen nur je zwei stellen. Die Wirz hatten ihre im 17. Jahrhundert genossene Vorrangstellung verloren. Sie waren nur noch während zwölf Jahren im Landammannamt, die Imfeld dagegen während 36, die Stockmann während 64, die Bucher während 84 und die von Flüe während 105 Jahren.
In den ennetbirgischen Vogteien (Locarno, Lugano, Mendrisio, Vallemaggia) und den fünf deutschen gemeinen Herrschaften (Baden, Freie Ämter, Frauenfeld, Rheintal, Sargans) stellte alle zwei Jahre einer der mitregierenden Orte den Landvogt. Wenn in drei Umgängen Unterwalden an der Reihe war, ernannte Obwalden diesen zweimal und Nidwalden einmal. Von den 25 Obwaldner Landvögten des 18. Jahrhunderts entsandte die Landsgemeinde je drei Landräte, Landschreiber und Landsfähnriche, zwei Landsbauherren, fünf Landseckelmeister und neun Altlandammänner. Auch hier widerspiegelt sich die Geschlechterherrschaft, fielen doch von den Wahlen sechs auf die Sachsler von Flüe, vier auf die Kernser Bucher und je drei auf die Sarner Imfeld und Stockmann. Zur Rechnungsabnahme in den Tessiner Vogteien bestimmte die Landsgemeinde den abtretenden, zu jener in den deutschen Vogteien den neu gewählten regierenden Landammann, dem als zweiter Gesandter ein weiterer Ringherr oder Landrat beigesellt wurde.
Die Landesartikel (Landesgesetze) waren in den Landbüchern von 1525/1526 und 1635 gesammelt (Landrechte). 1792 wurde das Landbuch überarbeitet und die Landesartikel übersichtlicher dargestellt.
Die Wehrpflicht galt für die 16- bis 60-jährigen Männer; die jungen Leute wurden in ihrem Kilchgang im Mai in die leeren Plätze der Kompanien eingeteilt. Obwalden konnte 30 Kompanien zu je 90 Mann aufbieten. Für militärische Auszüge standen zwei Fähnlein zu je 200 Mann zur Verfügung, denen ein Landsvenner die Feldzeichen vorantrug und die von einem Landshauptmann befehligt wurden. 1755 leistete Obwalden mit beiden Fähnlein Uri Bundeshilfe während des Livineraufstands und im Februar 1798 wurde Bern ein Fähnlein gegen die angreifenden Franzosen zu Hilfe geschickt (Franzoseneinfall). Beide Abteilungen konnten zusammen mit einem Nidwaldner Fähnlein aufgeboten werden; einem solchen Auszug trug der Pannerherr das Landespanner voran. Im 18. Jahrhundert kam es 1712 im Zweiten Villmergerkrieg zum einzigen Pannerauszug. Das gemeinsame Unterwaldner Panner und das Pannerherrenamt lagen bei Obwalden, den gemeinsamen Landshauptmann stellte Nidwalden, bis dieses 1768 den Pannereid nicht mehr leistete und die militärische Selbstständigkeit beanspruchte.
Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur vom Hochmittelalter bis ins 18. Jahrhundert
Bevölkerung und Siedlung
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Der im 11. Jahrhundert begonnene Landesausbau wurde durch Rodungen ab dem späten 14. und frühen 15. Jahrhundert energisch vorangetrieben, nicht zuletzt infolge des Handels mit Italien. Im 15. Jahrhundert hatten sich die wichtigsten Dörfer mit ihren Weilern gebildet. Die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts ist durch eine Siedlungsverdichtung, die sich in sekundären Rodungsnamen niederschlug, gekennzeichnet, wobei die Streusiedlung und der Einzelhof für Obwalden typisch blieben.
Da bis heute keine demografischen Untersuchungen oder Schätzungen vorliegen, ist es schwierig, Einwohnerzahlen für das Mittelalter und die frühe Neuzeit zu benennen, auch wenn sich die Bevölkerungsgrösse vom Spätmittelalter an wenig verändert haben dürfte. Die ersten statistischen Angaben lieferten 1743 die Ortspfarrer mit ihren Listen der Kommunikanten und Nichtkommunikanten. Sie ergab für die sechs Gemeinden 8885 Einwohner. 1799 zählte Obwalden 10'580 Einwohner.
Wirtschaft
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Um die wachsende Nachfrage nach Vieh, Pferden und landwirtschaftlichen Produkten der lombardischen sowie zum Teil auch der venezianischen und piemontesischen Städte zu befriedigen (Lombardei, Piemont, Venedig), intensivierte die grossbäuerliche Führungsschicht die Alpwirtschaft; archäologische Grabungen auf der Frutt (Müllerenhütte, 1997) belegen für die Zeit nach 1400 den Ausbau von kleineren Alphütten zu stattlichen Gebäuden. Gleichzeitig suchte die Führungsschicht, die Exporte nach Italien durch die Eroberung von Gebieten längs der Passrouten sowie durch eine ennetbirgische Handelspolitik abzusichern (Viehhandel).
Im 15. Jahrhundert setzte ein Aufschwung der Ausfuhr von Käse in den Süden ein, der in den Rechnungsablagen des Klosters Engelberg für das 16. Jahrhundert gut dokumentiert ist. Im 16. Jahrhundert wurde bereits ein lagerfähiger, fetter Hartkäse hergestellt, der alle Eigenschaften des später bekannten Sbrinz oder Spalenkäses aufwies. Als direkter Handelsweg für den Käseexport wurde bis ins 19. Jahrhundert die Brünig-Grimsel-Griespass-Route ins Val d'Ossola gegenüber der Gotthardstrasse bevorzugt; inwieweit dies für den Viehexport ebenfalls zutrifft, lässt sich wegen der schlechten Quellenlage nicht entscheiden. Aus Italien wurde Wein und Getreide importiert. Vor allem im Winter führten Obwaldner Säumer in der frühen Neuzeit Salz aus dem Salzkammergut und Tirol ins Simmental, ins Saanenland, mit dem das Land ab dem 15. Jahrhundert enge Beziehungen pflegte, sowie an den oberen Genfersee aus, von wo sie auf der Rückkehr Wein mitbrachten.
Ab 1426 ist auch die Erzgewinnung auf der Erzegg (Frutt) belegt. Die Pest raffte um 1450 Unternehmer und Arbeiter dahin. Erst 1551 reaktivierte eine Erblehensgesellschaft den Erzabbau, gab ihn aber bereits 1568 wieder auf. Die ertragreichste Periode des Abbaus begann dann 1620 unter der Leitung von Obwaldner Bergherren. Die Zeit des Ersten Villmergerkriegs brachte dem Obwaldner Bergbau eine Blütezeit, Erzgewinnung und Erzverarbeitung wurden zur eigentlichen Kriegsindustrie. Aber schon 1689 wurde das Unternehmen infolge Misswirtschaft für immer stillgelegt.
Die Obwaldner Handwerksleute waren in einer zunftähnlichen Handwerksbruderschaft zusammengeschlossen. Vorschriften für die Handwerker hatte die Regierung schon im 16. Jahrhundert erlassen. Im 18. Jahrhundert nahmen diese Bestimmungen bereits arbeitsrechtliche Züge an: Die Gewerbetreibenden wurden zu angemessener Entlöhnung ihrer Arbeiter und zu fairer Rechnungsstellung angehalten, die Handwerker zu sauberer und solider Arbeit ermahnt. Kessler und Flicker mussten eine Arbeitsbewilligung einholen und durften ihre Kupferware nur aus einheimischem Material herstellen.
