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Basel-Stadt

Wappen des Kantons Basel-Stadt
Wappen des Kantons Basel-Stadt […]
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Basel-Stadt mit den wichtigsten Ortschaften
Oro- und hydrografische Karte des Kantons Basel-Stadt mit den wichtigsten Ortschaften […]

Seit der Trennung des Kantons Basel in die beiden Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft 1833 Halbkanton der Eidgenossenschaft. Dessen amtlicher Name lautet seit der Verfassung von 1847 "Kanton Basel-Stadt", französisch Bâle-Ville, italienisch Basilea-Città, romanisch Basilea-Citad. Er ersetzte die auf dem Tagsatzungsbeschluss vom 26. August 1833 beruhende alte Umschreibung "Kanton Basel-Stadttheil". Amtssprache ist Deutsch. Die Kantonsverfassung nennt keine Hauptstadt. Seit 1876 ist die Einwohnergemeinde Basel in den Halbkanton Basel-Stadt integriert und existiert verfassungsmässig nicht mehr.

Struktur der Bodennutzung im Kanton Basel-Stadt

Fläche (1994)37,1 km2 
Wald / bestockte Fläche4,7 km212,7%
Landwirtschaftliche Nutzfläche4,5 km212,1%
Siedlungsfläche26,2 km270,6%
Unproduktive Fläche1,6 km24,3%
 Struktur der Bodennutzung im Kanton Basel-Stadt -  Arealstatistik der Schweiz

Die Stadt Basel liegt am südlichen Rand der oberrheinischen Tiefebene, am Rheinknie zwischen den äussersten nördlichen Ausläufern des Juras und dem südwestlichen Rand des Schwarzwaldes. Der Rhein sowie Birs, Wiese und Birsig haben die Topografie des heutigen Stadtgebiets geprägt. Der Rhein war Transportweg und zeitweise auch Grenze.

Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Basel-Stadt

Jahr 1850190019501990a
Einwohner 29'698112'227196'498199'411
Anteil an der Gesamtbevölkerung der Schweiz1,2%3,4%4,2%2,9%
SpracheDeutsch 106'769180'786156'638
 Französisch 2'6208'4445'426
 Italienisch 2'3335'21812'842
 Rätoromanisch  101 487 288
 Andere  4041'56324'217
KonfessionProtestantisch24'08373'063124'43465'245
 Katholisch (bis 1900 inkl. christkatholisch)5'50837'10161'54850'705
 Christkatholisch  2'673 697
 Israelitisch 1071'8972'6201'666
 Andere und konfessionslos     0 1665'22381'098
 davon konfessionslos   68'807
NationalitätSchweizer22'87969'446180'145152'601
 Ausländer6'81942'78116'35346'810
Jahr 1905193919651995
Beschäftigte im Kanton1. Sektor1'520 789 419 342b
 2. Sektor31'94337'00662'74846'153
 3. Sektor20'06436'51274'375113'615
Jahr 1965197519851995
Anteil am Schweiz. Volkseinkommen6,3%4,8%4,2%3,9%

a Einwohner 2000 188'079; erst Gesamtzahlen verfügbar

b gemäss landwirtschaftl. Betriebszählung 1996

Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur des Kantons Basel-Stadt -  Bundesamt für Statistik; Bundesamt für Landwirtschaft; Historische Statistik der Schweiz

Von der Urgeschichte bis ins Frühmittelalter

Die prähistorische Zeit

Älteste Siedlungsfunde datieren aus dem Moustérien (Spitzschaber, Rehhagstrasse) und dem Magdalénien (Hechtliacker). Aus dem Neolithikum stammen ein Grab der Glockenbecherkultur in Riehen sowie Streufunde in Kleinhüningen, Riehen und Bettingen. Zwischen dem 4. und 2. Jahrtausend v.Chr. legte der Rhein seinen Lauf im typischen Knie fest. Das rechte Ufer ist seit der Bronzezeit besiedelt. Die späteren Siedlungsschwerpunkte sind bereits in der Bronze- und Eisenzeit belegt: das Kleinbasler Rheinufer, St. Alban, Basel-Gasfabrik, der Münsterhügel und St. Martin, wobei aus der Mittel- und Spätbronzezeit (1500-800 v.Chr.) vorwiegend Streufunde ohne Siedlungsstrukturen sowie ein Depotfund (Elisabethenschanze) vorliegen. Einzelne frühlatènezeitliche Grabbeigaben (4. Jh. v.Chr.) in Kleinbasel stehen isoliert zwischen der Spätbronze- und der Spätlatènezeit.

Die Spätlatènezeit

Zu Beginn des historischen Zeitalters war die Region am südlichen Oberrhein von einer Bevölkerung bewohnt, die bei Caesar als Rauriker überliefert ist. In Basel sind aus der Spätlatènezeit fünf Fundstellen, davon zwei bedeutende Siedlungen bekannt: Die ältere Niederlassung Basel-Gasfabrik mit Gräberfeld (2. Jh.-erste Hälfte 1. Jh. v.Chr.) lag unbefestigt am linken Rheinufer. Nachgewiesen sind Werkstätten und Importe aus römischen Gebieten (u.a. Weinamphoren). Gruben mit reichhaltigen Funden, unter anderem auch zahlreichen menschlichen Skelettteilen, lassen an rituelle Bestattungen denken. Die früher erwogene Identifizierung mit Arialbin(n)um (Tabula Peutingeriana) wird heute ebenso in Frage gestellt wie das Jahr 58 v.Chr. - das Jahr des Auszugs der Helvetier und Rauriker sowie der Schlacht bei Bibracte - als Zeitpunkt für die Auflassung von Basel-Gasfabrik. Die jüngere Siedlung wurde spätestens Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. auf dem Münsterhügel angelegt und mit einem murus gallicus befestigt.

Die römische Zeit

Basel: Siedlungstopografie in frühgeschichtlicher Zeit ca. 1000 v. Chr. - 1000 n. Chr.
Basel: Siedlungstopografie in frühgeschichtlicher Zeit ca. 1000 v. Chr. - 1000 n. Chr. […]

Strategische Interessen Caesars führten nach 50 v.Chr. zu einem Bündnis zwischen Rom und den keltischen Völkern unserer Gegend und unter Munatius Plancus um 44/43 v.Chr. zur Gründung der Colonia Raurica, die gemäss Importfunden und voraugusteischen militärischen Fundobjekten wohl im Oppidum auf dem Münsterhügel zu lokalisieren ist. Die Romanisierung der Region setzte jedoch erst mit der Neugründung der Kolonie Augusta Raurica unter Augustus um 15-10 v.Chr. ein. Der Münsterhügel wurde zur Militärstation und zum Stützpunkt für die Germanenfeldzüge unter Drusus und Tiberius. Archäologisch belegt sind ein Graben (Bäumleingasse), ein Spitzgraben (Augustinergasse) sowie Militärbauten und -funde unter dem Münster und an der Rittergasse. Während der Blütezeit von Augusta Raurica (1.-3. Jh. n.Chr.) war der Münsterhügel nur dünn besiedelt, hauptsächlich im Bereich des südöstlich vorgelagerten Vicus. Rechts des Rheins, im Gebiet der Gemeinde Riehen, lagen die Siedlung beim Landauer und der Tempel Pfaffenloh.

Ende des 3. Jahrhunderts wurde anlässlich der Wiederbefestigung der Rhein-Donau-Linie auf dem Münsterhügel ein Kastell angelegt, das vermutlich das ganze Plateau von 6 ha Fläche umschloss: Reste der Kastellmauer sind an der Rittergasse und im Schulhaus zur Mücke, Strukturen der Innenbebauung verschiedenenorts erhalten. Die von Augusta Raurica ausgehenden Fernstrassen verliefen beidseits des Rheins den Rändern der Talterrassen entlang. Der abseits gelegene Münsterhügel wurde über eine Nebenstrasse erschlossen. Diese führte entlang dem Hügelfuss durch die Birsigniederung über eine Strassenstation beim heutigen Fischmarkt ins Elsass. Die von der Birsigmündung in gerader Linie an der keltischen Siedlungsstelle Basel-Gasfabrik vorbei zielende Strassenachse dürfte bereits in vorrömischer Zeit angelegt worden sein. An den Zufahrtsstrassen lagen Gräberfelder: Aeschenvorstadt (Kastellfriedhof), St.-Alban-Vorstadt, St.-Johanns-Vorstadt, Totentanz.

Durch Ammianus Marcellinus ist Basel für das Jahr 374 erstmals schriftlich bezeugt: "Valentiniano ... munimentum aedificanti prope Basiliam, quod appellant accolae Robur...". Dieser spätrömische Burgus sicherte vermutlich einen Rheinübergang; zur Diskussion stehen Fundamentreste am Reverenzgässlein und Befunde am Burgweg. In der Notitia Galliarum (390-413) ist Basel als Civitas Basiliensium, als Ort von erneut zentralörtlicher Bedeutung, dem Castrum Rauracense (Kaiseraugst) gegenübergestellt.

Die alemannische und fränkische Zeit

Im 5. Jahrhundert scheint die romanische Bevölkerung im Kastellbereich weiter gesiedelt zu haben, wie Funde - auch aus dem zugehörigen Friedhof - nahelegen. Die alemannische Landnahme rechts des Rheins ist belegt durch die Gräberfelder in Kleinhüningen (5.-8. Jh.), am Gotterbarmweg (5.-6. Jh.) und bei St. Theodor (6.-8. Jh.). Der Geograph von Ravenna (um 700 oder bald nach 800) führt Basel (Bazela) und Augst im alemannischen Gebiet auf. Links des Rheins deutet das Gräberfeld Bernerring (zweite Hälfte 6. Jh.) auf fränkische Siedler hin. Im 6. und 7. Jahrhundert wurde der Münsterhügel spärlichen Funden zufolge zeitweise aufgesucht, war jedoch kaum dauernd bewohnt. Nach dem bereits für 343 und 346 überlieferten Bischof Iustinianus Rauricorum wird in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts ein Bischof von Augst/Kaiseraugst und Basel (Basileae) namens Ragnacharius erwähnt. Die Nennung Basels in der Titulatur könnte für eine Verlagerung des Bischofssitzes nach Basel sprechen. Das Patrozinium der Martinskirche am nordwestlichen Rand des Münsterhügels, einer der ältesten Kirchen der Stadt, lässt fränkische Präsenz vermuten; archäologisch konnte dies jedoch bisher nicht bestätigt werden. Im 7. Jahrhundert entstanden neue Siedlungsstrukturen (Grubenhäuser, "Webkeller") auf dem Münsterhügel. Aus merowingischer Zeit sind drei Goldmünzen bekannt, deren Prägung Basel zugeschrieben wird, darunter der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts geprägte Triens des Münzmeisters Gunso mit der ersten inschriftlichen Namensnennung der Stadt: Basilia fit. In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts (um 728) scheint das Bistum Strassburg Basel einbezogen, ein Bistum Basel nicht bestanden zu haben.

Wie in andern Städten verlagerte sich in Basel im Frühmittelalter die Besiedlung vom antiken Stadtkern in das Umfeld des römischen Kastells, dies unter anderem unter dem Einfluss der gewandelten Wirtschaftsweise (von Handel und Gewerbe hin zur Agrarwirtschaft) und der politischen Organisation (kleinere, untereinander locker verbundene Personenverbände).

Die Anfänge der mittelalterlichen Stadt

Im Vertrag von Mersen (870) werden Basula und der dazugehörige Gau Basalchowa erwähnt. Die Reorganisation der Diözese Basel, die in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts von Bischof Baldobertus eingeleitet und von Waldo und Haito fortgesetzt wurde, setzte auch siedlungsmässig Zeichen für einen Neubeginn. Haito baute an der Stelle "zerfallener Ruinen" (Reichenauer Inschrift) eine Kathedrale, vermutlich das sogenannte Rundturm-Münster, und stiftete ein Ziborium. Siedlungsspuren aus dieser Zeit wurden in der südwestlichen Münsterplatz-Hälfte entdeckt (Grubenhäuser). Gräbergruppen aus dem 8. und 9. Jahrhundert vor der ehemaligen St.-Ulrichskapelle, der zum Münster gehörenden, ehemaligen Taufkapelle St. Johann sowie auf der Pfalz deuten auf verschiedene Begräbnisplätze hin. Am linken Rheinufer ist für das 9. Jahrhundert die Kirche St. Alban bezeugt. Am Kleinbasler Ufer stand vermutlich eine Holzkirche bei St. Theodor (drei beigabenlose Plattengräber und Keramikscherben aus karolingischer Zeit). Durch die Teilung des Frankenreichs im Vertrag von Verdun (843) wurde Basel Grenzort des Mittelreichs. Erhalten sind Basler Münzprägungen aus der Zeit Kaiser Lothars I. (840-855). Siedlungsspuren sind, ausser wenigen Streufunden, kaum vorhanden, konkrete Rückschlüsse auf Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen dieser Zeit mangels archäologischer und historischer Quellen nicht möglich.

Herrschaft, Politik und Verfassung vom Hochmittelalter bis zur Kantonstrennung

Unter fürstbischöflicher Herrschaft

Nach der Auflösung des karolingischen Mittelreichs (870) ging Basel an das ostfränkische Reich, in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts an das Zweite Königreich Burgund, vermutlich als Teil des Tauschpreises für die Heilige Lanze, die Rudolf II. von Burgund 926 oder 935 König Heinrich I. übergab. 917 wurde offenbar auch Basel von den Ungarn heimgesucht, denen gemäss der Inschrift auf dem im Münster erhaltenen Sarkophag Bischof Rudolf II. zum Opfer fiel. Bischof Adalbero II. erhielt 999 die Abtei Moutier-Grandval geschenkt, womit der Grundstock für den späteren Bischofsstaat gelegt war. 1006 gelangte Basel, womöglich als Faustpfand für die burgundische Erbschaft, an das Reich, dem es 1032, nach dem Tode Rudolfs III. von Burgund, eingegliedert wurde. Im 11. Jahrhundert standen die Bischöfe von Basel in der Gunst Kaiser Heinrichs II. und der Salier. Ein Zeugnis davon ist das von Heinrich II. gestiftete und 1019 geweihte spätottonisch-frühromanische Münster.

Seine Stadtherrschaft übte der Fürstbischof mittels Beamten aus dem Ministerialenstand aus. Genaueres ist allerdings erst aus dem 12. und 13. Jahrhundert überliefert. Eine bischöfliche Verwaltung, erschliessbar aus der Erwähnung bestimmter Ämter (u.a. Vogt, Schultheiss, Vitztum, Münzmeister, Zollmeister), wurde in dieser Zeit aufgebaut. Manche Ämter waren erblich und verfestigten sich zu Familiennamen. Zu den zentralen stadtherrlichen Kompetenzen zählten die vom Reich übertragenen Gerichtsrechte, die Steuergewalt, die Kontrolle über das Münzwesen, den Markt, die Masse und Gewichte sowie die ehaften Gewerbe der Grundversorgung (u.a. Bäcker).

Nachdem mit dem Tod Berchtolds V. (1218) die Herrschaft der Zähringer über das rechtsrheinische Gebiet beendet war, liess Bischof Heinrich II. von Thun (1216-1238) als Basis für einen territorialpolitischen Vorstoss in den Schwarzwald (der scheitern sollte) eine Rheinbrücke erstellen. Damit wurde der planmässige Ausbau der mit eigenen Rechten (Richthaus, Pfarrkirche St. Theodor) ausgestatteten Stadt Kleinbasel ausgelöst. Stadtherr war der Fürstbischof von Basel, kirchlich gehörte Kleinbasel zur Diözese Konstanz.

Anfänge einer städtischen Selbstverwaltung sind vom frühen 13. Jahrhundert an fassbar: Ein aus Rittern und Bürgern zusammengesetzter Rat (urkundlich ab 1185/1190 erwähnt), der ein eigenes Siegel führte, trug zusammen mit dem Schultheissen, dem Bürgermeister und dem Stadtschreiber die Verantwortung für die Stadtgemeinde. Zu den Bürgern zählten im 13. Jahrhundert nur die reichen Liegenschaftsbesitzer und Kaufleute. 1218 wurde der Rat durch König Friedrich II. aufgehoben, vor 1225 von neuem eingerichtet. Er bestand aus vom Fürstbischof ernannten Rittern und Bürgern, wobei die Zusammensetzung noch nicht fest geregelt war. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts trat neben den Vogt, der den Fürstbischof als Stadtherrn vertrat, und den Schultheissen, dem das Gerichtswesen unterstand, der Bürgermeister (ab 1253 bezeugt). Während sich in der Folge die Kompetenzen des Vogtes und des Schultheissen zurückbildeten, entwickelte sich der Bürgermeister immer mehr zum politischen Führer der Stadtgemeinde.

In Auseinandersetzungen zwischen dem Fürstbischof und der Stadtgemeinde, die 1247 in der Zerstörung der bischöflichen Pfalz (wohl identisch mit der alten Königspfalz) gipfelten, setzte sich Ersterer dank dem durch die Bettelorden gestützten Interdikt durch. Die (nicht erhaltene) Handfeste von ca. 1260 bestätigte seine stadtherrlichen Rechte.

Beginnend mit König Rudolf I. waren die Habsburger bestrebt, sich in Basel festzusetzen, vermutlich um die Stadt zu ihrer Residenz zu erheben. Sie stützten sich auf eine ihnen ergebene Partei sowie bis um 1300 auf prohabsburgisch gesinnte Fürstbischöfe. Ein 1270-1273 geführter Krieg zwischen dem Fürstbischof und Rudolf wurde mit Rudolfs Wahl zum König beigelegt. Habsburgs Bemühungen um Basel scheiterten im Lauf des 14. Jahrhunderts am Widerstand der Fürstbischöfe aus dem Burgundischen und der antihabsburgischen Partei in der Stadt. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung hatten sich zwei Rittergesellschaften gebildet, die anfänglich den Fürstbischof unterstützenden "Psitticher" und die für Habsburg eintretenden "Sterner". Deren politische Rivalitäten bestanden bis ins 14. Jahrhundert hinein und wurden dadurch entschärft, dass alternierend ein Sterner bzw. ein Psitticher das Bürgermeisteramt bekleidete.

Kommunale Emanzipation im Spätmittelalter

Von der Mitte des 13. Jahrhunderts an und in teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen sicherte sich die Gemeinde gegenüber dem Fürstbischof eine erhebliche Autonomie. Diese äusserte sich unter anderem im selbstständigen Abschluss von Bündnissen (z.B. 1310 mit der Stadt Strassburg) und im Kauf von Liegenschaften inner- und ausserhalb der Stadtmauern.

