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Tuberkulose

Die Tuberkulose (Tbc), früher auch Schwindsucht genannt, ist eine nekrotisierende Infektionskrankheit (Krankheit). Sie wird von einem Mikrobakterium (Mycobacterium tuberculosis) verursacht, das vor allem die Lungen befällt, aber auch auf andere Organe übergreifen kann. Die Symptome sind Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit sowie spezifische Krankheitszeichen wie Fisteln und blutiger Auswurf. Die Krankheit ist chronisch und verläuft schleichend, kann aber auch rasch zum Tod führen. Tuberkulose ist seit dem Altertum bekannt. Sie wurde auf morphologische Ursachen oder Vererbung zurückgeführt, doch die Ätiologie blieb unklar, bis die Eigenschaften des tuberkulösen Befalls dank der Entwicklung der Anatomie im 16. und 17. Jahrhundert genauer beschrieben werden konnten. Als Robert Koch 1882 den Tuberkulose-Erreger entdeckte, begann die Ära der bakteriologischen und radiologischen Diagnose, der hygienisch-prophylaktischen Vorbeugung und der Suche nach einem spezifischen Heilmittel (Streptomycin, 1943).

Zwischen dem Ende des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreiteten die Romantiker ein idealisiertes Bild der Tuberkulose und betrachteten sie als Krankheit der Seele; die Schwindsüchtigen wurden zu tragischen Helden in der Literatur und Kunst. Die Industrielle Revolution und die Urbanisierung trugen zur Verbreitung des Bakteriums bei, dessen Ansteckungsgefahr bei ungesunden und beengten Wohnverhältnissen zunahm. Ab den 1880er Jahren nahm die Tuberkulose in der Schweiz und in den angrenzenden Ländern epidemischen Charakter an (Epidemien; 1895-1896 16'842 Todesfälle, 1905-1906 18'385 Todesfälle). Sie trat vor allem in den verstädterten Kantonen auf und traf die arme Bevölkerung, die wegen Mangelernährung, fehlendem Hygienewissen und Alkoholismus anfälliger war, sowie die junge Bevölkerung im Alter von 15 bis 35 Jahren, die in Familie, Schule und am Arbeitsplatz länger und stärker dem Kontakt mit anderen Menschen ausgesetzt war. Das führte zu einem veränderten Bild der Krankheit; ihre Übertragbarkeit und das Fehlen eines spezifischen Heilmittels bis 1943 erklären die Furcht, welche die sozial geächteten und isolierten Tuberkulosekranken auslösten.

Während die Armee das Land gegen äussere Gefahren verteidigt, schützt die Waadtländer Liga gegen die Tuberkulose die Gesundheit unseres Volks. Helfen Sie ihr dabei! Eine während des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte Postkarte, gedruckt in Vevey bei Säuberlin & Pfeiffer (Privatsammlung).
Während die Armee das Land gegen äussere Gefahren verteidigt, schützt die Waadtländer Liga gegen die Tuberkulose die Gesundheit unseres Volks. Helfen Sie ihr dabei! Eine während des Zweiten Weltkriegs veröffentlichte Postkarte, gedruckt in Vevey bei Säuberlin & Pfeiffer (Privatsammlung). […]

In der Schweiz lässt sich der Kampf gegen die Tuberkulose in drei Phasen aufteilen. In einer ersten Periode in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden auf Initiative der deutschen Ärzte Alexander Spengler und Karl Turban 1868 bzw. 1889 in Davos die ersten Sanatorien im Hochgebirge mit Luft- und Liegekuren sowie diätetischer Behandlung für begüterte und meist ausländische Patienten. Angeregt von philanthropischen Idealen und sozialen Fortschrittsideen setzten sich in einer zweiten Periode 1890-1920 Vertreter der städtischen Eliten wie Charlotte und Eugène Olivier in Lausanne, Arnoldo Bettelini in Lugano sowie Auguste Rollier in Leysin in Verbindung mit der öffentlichen Fürsorge und manchmal den Gemeinde- und Kantonsbehörden für die Gründung von sozialen Einrichtungen zur Prävention, Frühdiagnose und Behandlung der Tuberkulose ein. Auf regionaler oder kantonaler Ebene entstanden Sanatorien, Heilstätten, Präventorien und Antituberkuloseligen. Die erste schweizerische Volksheilstätte wurde 1895 in Heiligenschwendi eröffnet. Ab 1903 wurden die Aktivitäten von der Schweizerischen Zentralkommission gegen die Tuberkulose mit Sitz in Bern koordiniert, die 1919 in Schweizerische Vereinigung gegen die Tuberkulose und Lungenkrankheiten umbenannt wurde. In einer dritten Periode 1920-1940 erliessen die eidgenössischen Behörden ein Rahmengesetz, das Bundesgesetz betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose von 1928. Dieses hatte zum Ziel, die bestehenden und künftigen Einrichtungen zu koordinieren und zu subventionieren und die kantonalen Behörden dazu zu verpflichten, Wohngebiete und Wohnraum zu sanieren, die Bevölkerung über die Hygiene aufzuklären, einen schulmedizinischen Dienst aufzubauen und das Schulturnen zu fördern.

Das Aufkommen der Antibiotika verringerte das Tuberkulose-Risiko in der Schweiz (1947 3055 Todesfälle, 1957 869, 2008 20) und machte die Einrichtungen gegen die Tuberkulose überflüssig. In den 1960er Jahren wurden Sanatorien und Präventorien geschlossen und in Hotels, Rehabilitationskliniken oder Heilstätten zur Behandlung anderer Lungenkrankheiten wie Asthma und Atemwegsallergien umgewandelt; auch die Schweizerische Vereinigung gegen die Tuberkulose, seit 1997 Lungenliga Schweiz, die kantonalen Ligen und die Heilstätten richteten ihre Aktivitäten anders aus. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam die Tuberkulose in der Schweiz nur noch selten vor (2009 7,1 Fälle auf 100'000 Einwohner), während sie in der Welt auch im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Aids vor allem in den Entwicklungsländern häufig blieb (2009 137 Todesfälle auf 100'000 Einwohner).

Quellen und Literatur

  • G. Heller, Charlotte Olivier: la lutte contre la tuberculose dans le canton Vaud, 1992
  • F. Corti, Il mal sottile: i 90 anni della lega polmonare ticinese, 2004
  • A. Kaufmann, Luft zum Leben: Die Gesch. der Lungenliga Zürich, 2008
Weblinks

Zitiervorschlag

Francesca Corti: "Tuberkulose", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.12.2012, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007982/2012-12-07/, konsultiert am 16.10.2024.