Die Reisläuferei und das Militärunternehmertum wurden ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Obwalden zu einem wirtschaftlichen und politischen Faktor. Sie brachten Reichtum ins Land. Ab Anfang des 16. Jahrhunderts war der Solddienst durch Verträge reglementiert (Fremde Dienste); solche Kapitulationen wurden mit dem König von Frankreich, dem Papst (Kirchenstaat, Heiliger Stuhl), dem Herzog von Mailand, dem Dogen von Venedig und mit Spanien-Neapel (Spanien, Neapel) geschlossen. In spanischen und in kaiserlichen Diensten stiegen Mitglieder der Familie Wirz aus Sarnen in die höchsten militärischen und politischen Ämter auf. Die Offiziersfamilien Imfeld und von Flüe standen indes in französischen Diensten. Der französische Solddienst brachte allerdings auch die Politik in Abhängigkeit von Frankreich, was sich etwa Ende des 17. Jahrhunderts im Widerstand Obwaldens gegen das Defensionale von Baden zeigt. Obwaldner Söldner waren vor allem in den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden engagiert sowie in den Türkenkriegen Venedigs im späten 17. Jahrhundert auf dem Peloponnes. Die erfolgreichsten Solddienstunternehmer im 18. Jahrhundert waren die von Flüe aus Sachseln.
Gesellschaft
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Neben dem ritterlichen Ministerialadel hatte sich im 13. und 14. Jahrhundert eine einheimische Führungsschicht von Grossbauern etabliert, deren Vertreter gemeinsame Sache mit den Rittern und Dienstleuten machten, bis sie 1381/1382 die Macht übernahmen. Diese Grossbauern hatten in den sich bildenden Teilsamen infolge ihrer grösseren wirtschaftlichen Basis eine dominierende Stellung inne. Bezeugt ist die Aufteilung einer Kirchgenossengemeinde in kleinere Einheiten, welche die gemeinsame Nutzung von Wald, Weide und Alpen regelten, erstmals 1390 in Sarnen. Diese Teilsamen drängten sich als zweite lokale Ebene in die Landesverwaltung ein, vermochten aber die Einheit der Kirchgenossengemeinden nicht zu durchbrechen.
Auch die Kleinbauern kamen dank Viehverpachtung und Viehverstellung (Lehnkühe) meist zu genügend Arbeit und Vieh. Während ursprünglich der Besitz einer Hofstätte Anspruch auf die volle Nutzung bedeutet hatte, wurden in einer späteren Entwicklung neu Hinzugezogene nur zu beschränkter Nutzung zugelassen. Es kam daher im Verlaufe der Jahrhunderte in den meisten Gemeinden zu Auseinandersetzungen zwischen den alten Genossen und den Zuzügern (Beisassen oder Hintersassen).
Im 15. und 16. Jahrhundert machte die Oberschicht Obwaldens einen Prozess der Aristokratisierung durch. Ihre Angehörigen legten sich Wappen und Baronentitel zu, Landammann Niklaus Imfeld führte zum Beispiel ab 1548 den Rittertitel. Bis ins 18. Jahrhundert hatte sich ein enger Kreis von Geschlechtern herauskristallisiert, der die wirtschaftlichen und – eine Folge des Prinzips der Kooptation – die politischen Führungspositionen besetzt hielt. Seine Machtstellung beruhte teils auf Grundbesitz, teils auf Kapital, das in Unternehmungen wie dem Viehhandel und dem Soldwesen steckte. Die Obrigkeit gab sich selbstherrlich und regierte oft willkürlich.
Im Verlauf des 16. Jahrhunderts wurde die staatliche Gewalt ausgebaut. Sie stützte sich auf die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestatteten Gerichte, die zunehmend in alle Lebensbereiche eingriffen. Die Vorstellungen des Klerus von Frömmigkeit, Sitte und Gehorsam wurden zur politischen Richtschnur. Immer zahlreicher wurden Verordnungen und Verbote, die das Volk unter die Kontrolle der Obrigkeit bringen sollten. Sittenmandate reglementierten das Trinken, das Fluchen, das Spielen, das üppige Essen, die unanständige und nicht standesgemässe Kleidung, den Wirtshausbesuch und das Rauchen.
Kirchliches und kulturelles Leben
Autorin/Autor:
Angelo Garovi
Seit dem Hochmittelalter waren die Pfarrkirchen der Mittelpunkt des religiösen Lebens. Dessen Aufschwung im Mittelalter bezeugen neben den spätromanisch-frühgotischen Pfarrkirchen auch die spätgotischen Kapellen, wie etwa das Beinhaus St. Michael mit seiner bedeutenden Holzdecke in Sarnen und die Kapelle St. Nikolaus mit den wertvollen Wandmalereien aus dem späten 14. Jahrhundert in St. Niklausen. Im Spätmittelalter entwickelte sich auch eine Vielfalt von volkstümlichen Frömmigkeitsformen im Heiligen- und Reliquienkult, in Kreuzgängen und Wallfahrten, so etwa der Musegger Umgang in Luzern am Feste Mariä Verkündigung (25. März), die Wallfahrten nach Einsiedeln und Santiago de Compostela (Rodel der St.-Jakobs-Bruderschaft in Sachseln). Die Sakramentskapelle in Giswil und die Legende vom Hostienraub (Ende 15. Jahrhundert) weisen auf die hohe Verehrung der Eucharistie hin.
Bruder Klaus. Tempera auf Papier, Anfang 16. Jahrhundert (Staatsarchiv Obwalden, Sarnen).
[…]
Niklaus von Flüe, der Eremit im Ranft und spätere Landespatron der Schweiz, wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Nach seinem Tod wurde Sachseln zu einem viel besuchten Wallfahrtsort und im Ranft entstand um 1501 die spätgotische Kapelle St. Maria mit dem fragmentarisch erhaltenen Bruder-Klaus-Zyklus (ca. 1530-1540). 1618 wurde zu Ehren von Karl Borromäus, der 1570 das Grab von Bruder Klaus besucht hatte, eine Kapelle auf dem Flüeli erbaut, die sich durch ihre hochstehende kunsthandwerkliche Innenausstattung auszeichnet. Die Seligsprechung des Bruder Klaus 1649 gab dem kirchlichen Leben in Obwalden und insbesondere der Wallfahrt zu dessen Grab weitere Impulse. Die zu klein gewordene Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Theodul wurde 1672-1684 durch einen repräsentativen Bau des Frühbarocks ersetzt.
1615 wurde das Mitte des 12. Jahrhunderts gegründete Benediktinerinnenkloster St. Andreas von Engelberg nach Sarnen verlegt. Die 1642 in Sarnen niedergelassenen Kapuziner engagierten sich für die Festigung des alten Glaubens im Sinn des Konzils von Trient. 1739-1742 erfolgte in Sarnen der einzelne Teile der romanischen Vorgängerin miteinbeziehende Neubau der Pfarrkirche St. Peter und Paul, ein Meisterwerk des Rokokos mit dem originellen, übereck gestellten und mit Zwiebelhauben bekrönten Turmpaar, von dem Einflüsse auf das Baugeschehen der Innerschweiz ausgingen. Die vielen im 17. und 18. Jahrhundert erbauten Kirchen und Kapellen machen Obwalden zu einer eindrücklichen Sakrallandschaft.
Im 17. und 18. Jahrhundert wirkten bedeutende Orgelbauer wie zum Beispiel Niklaus Schönenbüel aus Alpnach in Obwalden. Mit den Sachsler Organisten Johann und Johann Chrysostomus z'Bären, dem Einsiedler Stiftskapellmeister Justus Burach, dem Konstanzer Domkapellmeister Anton Omlin sowie dem Wettinger Abt Niklaus von Flüe stellte es fünf hervorragende Musiker und Komponisten. Als bedeutendster Maler des Barocks aus Obwalden gilt Sebastian Gisig. Marianus Rot, Johann Zurfluh und Johann Peter Spichtig mit seinem Dreikönigsspiel von 1659 waren die wichtigen Theaterautoren und -spielleiter im Land.
Die Schule entstand aus der Reform des Konzils von Trient und diente vor allem der religiösen Unterweisung. Hauptfach war Religion. Die erste öffentliche Schule entstand 1540 in Sarnen. 1573 wurde vom Rat festgelegt, dass in allen Gemeinden Schulen einzurichten seien, was 1639 erreicht war. Weil es an Lehrern fehlte, wurden die Schüler meist von einem Kaplan unterrichtet. Mit dem vom Jesuiten Johann Baptist Dillier hinterlassenen Vermögen baute die Landesregierung in Sarnen das Kollegium (heute kantonales Verwaltungsgebäude), in dem sie 1752 eine höhere Lateinschule eröffnete.