Die durch die verheerenden Konflikte des Fürstbischofs im 14. Jahrhundert hervorgerufene Zerrüttung der bischöflichen Finanzen erlaubte es der Stadt Basel, sich schrittweise von der Herrschaft des Bischofs zu lösen. Nach der neuen Handfeste von 1337 umfasste der Rat vier Ritter, acht Vertreter der lehnsfähigen Bürgerschaft (daher die Bezeichnung "Achtburger" für die ratsfähigen Familien) und fünfzehn Zunftmitglieder; hinzu kamen ab 1382 die Meister der fünfzehn Zünfte. Diese bildeten überdies ein eigenes Kollegium unter dem Vorsitz des Oberstzunftmeisters (Zunftmeister), der neben dem Bürgermeister das grösste politische Gewicht hatte. Während bis um 1500 der vom Fürstbischof ernannte Bürgermeister dem Ritterstand angehörte, kamen für das Amt des Oberstzunftmeisters auch Achtburger in Frage. Über die vom Rat bestimmten "Kieser", die den neuen Rat zu wählen hatten, erneuerte der Rat sich alljährlich selber. Bürgermeister, Oberstzunftmeister und Rat bildeten die städtische Obrigkeit, deren Kompetenzen sich auf das ganze öffentliche Leben erstreckten. Die alten bischöflichen Herrschaftsrechte lebten im 15. Jahrhundert in Repräsentationsformen noch bei der Besetzung der wichtigsten Ämter fort, die sich als feierliches Ritual abspielte. Zwischen 1360 und 1390 brachte die Stadt Basel durch Pfand oder Kauf die wichtigsten Herrschaftsrechte an sich (u.a. Steuer, Zoll, Münze, Judensteuer, Vogtei, Schultheissenamt), was ihr zwar faktisch die Souveränität sicherte, wegen der verbliebenen, erst im 16. Jahrhundert abgelösten bischöflichen Kompetenzen aber nicht zum Status einer freien Reichsstadt verhalf. Zusammen mit der weitgehenden Beseitigung der bischöflichen Herrschaft gelang es Basel auch, die politischen Ansprüche Habsburgs abzuweisen.

Auswahl des in Zünften organisierten Gewerbes in der Stadt Basel (um 1500)

HerrenzünfteZunft zum Schlüssel (Kaufleute)Tuchhändler, Tuchscherer
 Zunft zu Hausgenossen (Bärenzunft)Glockengiesser, Goldschmiede, Münzer, Wechsler
 Zunft zu WeinleutenWeinhändler, Weinschenken
HandwerkerzünfteZunft zu Rebleuten 
 Zunft zu Metzgern 
 Zunft zu Fischern und Zunft zu Schiffleuten 
 Zunft zu Gerbern und Zunft zu Schuhmachern 
 Zunft zu Safran (Krämer)Apotheker, Buchbinder, Heiligenmaler, Hutmacher,
  Krämer, Spengler, Weissgerber
 Zunft zu BrotbeckenFeilbäcker, Kornmesser
 Zunft zu SchmiedenHufschmiede, Kupferschmiede, Messerschmiede, Müller,
  Schlosser, Uhrenmacher, Waffenschmiede
 Zunft zu Schneider und Zunft zu KürschnernNäher, Seidensticker
 Zunft zu GartnernGärtner, Gremper, Karrer, Köche, Korbmacher,
  Seiler, Wirte
 Zunft zu SpinnwetternGipser, Maurer, Wagner, Zimmerleute, Drechsler,
  Dachdecker, Küfer, Steinmetzen, Ziegler
 Zunft zum Himmel und Zunft zum Goldenen SternBader, Glaser, Maler, Sattler
 Zunft zu WebernBleicher, Färber, Spinner, Wollenweber
Auswahl des in Zünften organisierten Gewerbes in der Stadt Basel (um 1500) -  Teuteberg,  René: Basler Geschichte, 1988

Der Bevölkerung bemächtigte sich vom späten 14. Jahrhundert an eine durch den gesellschaftlichen Wandel, Interessenkonflikte und krisenhafte Erschütterungen genährte soziale Unrast, die sich in Parteikonflikten unter den Führungsgruppen und in Revolten der Handwerker gegen missliebige Personen und Gruppen entlud (z.B. Böse Fasnacht 1376). Die Auseinandersetzungen, die von stets neu zusammengesetzten Konfliktgruppen getragen wurden und oft gegen die als korrupt geltende Oberschicht gerichtet waren, bewirkten bis um 1500 eine Stärkung der Zünfte im Rat, auch wenn das 1385 nach dem Vorbild Strassburgs errichtete Ammeisteramt, das durch seine Kontrollfunktionen (z.B. Stadtrechnung) den Zunfthandwerkern den Rücken stärken sollte, 1417 wieder aufgehoben wurde.

Einen wichtigen Schritt für die weitere Entwicklung der Stadt bildete 1392 die Vereinigung mit Kleinbasel, ermöglicht durch die Erwerbung der bischöflichen Herrschaftsrechte. In den amtlichen Akten spiegelt sich vom ausgehenden 14. Jahrhundert an ein Ausbau des städtischen Verwaltungs- und Militärwesens. Schreibgeschäfte oblagen der Kanzlei. Über den Finanzhaushalt liegen von 1360 an detaillierte Ausgaben- und Einnahmenrechnungen vor. Für öffentliche Aufgaben (z.B. Bau- und Münzwesen, Gewerbe- und Preiskontrolle, Wasserversorgung, Grenzmarkierungen) setzte der Rat städtische Beamte und Ratsausschüsse ein. Den Stadtfrieden sicherten Polizeibestimmungen gegen Lärm, Unfug, Waffentragen usw., die von den wenig beliebten Rats- oder Stadtknechten überwacht wurden. Sichtbaren Ausdruck fand der politische und wirtschaftliche Aufstieg Basels in der Errichtung öffentlicher Bauten (u.a. neues Rathaus um 1340, Zeughaus, Kornhaus, Werkhöfe, Spital) und vor allem des Äusseren Mauerrings am Ende des 14. Jahrhunderts.

Verlesung des eidgenössischen Bundesbriefs von 1501. Abbildung aus der Schweizer Chronik von 1576 von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 298; e-codices).
Verlesung des eidgenössischen Bundesbriefs von 1501. Abbildung aus der Schweizer Chronik von 1576 von Christoph Silberysen (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 298; e-codices).

Gegen Katastrophen (Feuer, Eisgang auf dem Rhein, Überschwemmungen, kriegerische Bedrohungen) erstellte der Rat im 15. Jahrhundert Alarmvorschriften von allerdings zweifelhafter Wirksamkeit. Zur Stadtverteidigung waren den Zünften Abschnitte am Äusseren Mauerring zugewiesen. Basel verfügte über ein Zeughaus, in dem vom späten 14. Jahrhundert an eine relativ leistungsfähige Artillerie eingelagert war. Für militärische Unternehmungen im Feld stützte sich Basel ausser auf die Kontingente der Zünfte auch auf eine berittene Söldnertruppe und einbürgerungswillige Hintersassen.

Die politische Selbstständigkeit erlaubte der Stadt eine aktive Bündnis- und Territorialpolitik, was sie allerdings wiederholt in kriegerische Konflikte verstrickte. Das Verhältnis zur Eidgenossenschaft gestaltete sich im 15. Jahrhundert wechselhaft. Streitigkeiten gab es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wiederholt mit Solothurn, dessen territorialpolitischen Interessen im Sisgau mit denjenigen Basels kollidierten. Letztlich waren es die Erfahrungen aus dem Schwabenkrieg, die 1501 zum Anschluss an die Eidgenossenschaft führten (s. Artikel Kanton Basel).

Kommunale Entwicklung vom 16. bis 18. Jahrhundert

In den ersten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts erhielt die Basler Ratsverfassung ihre bis 1691 massgebliche Ausgestaltung: 1506 wurden nach mehrjährigem Streit um die Handfeste formelle Rechte des Bischofs bei der Ratsbesetzung nochmals bestätigt, gleichzeitig aber Angehörige der 15 Zünfte in das Kieserkollegium aufgenommen. Eine weitere Stärkung erfuhren die Zünfte 1515, als der Rat den Mitgliedern der patrizischen Gesellschaft der Hohen Stube alle Vorrechte beim Zugang zu politischen Ämtern entzog. 1516 wurde mit Jakob Meyer zum Hasen erstmals ein zünftischer Ratsherr in das Bürgermeisteramt gewählt, das bis dahin ausschliesslich von Rittern und Achtburgern besetzt worden war.

Glasscheibe der Zunft zu Gartnern, 1615 (Historisches Museum Basel, Inv. 1901.42).
Glasscheibe der Zunft zu Gartnern, 1615 (Historisches Museum Basel, Inv. 1901.42). […]

1521 erfolgte der letzte und entscheidende Schritt auf dem Weg zur vollständigen Emanzipation der Stadt vom Bischof: Der Rat sagte sich einseitig von der bischöflichen Oberhoheit los und nahm die Ratsbesetzung sowie die Wahl der Häupter (zwei Bürgermeister, zwei Oberstzunftmeister) nun auch formell in eigener Kompetenz vor. Zudem wurde der - freilich nur noch theoretische - Anspruch der Hohen Stube auf acht Ratssitze nicht mehr anerkannt. Der Pensionensturm, eine Auseinandersetzung um die Annahme französischer Gelder, führte im gleichen Jahr zum Ausschluss einiger prominenter Vertreter der drei Herrenzünfte (Kaufleute, Hausgenossen, Weinleute) aus dem Rat. Die Handwerkerzünfte vermochten dabei ihren Anteil an Ämtern und Kollegien gegenüber den im Handel und Geldgeschäft tätigen Herrenzünftern weiter zu vergrössern.

Nach 1520 zeigte sich in Basel offene Opposition gegen traditionelle Glaubensformen, indem gezielt Fastengebote gebrochen und Prozessionen gestört wurden. Im Rat bildete sich eine altgläubige Partei um den patrizischen Bürgermeister Heinrich Meltinger und eine neugläubige Partei um den Oberstzunftmeister Jakob Meyer zum Hirzen. Dazwischen stand eine um Ausgleich bemühte Gruppe mit dem zweiten Bürgermeister Adelberg Meyer zum Pfeil. Die Reformation, die 1529 wesentlich auf Druck der Zunftgemeinde zum Durchbruch kam, brachte eine nochmalige Ratsumbildung: Zwölf altgläubige Vertreter der patrizisch-herrenzünftischen Führungsschicht mussten die Stadt verlassen. Ausserdem erfüllte der Rat teilweise die Forderungen der Zunftgemeinde nach mehr Einfluss auf die Wahl der Zunftvorstände, welche allein als Ratsmitglieder nachrücken konnten.

Bereits 1533 wurde aber dieses Zugeständnis an die Zunftbasis wieder rückgängig gemacht und für die Erneuerung der Zunftvorstände und des Rats wiederum das 1521 begründete und bis 1691 gültige Wahlverfahren bestätigt: Der Kleine Rat, der die Regierungsgewalt innehatte, bestand aus zwei jährlich wechselnden Hälften, die in der Regel gemeinsam tagten und als einheitliche Behörde auftraten. Jede Zunft stellte zwei Ratsherren und zwei Zunftmeister (einen für jede Hälfte). Den Vorsitz führten die Häupter, welche von beiden Ratshälften gemeinsam gewählt wurden. Die neuen Ratsherren wurden jedes Jahr von der abtretenden Ratshälfte gewählt, die neuen Zunftmeister von den Zunftvorständen. Zur Sanktionierung bestimmter Ratsbeschlüsse wurde sporadisch der Grosse Rat einberufen, dem die zwölf Sechser einer jeden Zunft, die Vorstände der drei Kleinbasler Ehrengesellschaften sowie die Schultheissen der beiden Stadtgerichte angehörten. Der Grosse Rat stellte damit vornehmlich eine erweiterte Vertretung der Zünfte dar und sollte insbesondere in Krisensituationen eine breitere Abstützung politischer Entscheidungen sichern. Die Zunftgenossen besassen - abgesehen von zwei kurzen Phasen in der Reformationszeit und nach den revolutionären Änderungen von 1691 - nur ein passives Wahlrecht, indem sie im Fall einer Vakanz im Zunftvorstand von diesem durch Kooptation als Sechser gewählt werden konnten. Offene Stellen im Kleinen Rat wurden ebenfalls durch Kooptation ausschliesslich aus dem Kreis der Zunftvorstände neu besetzt.

Politische Institutionen Basels 1529-1798
Politische Institutionen Basels 1529-1798 […]

Eine Vielzahl von Ratskommissionen und -kollegien trug die regulären Regierungs- und Verwaltungsaufgaben, die sich sowohl auf die Stadt wie auf das ländliche Untertanengebiet bezogen. Den bedeutendsten Ausschuss stellte der Dreizehnerrat (oder Geheime Rat) dar. Ursprünglich ein Kriegsrat, wurde er zum ständigen vorbereitenden und ausführenden Organ des Kleinen Rats. Die wichtigsten Aufsichtsfunktionen im Bereich der Finanzverwaltung lagen bei den Dreierherren und nach 1616 bei der als übergeordnete Finanzbehörde neu geschaffenen "Haushaltung". Die Rechtsprechung in Zivilsachen übernahmen die beiden Stadtgerichte, d.h. die Schultheissengerichte von Gross- und Kleinbasel, in denen Angehörige des Kleinen wie des Grossen Rats als Urteilssprecher sassen. Die hohe Gerichtsbarkeit lag beim neuen Kleinen Rat und den Urteilssprechern der Stadtgerichte. Die Siebnerherren führten die Voruntersuchung in Strafsachen, die vor den Kleinen Rat gelangten. Als Appellationsinstanzen schliesslich wirkten je nach Sachbezug Ausschüsse des Kleinen Rats, Revisoren und Appellationsherren. Neue Verwaltungsaufgaben ergaben sich für den Rat nach der Reformation aus der Aufsicht über kirchlich-soziale Institutionen (Pfleger, Deputatenamt, Kirchenrat) und aus der Besetzung des Bann- und Ehegerichts.

Ämter von geringerer Bedeutung (ein Teil der Landvogteien, Gerichtsstellen, Pflegerstellen) wurden auch ausserhalb des Kleinen Rats an Zunftangehörige - in der Regel Zunftvorstände - vergeben. Aber alle wichtigen Funktionen konzentrierten sich in den Händen einer engeren politischen Führungsschicht innerhalb des Kleinen Rats. Indem die Stellen im Zunftvorstand und im Rat auf Lebenszeit vergeben wurden und gelegentlich Ergänzungswahlen durch Kooptation erfolgten, verkleinerten sich die Aufstiegschancen von Angehörigen der Zunftgemeinde. Die theoretische Regimentsfähigkeit aller zünftigen Bürger wurde zudem indirekt durch die allgemein übliche Erhebung von Wahlgeldern und die unerlässliche Wahlbeeinflussung durch Bestechungsgelder eingeschränkt. Die Tendenz zur Oligarchisierung der Zunftherrschaft wird bereits in den 1530er Jahren erkennbar: Die Herrenzünfte vermochten ihr politisches Gewicht nach 1533 wieder auf Kosten der Handwerkerzünfte zu verstärken. Ausserdem vertiefte sich innerhalb der Handwerkerzünfte der soziale Abstand zwischen der Zunftgemeinde und den Spitzen im Vorstand und im Kleinen Rat zunehmend. Die Möglichkeit, sich in zwei Zünfte einzukaufen (Doppelzünftigkeit), erlaubte es Angehörigen der Herrenzünfte, auch Ratsstellen von Handwerkerzünften zu besetzen und damit im 17. Jahrhundert ein weitgehendes politisches Übergewicht der Grosskaufleute und Fabrikanten zu erringen.

Der einseitige Ausbau von Machtpositionen im Kleinen Rat durch die Familien Burckhardt und Socin war Anlass für die revolutionäre Bewegung des sogenannten 1691er-Wesens. Es endete mit einer Umgestaltung der verfassungsmässigen Ordnung, die in der neuen Form bis 1798 Bestand hatte: Als bleibende revolutionäre Veränderung war der Grosse Rat (unter Einschluss des Kleinen Rats 282 Mitglieder) die "Mehrere Gewalt", oberstes Staatsorgan und damit Inhaber der Souveränität. Er tagte nun regelmässig (ab 1718 monatlich) und konnte gesetzgeberisch aktiv werden. Ihm standen die letzten Entscheidungen zu betreffend Aussenpolitik, Truppenaufgebote, Staatsverträge und Steuererhebung. Er wählte die Häupter und die Zunftratsherren. Er ernannte die Dreierherren, den Rats- und den Stadtschreiber, sämtliche Gesandten sowie die Direktoren der Schaffneien, und er besetzte die Landvogteien (ausgenommen die beiden Schultheissenstellen von Liestal). Dem Kleinen Rat blieb neben der Besetzung der Vielzahl kleinerer Stellen die Wahl des Dreizehnerrats sowie die Besetzung der beiden Stadtgerichte. 1718 wurde die gezielte Beeinflussung der Wahlen und damit die Errichtung einer patrizischen Familienherrschaft im engeren Sinn durch die Einführung des Loses in das Wahlverfahren praktisch verunmöglicht. Bezüglich der Rechtsetzung waren die Kompetenzen von Grossem und Kleinem Rat nicht klar voneinander geschieden. In der Praxis blieb der Kleine Rat die eigentliche obrigkeitliche Behörde, welche mit ihren Kommissionen und Kollegien Regierung und Verwaltung übernahm. Zur Stabilisierung dieser politischen Ordnung trug bei, dass ein vergleichsweise grosser Teil der Bürgerschaft durch eine der zahlreichen Amtsfunktionen in das System eingebunden war.

Kommunale Entwicklung von der Helvetik bis zur Kantonstrennung

Mit der Einführung eines einheitlichen schweizerischen Bürgerrechts in der Helvetik erfolgte auch in Basel die Aufteilung in zwei Gemeindekörperschaften: die Einwohnergemeinde ("Munizipalität") und die Bürgergemeinde. Deren Grösse entwickelte sich unterschiedlich (Anteil der Bürger an der Stadtbevölkerung 1779 51%, 1815 37%). In Basel komplizierte sich dieses Nebeneinander dadurch, dass in der Tradition des Stadtstaats viele kommunale Angelegenheiten kantonal geregelt wurden.

Verwaltungsmässig kam diese Dualität in der Helvetik allerdings kaum zum Tragen, und in der Mediation wurde sie durch die Schaffung einer einzigen "Stadtgemeinde" vorübergehend zurückgenommen. Deren Organe (Grosser Stadtrat mit 64 Mitgliedern, Kleiner Stadtrat mit 24 Mitgliedern) wurden nach einem Zensus gewählt; wählbar waren nur vermögende Stadtbürger. 1828 erfolgten eine Erweiterung des Grossen Stadtrats um 32 Mitglieder und eine Beschränkung auch des aktiven Wahlrechts auf Stadtbürger.