Kruzifix aus Elfenbein im Rathaus von Sarnen, 1733 (Fotografie Stephan Wagner, Sarnen).
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Der Staat im 19. und 20. Jahrhundert
Verfassungsgeschichte
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Unter dem Einfluss der im französischen Solddienst aufgestiegenen von Flüe und der meisten Geistlichen im Land nahm Obwalden als erster Urkanton am 1. April 1798 die helvetische Verfassung an, wurde dann aber doch von seinen Urschweizer Nachbarn zum Widerstand gegen die Franzosen gedrängt. Nach der Niederlage und der Zusammenlegung der Urkantone und Zugs zum Kanton Waldstätten bildete Obwalden nur noch den Distrikt Sarnen. Für die lokale Verwaltung im Zentralstaat stellten sich die meisten ehemaligen Ring- und Ratsherren zur Verfügung und suchten den Forderungen der helvetischen Behörden und der französischen Besatzungstruppen nachzukommen.
Die Mediationsakte von 1803 stellte in ihrem 15. Kapitel für Ob- und Nidwalden die Staatsordnung und die Behörden des Ancien Régime wieder her und anerkannte die Teilung des Kantons Unterwalden in die Halbkantone ob dem Wald und nid dem Wald. Obwalden musste auf seinen alten Zweidrittelsvorrang verzichten. Die führenden «Helvetiker» verloren die Gunst ihrer Mitbürger, aber ein grosser Teil jener, die schon vor 1798 als Ratsherren und unter der helvetischen Staatsordnung als Beamte mitgewirkt hatten, wurden von der Landsgemeinde und in den Kilchgangsversammlungen wiedergewählt. Die wesentliche Änderung bestand in der Heraufsetzung der Altersgrenze für das Wahlrecht und die Militärdienstpflicht auf das 20. Lebensjahr. Rückgängig gemacht wurde die Gleichberechtigung zwischen Ortsbürgern und Beisassen.
Kantonsverfassung von 1816 (Staatsarchiv Obwalden, Sarnen).
[…]
Das Landbuch von 1792 wurde 1814 der ersten selbst entworfenen Kantonsverfassung zugrunde gelegt, wobei alle Bezüge zu den verschwundenen Gemeinen Herrschaften dahinfielen. Die Verwaltungs- und Gerichtskompetenzen der Landräte wurden systematischer aufgezählt. Ein Landgericht, bestehend aus dem Landrat, der bei offener Tür des Ratssaals Vermächtnisse und testamentarische Verordnungen genehmigte, wurde neu geschaffen, die Siebnergerichte und das Geschworenengericht blieben erhalten; Letzteres zählte ab 1816 wegen der neuen «kleinen» Gemeinde Engelberg unter dem Vorsitz des Landammanns 16 Richter.
Zur Landsgemeinde wurde jeder Landmann ab 20 Jahren zugelassen, zu den Kilchgangsversammlungen aber nur die in der Gemeinde ansässigen Korporationsbürger. Zum Tagsatzungsgesandten wählte die Landsgemeinde in der Regel den regierenden Landammann. Neben der Kantonsverfassung blieb das Landbuch von 1792 rechtsverbindlich. Ab 1854 wurden die Gesetze und Verordnungen in einem Amtsblatt veröffentlicht, ab 1899 in der Reihe der Landbücher, welche anstelle der seit 1853 in loser Folge erschienenen Gesetzessammlungen trat.
1815 schlossen sich das Tal und das Kloster Engelberg wegen der restaurativen Politik Nidwaldens ihnen gegenüber Obwalden an; Engelberg wurde dessen siebte Gemeinde. Ihr und dem Kloster wurden in der Vereinigungsurkunde vom 19. und 24. November 1815 die alten Rechte teilweise zugesichert.
Die Verfassung erfuhr 1816 nach dem Anschluss von Engelberg einige Anpassungen. 1829 wurden die Volksrechte dahingehend eingeschränkt, dass die Landleute ihre Anträge nicht mehr aus dem Ring heraus stellen konnten. Nach der Niederlage des Sonderbunds erzwangen die radikal-liberalen Sieger 1847 die Abschaffung des Pannerherrn sowie der Lebenslänglichkeit der Ämter und die Einführung von Amtsdauern, eine Reaktion auf das in mancher Hinsicht selbstherrliche Regiment des Landammanns Nikodem Spichtig in den 1830er und 1840er Jahren, der Obwalden in den Sarner- und in den Sonderbund geführt hatte. Nach der Niederlage schied Spichtig aus allen Ämtern aus.
Sicht von der Strasse Sarnen-Stalden auf den Sarnersee und gegen den Brünigpass. Gouache von Johann Heinrich Bleuler, um 1800 (Stiftung Meinrad Burch-Korrodi, Sarnen; Fotografie Stephan Wagner).
[…]
Nur widerwillig unterzog sich Obwalden der Bundesverfassung von 1848, die es mit grosser Mehrheit abgelehnt hatte. 1850 beschloss es eine neue Kantonsverfassung. Sie schuf die militärischen Ringherren ab. Von den neuen dreizehn Regierungsräten wurde jeder Gemeinde mindestens einer zugesichert. Landammann und Landstatthalter waren erst nach einer einjährigen Unterbrechung wieder wählbar. Dies führte fast regelmässig zu einem Wechsel zwischen den beiden Amtsträgern. Die Gewaltentrennung wurde verbessert und das Geschworenen- durch ein verkleinertes Kantonsgericht ersetzt. Von der helvetischen Verfassung wurde die Trennung der Kilchgänge in Einwohner- und Bürgergemeinden übernommen. Bei den Wahlen der Einwohnergemeinden in den Landrat und in den Dreifachen Rat – der Zweifache wurde aufgehoben – kamen ausser in Alpnach die ehemaligen Beisassen noch lange kaum zum Zug. Die Kantonsverfassung enthielt neu einen Katalog von Freiheitsrechten gemäss der Bundesverfassung und einen Rechtsgleichheitsartikel. Widersprüche zwischen Bundes- und Kantonsverfassung führten zu kleinen Teilrevisionen.
1867 wurde die Kantonsverfassung totalrevidiert. Nachdem die katholische Konfession schon 1850 als Staatsreligion anerkannt worden war, erhielten jetzt auch die Reformierten die Möglichkeit, eigene Schulen zu führen. Die Trennung von ausführender und richterlicher Gewalt wurde konsequenter durchgeführt. Die neue Gerichtsorganisation schuf in den Gemeinden das Vermittleramt und auf kantonaler Ebene als erste Instanz die Civil-, Kriminal- und Polizeigerichte sowie darüber das Obergericht. Eine weitere Neuheit war das Revisions- und Kassationsgericht. Die Landsgemeinde blieb oberste Legislative. Sie wählte weiterhin den nun siebenköpfigen Regierungsrat – die Berücksichtigung jeder Gemeinde wurde fallen gelassen – und neu die Mitglieder und das Präsidium des Obergerichts. Sie erhielt jetzt auch gewisse Finanzkompetenzen. An die Stelle von Landrat und Dreifachem Rat trat ein auf 80 Mitglieder vergrösserter Kantonsrat, dem auch die Regierungsräte angehörten. Die Kantonsratsmandate wurden nach Anzahl Einwohner auf die Gemeinden verteilt, welche je einen Wahlkreis bilden.
Bis zur Verfassungsrevision von 1902 hatte Obwalden ein patriarchalisch geprägtes Regiment bewahrt. Die Einschränkung der demokratischen Rechte des Landmanns von 1829 wurden in den Verfassungen von 1867 und 1902 zurückgenommen: Schriftlich an den Landammann gerichtete Anträge eines Bürgers mussten der Landsgemeinde vorgelegt werden. 400 Bürger konnten ab 1902 gegen ein Gesetz das Referendum ergreifen. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Initiativen und Referenden eingereicht, die teilweise Mehrheiten fanden. Den Höhepunkt erreichte die Volksrechtsbewegung 1909, als 1200 Bürgern die Möglichkeit gegeben wurde, eine geheime Abstimmung über Verfassungsrevisionen zu verlangen. Weiter geschwächt wurde die Landsgemeinde 1922 mit der Einführung der Urnenabstimmung über Verfassungs-, Gesetzes- und Steuervorlagen.
Aus dem Kampf für die Erweiterung der Volksrechte entstand 1908 die liberale Volkspartei, nachdem sich schon 1873, nach der Ablehnung der Bundesverfassungsrevision, vorübergehend ein liberaler Verein gebildet hatte. 1919 formierten auch die Konservativen eine Partei. 1956 trennten sich die Christlich-Sozialen von dieser ab und bildeten eine eigene Partei. 1997 ging die Sozialdemokratische Partei (SP) aus dem 1992 gegründeten Demokratischen Obwalden hervor. 1999 entstand die kantonale Schweizerische Volkspartei (SVP), 2008 eine Sektion der Bürgerlich-Demokratischen Partei.
Sitze des Kantons Obwalden in der Bundesversammlung 1919-2015
| 1919 | 1939 | 1947 | 1959 | 1979 | 1991 | 1995 | 1999 | 2003 | 2007 | 2011 | 2015 |
---|
Ständerat |
KK/CVP | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | | | | | 1 |
LP/FDP | | | | | | | | 1 | 1 | 1 | 1 | |
Nationalrat |
KK/CVP | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | | | |
SVP | | | | | | | | | | 1 | | |
CSP | | | | | | | | | | | 1 | 1 |
Sitze des Kantons Obwalden in der Bundesversammlung 1919-2015 - Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Obwalden 1920-2014
| 1920 | 1940 | 1950 | 1960 | 1974 | 1986 | 1994 | 2002 | 2006 | 2010 | 2014 |
---|
KK/CVP | 6 | 6 | 6 | 4 | 5 | 3 | 4 | 2 | 2 | 2 | 2 |
LP/FDP | 1 | 1 | 1 | 2 | 1 | 2 | 2 | 1 | 1 | 2 | 2 |
CSP | | | | 1 | 1 | 1 | 1 | 2 | 2 | 1 | 1 |
Parteilos | | | | | | 1 | | | | | |
Total Sitze | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 7 | 5 | 5 | 5 | 5 |
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Obwalden 1920-2014 - Bundesamt für Statistik; Staatsarchiv Obwalden
Zusammensetzung des Kantonsrats im Kanton Obwalden 1974-2014a
| 1974 | 1978 | 1982 | 1986 | 1990 | 1994 | 1998 | 2002 | 2006 | 2010 | 2014 |
---|
KK/CVP | 26 | 26 | 28 | 25 | 28 | 27 | 25 | 21 | 23 | 20 | 19 |
LP/FDP | 15 | 13 | 16 | 12 | 14 | 14 | 13 | 11 | 10 | 10 | 10 |
CSP | 8 | 7 | 6 | 9 | 7 | 10 | 10 | 8 | 10 | 8 | 7 |
Demokratisches Obwalden | | | | | | 4 | | | | | |
SP | | | | | | | 7b | 8 | 6 | 6 | 6 |
SVP | | | | | | | | 7 | 6 | 11 | 13 |
Fraktionslos | 2 | 5 | 2 | 6 | 1 | | | | | | |
Freie Fraktion Obwalden (FFO) | | | | | 5 | | | | | | |
Total Sitze | 51 | 51 | 52 | 52 | 55 | 55 | 55 | 55 | 55 | 55 | 55 |
a bis 1982 Wahlen nach Majorz-, 1986 erstmals nach Proporzsystem
b inkl. Demokratisches Engelberg
Zusammensetzung des Kantonsrats im Kanton Obwalden 1974-2014 - Bundesamt für Statistik; Staatsarchiv Obwalden
1968 erfolgte die vorläufig letzte Totalrevision der Kantonsverfassung, die mehr Übersichtlichkeit, aber wenig Neuerungen brachte, ausser dass die Regelung verschiedener politischer Anliegen auf den Gesetzesweg verwiesen wurde. Der Kantonsrat wird seit 1984 im Proporzverfahren gewählt und seine Grösse wurde 1989 auf 55 Mitglieder fixiert. 1972 wurde das Frauenstimmrecht und 1983 das Stimmrechtsalter 18 in die Verfassung aufgenommen. Die Abschaffung der Landsgemeinde 1998 und die Verkleinerung der Exekutive 2002 auf fünf Regierungsräte markierten den verfassungsrechtlichen Übergang ins 21. Jahrhundert.
Staatsverwaltung
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Die staatlichen Leistungen waren bis 1848 vergleichsweise bescheiden. Der Landesbauherr hatte neben der Aufsicht über die staatlichen Hochbauten (Rathaus, Zeughäuser, Kollegium) lediglich den Zustand der Landstrasse zwischen Alpnachstad und dem Brünig zu überwachen. Für deren Unterhalt musste erst ab 1786 jeder Haushalt jährlich ein Tagwerk leisten oder eine Ersatzabgabe bezahlen. Ab 1820 erledigte eine Kommission die Strassengeschäfte. Als der Kanton um 1860 die vom Bund subventionierte Brünigstrasse und um 1870 die Strasse nach Engelberg baute, entstanden ihm erhebliche Kosten. In den frühen 1930er Jahren begann der Kanton, die Strassen zu asphaltieren. Als Teil des Nationalstrassennetzes wurde 1966 der Bau der A8 über den Brünig in Angriff genommen.
Kranke, Sträflinge und Arme wurden in das Spittel und das Armenhaus in Sarnen aufgenommen, über deren Stiftungskapitalien zwei Landräte, der Spitalherr und der Siechenvogt, Rechnung führten. Ab 1856 brachte der Kanton Arme, Kranke und Sträflinge im neu gebauten Spital in Sarnen unter. Für Sträflinge wurde 1884 in Sarnen ein Zuchthaus errichtet.
Im 18. Jahrhundert hatten Ratsherren dem Landrat die Salzlieferverträge und die Salzregalrechnung unterbreitet. Von 1785 an verwaltete ein Mitglied der Regierung als Salzdirektor das Salzregal, bis dessen Administration 1942 in das Finanzdepartement integriert wurde. Die Rechnung über das obere Zeughaus führte bis 1798 der Oberzeugherr, jene über das untere der Unterzeugherr, 1803-1850 fielen diese Aufgaben dem ersten bzw. dem zweiten Zeugherrn zu. Letzterer war ab 1752 auch für die Rechnung des in Sarnen neu erbauten Kollegiums verantwortlich. 1804 kam noch die Verwaltung des konstanzischen Diözesanfonds dazu.
Das geringe Ausmass der Staatstätigkeit lässt sich auch den Landseckelrechnungen entnehmen: Die Sitzungsgelder und Verwaltungskosten betrugen 1700 rund 2500 Gulden und verdoppelten sich bis 1850. Die Kanzleiarbeiten bewältigte ein einziger Landschreiber, zu dessen Unterstützung 1709 ein zweiter gewählt wurde. Erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden zwei weitere Kanzlisten angestellt. Im 18. Jahrhundert hatten die Einnahmen des Landseckels neben Bussen und Gültzinsen vor allem aus den Pensionengeldern und dem Anteil an der Verwaltungsrechnung der Gemeinen Herrschaften bestanden. Beide Einnahmequellen versiegten 1798. Seither brachten die Konsumsteuern auf Alkoholika und die Zölle bedeutende Einnahmen. Die weniger ergiebigen Pulver- und Postregalien und auch die Zölle verschwanden mit dem Bundesstaat. Landessteuern auf dem Vermögen wurden nur gelegentlich als Kriegssteuern zur Deckung grösserer Defizite in der Landseckelrechnung oder zur Rückzahlung von Anleihen erhoben. Die verfassungsmässige Grundlage für direkte Steuern auf Einkommen und Vermögen schuf die Verfassung von 1867, auf die sich das erste Steuergesetz von 1870 abstützte. Vorerst wurden zeitlich beschränkte Landessteuern vor allem für die Gewässerkorrektionen bezogen. Ab 1912 verlangten die steigenden Staatsausgaben einen alljährlichen Steuerbezug.