Zu Auseinandersetzungen kam es bei der Ausscheidung von Staats- und Gemeindegütern nach der Helvetik. Der Stadtgemeinde wurden neben Liegenschaften und Waldungen auch das Bürgerspital und das Waisenhaus zugewiesen. Für die laufenden Ausgaben wurden ihr verschiedene Abgaben und Zollrechte überlassen. Deren Umfang war umstritten, richtete sich jedoch nach dem vorgesehenen Aufgabenbereich. Dieser umfasste sowohl munizipale Angelegenheiten (Polizei, Bauwesen, städtische Infrastruktur) als auch jene der Bürgergemeinde (Bürgerspital, Waisenhaus, Armenpflege).

Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im Hoch- und Spätmittelalter

Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung

Das Spätmittelalter bedeutete für Basel eine Epoche vielseitigen, wenn auch wechselvollen Wachstums. Zwischen 1300 und 1500 stieg die Bevölkerungszahl, vor allem durch Zuwanderung, von 6000 auf 10'000 Einwohner an. Allein im 15. Jahrhundert wurden 14'100 Personen in das Basler Bürgerrecht aufgenommen. Die wiederholten, meist pestbedingten Bevölkerungskrisen (insbesondere 1349, 1395, 1418-1419, 1439) bremsten diese Entwicklung nur vorübergehend. Das Erdbeben von 1356 brachte nur geringfügige Verluste an Menschenleben. Das Konzil von Basel (1431-1448) hatte wegen der Teilnehmer und ihres Gefolges sowie wegen des intensiveren Handels einen vorübergehenden Bevölkerungsanstieg zur Folge, ebenso der St. Jakoberkrieg (1443-1449) wegen der Söldner und der Flüchtlinge aus dem Sundgau. Die permanenten Zuwanderungen des 14. und 15. Jahrhunderts erfolgten mehrheitlich aus dem Elsass und Breisgau und aus süddeutschen Städten, nach 1400 verstärkt aus den Untertanengebieten Basels im Sisgau.

Münsterplatz um 1780. Aquarellierter Stich, publiziert von Christian von Mechel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 535).
Münsterplatz um 1780. Aquarellierter Stich, publiziert von Christian von Mechel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 535).

Auf dem Münsterhügel, "auf Burg", etablierte sich im Umfeld des Bischofs die höfische Gesellschaft. In der frühstädtischen Siedlung am Birsig liessen sich Handwerker und Händler nieder. Das besiedelbare Gelände war hier auf das trockene, am Hangfuss gelegene Gebiet links des Birsigs beschränkt, wo die mittelalterlichen Siedlungsspuren im 10. Jahrhundert einsetzen. Die Verbindung zum Münsterhügel verlief vermutlich über eine Brücke unterhalb des Schlüsselbergs. Die Anfänge der Gewerbesiedlung gehen wohl auf eine Marktstelle bei einer wenig oberhalb der Mündung am Birsig gelegenen Lände (beim heutigen Fischmarkt) zurück. In diesem Bereich lagen die Kapellen der heiligen Ursula und Brendan (Patrone der Schiffsleute), die Rückschlüsse auf Fernbeziehungen (Köln?) gestatten. Ihre Standorte können nicht mehr genau lokalisiert werden.

Münsterplatz mit Freiheitsbaum 1798. Aquarellierter Stich, publiziert von Christian von Mechel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 536).
Münsterplatz mit Freiheitsbaum 1798. Aquarellierter Stich, publiziert von Christian von Mechel (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 536). […]

Die in den 1930er Jahren am Petersberg entdeckten Reste von Holzbauten aus dem 10./11. Jahrhundert erfuhren Ergänzung durch neue Befunde entlang der Stadthaus- bzw. Schneidergasse bis zum Rümelinsplatz. Diese gestatten Rückschlüsse auf die Entwicklung der Grundstücks- und Bebauungsstrukturen seit dem 11. Jahrhundert in der unteren Talstadt am Birsiglauf: Vom 11. bis 13. Jahrhundert standen regelmässig angeordnete Holzbauten (Buden) längs der Strassen und Steinhäuser (Wohnen) im hinteren Teil der Parzellen; dazwischen lagen Hofzonen (Werkstätten). Im 14. Jahrhundert führten Parzellenteilungen (Bevölkerungszuwachs, Erbteilungen) zum Ausbau und zur "Versteinerung" der strassenseitigen Zonen und Fassaden. Die mittelalterliche Bausubstanz und der städtebauliche Habitus (Parzellenstrukturen, Fassadengliederung) prägen noch heute das Altstadtbild Basels.

Von der Jahrtausendwende an war St. Peter, an der oberen Talkante gelegen, Begräbniskirche (Totengässlein). In markanter Spornlage wurde Anfang des 12. Jahrhunderts das Augustinerkloster St. Leonhard angelegt. Im Zentrum der unteren Talstadt wurde in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Andreaskapelle erbaut und im 13. Jahrhundert mit einem Friedhof ausgestattet.

In der oberen Talstadt setzte die Besiedlung im Areal Barfüsserkirche um 1100 ein. Im 12. Jahrhundert erfolgte die bauliche Erschliessung zu beiden Seiten des Birsigs: Strassenraster, Parzellierung und Steinhäuser sind im Gebiet Gerbergasse, Falknerstrasse und Weisse Gasse vom 13. Jahrhundert an nachweisbar. Der Talhang westlich des Birsigs war im 12. und 13. Jahrhundert terrassiert und locker bebaut.

Im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts wurde die Kernstadt befestigt. Die sogenannte Burkhardsche Stadtmauer - Befestigungsanlagen sind im Gründungsbericht des um 1083 von Bischof Burkhard von Fenis errichteten Klosters St. Alban erwähnt - wurde am westlichen Terrassenrand längs des Leonhards- und Petersgrabens an verschiedenen Stellen nachgewiesen. Die Kirchen St. Peter und St. Leonhard liegen innerhalb des Mauerrings. Die Zone zwischen Talkante und Stadtmauer (Heuberg, Nadelberg) wurde vom 11. Jahrhundert an von Gefolgsleuten des Bischofs besiedelt. Der Verlauf der Mauer in der Talsenke, zwischen Leonhardssporn und Münsterhügel, ist noch unbekannt. Östlich des Birsigs wurde im 12. Jahrhundert der bischöfliche Vorstadtbereich mit der Dompropstei ummauert (St.-Alban-Graben-Steinenberg). Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die beiden ummauerten Bereiche westlich und östlich des Birsigs zum geschlossenen Inneren Mauerring ausgebaut: Westlich des Birsigs errichtete man 3-5 m ausserhalb der Burkhardschen Mauer eine neue, mächtigere Wehrmauer. Zwischen den beiden Mauern entstand ein Rondenweg. Ältere Türme wurden stellenweise integriert. Die sumpfige Niederung beim Barfüsserplatz wurde durch eine mächtige Sperrmauer abgeriegelt. In der Kernstadt entstand im 12. und 13. Jahrhundert eine dichte Überbauung, deren Struktur das oben umrissene Sozialgefüge der Stadt spiegelt. Das Stadtbild wurde dominiert von den zahlreichen Pfarr- und Klosterkirchen, namentlich vom Münster, der Ende des 12. Jahrhunderts an Stelle des Heinrichsmünsters im spätromanischen Stil neu erbauten bischöflichen Kathedrale. Neben die zahlreichen Wohntürme der vornehmen Oberschicht, deren Errichtung 1180 von Kaiser Friedrich I. der Kontrolle des Bischofs unterstellt worden war, traten im 13. und 14. Jahrhundert palazzoartige Höfe.

Im St.-Alban-Tal entstand im 12. Jahrhundert die Gewerbesiedlung beim Cluniazenserpriorat mit Kanälen, Teichen und Mühlen. Rechts des Rheins wurden die Dörfer Ober- und Niederbasel (1113 obern Basel) durch die zwischen 1225 und 1250 angelegte Stadt Kleinbasel abgelöst. Um diese Zeit erfolgte auch der Bau der Rheinbrücke. Die alte Pfarrkirche St. Theodor wurde in die 1255 erstmals erwähnte Befestigung Kleinbasels einbezogen. Die Funktion massiver Fundamentreste beim Reverenzgässlein ist ungewiss. Sie könnten zum spätrömischen Burgus oder zu einer Burg der Zähringer gehört haben, die das Territorium rechts des Rheins bis 1218 beherrscht hatten. Ende des 13. Jahrhunderts wurde Kleinbasel um das Areal des Grossen Klingentalklosters erweitert.

Basel: Phasen der Entwicklung des Stadtkerns im Mittelalter ca. 1000-1400
Basel: Phasen der Entwicklung des Stadtkerns im Mittelalter ca. 1000-1400 […]

Im 13. Jahrhundert erfuhr das Stadtbild prägende Veränderungen. Verschiedene städtebauliche Massnahmen erforderten eine koordinierte Planung. So bewirkten neue klösterliche Niederlassungen (u.a. Dominikaner, Franziskaner, Augustiner, Deutschritter, Johanniter) den Teilabbruch und Neubau von Stadtmauern (Klingental und Barfüsserkirche), am Barfüsserplatz auch Aufschüttungen und ausgedehnte Geländeplanierungen. Für die Abnahme der neuen Rheinbrücke und Strasse musste die sumpfige Überschwemmungszone des Birsigs auf der Grossbasler Seite trockengelegt werden (2-3 m mächtige Aufschüttungen). Marktplatz und Rathaus wurden vom heutigen Fischmarkt an die neue Strassenachse Rheinbrücke-Freie Strasse verlegt. Das Rathaus, anfänglich an der nördlichen Stirnseite des Marktplatzes situiert, wurde im 14. Jahrhundert am heutigen Standort neu erbaut. An dieser Marktstrasse standen auch die meisten Zunfthäuser. An den Ausfahrtstrassen entstanden die Vorstädte, die zum Teil bereits im 13. Jahrhundert befestigt wurden (St. Alban, Spalen). Dieser Vorgang wurde unter anderem durch die dort angelegten Klöster beschleunigt. Der 1362-1398 erbaute Äussere Mauerring fasste die nach eigenen Gesetzmässigkeiten gewachsenen Vorstädte zum Areal der spätmittelalterlichen Stadt zusammen. Dessen Innenfläche wurde erst im 19. Jahrhundert vollständig überbaut. Rückschläge in der baulichen Entwicklung brachten grössere Stadtbrände (z.B. 1377, 1417, Kleinbasel 1327 und 1354). Das Erdbeben vom 18. Oktober 1356 zerstörte Basel vor allem durch Brand, denn die Erdstösse brachten nur hohe Steinbauten (Chor des Münsters, Kirchtürme, Zinnenkranz der Stadtmauer) zum Einsturz, lösten aber eine vernichtende Feuersbrunst aus, vor der sich die Bevölkerung ins Freie flüchtete. Der Wiederaufbau erfolgte rasch und wurde durch die Errichtung des Äusseren Mauerrings abgeschlossen.

Wirtschaft

Die Siedlungsstrukturen und Keramikfunde in der Basler Talstadt sowie Münzprägungen unter dem ostfränkischen König Ludwig IV. (900-911) und dem burgundischen König Konrad (937-993) geben Hinweise auf das Aufkommen von Handel und Gewerbe im 10. Jahrhundert. Nachrichten darüber sind jedoch bis ins 13. Jahrhundert spärlich: 1075 sind mercatores Basilienses in der Gegend des Bodensees erwähnt. In der Koblenzer Zollordnung von 1209 werden erstmals Basler Handelsschiffe auf dem Rhein genannt. 1216 und 1248 erscheinen Basels Kaufleute in Genua und Marseille. Hinweise auf gewerbliche Tätigkeiten (Leder- und Metallverarbeitung, Beinmanufaktur, Weberei, Gerberei) geben archäologische Funde.

Die vorwiegend in der Birsigniederung und in den Vorstädten angesiedelten Handwerker, Krämer und Gewerbetreibenden organisierten sich vom 13. Jahrhundert an unter bischöflicher Kontrolle in Zünften. Diese übten zunächst bruderschaftliche und berufsständische Funktionen aus, blieben aber bis ins 14. Jahrhundert hinein von politischer und militärischer Verantwortung ausgeschlossen.

Vom Hochmittelalter an war die Stadt Basel unbestritten das wirtschaftliche Zentrum am südlichen Oberrhein. Kleinere benachbarte Städte wie Rheinfelden, Mülhausen, Laufen oder Liestal standen deutlich zurück. Basels wirtschaftliche Führungsrolle ergab sich einerseits aus dem Fernhandel, andererseits aus dem vom 13. Jahrhundert an zünftisch organisierten Handwerk. Basels landwirtschaftliche Versorgung stammte zum Teil aus dem eigenen Stadtbann, mehrheitlich aber aus dem Sundgau, dem nahen Breisgau und dem Jura. In der Stadt selbst gab es mehrere Marktplätze. Der älteste lag vor dem Münster (bis zum Konzil), weitere wichtige befanden sich vor dem Rathaus (Kornmarkt), vor der Barfüsserkirche (Viehmarkt) und bei der Schifflände (Fischmarkt). Die Wochenmärkte dienten vor allem der alltäglichen Versorgung, die zwei Jahrmärkte oder Messen dem Fernhandel. Letztere kamen im 15. Jahrhundert auf und wurden 1471 durch das Messeprivileg Kaiser Friedrichs III. legitimiert. Die Frühlingsmesse ging aber noch vor 1500 wieder ein, und der Herbstmarkt erlangte keine wesentliche überregionale Bedeutung. Dagegen waren Kaufleute aus Basel auf den grossen europäischen Messen (u.a. Genf, Frankfurt, Lyon) anzutreffen. Die Einbindung Basels in den Fernhandel führte nach 1472 zur Einrichtung des Basler Stadtwechsels. Grosse Bedeutung für Basels wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erlangte das Basler Konzil (1431-1448). Es führte zum Aufschwung der Papierindustrie, die Basel gegen Ende des 15. Jahrhunderts zu einem Zentrum des Buchdrucks machen sollte. Vor 1440 begründete Heinrich Halbisen das Basler Papiergewerbe, das die Familie Gallizian um 1500 zur Blüte brachte. Die Einführung des Buchdrucks (erster erhaltener Druck um 1468) war damit verbunden, und dessen Entwicklung stand wiederum in engem Zusammenhang mit der 1460 gegründeten Universität Basel sowie mit den ausserhalb der Universität wirkenden Humanisten. Symptomatisch für die Bedeutung Basels als Handelsstadt war im 15. Jahrhundert die Bildung von frühkapitalistischen Gesellschaften, die über die Schranken der Zunftordnungen hinweg Rohstoffproduktion, gewerbliche Verarbeitung und grossräumigen Absatz sowie Fernhandel betrieben (Halbisen-Gesellschaft, Irmi, Grieb, Offenburg, Zscheckenbürlin, Meltinger). Gegen Ende des 15. Jahrhunderts brachte der Widerstand der Zünfte das Ende des monopolistischen Gesellschaftswesens und den Sieg des Kleinhandels.

Gesellschaft

Im 13. Jahrhundert setzte sich die weltliche Oberschicht aus dem auf dem Münsterhügel und auf der Achse St. Leonhard-St. Peter residierenden Ritteradel und der lehnsfähigen Bürgerschaft, den sogenannten Achtburgern, zusammen. Ritter und Achtburger waren in der zunftähnlichen Gesellschaft der "Hohen Stube" vereinigt. Zu den Achtburgern zählten ausser den Kaufleuten auch die nach 1300 aus Oberitalien eingewanderten Bankiers (Lombarden).

In Anbetracht der vielen Kirchen und Klöster muss der Anteil geistlicher Personen an der städtischen Gesamtbevölkerung gut 10% betragen haben. Sie bildeten allerdings eine heterogene, gelegentlich auch in sich zerstrittene Gruppe von Domherren, Leutpriestern, Kaplänen, Mönchen und Klosterfrauen, Beginen und Begarden.

Die weiblichen Zuwanderer aus der ländlichen Untertanenbevölkerung hatten in erster Linie den Bedarf der stadtbürgerlichen Haushalte an Dienstboten zu decken, während sich die Männer über den Status des Handwerksgesellen ins Bürgertum zu integrieren trachteten.

In der Handwerkersiedlung am Birsig (v.a. an der Gerbergasse) lebten die Juden, die zweimal eine Gemeinde bildeten (ca. 1200-1349, 1370-1400) und über Begräbnisplätze sowie eine Synagoge verfügten. Im Pestjahr 1349 steckten vermutlich die "Lombarden" hinter der blutigen Verfolgung der Juden, die eine unerwünschte Konkurrenz im Kreditgeschäft bedeuteten. Die zweite Judengemeinde löste sich gegen 1400 auf, da ihre Angehörigen aus Angst vor einer gewaltsamen Schuldentilgung Basel verliessen.

Erst im 15. Jahrhundert wird ein vermutlich älteres Quartier auf dem Kohlenberg in den Quellen fassbar, das von den städtischen Randgruppen (u.a. Henker, Abdecker, Prostituierte, Fahrende sowie Freiheitsknaben, d.h. Kloakenreiniger und Lastenträger) bewohnt war und einen eigenen Gerichtsbezirk bildete.

Kirche und religiöses Leben, soziale Einrichtungen, Bildung und Kultur

Die Stadt Basel, ein Zentrum des kulturellen Lebens am Oberrhein, pflegte im Mittelalter den engen Kontakt mit anderen Städten des südwestdeutschen Sprachraums, vor allem mit Colmar, Schlettstadt und Strassburg im Elsass oder Freiburg im Breisgau, sowie mit dem burgsässigen Landadel. Letzterer nahm regelmässig am ritterlichen Fest- und Turnierbetrieb in der Stadt teil, bevor dieser gegen 1500 zum Erliegen kam. Insbesondere der bischöfliche Hof war im 13. und 14. Jahrhundert ein Mittelpunkt ritterlicher Kultur (Turniere, Dichtung, z.B. Konrads von Würzburg, Funeralkunst). Die kulturelle Ausstrahlung Basels auf die ländliche Umgebung blieb dagegen gering.

Die bildende Kunst Basels war nach dem Schwinden des burgundischen Einflusses im Hochmittelalter in den elsässisch-oberrheinischen Kulturraum eingebunden. Im späten 14. Jahrhundert wirkte in Basel, namentlich bei der Wiederherstellung des Münsters nach dem Erdbeben, Johannes Parler von Gmünd, um 1470-1480 Meister Jakob Sarbach (u.a. Vorbau des Spalentors, Fischmarktbrunnen). Überregionale Bedeutung erlangte um 1440 die Malschule des Konrad Witz. Die Künstler waren in der Zunft zum Himmel, der Lukasbruderschaft und der Zunft zu Hausgenossen (Goldschmiede) vereinigt.