Ein Indiz für die zunehmende Staatstätigkeit, die zum Teil eine Folge der Bundesgesetzgebung war, bildet die Anzahl der Staatsangestellten, die trotz des Wegfalls der Zoller, des Landläufers und des Sustmeisters stieg. Die 1868 geschaffenen Departemente beschäftigten den Oberförster, den Kantonsingenieur, die Kantonsschullehrer und andere Verwaltungsangestellte als Mitarbeiter. 1889 hatte Obwalden 20, im Jahr 2000 325 Kantonsangestellte. Ein weiterer Gradmesser sind die Staatsausgaben: Die ordentlichen Aufwendungen, die 1860 24'000 Fr. betragen hatten, überschritten 2000 die Grenze von 200 Mio. Franken.
Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im 19. und 20. Jahrhundert
Bevölkerung und Siedlung
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Die Bevölkerung Obwaldens zählte 1798/1799 10'580, 1850 13'799, 1900 15'260, 1950 22'125 und 2000 32'427 Einwohner. Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum betrug 1798-1910 4,2‰ und 1910-1990 6,4‰. In beiden Perioden fiel das Bevölkerungswachstum Obwaldens tiefer aus als dasjenige der gesamten Schweiz, für welche die Werte bei 6,7‰ bzw. 7,3‰ lagen. 1850-1860 sowie 1880-1888 hatte Obwalden Bevölkerungsrückgänge um 2,9‰ bzw. 2,4‰ zu verzeichnen. Zwischen 1868 und 1900 wanderten 1815 Personen aus Obwalden nach Amerika aus.
1743 zählte von den beiden grossen Gemeinden Sarnen 2730 Einwohner, ein Drittel mehr als Kerns (1820). Von den vier kleinen Gemeinden war Sachseln (1292) deutlich grösser und Lungern (868) deutlich kleiner als Alpnach (1135) und Giswil (1040). Ab 1850 wurde die Unterscheidung in grosse und kleine Gemeinden fallen gelassen. 2004 hatte Alpnach (5156) Sachseln (4456) überholt und lag nahe bei Kerns (5236), Giswil (3420) und Engelberg (3493) waren etwa gleich auf, Sarnen (9445) rangierte immer noch an der Spitze, Lungern (1956) am Schluss.
In den Gemeinden wohnten 1850 mehrheitlich Gemeindebürger. Nur in Alpnach überwogen die 818 Beisassen, also die Bürger aus anderen Obwaldner Gemeinden, die 556 Ortsbürger. Da Berner Bauern in Alpnach viele Grundstücke gekauft hatten, machten die 248 ausserkantonalen Einwohner 16,5% aus, während sie im ganzen Kanton kaum 5% erreichten. Dies änderte sich mit der von der Bundesverfassung 1848 verordneten Niederlassungsfreiheit; schon 1900 waren 25% der Einwohner Schweizer Bürger anderer Kantone. Die Niederlassungsfreiheit förderte auch die Ansiedlung von Reformierten und von Ausländern.
Die Wohnbautätigkeit veränderte die Obwaldner Bauerndörfer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; in Industriezonen wurde Raum für die wirtschaftliche Entwicklung geschaffen. Die Wohnbauzonen wurden vergrössert. Arbeitskräfte liessen sich besonders im Raum Alpnach-Sarnen nieder, von wo sie in die Wirtschaftszentren Luzern, Zug und Zürich pendeln.
Wirtschaft
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
«Laitier à Sarnen». Gouache von Ludwig Vogel, um 1850 (Stiftung Meinrad Burch-Korrodi, Sarnen).
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Obwalden blieb bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein Gebiet der Land-, Alp- und Forstwirtschaft. Der Käseexport nach Italien brach ab den 1870er Jahren ein, als die neuen Möglichkeiten des Bahntransports die Konkurrenz verschärften. Die 1886 gegründete Kantonalbank hatte von Gesetzes wegen der Volkswirtschaft zu dienen und sollte unter anderem verschuldeten Kleinbauern helfen, ihre Gülten zu amortisieren (Agrarverschuldung). Die Regierung erliess zur Förderung der Agrarwirtschaft 1891 eine Viehzuchtordnung sowie 1893 ein Landwirtschaftsgesetz.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden die Holz verarbeitende Industrie sowie vor allem in Engelberg das Tourismusgewerbe. Der Bau der Brünigbahn (1888), der Pilatusbahn (1889) und der Stans-Engelbergbahn (1898) begünstigte den Fremdenverkehr. 1893 erschloss eine Standseilbahn das Stanserhorn, das sich innert hundert Jahren neben dem Pilatus zum zweiten Unterwaldner Hausberg entwickelte. In den zweiten Rang zurückversetzt wurde der Sommertourismus bis Ende des 20. Jahrhunderts durch den Wintersport: Engelberg, Melchsee-Frutt und Lungern-Schönbühl sind bekannte Skistationen.
Stroh wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Heimarbeit, dann industriell verarbeitet; im Zweiten Weltkrieg ging die Strohflechterei ein. Der seit 1903 bestehende Steinbruch Guber in Alpnach überwand dagegen seine Krise mit einer neuen Betriebsgesellschaft. Ab 1888 bauten zuerst Private, dann die Gemeinden Kerns, Sarnen und Alpnach und schliesslich der Kanton Elektrizitätswerke. 1980 kaufte Obwalden das 1921 durch die Centralschweizischen Kraftwerke erbaute Lungererseewerk zurück; seitdem führt es dieses in eigener Regie.
Montage eines Typenhauses der Holzbau AG Lungern. Fotografie, nach 1926 (Kantonale Denkmalpflege Obwalden, Sarnen) © Holzbau AG Lungern.
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Firmenprospekt der Holzbau AG Lungern, 1932 (Kantonale Denkmalpflege Obwalden, Sarnen) © Holzbau AG Lungern.
Bis 1950 förderten die Kantonsbehörden die Industrie nur wenig, dann setzten sie auf eine wirtschaftliche Diversifizierung und bemühten sich, Industrien anzusiedeln. Während ein Glasbläserbetrieb wieder wegzog, entwickelten sich die Nahrungsmittel- (Familia in Sachseln) und Kunststoffindustrie (Sarna in Sarnen) sowie der Apparatebau (Maxon in Sachseln) und expandierten sogar ins Ausland. Daneben behaupteten sich auch viele Kleinbetriebe in der Elektro- und Autobranche sowie in der Käseherstellung. Der 1. Sektor stellte 2005 noch 13% der Arbeitsplätze im Kanton, der 2. Sektor 36% und der 3. Sektor 51%. Weil Obwaldens Wirtschaftsentwicklung mit der gesamtschweizerischen nicht Schritt hielt und der Kanton steuerschwach blieb, setzten Regierung und Volk Anfang des 21. Jahrhunderts auf eine schrittweise Revision der Steuergesetze, um Unternehmungen und kapitalkräftige Zuzüger anzuziehen. Diese Revisionen beinhalteten die Einführung der sogenannten Flat-Rate-Tax mit flachem und proportionalem Steuersatz auf das Jahr 2008.
Erwerbsstruktur des Kantons Obwalden 1860-2000a
a bis 1960 ohne Teilzeitangestellte
b Residualgrösse einschliesslich "unbekannt"
c ortsanwesende Bevölkerung
d Die Beschäftigtenzahlen der Volkszählung 2000 sind wegen der grossen Zahl "ohne Angabe" (2 316) nur begrenzt mit den vorhergehenden Daten vergleichbar.
Erwerbsstruktur des Kantons Obwalden 1860-2000 - Historische Statistik der Schweiz; eidgenössische Volkszählungen
Gesellschaft
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Die Mehrheit der Bevölkerung war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts arm; der Rückgang der Nachfrage nach Söldnern und schliesslich das Verbot des Reislaufens 1859 verschärften für viele Bedürftige die Situation. In Sachseln hatten 1800 von 263 Haus- und Grundbesitzern 24% weniger als 1000 Fr. Vermögen, 40% weniger als 2000 Fr., während die drei Reichsten Eigentum zwischen 20'800 und 22'200 Fr. besassen. In Giswil galten zur gleichen Zeit von 1033 Einwohnern 700 als Arme. Ihre Lage wurde mit der Einführung des Armengesetzes von 1851 teilweise verbessert, da nun die Gemeinden und nicht mehr die Verwandtschaft für die Armenunterstützung verantwortlich war. Mehrere Gemeinden errichteten danach Waisenhäuser, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg – auch wegen der Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 1948 – überflüssig wurden.
Ein Teil der Bauernsame waren die Älpler. Ihre Organisation als Bruderschaft oder Älplerverein reicht in einzelnen Gemeinden bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die Älpler von Sarnen gaben sich 1882 erste Statuten. Die Älplergesellschaften hielten sich auch in einem veränderten wirtschaftlichen Umfeld bis in die Gegenwart. Die Tradition ihrer Älplerkilbi mit den Auftritten des Wildmas (wilder Mann) und des Wildwybs (wildes Weib) erreicht heute aber nur mehr eine Minderheit der Obwaldner Gesellschaft.
Arbeiterinnen in der Hutfabrik Georg Meyer AG in Sarnen, um 1967 (Fotografie Christof Hirtler, Altdorf).
[…]
Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich die gesellschaftliche Stellung der Frau tiefgreifend verändert. Als Heimarbeiterin für die Strohindustrie trug sie an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zum Familieneinkommen bei. Sie konnte als Mitglied von katholischen Müttervereinen für die Kirche und für die Familienpolitik aktiv werden. Rosalie Küchler-Ming engagierte sich auf schweizerischer Ebene 1929 für das Frauenstimmrecht, allerdings ohne grosses Echo bei den Obwaldnerinnen und Obwaldnern. Noch der Verfassungsrat von 1947 mass dem Frauenstimmrecht wenig Bedeutung bei. 1961 gründeten Obwaldnerinnen eine Sektion des Schweizerischen Frauenbunds, die sich aber im Vorfeld der Verfassungsrevision von 1968 nicht für die Einführung des Frauenstimmrechts aussprach. 1972 erhielten die Frauen in Obwalden das volle Stimm- und Wahlrecht, im gesellschaftlichen Leben hatten sie sich schon vorher emanzipiert.
Schützengesellschaften entstanden in Obwalden ab dem Ende des 17. Jahrhunderts. 1860 zählte der Halbkanton 36 Vereine, darunter sechs Musikvereine sowie zehn Schützenvereine auf Gemeindeebene und die 1852 gegründete kantonale Schützengesellschaft. Die Offiziere hatten sich 1856 zusammengeschlossen, die Unteroffiziere vor 1885.
Brünigschwinget. Fotografie von Robert Dillier, Juli 2013 (Organisationskomitee Brünigschwinget).
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Viele konfessionell neutrale Vereine wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Leben gerufen, vor allem Sportvereine (Fussball, Volleyball, Unihockey), für welche die Gemeinden eine entsprechende Infrastruktur errichteten. Schweizerische und kantonale Grosswettkämpfe belebten die sportlichen Aktivitäten im Kanton. Seit 1904 führen die Ob- und Nidwaldner Schwingerverbände sowie die Haslitaler Sektion den populären Brünigschwinget durch. Dem Ende des 20. Jahrhunderts lancierten Projekt des Obwaldner Sportvalleys war nur wenig Erfolg beschieden.
Kultur und Bildung
Autorin/Autor:
Niklaus von Flüe
Das älteste Obwaldner Zeitungsprodukt war das ab 1854 herausgegebene Amts-Blatt des Kantons Unterwalden ob dem Wald (seit 1936 Obwaldner Amtsblatt). Die 1862 erschienene Obwaldner Wochenzeitung (1865-1873 Obwaldner Zeitung) wurde von Ständerat Nicolaus Hermann redigiert, der dem Halbkanton den Bundesstaat näherzubringen suchte. Als Konkurrenzblatt gegen Hermanns liberale Zeitung gründete Landammann Simon Etlin 1870 den katholisch-konservativen Obwaldner Volksfreund. Der ab 1923 von Gottfried Burch in Lungern edierte katholisch-konservative Anzeiger für Lungern und Umgebung (1927-1930 Obwaldner Zeitung und Anzeiger für Lungern, 1931-1946 Obwaldner Zeitung, 1947-1972 Lungerer Bote) fusionierte 1972 mit dem Obwaldner Volksfreund zum Obwaldner. Ab 1975 gab der Presseverein in Lungern die Zeitung D'r Lungerer (ab 1981 Obwaldner Wochenblatt) als Nachrichtenblatt für den oberen Kantonsteil heraus. Ab 1893 erschien Der Unterwaldner zunächst als unabhängiges Organ in Giswil (1893-1898) und dann in Sarnen (1898-1909). 1908 wurde er zum Sprachrohr der liberalen Obwaldner Volkspartei. Nach der Übernahme des Nidwaldner Boten 1909 wurde er von den Liberalen beider Halbkantone in Stans herausgegeben. 1980 ging er im Luzerner Tagblatt auf, das sich 1991 seinerseits mit dem Vaterland zur Luzerner Zeitung vereinigte. Seit 1993 bringt der Verlag Neue Luzerner Zeitung die Obwaldner Zeitung (seit 1996 Neue Obwaldner Zeitung, Auflage 2008 6054 Exemplare) und das Obwaldner Wochenblatt (Auflage 2008 4512 Exemplare, im August 2009 eingestellt) heraus. 2016 wurden die Neue Luzerner Zeitung und die Neue Obwaldner Zeitung in Luzerner Zeitung und Obwaldner Zeitung umbenannt.
Ein vielfältiges Brauchtum prägt das kulturelle Leben Obwaldens. Die – zum Teil wiederbelebten – Bräuche kirchlichen oder weltlichen Ursprungs durchziehen das ganze Jahr. Bekannt sind das Dreikönigssingen (ehemals Neujahrssingen) am 6. Januar, das Bläsimutschli (besondere Brötchen zum Blasiustag) am 3. Februar, die Agathaprozession und das Agathabrot am 9. Februar, die aus geistlichen Spielen früherer Jahrhunderte entstandenen Dorftheater zur Fastnachtszeit, das Römern (Nachtwallfahrt) vor Karfreitag, die Landeswallfahrt nach Einsiedeln Anfang Mai, die Alpauf- und -abfahrten und Älplerkilbi sowie die Chlauseinzüge (um den 6. Dezember).
Seit dem 19. Jahrhundert führen die Laientheatergesellschaften regelmässig Volksstücke auf. Die Studenten am Kollegium Sarnen und an der Stiftsschule in Engelberg sowie die Theatergesellschaften von Sarnen, Sachseln und Giswil bringen auch anspruchsvolle Inszenierungen auf die Bühne. Heimatbezogene Werke schrieben Heinrich Federer und Rosalie Küchler-Ming. Mundartliteratur schufen Hedwig Egger-von Moos, Margarete Haas und Julian Dillier. Karl Imfeld verfasste Gedichte, Prosatexte und Übersetzungen in Mundart sowie ein Obwaldner Mundartwörterbuch.