Soziale Einrichtungen (Spitäler, Armenherbergen) waren wie das Bildungswesen bis zur Reformation mehrheitlich von kirchlichen Institutionen getragen. Klosterschulen unterhielten der Barfüsser- und der Predigerorden, welchem unter anderen Jakob Sprenger, der mutmassliche Mitverfasser des "Hexenhammers", angehörte. Weitere Schulen waren an St. Leonhard, St. Peter, St. Martin, St. Theodor und vor allem an das Domstift (Schule Auf Burg) angeschlossen. Daneben gab es für den Elementarunterricht zahlreiche private Schulbetriebe. Verschiedene Klöster (u.a. Kartause) verfügten über beachtliche Bibliotheken.

Das religiöse Leben spielte sich in Basel nach den Normen der spätmittelalterlichen Volksfrömmigkeit ab und wurde auf Seite der Laien von den Zünften und Bruderschaften getragen. Diese pflegten einerseits den Totenkult (Jahrzeitstiftungen) und andererseits die Verehrung der berufsspezifischen Heiligen. Hohe Feiertage waren in Basel der Geburtstag der Stadt- und Münsterpatronin Maria (8. September) sowie der Heinrichstag (13. Juli).

Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur von der Reformation bis zur Kantonstrennung

Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerung der Stadt Basel zählte um 1500 annähernd 10'000 Einwohner. Sie sank infolge der Pest von 1502 auf den seit dem 13. Jahrhundert vermutlich tiefsten Stand von 4500 Einwohner und stieg bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wieder auf 9000 bis kurzzeitig maximal 10'000 Einwohner an. Die Grenze von 10'000 Einwohnern wurde erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts definitiv überschritten. Das langfristige Wachstum blieb bescheiden: Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte Basel 15'000 Einwohner. Charakteristisch für die gesamte Entwicklung ist der Wechsel von Bevölkerungskrisen und Wachstumsphasen innerhalb eines Rahmens von ca. 6000-12'000 Einwohnern. Die starken Schwankungen in der Bevölkerungsentwicklung gingen in der Zeit bis 1668 einher mit den grossen Epidemien, von denen Basel im Durchschnitt alle 14 Jahre heimgesucht wurde. Den Seuchen folgten in der Regel Jahrzehnte raschen Wachstums. Neuaufnahmen ins Bürgerrecht trugen wesentlich dazu bei, Verluste auszugleichen: Im 16. Jahrhundert wurden insgesamt 9400 Personen ins Bürgerrecht aufgenommen, im 17. Jahrhundert noch 5700. Die Eingebürgerten stammten mehrheitlich aus dem regionalen Umkreis. In der zweiten Hälfte des 16. und bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts kamen auch Zuwanderer aus Oberitalien, Frankreich und Lothringen. Unter ihnen waren Glaubensflüchtlinge; andere verlegten ihren Wohnsitz in Kriegszeiten aus wirtschaftlichen Gründen. Nach dem letzten Pestzug 1668 verschwanden im 18. Jahrhundert auch die dramatischen Schwankungen in der Bevölkerungsentwicklung. Der Rat wurde mit Einbürgerungen sehr zurückhaltend, erliess entsprechende Beschlüsse und nahm zeitweise überhaupt keine Aufnahmen ins Bürgerrecht mehr vor. 1798 zählte die Stadt Basel 14'678 Einwohner, die Volkszählung von 1815 ergab 16'674 Einwohner. Das städtische Siedlungsgebiet blieb bis ins 19. Jahrhundert eingegrenzt durch den spätmittelalterlichen Mauergürtel und erfuhr auch keine tiefgreifende Umgestaltung der Quartierstruktur.

Wirtschaft

Die Handwerke und Gewerbe der Stadt Basel waren den 15 Zünften unterstellt und streng geregelt. Sie arbeiteten für die Kunden in der Stadt, für die eigene Landschaft mit ihren Märkten in Liestal, Waldenburg und Sissach sowie für die übrige Umgebung bis etwa zu den Messen in Zurzach und Strassburg. Die Kaufleute dagegen liessen sich durch Reglemente nicht allzu stark einengen. Sie mussten auch eine Zunft annehmen, hatten aber die Möglichkeit, je nach Geschäftstätigkeit mehreren anzugehören. Diese Mehrzünftigkeit erleichterte später die Entwicklung der Exportgewerbe ausserhalb zünftischer Schranken. Das Papiergewerbe blieb bis ans Ende des 18. Jahrhunderts wichtig dank den Firmen Düring, Dürr und Heusler. Die Bedeutung des Buchdrucks ging nach 1550 zurück. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlangte er, vor allem dank Johann Jakob Thurneysen dem Jüngeren, wieder grössere Ausstrahlung.

Der Handel steigerte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Transit zwischen Oberitalien und Flandern. Damals liessen sich unter den Glaubensflüchtlingen auch namhafte Vertreter der Seidengewerbe nieder (z.B. Battier, Passavant, Socin, Werthemann). Neben dem Seidenhandel betrieben sie die Spinnerei, Färberei, Band- und Samtweberei. Diese am Anfang kaum behinderten Gewerbe überlebten unter dem Einfluss der Zünfte nur als bescheidene Handwerke. Im Dreissigjährigen Krieg brachten weitere Flüchtlinge neue Handelsbeziehungen. Zudem war der Austausch zwischen Frankreich und dem Reich im 17. Jahrhundert kriegsbedingt häufig erschwert und lief dann über neutrale Orte wie Basel. Einen Aufschwung erlebte infolgedessen der Handel mit französischen Modeartikeln; dazu kamen aus Holland importierte Tuche und Kolonialwaren.

Emanuel Hoffmann führte 1667 aus Holland den ersten Webstuhl ein, auf dem man statt einem gleichzeitig mehrere Seidenbänder verfertigen konnte. Schon in den Jahrzehnten davor hatten Kaufleute gegen den Willen der Zünfte auf der Landschaft Leute im Verlagssystem beschäftigt. Sie liessen Seidenbänder, vereinzelt auch Strümpfe und Tuche, herstellen und exportierten diese. In den 1670er Jahren fasste der Kleine Rat grundlegende Beschlüsse: Den zünftischen Handwerkern blieb der regionale Markt vorbehalten. Die Kaufleute durften gegen eine fiskalische Abgabe für ihren Handel en gros weiterhin solche Textilien produzieren lassen, und der mehrgängige Bandwebstuhl konnte sich durchsetzen.

Abgesehen von vereinzelten Einbrüchen der Konjunktur entwickelte sich die Wirtschaft bis ins 19. Jahrhundert hinein mit stetigem Erfolg. Die Seidenbandfabrikation beherrschte die Stadt und mit dem Verlagssystem auch Teile der Landschaft. Daneben bestanden mehrere ähnlich organisierte Strumpf- und Tuchfabriken, und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die Indiennefabrikation. Dazu kam ein vielfältiger Grosshandel vor allem mit Tuchen, Baumwolle, Eisen und Kolonialwaren. Weiter sicherten umfangreiche Kommissions- und Bankgeschäfte (Battier, De Bary, Ehinger, Ochs) einen zunehmend bedeutenderen Platz im internationalen Handel.

Vom Wirtschaftskrieg Napoleons gegen England ("Kontinentalsperre") war vor allem die Seidenbandindustrie betroffen. Es gab jedoch auch Unternehmer, welche aus den preistreibenden Auswirkungen der Blockade Gewinn zu erzielen vermochten, unter ihnen Christoph Merian-Hoffmann. Dieser legte in jener Zeit den Grundstock für ein Riesenvermögen, das sein Sohn später der noch heute bedeutenden Christoph-Merian-Stiftung vermachte.

Gesellschaft

Zwischen 1521 und 1529 setzte sich in der Stadt Basel gleichzeitig mit der Reformation auch das Regiment der fünfzehn Zünfte durch. Die alte Führungsschicht der Adelsfamilien und der von ihren Renten lebenden Achtburger verlor den politischen Einfluss, zog aus der Stadt weg oder verschmolz mit der übrigen Bürgerschaft. Für gut zwanzig Jahre herrschten die zünftischen Handwerker, die ihre wirtschaftlichen Privilegien unter Ausschluss fremder Konkurrenz bis ins 19. Jahrhundert hinein weitgehend bewahren konnten. In Politik und Gesellschaft dagegen lag das Schwergewicht bald wieder bei den Kaufleuten und einigen reichen Handwerkerfamilien. Darunter konnten sich die Faesch und Merian am längsten halten. Dank ihrem Erfolg als Spediteure, in den Seidengewerben oder mit ihren neuen Handelszweigen stiegen manche Glaubensflüchtlinge bereits im 17. Jahrhundert rasch in die städtische Oberschicht auf. Im frühen 17. Jahrhundert begann auch der wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufstieg der Familien Hagenbach, Iselin, Burckhardt, Heusler und Hoffmann.

Karikatur zur Basler Losordnung (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 499).
Karikatur zur Basler Losordnung (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 499). […]

Die Verwaltung der Landschaft und der säkularisierten Kirchengüter ergab für einige Bürger einträgliche Posten, unter anderem die Landvogteien. Es entstand im ausgehenden 16. Jahrhundert eine kleine Gruppe von Berufsbeamten und wenigen aus fremden Diensten zurückgekehrten Offizieren. Sie lebten von Verwaltungsstellen und konnten dank dem Einfluss und den Machenschaften ihrer Familien bis in die höchsten Ämter aufsteigen. Die zunehmende Oligarchisierung führte zwar nicht zur Bildung einer eigentlichen Aristokratie, aber zur Herrschaft einer eng verschwägerten Gruppe unter Führung der Familien Burckhardt und Socin. Skandalöse Umtriebe bei Wahlen und Missbräuche in der Verwaltung erregten den Widerstand eines Teils der in den Zünften organisierten und vom politischen Leben zunehmend ausgeschlossenen Bürgerschaft. In der Staatskrise von 1691 kam es zum offenen Konflikt mit dem amtierenden Kleinen Rat. Unter eidgenössischer Vermittlung erfolgte eine Verbesserung der Zustände dank einer strengen Finanzkontrolle und der Besetzung der meisten Ämter durch das Los.

Dies führte im 18. Jahrhundert zur beherrschenden Stellung der Kaufleute, Bankiers und Bandfabrikanten in Politik und Gesellschaft. Eine Gruppe reicher Geschäftsleute führte die Stadt mit Erfolg bis zum Umsturz der politischen Verhältnisse in der Helvetik. Zu den bereits genannten Familien hinzu kamen unter anderen die Battier, de Bary, Forcart, Passavant und Sarasin. Sie prägten auch das kulturelle Leben der Stadt bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.

Patriotenklub. Karikatur von Emanuel Burckhardt-Sarasin, 1796 (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 13, 139).
Patriotenklub. Karikatur von Emanuel Burckhardt-Sarasin, 1796 (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 13, 139).

Am Ende des Ancien Régime war die Basler Oligarchie in zwei Lager gespalten: die "Patrioten", welche in Anbetracht des politischen Drucks aus Frankreich von der Notwendigkeit einer tief greifenden Verfassungsreform in zunehmendem Masse überzeugt waren, und die von den "Patrioten" als "Aristokraten" qualifizierten Kreise, welche einer Änderung Widerstand leisteten.

Kirche und religiöses Leben, soziale Einrichtungen, Bildung und Kultur

Eine Seite aus dem Narrenschiff, dem bekanntesten Werk des Strassburger Humanisten Sebastian Brant. Es wurde 1494 in Basel publiziert und mehrfach neu aufgelegt (Universitätsbibliothek Basel, Rb 1565, Fol. 13v).
Eine Seite aus dem Narrenschiff, dem bekanntesten Werk des Strassburger Humanisten Sebastian Brant. Es wurde 1494 in Basel publiziert und mehrfach neu aufgelegt (Universitätsbibliothek Basel, Rb 1565, Fol. 13v).

Die 1460 auf Initiative des Rats gegründete und durch Papst Pius II. privilegierte Universität Basel fristete in ihren ersten Jahrzehnten ein bescheidenes Dasein. Dagegen war Basel hauptsächlich als Zentrum des Buchdrucks (Johannes Amerbach, Johannes Froben, Adam Petri) vom ausgehenden 15. Jahrhundert an Anziehungspunkt humanistischer Gelehrter wie Erasmus von Rotterdam, Beatus Rhenanus, Sebastian Brant, Ludwig Bär, Glarean, Simon Grynaeus, Sebastian Münster oder Bonifacius Amerbach (Humanismus). Die Reformation liess den informellen Kreis humanistischer Sodalität auseinander brechen und gefährdete auch den Fortbestand der Universität, welche aber 1532 als reformierte Hochschule reorganisiert wurde. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ermöglichte der geringe kirchlich-dogmatische Druck in Basel ein nochmaliges Aufblühen späthumanistischer Wissenschaften, zu einem bedeutenden Teil getragen von Glaubensflüchtlingen aus Italien und Frankreich (Sebastian Castellio, Celio Secondo Curione, Johannes Buxtorf, Caspar Bauhin, Theodor Zwinger, Felix Platter). Auch wenn der Humanismus als Denkweise einer intellektuellen Elite das kulturell-mentale Leben der Stadt nicht gesamthaft prägte, sind Wirkungen im Bildungs- und Schulwesen (Thomas Platter der Ältere) oder in kirchlichen Reformversuchen (Christoph von Utenheim) erkennbar.

Traditionelle Formen religiös-kirchlicher Frömmigkeit bestimmten im frühen 16. Jahrhundert die alltägliche Glaubenspraxis. Private und kollektive Stiftungen, Ausbau und Ausgestaltung von Kirchen finden sich in der Zeit unmittelbar vor der Reformation zahlreich. Aus dem Kreis der patrizisch-herrenzünftischen Führungsschicht kamen an bildende Künstler (z.B. Hans Holbein der Jüngere) Aufträge für Arbeiten im privaten und öffentlichen Raum.

Eindringende reformatorische Ideen fanden nach 1520 über Druckschriften und Predigten zunehmend Resonanz (Konrad Pellikan, Wolfgang Capito, Johannes Oekolampad). Ende 1525 wurde in der Mehrheit der städtischen Pfarrkirchen evangelisch gepredigt. Der in sich gespaltene Rat zeigte sich gegenüber der reformatorischen Bewegung unentschlossen. Nach schrittweisen Zugeständnissen an die wachsende Zahl der evangelisch Gesinnten gab er 1529 dem Druck einer bewaffneten Versammlung der Bürgerschaft nach, schloss führende altgläubige Ratsmitglieder aus seiner Mitte aus und leitete die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse ein. Die von Oekolampad bestimmte, vom Rat 1529 für Stadt und Landschaft erlassene Basler Reformationsordnung wie auch das 1534 unter Oekolampads Nachfolger Oswald Myconius eingeführte Basler Bekenntnis folgten in zentralen Punkten der zwinglianisch-reformierten Richtung des Protestantismus. Nicht verwirklichen liess sich Oekolampads Vorstellung einer mit Banngewalt ausgestatteten, presbyterianisch verfassten, gegenüber der staatlichen Gewalt eigenständigen Kirche. Der Rat setzte die klare Unterordnung der Kirche und ihrer Pfarrer unter die weltliche Obrigkeit durch. Das Kirchen- und Schulgut wurde durch die vom Rat bestellten Schaffner und das Deputatenamt verwaltet; Bann, Ehegericht, Kirchenrat und Synode wurden vom Rat dominiert. Die exponierte Stellung zwischen dem zwinglianischen und dem lutherischen Lager förderte in Basel ein Klima pragmatischer Toleranz. Der nach 1553 in Antistes Simon Sulzer verkörperte lutheranisierende Kurs der Basler Kirche spiegelt das Interesse der Stadt an möglichst ungestörten Beziehungen mit dem Reich. Erst Ende des 16. Jahrhunderts erfolgte unter Sulzers Nachfolger Johann Jakob Grynäus wieder die eindeutige Hinwendung zum reformierten Glaubensverständnis. Die nun bis ins 18. Jahrhundert bestimmende protestantische Orthodoxie minderte spürbar die geistige Anziehungskraft Basels und seiner Universität. Auch innerhalb dieser dogmatischen Ausrichtung blieben aber die von der Basler Kirche vertretenen Positionen vergleichsweise moderat.

Zentrales Organ der Basler Kirche war der Kirchenrat, dem als Vertreter des Kleinen Rats auch die vier Deputaten angehörten. Der Vorsitz lag beim städtischen Antistes. Die reformierte Orthodoxie der Basler Staatskirche wurde im 18. Jahrhundert insbesondere durch pietistische Strömungen aufgeweicht (Hieronymus Annoni, Herrnhuter Brüdergemeine, Christentumsgesellschaft), ohne dass es aber zu einer Umgestaltung der bestehenden kirchlichen Organisation gekommen wäre.

Von der Reformation an stand auch die Schule unter der Aufsicht des Rats (Deputatenamt). In der Stadt Basel bot nach dem Elementarunterricht in den Kirchgemeindeschulen die Lateinschule - ab 1589 als einzige die später als Humanistisches Gymnasium bekannte Münsterschule - die weitere Ausbildung in den höheren Fächern. Mädchenschulen gab es je eine in Gross- und Kleinbasel.

Karikatur von 1779 zu den Diskussionen über die "alte Basler Uhrzeit". Aquarellierter Stich von Viktor David von Rütti (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Karikatur von 1779 zu den Diskussionen über die "alte Basler Uhrzeit". Aquarellierter Stich von Viktor David von Rütti (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Literarische und historiografische Leistungen sind vornehmlich zur Zeit des Humanismus und der Reformation zu verzeichnen (Sebastian Brant, Pamphilus Gengenbach, Christian Wurstisen, Valentin Bolz). Zu erwähnen sind im 18. Jahrhundert die sprachkundlichen und literarischen Arbeiten von Johann Jakob Spreng. Die Auswirkungen der Aufklärung auf das geistig-literarische Leben in Basel waren insgesamt bescheiden. Isaak Iselins publizistische Tätigkeit blieb in ihrer Art singulär. Philanthropische Ideen standen hinter der 1777 von Iselin mitbegründeten "Gesellschaft zur Aufmunterung und Beförderung des Guten und Gemeinnützigen" (später Gemeinnützige Gesellschaft). Ebenfalls von Iselin 1760 initiiert, aber erst ab 1787 von Bestand war die Basler Lesegesellschaft, welche in einem engeren Kreis die Auseinandersetzung mit Ideen der Zeit förderte. Dagegen trug die Form der Besetzung von Ämtern und Professorenstellen wenig dazu bei, die Universität zu einer Trägerin neuen Denkens zu machen. Zwar besass Basel durch mehrere Angehörige der Familie Bernoulli in der Mathematik internationale Bedeutung. Dass der später geborene, auf mathematischem Gebiet ebenfalls geniale Leonhard Euler nach Russland auswanderte, weist aber gleichzeitig auf die Beschränktheit wissenschaftlicher Wirkungsmöglichkeiten in Basel hin.