Obwaldner Volksliedgut wurde von Alfred Leonz Gassmann gesammelt. Ruedi Rymann machte das Obwaldner Jodellied (Schacher Seppli) im ganzen Land bekannt. Bedeutende Komponisten waren Josef Garovi und Caspar Diethelm. Robert Barmettler, Blasmusikkomponist, schuf 1939 das Lied S'Landidörfli. August Wirz und Francesco Raselli komponierten vor allem für Blasmusiken. Leo Kathriner verfasste als Orgellehrer am Konservatorium Freiburg ein Lehrbuch. Das Kloster Engelberg besitzt die grösste Orgel der Schweiz (gebaut 1875, 1924-1926 und 1992-1993 modernisiert). In den Gemeinden pflegen Musikschulen, Musikgesellschaften, Kirchen- und Jodelchöre sowie Gesangsvereine das musikalische Leben. Guggenmusiken haben seit 1957 in grosser Anzahl die Fastnacht erobert. Der Kanton, der seit 1985 über eine Kulturabteilung verfügt, führte mit «Obwald 2006» ein erstes Volkskulturfest durch.
Der Tiroler Bildhauer Franz Abart, Joseph Maria Ettlin und Nikodem Kuster schufen in Kerns religiöse und historische Bildwerke. Ihren Stil setzte der Holzschnitzer Beat Gasser fort. Xaver Ruckstuhl und Hugo Imfeld waren hervorragende Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Als Maler bekannt wurde Franz Andreas Heymann mit seinen kirchlichen Kunstwerken und Porträts. Den bäuerlichen Alltag zeigen die Bilder Karl Buchers. Anton Stockmann bewies sein grosses Talent mit Werken in der Tradition der Nazarener und des französischen Impressionismus. Der Basler Emil Schill erkor Obwalden zu seiner Wahlheimat und schuf realistische Landschaftsbilder. Ebenfalls mit solchen, aber auch mit Glasmalereien machte sich Bepp Haas einen Namen. Glasgemälde und Grafiken waren die Stärke von Albert Hinter. Hervorragende grafische Arbeiten schufen auch Herbert Matter und Paul Diethelm. Die Holzschnitte von Giuseppe Haas-Triverio sind von Realismus und die Bilder von Josef von Rotz expressionistisch geprägt. Meinrad Burch-Korrodi war ein Pionier der modernen Goldschmiedekunst. Über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist der Bildhauer Kurt Sigrist.
Das geschichtliche Erbe bewahren das Historische Museum Obwalden in Sarnen, 1877 vom historisch-antiquarischen Verein geschaffen, das 1976 eingerichtete Museum Bruder Klaus in Sachseln mit einer Ausstellung über den Schriftsteller Heinrich Federer sowie der Sammlung Christian Sigrist (Miniaturen aus dem Bauernleben) und das seit 1988 bestehende Talmuseum Engelberg. Seit 1998 kümmert sich die Heimatkundliche Vereinigung Giswil um Geschichte und historische Zeugen der Gemeinde. Das Staatsarchiv Obwalden hütet unter seinem historischen Schrifttum als bedeutendstes Dokument das Weisse Buch von Sarnen, das eine um 1475 verfasste Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft enthält (Befreiungstradition). Die 1895 gegründete Kantonsbibliothek Obwalden ist seit 1980 im Grundacherhaus in Sarnen untergebracht.
Engelberger Klosterschüler mit Fernrohr vor dem Kollegium. Fotografie vom 14. Juli 1920 (Kloster Engelberg, Stiftsarchiv).
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1849 erklärte Obwalden in seinem ersten Schulgesetz den sechsjährigen Schulbesuch für obligatorisch. Die Schulzeit wurde durch Revisionen des Schulgesetzes 1947 auf sieben, 1978 auf acht und 1992 auf neun Jahre ausgedehnt. Die Schulen werden von den Gemeinden unterhalten. Seit 1935 engagiert sich der Kanton für die Berufsschulen; seit 1971 betreibt er diese teilweise in Zusammenarbeit mit Nidwalden. Die Maturitätsschule in Sarnen, die ab 1841 von Benediktinern aus dem im Aargau aufgehobenen Kloster Muri geführt wurde, ist seit 1966 ein kantonales Gymnasium. Das Gymnasium in Engelberg ist eine Privatschule des Klosters, aber kantonal anerkannt. Seit 1995 ist ihm eine Sportmittelschule angeschlossen. Für höhere Fachschulen hat Obwalden mit dem Kanton Luzern Konkordate geschlossen. 2001-2004 erhöhte sich die Anzahl der Studierenden aus Obwalden an höheren Schulen von 402 auf 498, während die Schülerzahl im Kanton minimal von 5695 auf 5679 fiel. 1850 hatten rund 1200 Kinder die Schule besucht.
Die Obwaldner Bevölkerung war 1848 zu 100%, 1950 zu 96% und 2000 zu 80% katholisch. Obwalden zählte bis 1814 zum Bistum Konstanz, 1819 kam es provisorisch zum Bistum Chur. Die Frage der Bistumszugehörigkeit blieb seitdem ungelöst; die Obwaldner Behörden favorisierten in den 1820er und 1830er Jahren einen Anschluss an das Bistum Basel und später dann die Gründung eines eigenen Bistums für die Urkantone. Das 1970 errichtete Generalvikariat Urschweiz wurde 2008 in ein Bischofsvikariat umgewandelt. Das 1971 entstandene Dekanat Obwalden umfasste 2008 elf Pfarreien. Die katholischen Jugend- und Erwachsenenorganisationen hatten ihre Blütezeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Schweizweite Aufmerksamkeit wurde den seit 1970 alljährlich von Blauring und Jungmannschaft organisierten Ranfttreffen zuteil.
Treppenskulptur am Hexenturm in Sarnen von Kurt Sigrist, 2009 (Fotografie Stephan Wagner, Sarnen).
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Die ersten Reformierten wanderten aus dem Berner Oberland in Giswil und in Alpnach ein, wo sie 1862 eine eigene Kirchgemeinde bildeten und eine eigene Schule führten. 1907 entstand die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Obwalden (alter Kantonsteil), 1972 jene von Engelberg. Der Anteil der reformierten Kantonsbevölkerung lag 1888 bei 2,2%, 1950 bei 3,7% und 2000 bei knapp 8%. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wanderten auch Mitglieder von Freikirchen und Muslime vor allem aus dem Balkan zu. Auch in Obwalden stieg die Zahl der Konfessionslosen.
Mit der Abnahme der Religiosität in der Gesellschaft verlor die Wallfahrt zu den Bruder-Klausen-Stätten in Sachseln und auf dem Flüeli an Bedeutung. Von 1947, dem Jahr der Heiligsprechung von Bruder Klaus, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verminderte sich der jährliche Strom der Pilger um die Hälfte auf rund 100'000 Personen.
Quellen und Literatur
- Staatsarchiv Obwalden, Sarnen.
- Stiftsarchiv Engelberg, Engelberg.
- Sammlung der Gesetze und Verordnungen des Kantons Unterwalden ob dem Wald, Bd. 1-6, 1853-1900.
- Amts-Blatt des Kantons Unterwalden ob dem Wald, 1854- (verschiedene Titeländerungen, seit 1979 Amtsblatt des Kantons Obwalden).
- Amts-Bericht über die Staatsverwaltung und über die Rechtspflege des Kantons Unterwalden ob dem Wald, 1868-1884 (fortgesetzt durch die zwei Reihen Amts-Bericht über die Staats-Verwaltung des Kantons Unterwalden ob dem Wald, 1903-1970, und Amtsbericht über die Rechtspflege des Kantons Obwalden, 1903-2015).
- Landbuch für den Kanton Unterwalden ob dem Wald, 1899-1968 (Landbuch des Kantons Obwalden, 1972-1999).