In der bildenden Kunst stand vom 17. Jahrhundert an die Malerei (Hans Bock der Ältere) zurück hinter der Landschaftszeichnung (Matthaeus Merian, Emanuel Büchel). Die höchsten künstlerischen Ansprüche verwirklichten sich in der Architektur. Die auf der Seidenbandindustrie basierende Prosperität ermöglichte im 18. Jahrhundert den Bau einer grösseren Zahl repräsentativer privater Bauten in Stadt und Landschaft.

Veränderungsansätze der Helvetik liessen sich in der Restaurationszeit am ehesten im Bildungswesen fortführen. In den Unterrichtsgesetzen von 1817 und 1818 wurde die staatliche Leitung von Schule und Universität ausgebaut. Das altsprachliche Humanistische Gymnasium wurde nach Vorstellungen des Neuhumanismus umgestaltet und erhielt stärker als vorher propädeutische Funktion für das akademische Studium. Gleichzeitig wurde mit der Realschule ein neuer Schultyp geschaffen, welcher auf eine praktische Berufstätigkeit vorbereiten sollte. Die kirchlichen Verhältnisse waren bestimmt durch Spannungen zwischen orthodox-pietistischen und liberalen Kräften. Professorenwahlen - insbesondere die Berufung von Wilhelm Martin Leberecht De Wette 1822 auf den Lehrstuhl für Altes Testament - gerieten dabei zum Politikum.

Aquarellierte Umrissradierung von Daniel Burckhardt-Wildt (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 506).
Aquarellierte Umrissradierung von Daniel Burckhardt-Wildt (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD Falk. A 506).

Verfassungsgeschichte und Staatstätigkeit seit der Kantonstrennung

Kantonsgründung

Mit dem Trennungsbeschluss vom 26. August 1833 verpflichtete die eidgenössische Tagsatzung den neuen (Halb-)Kanton "Basel-Stadttheil", sich eine Verfassung zu geben (am 3. Oktober 1833 von der Bürgerschaft angenommen). Ihm wurden neben der Stadt nur die rechtsrheinischen Gemeinden Riehen, Bettingen und Kleinhüningen zugeschlagen. Die Teilung des Staatsvermögens nach Bevölkerungszahl (36% Basel-Stadt, 64% Basel-Landschaft) bildete für Basel-Stadt eine schwere finanzielle Belastung. Seine politische Stellung in der Eidgenossenschaft war geschwächt, die Stadt bzw. deren Führungsschicht durch den als Schmach empfundenen Trennungsbeschluss von der übrigen Schweiz entfremdet.

Verfassungsmässige Strukturen 1833-1875

Politische Institutionen von Basel-Stadt 1833-1875
Politische Institutionen von Basel-Stadt 1833-1875 […]

Die Behörden- und Verwaltungsorganisation des Kantons Basel-Stadt verharrte bis 1875 in den Traditionen des Ancien Régime. Die Mitglieder des Grossen Rats wurden nicht nach dem Prinzip der Volkssouveränität gewählt, sondern in Wahlzünften (36 Mitglieder) und Quartierversammlungen (83 Mitglieder) von einem sehr engen Kreis von Aktivbürgern. Ausgeschlossen blieben Bürger anderer Kantone sowie Armengenössige, Dienstboten, Falliten und Verurteilte. Den Kleinen Rat mit zwei im Jahresturnus wechselnden Bürgermeistern wählte der Grosse Rat aus seiner Mitte. Die Ratsherren - nicht aber die Bürgermeister - wirkten ehrenamtlich, ebenso die von ihnen geleitete Verwaltung. Diese bestand in den 1840er Jahren aus rund 180 Personen, verteilt auf zehn Kollegien, sechs Kommissionen und die Kanzlei. Generell galt für Räte und Verwaltung die Drittelerneuerung alle zwei Jahre. Die Judikative wurde mehrheitlich vom Grossen Rat bestellt. Abgesehen davon verfügte er über das Recht der Legiferierung (ohne Initiativrecht), entschied über Steuern und Anleihen. Vor 1848 ratifizierte er auch Staatsverträge und wählte und instruierte die Tagsatzungsgesandten.

Bis 1875 bestanden neben den kantonalen Behörden auch solche der Stadtgemeinde (Legislative: Grosser Stadtrat, 80 Mitglieder, Wahl durch Wahlzünfte; Exekutive: Kleiner Stadtrat, 11 Mitglieder, Wahl durch Grossen Stadtrat). Mit der Verfassungsrevision vom 8. April 1847 wurden die auf Lebenszeit besetzten Richterstellen aufgehoben, das Zunftsystem durch das Verbot, die Gewerbefreiheit einzuführen, hingegen noch einmal geschützt. Die am 28. Februar 1858 angenommene Verfassung übertrug Kompetenzen von den Gemeinden an den Kanton und schloss die Gewerbefreiheit zumindest nicht mehr aus.

Systemwechsel 1875

Im Anschluss an die Bundesverfassung von 1874 wurde auf freisinnigen Druck das System von 1833 aufgegeben und die von einer Kommission des Grossen Rats ausgearbeitete, in den Grundzügen noch gültige Verfassung vom 9. Mai 1875 angenommen. Die kantonale Exekutive wurde als Siebnergremium vollamtlicher Regierungsräte eingerichtet, welche den sieben Departementen der professionalisierten Verwaltung vorstehen. Die 130 Grossräte wurden von allen volljährigen männlichen Schweizerbürgern in elf Wahlkreisen im Majorzsystem gewählt. Neben der erstmaligen Anerkennung des Prinzips der Volkssouveränität wurden demokratische Kontroll- und Einflussmöglichkeiten gestärkt (Budgetzwang, Gesetzesinitiative, fakultatives Referendum). Die Judikative wurde neu in das Zivilgericht und das Gericht für Strafsachen, beide mit verschiedenen Abteilungen, sowie das Appellationsgericht aufgeteilt; Letzteres amtet zugleich als Verwaltungsgericht. Als letzter Kanton führte Basel-Stadt auch de jure die Gewerbefreiheit ein.

Die Stadtgemeinde verlor ihre wichtigsten Kompetenzen an den Kanton. Andere Aufgaben, wie zum Beispiel Spital, Waisenanstalt und Armenwesen, übernahm die neue, mit Parlament (Bürgergemeinderat, 40 Mitglieder), Exekutive (Bürgerrat, 7 Mitglieder) und Verwaltung ausgestattete Bürgergemeinde Basel. Aus dem Gesundheitswesen musste sie sich aus finanziellen Gründen zunehmend zurückziehen, so 1973 durch die Überführung der Universitätskliniken in ein Kantonsspital. Ihre Stellung in der Fürsorge baute sie dagegen 1984 durch Übernahme der entsprechenden Aufgaben vom Kanton aus. Sie übt auch die Oberaufsicht über Zünfte, ähnliche Vereinigungen und zahlreiche Stiftungen (v.a. Christoph-Merian-Stiftung) aus. Vor der Abgabe des Spitals beschäftigte die Bürgergemeinde Basel fast 4000 Personen, 1990 noch immer 1100.

Die durch den Grossen Rat totalrevidierte Verfassung vom 2. Dezember 1889 brachte die Volkswahl von Regierungs- und Ständerat. Zudem wurden dem Kanton erstmals sozialpolitische Aufgaben übertragen. Um den Übergang vom Majorz- zum Proporz-Wahlsystem, das Eduard Hagenbach-Bischoff ab 1870 propagierte (Wahlrechtsverein), wurde lange gestritten, bis die Stimmberechtigten das Proporzwahlgesetz vom 26. Januar 1905 mit hauchdünner Mehrheit annahmen. Mit den Verfassungsrevisionen von 1875 und 1889 und dem Proporzwahlgesetz wurde die bis heute bestehende verfassungsmässige Struktur festgelegt. An wesentlichen Änderungen im 20. Jahrhundert sind zu erwähnen die Trennung von Kirche und Staat 1910, die Aufnahme eines Wiedervereinigungs-Artikels 1938 sowie die Einführung des Frauenstimmrechts in Kanton und Gemeinde 1966 (Bürgergemeinde 1957). Seit 2000 arbeitet ein Verfassungsrat an einer neuen Verfassung.

Den Landgemeinden Riehen, Bettingen und Kleinhüningen brachte erst das Gemeindegesetz vom 26. Juni 1876 die direkte Demokratie (Gemeindeversammlung, seit 1924 Möglichkeit eines Einwohnerrats), die Wahl des Gemeindepräsidenten sowie die rechtliche Trennung von Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinde Kleinhüningen übertrug die Geschäftsführung 1893 dem Kanton und verlor 1908 den Status als selbstständige Gemeinde. Erst in den letzten Jahrzehnten gewann der Ausbau der Gemeindeautonomie an Bedeutung (Riehener Autonomie-Leitbild 1977). Wegen der geografisch begrenzten Reichweite seiner politischen Entscheide wurde für den Kanton Basel-Stadt die Zusammenarbeit in der Regio Basiliensis zunehmend wichtiger.

Parteien

Die liberal-freisinnige Strömung formierte sich in Basel von den 1840er Jahren an als Oppositionsgruppe gegen den extremen Föderalismus und Antiliberalismus der Führungsschicht. Damit zwang sie Letztere, ihre konservativen Positionen ebenfalls zu formulieren. Im Verfassungskonflikt 1846-1847 bildete sich zudem eine vermittelnde Gruppierung heraus (Juste-Milieu), die sich bis um die Jahrhundertwende hielt. Der sich vor allem auf zugewanderte Mittelschichten stützende Freisinn gewann mit dem Systemwechsel 1875 die Oberhand und konstituierte sich 1894 formell als Freisinnig-Demokratische Partei (FDP). Er richtete sich lange deutlicher auf Angestellte aus als andernorts, was er 1919-1973 mit der Bezeichnung Radikal-demokratische Partei unterstrich. Die sich vor allem auf die alteingesessene, reformierte Bürgerschaft stützenden Konservativen konstituierten sich 1905 als Liberale, später als Liberal-demokratische Partei (LDP) und blieben in der deutschen Schweiz ein Sonderfall. Nach der 1844 gegründeten Sektion des Grütlivereins entstanden vor allem ab den 1880er Jahren weitere Arbeitervereine. Aus diesem Milieu bildete sich 1890 die Sozialdemokratische Partei (SP), die bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine Klassenpartei war. Sie organisierte 1912 den europaweit beachteten Friedenskongress der Sozialistischen Internationale. Zugewanderte Katholiken, denen ebenfalls lange die Beteiligung an politischen Entscheidungen verwehrt wurde, vereinigten sich in verschiedenen Organisationen, aus denen sich 1905 die Katholische Volkspartei formierte (seit 1973 Christlichdemokratische Volkspartei CVP).

Nach Einführung des Proporzes 1905 verbesserten sich die Aussichten für kleine Parteien. Beispielsweise sammelte sich eine gewerbliche Abspaltung der FDP 1911 in der Fortschrittlichen Bürgerpartei, die sich in den 1930er Jahren als Nationale Volkspartei rechts aussen profilierte, dann als Bürger- und Gewerbepartei (BGP) den Niedergang nicht aufhalten konnte und sich 1957 der LDP anschloss. Von der SP trennte sich 1921 die Kommunistische Partei (KP), die bis zum Verbot 1940 etwa gleich stark wie die bürgerlichen Grossparteien war. Ihren Platz übernahm 1944 die Partei der Arbeit (PdA), die Linkssozialisten und Kommunisten vereinigte und bis 1956 ebenfalls über beachtliches politisches Gewicht verfügte. Über längere Zeit und zum Teil bis heute hielten sich auch die 1920 gegründete Evangelische Volkspartei, die sich 1948 zur Vereinigung evangelischer Wähler (VEW) umstrukturierte, der 1937 gegründete und 1996 aufgelöste Landesring der Unabhängigen (LdU), die 1961 gegründete Nationale Aktion/Schweizer Demokraten (NA/SD), die aus der 1968er-Bewegung und vor allem den Tramblockaden im Sommer 1969 hervorgegangenen Progressiven Organisationen Basel (POB, 1970-1993) und die 1982 von der SP abgespaltene, rechts von dieser stehende Demokratisch-soziale Partei (DSP). 1991 schlossen sich zwei seit 1987 bestehende Gruppierungen zur Grünen Partei (GP) zusammen, die wie die 1991 gebildete Frauenliste (FraB) und die 1995 gegründete linksalternative BastA in den 1990er Jahren im Grossen Rat erhebliches Gewicht gewann. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) tritt seit 1991 mit einer Sektion auf, die jedoch erst in den nationalen Wahlen von 1999 den Durchbruch schaffte.

Wahlen

In den ersten zehn Amtsperioden (Majorz) nach dem Systemwechsel verfügte die FDP im Grossen Rat (ausser 1878-1881) immer über die absolute Mehrheit, während die LDP zwischen 35 und 64 Räte (1878-1881) stellte. SP und CVP waren 1886 erstmals erfolgreich. Das zuerst alle drei, seit 1956 alle vier Jahre gewählte Parlament wurde von LDP, FDP, SP und CVP dominiert. Nach dem Ersten Weltkrieg, im Zweiten Weltkrieg und seit den späten 1960er Jahren hat sich das Parteiensystem aufgesplittert. 1992 waren 14 Parteien vertreten. Eine Wahlrechtsreform (Fünf-Prozent-Klausel) brachte 1996 nicht die gewünschte Reduktion.

Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Basel-Stadt 1905-2016 (in %)

 1905191119201929194119501960197219801988199620002016
FDP37,828,614,014,012,714,317,710,915,213,912,412,69,2
LDP23,018,415,013,510,510,313,414,413,711,010,711,313,8
SP28,232,844,825,739,828,129,225,526,518,327,026,032,5
CVP10,113,08,99,79,311,314,413,113,110,69,59,95,9
KP/PdA   19,7 14,66,56,44,42,0 1,4 
EVP/VEW  2,33,32,43,44,95,87,06,25,85,64,0
LdU    15,96,97,89,05,25,7   
POB       3,69,17,8   
SD       8,03,87,86,14,6 
DSP         8,28,26,0 
Grüne/BastA/FraB         5,415,19,613,4
BGP 6,510,011,54,35,1       
SVP          3,5a10,014,3
GLP            4,3
Übrige0,90,75,02,65,16,06,13,32,03,11,73,02,7

a inkl. Freiheits-Partei

Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Basel-Stadt 1905-2016 (in %) -  Bundesamt für Statistik; Statistisches Jahrbuch des Kantons Basel-Stadt

Die SP als seit 1908 stärkste Partei erlebte ihre tiefsten Einbrüche in den Wahlen 1923 infolge der Abspaltung der KP, 1944 und 1947 als Folge der Gründung der PdA und 1984 nach der Abspaltung der DSP. Die drei bürgerlichen Grossparteien pendelten nach dem Niedergang von LDP und FDP meist zwischen 10-15%. Andere versanken nach kurzen Höhenflügen in der Bedeutungslosigkeit, so die KP, die 1926-1932, der LdU, der 1941-1944 und die PdA, die 1944-1950 jeweils die zweitstärkste Partei waren. Die Linke verfügte 1920-1923 (SP, KP, Grütlianer) und 1938-1940 (SP, KP) über die Mehrheit sowie 1944-1947 über die Hälfte der Sitze.

Bis zur Jahrhundertwende stellten ausschliesslich die FDP (ausser 1878-1881 immer mehrheitlich) und die LDP die Regierungsräte. 1902 kam die SP dazu, 1919 - mit Unterbrüchen 1935-1944 und 1996-2000 - die CVP, 1982 die DSP. 1935-1950 verfügte die Linke über die Mehrheit ("Rotes Basel"). BGP (1919-1935) und PdA (1944-1950) waren weitere Regierungsparteien. 1910-1919 und 1976-1984 wirkte je ein parteiloser Regierungsrat. Für kurze Zeit schied die SP aus der Regierung aus. 2004 schaffte die GP den Sprung in den Regierungsrat.

Die Zahl der dem Kanton Basel-Stadt zustehenden Nationalratsmandate stieg aufgrund des im schweizerischen Vergleich überdurchschnittlichen Bevölkerungswachstums schrittweise von einem (1848) auf acht Sitze (1943-1967), um danach wieder auf sechs (seit 1983) bzw. fünf Mandate (seit 2003) zu sinken.

Sitze des Kantons Basel-Stadt in die Bundesversammlung 1919-2015

 19191925192819311935194719551963197119791983199519992003200720112015
Ständerat
FDP1 11   1         
SP 1  111 111111111
Nationalrat
FDP1111122211111111 
LDP1111111111 11   1
SP32223223232433222
CVP11111111111    1 
KP/PdA 111111          
LdU     1111 1      
POB         11      
SD        1        
Grüne/BastA              1 1
BGP1111             
SVP            11111
Total Sitze77777888776665555
Sitze des Kantons Basel-Stadt in die Bundesversammlung 1919-2015 -  Historische Statistik der Schweiz; Bundesamt für Statistik

Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Basel-Stadt 1920-2016

 1920193519501968198019841992200020042016
FDP1122222111
LDP3211111211
SP2433222233
CVP1 11111111
DSP     111  
Grüne        11
Parteilos    1     
Total Sitze7777777777
Zusammensetzung des Regierungsrats im Kanton Basel-Stadt 1920-2016 -  Bundesamt für Statistik; Staatskanzlei

Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Basel-Stadt 1929-2016

 1929194119501960197219801988199620002004200820122016
FDP18172024132119171817111210
LDP1815131819181514161291014
SP34553839363727393946323334
CVP13111620171815131411887
KP/PdA25 188962      
EVP/VEW3145677666411
LdU 211091258      
POB    51312      
SD    1041085    
DSP      910663  
Grüne/BastA/FraB      5201216131314
BGP1545          
SVP       3a1415141515
GLP          554
Übrige4667311  1131
Total Sitze130130130130130130130130130130100100100

a inkl. Freiheits-Partei

Zusammensetzung des Grossrats im Kanton Basel-Stadt 1929-2016 -  Bundesamt für Statistik; Statistisches Jahrbuch des Kantons Basel-Stadt

Verwaltung

Mit der Geschäftsordnung vom 15. Februar 1877 wurden die Kollegien und Kommissionen aufgehoben und ihre Geschäfte auf sieben Departemente aufgeteilt: Sanität, Erziehung, Bau, Finanzen, Polizei (seit 1978 auch Militär), Justiz sowie Wirtschaft und Soziales (bis 1978 Departement des Innern). Das Organisationsgesetz vom 9. April 1908 bestätigte im Wesentlichen diese Verwaltungsstruktur. Es wurde nach zahlreichen Modifikationen durch das Gesetz vom 22. April 1976 abgelöst. Am gewichtigsten waren über den gesamten Zeitraum das Erziehungsdepartement (Schulen, Universität, Kultur) und das Sanitätsdepartement, die bis in die 1970er Jahre je etwa einen Viertel des Staatspersonals beschäftigten. Beim Sanitätsdepartement ergaben sich grundlegende Verschiebungen dadurch, dass es 1973 von der Bürgergemeinde das Universitätsspital übernahm und später Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke sowie das Friedhofswesen an das Baudepartement abgab.

Hinter den recht stabilen Strukturen verbirgt sich eine beachtliche Dynamik. Auch wenn die gern zitierte Zahl von 622 Staatsbediensteten 1875 unter Vernachlässigung bedeutender Kategorien zustande kam, beeindruckt das Wachstum. Der Personalbestand erhöhte sich von 3399 (1910) über 5310 (1930), 7401 (1950) und 12'539 (1970) auf 15'936 (1990) volle Stellen, was 1990 etwa einem Achtel aller in Basel Beschäftigten entsprach. Der steilste Anstieg fiel in die Hochkonjunktur der 1960er und frühen 1970er Jahre. Bis 1968 bestand eine klare Abstufung des Staatspersonals: Zuunterst standen die Staatsarbeiter, in der Mitte die Staatsangestellten und zuoberst die Beamten. Danach wurden nur noch die beiden letzten Kategorien unterschieden, und das 1970 geschaffene zentrale Personalamt sowie das im gleichen Jahr verabschiedete, auf der analytischen Arbeitsplatzbewertung beruhende neue Lohngesetz sorgten für homogenere Arbeitsbedingungen. Mit dem Personalgesetz von 1999 wurde der Beamtenstatus abgeschafft. Die 1888 eingeführte Beamtenversicherungskasse war die Erste ihres Typs in der Schweiz.

Nachdem die Staatsausgaben von der Kantonstrennung bis 1870 nur von 0,6 auf 1,6 Mio. Franken gestiegen waren, beschleunigte sich in der Folge das Wachstum mit Ausgaben von 4,7 (1880), 12,9 (1900) und 66,1 Mio. Franken (1940). Ein steiler nominaler Anstieg setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein, von 122,4 (1950) über 256,6 (1960), 642,3 (1970), 2235,1 (1980) und 2703,4 (1990) auf 3600 Mio. Franken (1999). Real begannen die Staatsausgaben 1973 zu stagnieren, um ab den späten 1980er Jahren erneut anzusteigen. Die Staatsschuld belief sich 1833 auf 2,1 Mio. Franken; sie stieg vor allem als Folge des Stadtwachstums um die Jahrhundertwende bis 1920 auf 158,5 Mio. Franken. Mit Ausnahme der Krise verliefen die folgenden Jahrzehnte ausgeglichen. Die 1960er und 1970er Jahre brachten einen neuen Schub von 554,7 auf 2419,6 Mio. Franken. Nach einer weitgehenden Stabilisierung in den 1980er Jahren kletterte die Staatsschuld von 2890,8 (1990) auf 5793,4 Mio. Franken (1999). Davon fliessen heute über ein Viertel in das Gesundheitswesen, ein Fünftel in die Bildung, ein Siebtel in den Sozialbereich und ein Zehntel in die öffentliche Sicherheit. Der Rest verteilt sich auf Kultur und Freizeit, Verkehr, Finanzen und Steuern, allgemeine Verwaltung, Umwelt und Raumordnung sowie Wirtschaft.

Gesundheits- und Sozialpolitik

Gesundheitspolitik hiess im 19. Jahrhundert weitgehend Hygiene, was sich im anfänglichen Überwiegen von Bereichen wie Lebensmittelkontrolle, Schlachthof, Wohnungsaufsicht oder Wasserwerk im Sanitätsdepartement niederschlug. Spitäler gewannen erst nach und nach an Gewicht, wobei der Kanton die Psychiatrische Anstalt, das 1890 zur Isolierung von Typhuskranken eröffnete Felix-Platter-Spital und das 1896 bezogene Frauenspital führte. Das Bürgerspital als weitaus grösstes kam erst 1973 von der Bürgergemeinde zum Kanton. Schliesslich rundeten sozialpolitische Massnahmen, vor allem die Poliklinik und die Krankengesetzgebung, die Gesundheitspolitik ab.

Obwohl private Wohltätigkeit lange eine tragende Rolle spielte, ging die Basler Sozialpolitik der eidgenössischen einst zum Teil beträchtlich voran. Auf die Streiks in der Seidenbandweberei folgte 1869 ein Fabrikgesetz mit 12-Stundentag und Verbot der Kinderarbeit. Eine Petition des Arbeiterbundes gab den Anstoss für den 1890 eröffneten öffentlichen Arbeitsnachweis. Vom gleichen Jahr an bot die öffentliche Poliklinik unentgeltlich ärztliche Behandlung für einkommensschwache Personen. Ein ab Mitte der 1890er Jahre umstrittenes Gesetz für eine kantonale und für die Unterstützung von privaten (gewerkschaftlichen) Arbeitslosenversicherungen kam 1909 zustande. Bereits 1914 trat ein Teilobligatorium für die Krankenversicherung in Kraft, ergänzt durch eine Öffentliche Krankenkasse (ÖKK). Schliesslich galt ab 1932 eine obligatorische Altersversicherung für unselbstständig Erwerbende, die 1967 für Neuzugänge geschlossen und 1968 in ein Auslaufobjekt umgewandelt wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts richtete sich auch das Interesse der internationalen Sozialgesetzgebung auf Basel, das 1901-1919 das von einer privaten Vereinigung getragene Internationale Arbeitsamt beherbergte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besetzte der Bund zunehmend die wichtigsten sozialpolitischen Felder (AHV/IV/EO, Arbeitsgesetz 1964, ALV usw.) und überliess dem Kanton den Vollzug. Dieser versuchte zudem Lücken im sozialen Netz zu stopfen, zum Beispiel mit Stipendien, Mietzinsbeiträgen, Fürsorge, verschiedenen anderen Sozialbeiträgen und der Führung von Heimen.

Bildungswesen

Als 1838 die Schulpflicht für das 6.-12. Altersjahr eingeführt wurde, bestand für Knaben eine 3-jährige Primarschule und darauf aufbauend entweder eine weiterführende Schule (sogenannte Realschule) oder das Gymnasium. Für Mädchen musste der Anschluss an die 4-jährige Primarschule noch geschaffen werden, blieb doch die Töchterschule wohlhabenden Familien vorbehalten. Privatschulen, vor allem die römisch-katholische, spielten eine bedeutende Rolle, bis das Schulgesetz von 1880 den unentgeltlichen Unterricht und ein einfacheres System brachte. Beide Geschlechter besuchten fortan obligatorisch je vier Jahre Primar- und untere Mittelschule, dann fakultativ eine obere Mittelschule. Die Mittelstufe teilte sich in eine allgemeine und eine gymnasiale Richtung, welche bei den Mädchen 1906 erstmals zur Matur führte. Daneben entstand 1886 eine Allgemeine Gewerbeschule. Das Gesetz von 1929 ersetzte die Zweiteilung der Mittelstufe durch die Dreiteilung in Gymnasium, Real- und Sekundarschule. Seit 1958 wurde die Koedukation schrittweise in allen Stufen eingeführt. Die 1988 beschlossene und sechs Jahre später in Kraft getretene Reform beliess die 4-jährige Primarschule, schuf eine daran anschliessende 3-jährige Orientierungsschule und verlegte die Aufteilung in Gymnasium und Weiterbildungsschule auf das 8. Schuljahr.

Die Übernahme durch den Kanton, verbunden mit einer inneren Reorganisation, stellte 1818 die Universität auf eine solidere Basis. Nach der Kantonstrennung konnte der Betrieb anfänglich aber nur dank privaten Zuwendungen (1835 Freiwillige Akademische Gesellschaft) aufrecht erhalten werden. In neue Bereiche stiess die Universität 1919 mit der Volkshochschule und 1976 mit der Seniorenuniversität vor. Weil er nach Basel-Stadt weitaus am meisten Studierende stellt, beteiligt sich der Halbkanton Basel-Landschaft seit 1976 an den Kosten. Die Zusammenarbeit führte 1995 zu einem Vertrag, der die Autonomie der Universität gegenüber der kantonalen Verwaltung wesentlich erhöht.

Versorgung und Entsorgung

Die alten Sodbrunnen und Brunnenwerke lieferten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu wenig und oft hygienisch nicht einwandfreies Wasser. Besserung brachte 1866 eine private Gesellschaft, die mit ihrer Leitung Wasser von Grellinger und Angensteiner Quellen nach Basel führte. Weil der Betrieb den Anforderungen nicht genügte, übernahm ihn 1875 der Kanton. Den steigenden Bedarf deckte die Erschliessung von Grundwasser 1882 in den Langen Erlen und 1952 in der Muttenzer Hard. In den 1960er Jahren begann man an beiden Orten mit der Anreicherung durch vorgereinigtes Rheinwasser.

Ein erstes Kanalisationsgesetz scheiterte 1876, weshalb Gruben und schlecht unterhaltene Dolen, die in offene Gewässer mündeten, noch lange in Betrieb blieben. In den neuen Aussenquartieren entstanden weitere Dolen, sodass 1895 ca. die Hälfte der Häuser an die Kanalisation angeschlossen waren. Erst mit dem Gesetz von 1896 kamen das Kanalisationsobligatorium, der Ausbau und eine Verbesserung des Netzes. Bis zur späten Inbetriebnahme der drei Kläranlagen Birs II (1977), Hüningen (1981) und Basel (1982) flossen die Abwässer ungeklärt in den Rhein. Die Kehrichtabfuhr wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit der Cholera 1854 in der Innenstadt begonnen, 1891 gesetzlich geregelt und bis zum Zweiten Weltkrieg auf das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt. Ab 1943 steht eine Verbrennungsanlage zur Verfügung.

Nach jahrelangem Feilschen wurde Ende 1851 die Konzession für eine Gasfabrik vergeben, und bereits im folgenden Herbst waren in vielen Strassen die Öl- den Gaslaternen gewichen. Nach Auslaufen des Vertrages übernahm die Stadt 1868 das Gaswerk. Sie betrieb es, bis 1971-1972 die Umstellung auf Erdgas erfolgte. 1899 wurde an der Voltastrasse ein thermisches Kraftwerk eingerichtet, im folgenden Jahr die Strassenbeleuchtung auf Elektrizität umgestellt. Das erste Grosskraftwerk entstand 1912 ausserhalb der Kantonsgrenzen in Augst, 1955 zusammen mit Baselland ein weiteres in Birsfelden. Daneben beteiligte sich Basel-Stadt an Kraftwerken in den Alpen. Gegen die Atomenergie formierte sich in Basel seit den späten 1960er Jahren Widerstand, was wesentlich zur Verhinderung des Atomkraftwerks Kaiseraugst beitrug.

Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur im 19. und 20. Jahrhundert

Bevölkerung und Siedlung

Bevölkerung

Zwischen der Kantonstrennung und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs entwickelte sich Basel von einer mauerbewehrten Kleinstadt zu einer mittelgrossen Industriestadt, und der Kanton wurde zum Stadtstaat: Nur 8,8% der Kantonsbevölkerung wohnten 1835 in den Landgemeinden (Bettingen, Riehen, bis 1908 Kleinhüningen). Bis 1910 sank ihr Anteil auf 2,7%, um sich bis 1990 langsam wieder auf 10,7% zu erhöhen.

Stadtentwicklung von Basel 1850-1990
Stadtentwicklung von Basel 1850-1990 […]

Das Wachstum in den Boom-Phasen der 1850er, 1870er und 1890er Jahre basierte zu zwei Dritteln auf Wanderungsgewinnen. Bis Ende des 19. Jahrhunderts überwogen Zuwanderer mit Schweizer Bürgerrecht; 1900 war erstmals eine geringe Mehrheit von ausländischen Zuwanderern zu verzeichnen. Seit 1914 wuchs die Bevölkerung - weitgehend durch Wanderungsgewinne - am stärksten in den frühen 1930er Jahren und in der langen Aufschwungperiode zwischen dem Zweiten Weltkrieg und 1965 (1957 Maximum mit 1,9%). Die Trendumkehr erfolgte 1969/1970: Seither blieben die Geburtensaldi negativ, und vor allem in den 1970er Jahren verlor Basel-Stadt jährlich bis zu 1,5% seiner Einwohner durch Abwanderung. Nur der leicht positive Wanderungssaldo seit 1989 bewirkte ab 1990 eine schwache Zunahme. Der Ausländeranteil ging vom Ende des Ersten Weltkriegs bis 1945 zurück auf ein Minimum von 7,8%. Danach führte die starke Immigration von italienischen Arbeitskräften zu einer Verdoppelung der ausländischen Wohnbevölkerung (1970 41'362, 17,6%), bevor die Krise von 1974-1975 viele wieder zur Ausreise zwang. Erst seit 1982 nimmt die Zahl der Ausländer wieder zu und erreichte in den frühen 1990er Jahren anteilmässig das Niveau der 1830er bzw. 1920er Jahre. Der Altersaufbau hat sich seit dem Ersten Weltkrieg, vor allem aber seit den 1960er Jahren markant zugunsten älterer Menschen verschoben, was ebenso wie der generelle Bevölkerungsrückgang seit 1970 wesentlich auf zwei Faktoren zurückgeführt werden kann: den sogenannten Pillenknick ab 1965 und die Abwanderung vor allem der 30-50-Jährigen mit Kindern in die Vororte. Die durchschnittliche Zahl der Personen pro Haushaltung sank 1870-1920 von 5 auf 4; 1950 lag sie mit 2,9 erstmals unter 3, und 1990 unterschritt sie die Schwelle von zwei Personen. Alleinlebende ("Singles") oder Vereinzelte (u.a. ältere Menschen) in Einpersonen-Haushalten, unvollständige Familien (Alleinerziehende) sowie kinderlose und unverheiratete Paare prägen seit den 1980er Jahren zunehmend die Mikrostrukturen der städtischen Gesellschaft.

Siedlung

Entwicklung der Agglomeration Basel seit 1930
Entwicklung der Agglomeration Basel seit 1930 […]

Bis in die frühen 1860er Jahre war Basel von der mittelalterlichen Befestigung umschlossen, die es in die Innere Stadt und den Stadtbann teilte. Nach der Kantonstrennung, vor allem aber mit der ersten Welle des industriellen Bevölkerungswachstums in den 1850er Jahren begann die Ausdehnung des Siedlungsraums über die Mauergrenze hinaus. Am 27. Juni 1859 wurde mit dem Gesetz über die Erweiterung der Stadt das Niederreissen der Mauern, das Auffüllen der Gräben und die Errichtung neuer Quartiere beschlossen. Das Gesetz über die Anlage und Korrektion von Strassen vom 29. August 1859 verdoppelte den Siedlungsraum etwa, entwarf das heutige Strassennetz im ehemaligen Stadtbann und legte Verbindungsstrassen zwischen alten und neuen Quartieren sowie zu den Bahnhöfen fest.

Von der Kantonstrennung bis zur Schleifung der Mauern nahm der Bestand an bewohnten Häusern im Kanton (1837 waren es 2526) um ca. 400 Einheiten zu. 1860-1880 und 1880-1900 verdoppelte er sich jeweils fast. In den 1860er Jahren konzentrierte sich die Bautätigkeit auf das Gebiet der Bahnhöfe und der von diesen ausgehenden neuen Promenaden. Das wohlhabende Bürgertum zog aus der Altstadt mit ihrer wachsenden Bevölkerungsdichte und entsprechenden sozialen und sanitarischen Problemen (1855 Cholera-, 1865 Typhus-Epidemie) in das Gebiet seiner ehemaligen "Rebgärten" vor der Stadt (Gellertquartier). In den 1870er Jahren entstanden Mittelschichtquartiere im Westen (Steinenring). Bis um 1890 wurden in der äusseren Stadt erst wenige Arbeiterwohnungen in grossen Mietshäusern gebaut; die einkommensschwachen Zuwanderer lebten weiterhin in der überfüllten Altstadt. Nach 1890 verbesserte sich ihre Wohnsituation langsam durch den verstärkten Bau von Arbeiterwohnungen (v.a. Gundeldinger- und Matthäusquartier).

Ansicht um 1863. Lithografie von J. Arnout aus der Serie La Suisse à vol d'oiseau (Museum für Kommunikation, Bern).
Ansicht um 1863. Lithografie von J. Arnout aus der Serie La Suisse à vol d'oiseau (Museum für Kommunikation, Bern). […]

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erreichte das bebaute Gebiet verschiedenenorts die politische Grenze der Stadt bzw. des Kantons. Schliesslich beanspruchte die Expansion in der Hochkonjunktur der 1950er und 1960er Jahre fast die ganze verbliebene Fläche, und die Stadt verschmolz mit den Vororten zur grenzübergreifenden Agglomeration. Seit den späten 1950er Jahren stagniert die Zahl der Wohnbauten. Der jährliche Zuwachs an Gewerbe- und öffentlichen Bauten - 1900 bei 161 und 1925 auf einem Maximum von 226 - bewegte sich 1973-1989 auf dem tiefen Niveau von durchschnittlich 23 Bewilligungen und sank 1990-1995 gar auf 12.

Von den Park- und Gartenanlagen ist in erster Linie der 1874 in der Talsenke zwischen Centralbahnhof und Paulusquartier eröffnete Zoologische Garten ("Zolli") mit seinen Erweiterungen von 1884, 1929 und 1939 zu nennen. Anfänglich wurden nur einheimische Tiere gezeigt, 1886 der erste Elefant. 1879-1935 war die Zeit der sogenannten Völkerschauen ("Neger", "Fischmenschen", "Hottentotten").

Wirtschaft und Verkehr

Wirtschaft im 19. Jahrhundert

Bis 1871 galten für die meisten Handwerke noch zünftische Schranken. Nur die Industrie konnte ohne diese produzieren. Faktisch wurden zwar Produktions- und Marktbeschränkungen auch von den Handwerkern selbst spätestens ab den 1840er Jahren umgangen. Dennoch setzten diese 1847 erstmals das Verbot, die Gewerbefreiheit einzuführen, in der Verfassung durch. Die städtische Ökonomie war bis in das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts aufgeteilt in zwei Sektoren: die kapitalintensive, weltmarktorientierte und weitgehend regulationsfreie verlags- und fabrikindustrielle Seidenbandindustrie sowie den damit zum Teil eng verbundenen Finanzsektor einerseits, das handwerklich-arbeitsintensive, kapitalarme, auf den städtischen Binnenmarkt orientierte und zünftischen Beschränkungen unterworfene Gewerbe andererseits. Dieses anachronistische Nebeneinander wirkte als Struktur bewahrendes, retardierendes Element im Industrialisierungsprozess. Es spiegelte sich in der politischen Machtbalance zwischen Handwerkern auf der einen sowie Fabrikanten und Handelsherren auf der anderen Seite und bildete sich sozial ab als Gegensatz von weltläufigem "patrizischem" Grossbürgertum und kleinstädtischem Handwerkerstand.