Historiografie- Die historisch-kritische Erforschung der Obwaldner Geschichte beginnt nach der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Edition des Obwaldner Landbuchs von Johannes Schnell und Hermann Christ und des Talrechts von Engelberg von Johannes Schnell sowie mit Andreas Heuslers Abhandlung über die Rechtsverhältnisse am Gemeinland. Anton Küchler leistete im lokal-, Robert Durrer im kunsthistorischen Bereich im späten 19. bzw. im frühen 20. Jahrhundert Pionierarbeit. Benediktinerpater Emmanuel Scherer leitete 1915-1916 die Ausgrabungen der römischen Villa in Alpnach ein. Ignaz Hess und Gall Heer setzten sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem mit Engelberg auseinander, Ephrem Omlin betrieb prosopografische Forschungen über die Landammänner und die Geistlichen, Leo Ettlin verfasste die Biografie Johann Baptist Dilliers, Rupert Amschwand ergänzte Robert Durrers Quellenwerk über Bruder Klaus, Daniel Rogger befasste sich mit Obwaldens Landwirtschaft im Spätmittelalter und Niklaus von Flüe widmete sich vor allem den gesellschaftlichen Umbrüchen vom ausgehenden 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ludwig von Moos schrieb über die Geschichte der Obwaldner Kantonalbank sowie die Verfassungsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts, Remigius Küchler edierte die Gerichtsprotokolle von 1529-1571 und erforschte die Geschichte des Handels über das Val d'Ossola. Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Befunde der archäologischen Grabungen, welche die Universitäten Basel und Zürich von den frühen 1980er Jahren an vornahmen. 1995 legte Peter Felder seinen Überblick über die Kunstlandschaft Innerschweiz vor; 2000 erschien die von Angelo Garovi verfasste Obwaldner Geschichte als erste Gesamtdarstellung.
ReihenAllgemeines- Durrer, Robert: Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden. Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler, 1899 (Nachdruck 1971).
- Erziehungsrat des Standes Obwalden (Hg.): Obwaldner Heimatbuch, 1953.
- Omlin, Ephrem: Die Landammänner des Standes Obwalden und ihre Wappen, 1966.
- Omlin, Ephrem: Die Geistlichen Obwaldens vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, 1984.
- Felder, Peter: Die Kunstlandschaft Innerschweiz. Zusammenspiel von Landschaft, Geschichte und Kunst, 1995.
- Garovi, Angelo: Obwaldner Geschichte, 2000.
Ur- und Frühgeschichte- Della Casa, Philippe: «Römische Siedlungsplätze und Verkehrswege in der Innerschweiz», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1990, S. 217-230.
- Primas, Margarita: «Neue archäologische Funde am alten Brünigweg», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1990, S. 207-215.
- Primas, Margarita; Della Casa, Philippe; Schmid-Sikimić, Biljana: Archäologie zwischen Vierwaldstättersee und Gotthard. Siedlungen und Funde der ur- und frühgeschichtlichen Epochen, 1992.
Mittelalter und frühe Neuzeit- Ringwald, Fritz: Wirtschaft und Besiedlung des Kantons Obwalden, 1933.
- Stettler, Bernhard: «Die Herren von Hunwil im Land Obwalden», in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 126/127, 1973/1974, S. 5-32.
- Flüe, Niklaus von: «Wandel in der staatlichen Organisation Obwaldens unter dem Einfluss der Ideen der Aufklärung und der französischen Revolution», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 15, 1980, S. 109-127.
- Garovi, Angelo: «Bemerkungen über Ehe und Zivilstand im Kanton Obwalden», in: Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung, Jahrbuch, 1985, S. 45-50 (Zeitschrift für Zivilstandswesen, Bd. 51, 1983/11, S. 340-346).
- Glauser, Fritz: «Von alpiner Landwirtschaft beidseits des St. Gotthards 1000-1350», in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 141, 1988, S. 5-173.
- Rogger, Daniel: Obwaldner Landwirtschaft im Spätmittelalter, 1989.
- Garovi, Angelo: «Das Juliusbanner von 1512», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1990, S. 237-257.
- Meyer, Werner: 1291. Die Geschichte. Die Anfänge der Eidgenossenschaft, 1990.
- Garovi, Angelo: «Insignien des Landes Obwalden», in: Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, Bd. 13, 1991, S. 53-65.
- Ruckstuhl, Viktor: Aufbruch wider die Türken. Ein ungewöhnlicher Solddienst am Ende des 17. Jahrhunderts. Mit besonderer Berücksichtigung Obwaldens und der Kompanie Schönenbüel, 1991.
- Küchler, Remigius: «Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549. Teil 1: Regesten der Gerichtsurteile 1390-1529 und Edition des Gerichtsprotokolls für die Jahre 1529-1539», in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 146, 1993, S. 151-390.
- Küchler, Remigius: «Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549. Teil 2: Edition des Gerichtsprotokolls für die Jahre 1540-1549», in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 147, 1994, S. 93-337.
- Küchler, Remigius: «Das Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1550-1571» in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 150, 1997, S. 179-624.
- Obrecht, Jakob; Meyer, Werner; Reding, Christoph: «Archäologische Untersuchungen von spätmittelalterlichen Alpwirtschaftsgebäuden in Müllerenhütte, Melchsee-Frutt 1997», in: Kultur- und Denkmalpflege in Obwalden, Bd. 1, 2000, S. 24-27.
- Küchler, Remigius: Obwaldens Weg nach Süden durch Oberhasli, Goms und Eschental, 2003.
19. und 20. Jahrhundert- Businger, Aloys: Der Kanton Unterwalden historisch, geographisch, statistisch geschildert. Beschreibung aller in demselben befindlichen Berge, Seen, Flüsse, Heilquellen, Flecken, merkwürdigen Dörfer, so wie der Schlösser, Burgen und Klöster. Nebst Anweisung denselben auf die genußvollste und nützlichste Weise zu bereisen. Ein Hand- und Hausbuch für Kantonsbürger und Reisende, 1836.
- Niderberger, Franz: Die Entwicklung der Gerichtsverfassung in Obwalden, 1900.
- Wirz, Wolfgang: Die Träger der verwaltenden Staatsgewalt im Kanton Unterwalden ob dem Wald im Laufe der staatsrechtlichen Entwicklung, in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob und nid dem Wald und Zug, Bd. 92, 1937, S. 1-200.
- Henggeler, Rudolf: Die kirchlichen Bruderschaften und Zünfte der Innerschweiz, [1955].
- Flüe, Niklaus von: Obwalden zur Zeit der Helvetik, 1798-1803, 1961.
- Flüe, Niklaus von: Die Mediationszeit in Obwalden, 1968.
- Alder, Garfield: Wagnis und Verpflichtung. Geschichte der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Obwalden, 1971.
- Flüe, Niklaus von: «Die Obwaldner Wehrordnung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 12, 1974, S. 5-68.
- Flüe, Niklaus von: «Die Spannungen zwischen Ob- und Nidwalden nach dem Anschluss Engelbergs an Obwalden», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 14, 1979, S. 73-135.
- Moos, Ludwig von: Hundert Jahre Obwaldner Kantonalbank, 1886-1987. Ein Gang durch Geschichte, Akten und Berichte, 1987.
- Flüe, Niklaus von: «Vom Bundesvertrag zur Bundesverfassung», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1990, S. 9-205.
- Moos, Ludwig von: «Zur Verfassungs- und politischen Geschichte Obwaldens. Zur Verfassung von 1902 und die Volksrechte-Kämpfe 1905 bis 1910», in: Obwaldner Geschichtsblätter, Bd. 19, 1990, S. 259-295.
- Flüe, Niklaus von: Restaurationszeit in Obwalden, 1998.
- Flüe, Niklaus von: Obwalden 1848-1888. Die Einordnung in den Bundesstaat, 2004.
- Flüe, Niklaus von: «Das Obwaldner Strafgerichtsverfahren im 18. Jahrhundert», in: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz, Bd. 160, 2007, S. 143-218.
- Flüe, Niklaus von: Obwalden im 18. Jahrhundert, 2009.
Kurzinformationen
Endonyme/Exonyme |
Obvaldo (italienisch)
Obwald (französisch)
Obwalden (deutsch)
Sursilvania (romanisch)
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Zitiervorschlag
Angelo Garovi; Niklaus von Flüe: "Obwalden", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.02.2018. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007410/2018-02-07/, konsultiert am 02.11.2024.