Lange Zeit produzierte die Seidenindustrie nach dem Verlagssystem. Entscheidende Schritte zur fabrikindustriellen Produktion waren 1824 die erste mechanisierte Schappe-Spinnerei Kontinentaleuropas mit einem Göppelwerk (J.S. Alioth & Cie.), 1832 der Anschluss von Bandwebstühlen an ein Wasserrad (J.J. Richter-Linder) und 1837 die erste Dampfmaschine in der Schappe-Spinnerei (Braun & Ryhiner). Die Arbeitsplätze in den Bandfabriken gewannen ab 1840 gegenüber der städtischen Heimarbeit, die neben der ländlichen auch existierte, das Übergewicht. 1843 schätzte man die Zahl der Beschäftigten in mechanischen Bandfabriken auf ca. 1500; zugleich produzierten ca. 10'000 Personen auf der Landschaft Seidenbänder in Heimarbeit. Für 1847 schätzt man den Anteil der Seidenband- und Seidenstoffindustrie am städtischen Gesamteinkommen auf maximal einen Fünftel. 1870 arbeiteten ca. 6600 Arbeiterinnen und Arbeiter in städtischen Fabriken, davon 78% in der Seidenindustrie, 8% in der Metall- und Maschinenindustrie, 6% im Bau- und Holzgewerbe und 2% in der Chemischen Industrie. Basel wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur grössten Industriestadt der Schweiz.

Wirtschaft im 20. Jahrhundert

Die Erwerbsstruktur lässt sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der in Basel-Stadt wohnhaften Erwerbstätigen wie auch unter dem der Arbeitsplätze betrachten. Die Differenz ergibt sich aus dem für den Stadtkanton typischen Zupendlerüberschuss. Lag die Zahl der Zupendler bis zum Zweiten Weltkrieg im Bereich von 10'000 Personen, so stieg sie danach steil an und erreichte 1990 64'192, davon ca. ein Drittel aus Deutschland und Frankreich. Die wirtschaftliche Verflechtung der Regio Basiliensis hat vor allem in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.

Erwerbsstruktur des Kantons Basel-Stadt 1870-1990

 Total ErwerbstätigeFrauen1. Sektor2. Sektor3. Sektor
187027'62312'4274,5%52,4%43,1%
190050'13312'625a2,4%53,0%44,5%
192072'45524'285a1,4%47,9%50,7%
195097'30533'7131,0%45,5%53,5%
1970121'19047'2650,5%42,5%57,1%
1990103'97042'9170,5%28,7%70,9%

a 1900 wurden 4'748 und 1920 5'735 meist weibl. Dienstboten nicht nach Geschlecht unterschieden. Sie fehlen deshalb in dieser Zählung.

Erwerbsstruktur des Kantons Basel-Stadt 1870-1990 -  Eidgenössische Volkszählungen

Die nur für die neueste Zeit vollständigen - auf den Arbeitsplatz Basel-Stadt bezogenen - Betriebszählungen zeigen einen weniger starken Rückgang des 2. Sektors, der in besonderem Ausmass Zupendler anzog. 1991 erfasste man im Halbkanton 437 Vollzeitbeschäftigte im 1., 49'544 im 2. und 82'697 im 3. Sektor, wozu 41'062 Teilzeitbeschäftigte kamen. Von allen schweizerischen Grossstädten verfügt Basel noch immer über den gewichtigsten Anteil des 2. Sektors. Knapp 30% der Vollzeitbeschäftigten arbeiteten in Betrieben mit 500 und mehr, weitere 23% in solchen mit 100-499 Beschäftigten. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts kristallisierten sich acht wichtige Bereiche der Wirtschaft heraus, in denen 1991 zwei Drittel der Vollbeschäftigten arbeiteten (s. untenstehende Tabelle).

Arbeitsplätze in ausgewählten Bereichen im Kanton Basel-Stadt 1905-1998

 190519291939195519651975198519911998
Chemie2'3725'5587'40614'69320'80227'48223'53524'29214'448
Textil8'2095'6002'5032'1601'408 628   88   76-a
Maschinen/Uhren1'3303'4173'8816'7967'1804'3523'7583'5882'695
Bau7'69911'0116'89814'49019'05212'36212'29513'7289'404
Handel7'30014'12213'35818'68422'07720'52818'43016'37312'114
Banken/Versicherung1'2093'4213'7274'6356'4999'09611'29712'5159'467
Verkehr (inkl. PTT)6'1298'1788'22412'36713'24813'70213'20413'54212'540
Gastgewerbe3'1224'1504'8265'7986'1956'4505'9935'8805'398

a nicht mehr separat ausgewiesen

Arbeitsplätze in ausgewählten Bereichen im Kanton Basel-Stadt 1905-1998 -  Eidgenössische Betriebszählungen

Die heute wichtigste Branche, die Chemische Industrie, nahm 1859 mit der Anilinfarbenproduktion Alexander Clavels ihren Anfang. In den ersten Jahrzehnten entstanden durch Neugründungen, Aufteilungen und Fusionen Firmen mit wechselnden Namen, aus denen sich in einem Konzentrationsprozess die Struktur mit den Weltkonzernen Ciba, Sandoz (die 1996 zur Novartis fusionierten) und Roche an der Spitze herausbildete. Bis zur Jahrhundertwende blieb die Chemie bescheiden, wuchs dann aber rasch und distanzierte alle andern Branchen, zuletzt um 1970 den Handel. Basel-Stadt verfügt dadurch über eine äusserst einseitige Erwerbsstruktur. Der Sandoz-Grossbrand 1986 in Schweizerhalle, der in Basel eine mehrstündige Ausgangssperre bedingte, sowie der in den 1990er Jahren erhebliche Abbau von Arbeitsplätzen erschütterten das Vertrauen in die sonst kaum angefochtene Chemische Industrie.

Die Textilindustrie mit Schwerpunkt in der Seidenbandweberei sowie starker Stellung in der Färberei und der Schappe-Industrie brach bis zum Ende der 1930er Jahre schwer ein und ist heute fast verschwunden.

Werbeplakat für die Mustermesse Basel vom 4. bis 14. Mai 1946, gestaltet von Herbert Leupin (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).
Werbeplakat für die Mustermesse Basel vom 4. bis 14. Mai 1946, gestaltet von Herbert Leupin (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).

Der Handel bot während Jahrzehnten am meisten Arbeitsplätze, der Detailhandel (Coop) rund doppelt soviele wie der Grosshandel. Zur Förderung des Absatzes schweizerischer Erzeugnisse wurde 1917 erstmals die Mustermesse durchgeführt, aus der in der Folge ein Messe-Unternehmen ("Messe Basel") mit zahlreichen Fachmessen hervorging.

Obwohl Basel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein schweizerisches Kapitalreservoir war, gewann die Stadt als moderner Finanzplatz spät Bedeutung. Zwei Grossbanken wurden hier gegründet, 1862 die Basler Handelsbank und 1872 der Schweizerische Bankverein (SBV). Die Kantonalbank folgte 1899, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) 1930. Eine Börse gab es 1876-1996. Seit 1861 entstanden die verschiedenen Zweige der Basler Versicherungen, der weitere Gesellschaften folgten.

Beschäftigungsmässig nahm der Verkehr, ausser unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, nur schwach zu, weil das wachsende Volumen durch Rationalisierungsmassnahmen aufgefangen wurde. Neben den Erwerbstätigen im öffentlichen Verkehr, im Strassentransport und bei der Post fallen in Basel-Stadt die Luftfahrt, die Rheinschifffahrt und 1991 als grösste private Gruppe die Spedition (Danzas, Panalpina Welttransport) unter diesen Titel.

Der Halbkanton Basel-Stadt verfügt über eine der leistungsfähigsten kantonalen Volkswirtschaften. Bis in die 1970er Jahre wies er das höchste Volkseinkommen pro Kopf aus. Seither ist er hinter den Kanton Zug und vorübergehend auch hinter den Kanton Zürich zurückgefallen und hat im nationalen Rahmen an Gewicht verloren. Konjunkturelle Schwankungen zeigten zum Teil besonders starke Auswirkungen in Basel. So lag die Arbeitslosenquote in den Krisen der frühen 1920er, der 1930er, 1970er und der 1990er Jahre höher als im Landesmittel.

Verkehr

Erstmals 1832 legte ein Dampfschiff in Basel an, und 1840-1843 bestand auf dem Rhein ein regelmässiger Liniendienst Basel-Mainz. Dann verdrängte die Eisenbahn die Schifffahrt. Ein nur durch die beiden Weltkriege unterbrochener Güterverkehr setzte auf dem Oberrhein (bis Schweizerhalle) 1904 ein. Der Bau der ersten Etappe des Rheinhafens St. Johann erfolgte 1906-1907. Die beiden Hafenbecken in Kleinhüningen entstanden 1919-1922 und 1936-1939.

Der Rheinhafen St. Johann und die Dreirosenbrücke am 11. März 1964. Luftaufnahme, erstellt im Auftrag von der Sandoz AG (Staatsarchiv Basel-Stadt, BALAIR 64011).
Der Rheinhafen St. Johann und die Dreirosenbrücke am 11. März 1964. Luftaufnahme, erstellt im Auftrag von der Sandoz AG (Staatsarchiv Basel-Stadt, BALAIR 64011). […]

Am 15. Juni 1844 fuhr auf der Strecke Saint-Louis-Basel der Chemins de fer d'Alsace die erste Eisenbahn in der Schweiz, für die am 11. Dezember 1845 innerhalb der Stadtmauern ein Bahnhof eröffnet wurde. Schon 1853 bestanden tägliche Verbindungen nach Paris und Frankfurt. Erst vom 19. Dezember 1854 an wurde der Abschnitt Basel-Liestal der von der Schweizerischen Centralbahn gebauten Linie nach Olten befahren. Gemeinsam nahmen 1860 die Centralbahn und die Elsässerbahn den Centralbahnhof in Betrieb (Neubau 1907). 1855 wurde der über eine völkerrechtliche Sonderstellung verfügende Badische Bahnhof eingeweiht (Neubau 1913). Die Bahnlinien der drei Länder wurden 1873 in Basel verknüpft. Dazu kamen 1876 der Rangierbahnhof Wolf (seit 1900 auch Güterbahnhof), 1902 der Güterbahnhof St. Johann und 1905 der neue Güterbahnhof der Badischen Bahn.

Neben den Hauptbahnen wurden Schmalspurlinien gelegt: 1887 ins Birsigtal, 1902 und 1907 ins Birstal. Für die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) fuhr 1895 die erste elektrische Strassenbahn (Centralbahnhof-Mittlere Brücke-Badischer Bahnhof). Ab 1900 wurden Vororte erschlossen, so Saint-Louis (Elsass, 1900), Allschwil (1905), Riehen (1908), Hüningen (Elsass, 1910), Lörrach (Baden, 1919), Muttenz und Pratteln (1922) sowie Binningen (1934).

1905 waren 31 Motorfahrzeuge registriert. Bis 1938 erhöhte sich deren Zahl auf das Vorkriegsmaximum von ca. 5800, das erst 1947 überschritten wurde. Der Automobilbestand verdreifachte sich 1950-1960 auf 28'600, um sich 1960-1995 auf 65'770 mehr als zu verdoppeln. Mit 298,3 Personenwagen auf 1000 Einwohner lag Basel-Stadt 1990 klar unter dem Landesmittel von 440.

Seit den späten 1850er Jahren wurden sechs Rheinbrücken und zehn weitere Viadukte und Brücken gebaut: unter anderen 1857-1858 der Viadukt der Elsässerbahn über den Birsiggraben (1901-1903 Umbau für städtischen Verkehr), 1872-1873 die Rheinbrücke zur Verbindung von Badischer und Centralbahn (Neubau 1959-1961), 1877-1879 die Wettsteinbrücke (Neubau 1993-1995), 1879-1882 die Johanniterbrücke (Neubau 1965-1967), 1903-1905 die Mittlere Brücke (anstelle der Holzkonstruktion von 1225), 1932-1934 die Dreirosenbrücke und 1953-1955 die St.-Alban-Brücke (1973 abgebrochen). In den späten 1960er und den 1970er Jahren entstanden für den städtischen Autoverkehr der sogenannte City-Ring (1969-1970 Heuwaage-Viadukt) und 1970-1973 die Schwarzwald-Brücke zusammen mit der Osttangente als Stadtautobahn und Teilstück der Route Hamburg-Mailand. Ende der 1990er Jahre wurde mit dem Bau einer neuen Dreirosenbrücke mit Verbindung zwischen der deutschen und der französischen Autobahn (Nordtangente) begonnen.

Plakat für die Abstimmung vom 14. Oktober 1962 über den Ausbau des Flughafens Basel-Mulhouse, gestaltet von Edi Hauri (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).
Plakat für die Abstimmung vom 14. Oktober 1962 über den Ausbau des Flughafens Basel-Mulhouse, gestaltet von Edi Hauri (Plakatsammlung der Schule für Gestaltung Basel, Münchenstein).

Das erste Flugzeug landete 1911 in Basel. Die seit dem Ersten Weltkrieg bestehende Landepiste auf dem Birsfelder Sternenfeld erwies sich bald als zu klein, weshalb 1935 die Planung zur Verlegung begann. Auf französischem Boden (Blotzheim) wurde 1946 der binationale Flughafen Basel-Mulhouse (seit 1987 Basel Mulhouse Freiburg) eingerichtet und seither für die internationale Luftfahrt ausgebaut.

Gesellschaft

Sozialstruktur und sozialer Wandel

Die Industrialisierung blieb nicht ohne Auswirkungen auf die städtische Gesellschaft. Rentiers und mit eigenem Betrieb selbstständig Erwerbende stellten noch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen Viertel der Erwerbstätigen. Der Anteil der Letzteren unterschied sich nach Branche erheblich und machte zum Beispiel im Handel mit den vielen Detaillisten zwei Fünftel, in der kapitalintensiven Seidenindustrie dagegen nur einen Fünfzigstel aus. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts zählte man dagegen - neben Arbeitern, Angestellten und Lehrlingen - weniger als einen Zehntel selbstständig Erwerbende und gut einen Zwanzigstel oberes Kader. Von ca. 25'000 Steuerpflichtigen deklarierten 1895 nur knapp ein Viertel ein Vermögen, davon etwas weniger als zwei Drittel 5000-40'000 Fr., je etwas weniger als ein Sechstel 40'000-100'000 Fr. bzw. 100'000-1'000'000 Fr., schliesslich 138 Personen (ca. ein Fünfzigstel) durchschnittlich 3,6 Mio. Franken. Ein Jahrhundert später deklarierten etwas mehr als ein Viertel der gut 131'000 Steuerpflichtigen steuerbares Vermögen, davon zwei Fünftel weniger als 100'000 Fr., gut die Hälfte 100'000-1'000'000 Fr., die Übrigen mehr. Fast ein Viertel des steuerbaren Vermögens besassen die 169 Reichsten.

Sozialdemokratisches Plakat für die Wahlen vom 28. Oktober 1917 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Sozialdemokratisches Plakat für die Wahlen vom 28. Oktober 1917 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Die wachsende Schicht der unselbstständig Erwerbenden darf nicht einfach als Unterschicht angesehen werden, umfasste sie doch unterschiedliche Erwerbsarten, vom mittleren Kader bis zur Putzfrau. Um 1900 bezeichnete der Kantonsstatistiker Basel im internationalen Vergleich als eindeutige "Fabrikstadt". Tatsächlich zählte man für eine schweizerische Grossstadt unter den Erwerbstätigen bis um 1980 überdurchschnittlich viele Arbeiter, nämlich 1888 51%, 1900 54% und 1980 41%. Bis gegen die Mitte des 20. Jahrhunderts spielten daher politische und soziale Auseinandersetzungen mit der Arbeiterbewegung eine wichtige Rolle. In der Hochkonjunktur der Nachkriegszeit ermöglichten ausserordentlich günstige Ergebnisse der ansässigen Wirtschaft eine kulturelle Blüte. Früher als in der übrigen Deutschschweiz wurde die beklemmende Enge des Kalten Krieges gesprengt und Experimenten auf verschiedensten Ebenen mehr Raum gewährt. Neue Werte stiessen auf geringeren Widerstand, weshalb auch die Auseinandersetzung mit der Jugend- und Studentenbewegung um 1968 weniger heftig ausfiel. Basel schuf sich in dieser Zeit den Ruf einer Kulturstadt, den es trotz Sparmassnahmen in den 1990er Jahren halten konnte.

Der "Daig"

Wegen der Kantonstrennung wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die alte städtische Oberschicht kaum von neuen Eliten ländlicher oder kleinbürgerlicher Provenienz konkurrenziert. Politisch verlor sie ihre Macht um die Jahrhundertwende. Ökonomisch, sozial und kulturell hingegen beherrschte eine kleine Schicht reicher, eng versippter altbürgerlicher Familien ("Patriziat" oder "Daig"), deren ökonomische Basis das Seiden-, Kaufmanns- und Finanzkapital war, die Stadtgesellschaft bis nach dem Ersten Weltkrieg. Mit gezielter Heiratspolitik schottete sie sich weitgehend erfolgreich gegen unten und aussen ab. Wegen der Krise der Seidenindustrie, dem Aufkommen der Aktiengesellschaften und der ökonomischen und kulturellen Diversifizierung büsste der "Daig" danach stark an Einfluss ein, ohne ihn jedoch vollständig zu verlieren. Die erfolgreichen Bank- und Chemiekonzerne wurden meist von Zugezogenen geleitet.

Gewerkschaften und Streiks

Bereits vor 1850 entstanden erste Gewerkschaften, etwa der Generalposamenterverein von 1848, die aber meist rasch wieder zerfielen. Eine breite Streikbewegung der Jahre 1868-1869 brachte dem Internationalen Arbeiterverein vorübergehend über 3000 Mitglieder. Erst der 1886 gegründete Arbeiterbund ermöglichte eine stabile Gewerkschaftsbewegung, indem er für die oft schwachen Berufsvereine personell, finanziell und publizistisch ein Rückgrat bildete. Von der Mitte der 1890er Jahre an nahmen Streiks stark zu: 1905-1907 zählte man jährlich ca. 20. Eine weitere Streikwelle war nach dem Ersten Weltkrieg zu verzeichnen, als die Gewerkschaften vorübergehend fast 20'000 Mitglieder zählten. Heraus ragten der Generalstreik vom November 1918, der ohne Zwischenfälle verlief, und derjenige vom August 1919, als ein unverhältnismässiger Militäreinsatz fünf Todesopfer forderte. Durch die Spaltung in ein radikales und ein gemässigtes Kartell erlitt die Basler Gewerkschaftsbewegung 1927 einen bis Anfang der 1940er Jahre nachwirkenden Rückschlag. In den Kriegsjahren erfuhr sie vor allem dank dem neuen Chemiearbeiter-Verband einen nie gekannten Aufschwung auf über 31'000 Mitglieder im Jahr 1946. Der Anfang 1945 unterzeichnete Chemie-Gesamtarbeitsvertrag war gesamtschweizerisch der erste für den Grossteil einer wichtigen Exportindustrie. Seither kam es ausser 1946-1947 selten zu Streiks.

Aufgebotene Truppen während des Generalstreiks im November 1918. Fotografie von Carl Kling-Jenny (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 13, 380).
Aufgebotene Truppen während des Generalstreiks im November 1918. Fotografie von Carl Kling-Jenny (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 13, 380).

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag das Schwergewicht der gewerkschaftlichen Tätigkeiten auf der Verwaltung und dem Ausbau der Gesamtarbeitsverträge. Lange verfügten die Gewerkschaften zudem über gute Drähte zur kantonalen Politik. Wie in der übrigen Schweiz überschritten sie in den 1960er Jahren mitgliedermässig ihren Höhepunkt. Seit den 1970er Jahren haben sie zudem an politischem Einfluss verloren.

Kultur und Bildung, Kirchen und religiöses Leben

Vereinsleben

Zwischen 1800 und 1832 wurden in Basel 25 bürgerliche Vereine gegründet, zwischen 1832 und 1860 nochmals ca. 150. Nach ihrem politischen und ökonomischen Funktionsverlust wurden die Zünfte zu den wichtigsten Verbindungsformen ohne spezifischen Vereinszweck, v.a. für bürgerliche Schichten. Daneben entstanden - neben Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbänden sowie Kranken- und Pensionskassen - zahlreiche zweckgebundene Vereine in allen Bereichen. Dazu einige Beispiele:

  • Wohltätigkeit: 1870 Freiwillige Armenpflege, 1901 Frauenverein,
  • Religion: 1860 Evangelische Gesellschaft für Stadtmission, 1865 Vinzenzverein,
  • Wirtschaft: 1865 Allgemeiner Consum-Verein, 1867 Gewerbeverband, 1876 Handels- und Industrieverein (Handelskammer), 1886 Arbeiterbund,
  • Kultur und Bildung: 1839 Kunstverein, 1870 Statistisch-volkswirtschaftliche Gesellschaft, 1874 Historische und Antiquarische Gesellschaft,
  • Militär: 1834 Artillerie-Verein,
  • Gesang, Musik, Fasnacht: 1824 Basler Gesangverein, 1852 Liedertafel, 1858 Quodlibet, 1884 Vereinigte Kleinbasler, 1896 Mandolinen-Gesellschaft,
  • Heimat und Unterhaltung: 1858 Aargauer Verein.

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Vereinsleben stark in den gelegten Bahnen. Dazu kamen Neugründungen wie zum Beispiel 1912 der Katholische Frauenbund, 1923 die der Arbeiterbewegung nahe stehende Fasnachts-Clique Rätz, 1926 das Kammerorchester, 1942 die Freizeitaktion und 1970 die Basler Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Natur und Umwelt (Basnu).

Sportvereine bildeten sich im 19. Jahrhundert in den Bereichen Turnen (1819 Bürgerturnverein), Schiessen (1868 Feldschützen), Handball (1862 Arbeiterturnverein) und Wasserfahren (1883 Rheinclub). Im 20. Jahrhundert wurden diese Sportarten vor allem durch Fussball (1893 FC Basel), Leichtathletik (1907 BSC Old Boys), Eishockey (1932 EHC Basel), Schwimmen (1919 Schwimm-Club Basel/Neptun), Skifahren (1904 Skiclub Basel), Tennis (1886 TC Casino) und Fitness (1971 John Valentine Fitness Club) ergänzt bzw. zunehmend verdrängt.

Museen

Anamorphotisches Bild des Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein. Öl auf Holz von Johann Heinrich Glaser, um 1650 (Historisches Museum Basel, Inv. 1907.244.2).
Anamorphotisches Bild des Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein. Öl auf Holz von Johann Heinrich Glaser, um 1650 (Historisches Museum Basel, Inv. 1907.244.2). […]

Die Öffentliche Kunstsammlung, die auf das Kunstkabinett der Familie Amerbach zurückgeht, wurde 1849 zusammen mit der Universitätsbibliothek und andern Sammlungen im neuen Museum an der Augustinergasse untergebracht. Sie fand 1936 im Kunstmuseum am St.-Alban-Graben ihr heutiges Domizil. Neben den älteren Beständen der Alten Meister (Konrad Witz, Hans Holbein der Jüngere) machten sie vor allem die Ankäufe von von den Nationalsozialisten als "Entartete Kunst" diffamierten Werken der klassischen Moderne in den 1930er Jahren, von amerikanischer Kunst (Bruce Nauman, Robert Rauschenberg, Andy Warhol) und wichtiger Werke Pablo Picassos in den 1960er und 1970er Jahren sowie von Zeichnungen und Objekten von Joseph Beuys und von "Minimal Art" in den 1970er und 1980er Jahren zu einem der international bedeutendsten Kunstmuseen. 1979 wurde es um das Museum für Gegenwartskunst erweitert.

Der Basler Kunstverein veranstaltet seit 1840 jedes Jahr eine Winterausstellung. Die 1872 eröffnete Kunsthalle am Steinenberg ermöglicht ihm zudem Ausstellungen mit zum Teil überregionaler Ausstrahlung. Seit 1972 findet in den Hallen der "Messe Basel" jährlich die Art statt, die international bedeutendste Messe für Kunst des 20. Jahrhunderts.

Wichtige Bestände besitzen auch das Naturhistorische Museum (1822, Naturwissenschafliche Sammlung) und das Museum der Kulturen (beide im Museum an der Augustinergasse), das seit 1894 in der Barfüsserkirche untergebrachte Historische Museum, das 1966 gegründete Antikenmuseum und die ihm 1980 angegliederte Sammlung Ludwig in der alten Dompropstei sowie die 1997 der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Sammlung der Fondation Beyeler in Riehen.

Musik, Theater, Film

Sängerfeste, Festspiele und populäre Musik- und Gesangvereine bildeten im 19. Jahrhundert die Basis des Musiklebens, das heute von zahlreichen Formationen vom Sinfonieorchester Basel (bis 1997 Basler Sinfonie-Orchester) bis zu diversen Jazz-, Rock- und Pop-Bands getragen wird. Aus dem Zusammenschluss älterer Veranstalter entstand 1876 die Allgemeine Musikgesellschaft (AMG) als Trägerin der Orchestermusik. Die Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige (GGG) richtete 1867 die Allgemeine Musikschule ein, 1905 ergänzt durch das Konservatorium. Mit der Gründung der Basler Orchester-Gesellschaft (BOG) engagierte sich 1921 erstmals der Staat im bisher privat getragenen Musikleben. Paul Sacher gründete 1933 die Schola Cantorum Basiliensis für alte Musik, die sich 1954 mit der Musikschule zur Musik-Akademie vereinigte.

Die im "frommen Basel" weit weniger als die Musik geschätzte Theaterkultur fand ihre erste Institution 1834 im Theater auf dem "Blömlein". Das von der Theatergenossenschaft betriebene, seit 1866 vom Kanton subventionierte Haus zeigte ein gemischtes Programm mit Varieté- und Zirkuselementen. 1875 wurde der Bau am Steinenberg bezogen (Restaurierung nach Brand 1904, Neubau 1975). In den 1960er und 1970er Jahren wurden die Basler Theater zum grössten Dreispartenbetrieb (Schauspiel, Ballet, Oper) der Schweiz und unter Leitung von Werner Düggelin zum international beachteten Haus.

Die ersten "lebenden Photographien" waren in Basel am 31. Juli 1896 zu sehen. Das erste ständige Kinematografentheater nahm 1907 seinen Betrieb auf, das erste für Tonfilm 1931. Die meisten Kino-Eröffnungen datieren in die späten 1920er Jahre. Als ältester Club im deutschsprachigen Raum für nicht-kommerzielles Kino gilt Le Bon Film (1931).

Feste und Feiern

Eidgenössisches Turnfest vom 27. und 28. Juli 1848 in Basel, Lithografie (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 15, 22).
Eidgenössisches Turnfest vom 27. und 28. Juli 1848 in Basel, Lithografie (Staatsarchiv Basel-Stadt, BILD 15, 22). […]

Im 19. Jahrhundert gehörten grosse Feste und Festspiele zu den wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen mit nachhaltiger sozialer Integrations- und Repräsentationswirkung (u.a. 1844 Eidgenössisches Schützenfest, regelmässige Turn- und Sängerfeste, seit 1860 jährliches St. Jakobsfest, 1892 Vereinigungsfeier, 1901 Bundesfeier). Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierten zunehmend Volksfeste ohne politische Inhalte.

"Am Aeschenmittwoch 1843", Fasnachtsszene. Aquarell von Hieronymus Hess (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler).
"Am Aeschenmittwoch 1843", Fasnachtsszene. Aquarell von Hieronymus Hess (Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett; Fotografie Martin Bühler).

Die Basler Fasnacht findet in der Woche nach Aschermittwoch statt. Während sich im 19. Jahrhundert bürgerliche und nicht-bürgerliche Formen konkurrenzierten, bildete sich bis zum Ersten Weltkrieg der heutige Stil aus: Die Aktiven organisieren sich in grossen Stammcliquen (bis in die 1980er Jahre meist ohne Frauen), kleinen Cliquen (oft Abspaltungen) und Grüppchen ("Schyssdräggziigli"), um mit Trommeln und Pfeifen am Montag um 4 Uhr früh ("Morgestraich"), am Montag und Mittwoch nachmittags sowie an allen drei Tagen abends und nachts maskiert und kostümiert durch die Innenstadt zu ziehen. Seit den 1940er Jahren kommen die sogenannten "Guggemusigge" mit Posaunen und Trompeten dazu. In den Wirtschaften der Innenstadt rezitieren am Abend Bänkelsänger "Schnitzelbänke" (gesungene Verse), welche das gesellschaftliche und politische Leben des vergangenen Jahres persiflieren. Die Verbindung einiger starrer Grundregeln mit anarchischer Freiheit der Gestaltung sichert der Fasnacht seit den 1920er Jahren grosse Integrationskraft.

Medien

Die älteste politische Tageszeitung Basels war Andreas Heuslers offiziöse "Bas(e)ler Zeitung" (1831-1859). 1838-1862 bestand daneben das mittelständisch-konservative "Tagblatt der Stadt Basel". Radikale um Karl Brenner gründeten 1842 die National-Zeitung (1860-1888 "Schweizerischer Volksfreund"). Das seit 1729 bestehende "Avis-Blatt" (nur Anzeigen) wurde 1845 in das konservative "Intelligenzblatt der Stadt Basel" umgewandelt, das ab 1856 als Basler Nachrichten erschien. Anfänglich am Juste-Milieu, später auch nach links orientierte sich die "Schweizer Grenzpost" (1871-1891). Katholiken gründeten 1873 das Basler Volksblatt (1982 "Nordschweiz", 1992 Übernahme durch die "Basellandschaftliche Zeitung"). Der Arbeiterbund gab von 1886 an den "Basler Arbeiterfreund" heraus, der 1893 in (Basler) Vorwärts umbenannt und nach der Parteispaltung 1921 Organ der KP wurde. Die von der SP 1921 gegründete Basler Arbeiter-Zeitung (ab 1963 "Abendzeitung AZ") erschien bis 1992. "National-Zeitung" und "Basler Nachrichten", die wichtigsten Blätter, wurden 1977 zur Basler Zeitung (BaZ) fusioniert, der seit 1992 einzigen Tageszeitung in Basel-Stadt.

Die ab 1926 sendende Radio-Genossenschaft Basel ging 1931 in der Schweizerischen Rundspruchgesellschaft (SRG) auf. Einzige lokale Station war bis 1998 das 1983 eröffnete Radio Basilisk. Obwohl 1952 Basel als erste Stadt der deutschen Schweiz einen Fernseh-Versuchsbetrieb durchgeführt hatte, erhielt es kein Studio.

Kirchen und religiöses Leben

Mit der Industrialisierung wanderten zunehmend katholische Arbeiter und Arbeiterinnen in die bis Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend protestantische Stadt ein, sodass der Anteil der Protestanten bis 1880 auf zwei Drittel der Wohnbevölkerung zurückging. Bis 1950 verharrte er auf diesem Niveau. Alle anderen Konfessionen und Religionen stellten zusammen im 19. Jahrhundert kaum je mehr als 1%. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich bis 1970 der Anteil der Katholiken auf 41%. In den folgenden 20 Jahren veränderten sich die Verhältnisse infolge der allgemeinen Säkularisierung und auch migrationsbedingt dramatisch: Der Anteil der Protestanten sank auf einen Drittel, jener der Katholiken auf einen Viertel, während sich derjenige der Konfessionslosen auf beinahe 35%, jener der anderen Religionen und Konfessionen auf über 5% erhöhte.

Neben dem strukturellen Wandel prägten im 19. Jahrhundert der Kulturkampf und der Pietismus das kirchliche Leben. Der Kulturkampf zwischen der römisch-katholischen Gemeinde und vor allem freisinnig-protestantischen Kräften gipfelte 1884 in der Abschaffung der katholischen Schule und im 1889 verfassungsrechtlich festgelegten Unterrichtsverbot für Geistliche. Der Pietismus prägte das Leben und Denken des Basler Grossbürgertums im 19. und frühen 20. Jahrhundert tiefgreifend. Vor allem die 1815 gegründete Basler Missionsgesellschaft (Basler Mission) und die ihr angegliederte Basler Handelsgesellschaft wurden dank breiter Verankerung zu einflussreichen Institutionen in diversen "Missions-Gebieten", vor allem Afrikas und Asiens, mit zum Teil bis heute anhaltender Wirkung. Gegen die "Frommen" der pietistischen "Brüdergemeinde" machte sich innerkirchliche Opposition bemerkbar, die 1880-1884 in der Gründung "positiver" und "liberaler" Gemeindevereine gipfelte.

Erst ab 1848 konnten Katholiken das Bürgerrecht erwerben. Ihre Gemeinde lehnte 1876 die rechtliche Gleichstellung mit der evangelischen Kirche aus Furcht vor staatlicher Aufsicht ab; dafür erhielten 1878 die freisinnig orientierten Christkatholiken den Status einer katholischen Landeskirche. Die römisch-katholische Kirche wurde in Basel-Stadt erst 1972 Körperschaft öffentlichen Rechts. Zwischen 1885 und 1935 entstanden fünf neue katholische Kirchen und 1928 das St. Claraspital als wichtigstes Werk katholischer Wohltätigkeit.

Die 1805 gegründete jüdische Gemeinde blieb wegen der extrem restriktiven Aufenthaltsbestimmungen bis 1849 sehr limitiert. Volle Niederlassungsfreiheit und Rechtsgleichheit erhielten Juden erst durch die Teilrevision der Bundesverfassung von 1866. Die Synagoge konnten sie 1868 einweihen und 1892 vergrössern. Seit 1972 ist die Israelitische Gemeinde in Basel-Stadt, als erste in der Schweiz, den christlichen Landeskirchen gleichgestellt. Am 29. August 1897 eröffnete Theodor Herzl im Stadtcasino den ersten Zionistenkongress, der mit dem "Baseler Programm" die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina anstrebte. Bis zur Gründung des Staates Israel 1948 tagten neun weitere Zionisten-Kongresse in Basel. 1997 fanden Feierlichkeiten und wissenschaftliche Veranstaltungen zum 100-jährigen Jubiläum des ersten Kongresses statt.

Quellen und Literatur

  • StABS
  • UBB
  • HMB
  • SWA
  • Kantonsbl., 1798-
  • Slg. der Gesetze und Beschlüsse, 8 Bde., 1838-1981
  • Stat. Jb. Basel-Stadt, 1921-
  • Graph.-Statist. Hb. des Kt. Basel-Stadt, 1938
  • Chronolog. Gesetzesslg., 1982-
Reihen, Bibliografien
  • Neujahrs-Bl. für Basels Jugend, 1821-72 (ab 1873 Njbl.)
  • Basler Tb., 1850-64
  • Basler Stadtbuch, 1879-
  • BZGA, 1901-
  • Basler Bibl., 1919-
  • Kdm BS 1-, 1932-
  • Qu. und Forsch. zur Basler Gesch., 1966-
Darstellungen
  • Werke, die auch die Stadt Basel vor der Kantonstrennung umfassen, sind in der Regel nur in der Bibl. des Artikels Basel (Kanton) angeführt.
  • P. Doppler, Organisation und Aufgabenkreis der Stadtgem. Basel (1803-1876), 1933
  • M. Bolliger, Die Basler Arbeiterbewegung im Zeitalter des Ersten Weltkrieges und der Spaltung der Sozialdemokrat. Partei, 1970
  • M. Schaffner, Die Basler Arbeiterbevölkerung im 19. Jh., 1972
  • W. Pfister, Die Einbürgerung der Ausländer in der Stadt Basel im 19. Jh., 1976
  • H. Bauer, Basel, gestern - heute - morgen, 1981
  • W. Lüthi, Der Basler Freisinn von den Anfängen bis 1914, 1983
  • P. Hugger, Kleinhüningen, 1984
  • Das polit. System Basel-Stadt, 1984
  • INSA 2
  • B. Degen, Das Basel der andern, 1986
  • W. Haeberli, Die Gesch. der Basler Arbeiterbewegung, 2 Bde., 1986-87
  • P. Manz, Emigrazione italiana a Basilea e nei suoi sobborghi 1890-1914, 1988
  • D. Roth, Die Politik der Liberal-Konservativen in Basel, 1988
  • C. Stirnimann, Die ersten Jahre des "Roten Basel", 1988
  • C. Stirnimann, Der Weg in die Nachkriegszeit, 1992
  • S. Appenzeller, Basel und sein Tram, 1995
  • T. Straumann, Die Schöpfung im Reagenzglas, 1995
  • P. Meier-Kern, Zwischen Isolation und Integration, 1997
  • P. Sarasin, Stadt der Bürger, 21997
  • R. Wecker, Zwischen Ökonomie und Ideologie, 1997
  • M. Forter, Farbenspiel, 2000
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Bernard Degen; Rolf d'Aujourd'hui; Werner Meyer; Hans Berner; Ruedi Brassel-Moser; Niklaus Röthlin; Philipp Sarasin: "Basel-Stadt", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007478/2017-05-30/, konsultiert am 12.12.2024.