de fr it

Auslandschweizer

Plakat für den 50. Auslandschweizer-Kongress im August 1972 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für den 50. Auslandschweizer-Kongress im August 1972 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Die Schweiz war jahrhundertelang ein Auswanderungsland (Auswanderung), das sich allerdings bis Ende des 19. Jahrhunderts wenig um die Beziehungen der Ausgewanderten zu ihrer alten Heimat kümmerte. Vom Ersten Weltkrieg an und im Zusammenhang mit dem allgemeinen Bedürfnis nach einer Stärkung des Nationalgefühls fanden diejenigen Auslandschweizer, die ihre heimatliche Kultur zu erhalten wünschten, in der Schweiz vermehrt Unterstützung. Die Neue Helvetische Gesellschaft (NHG) definierte die Auslandschweizer als "Vierte Schweiz" (die allerdings 1938 mit der Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landessprache zur "Fünften Schweiz" wurde). Die gestiegene Bedeutung der weltweit verstreuten Auslandschweizer wurde mit wirtschaftlichen, kulturellen, moralischen und patriotischen Argumenten untermauert. Im Bestreben, die Beziehungen zwischen den Auslandschweizern und ihrer alten Heimat zu fördern, rief die NHG 1916 die Auslandschweizer-Organisation (ASO) und 1919 das Auslandschweizer-Sekretariat (ASS) ins Leben. Diese gaben den Aktivitäten im Wohltätigkeitsbereich, Medien- und Vereinswesen starke Impulse. Schätzungen zufolge stieg die Zahl der Auslandschweizer-Vereine von 39 1860 über 84 1880 und 142 1885 auf 800 1928, fiel bis 1965 auf 700 und lag 2009 bei 750. Zu ihren Hauptbeschäftigungen zählten Wohltätigkeit, Schiessen, Turnen und Kulturelles (insbesondere der Gesang), wobei das gesellige Beisammensein unter Landsleuten mit im Vordergrund stand.

1850 lebten rund 50'000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, 1880 waren es 250'000, 1895 330'000 und vor 1914 knapp 380'000. Statistische Erhebungen, mit denen die Schweizer Konsulate zwischen den Weltkriegen beauftragt waren, lassen für diese Zeit auf etwa 0,5 Mio. Auslandschweizer schliessen. Angesichts von Doppelbürgerschaften ist diesen Zahlen gegenüber allerdings grosse Vorsicht angebracht. So erfasste 1950 eine amerikanische Studie 275'000 schweizerisch-amerikanischer Doppelbürger in den USA, die Schweizer Konsulate zählten dagegen nur 121'000. Die Statistiken des EDA zeigen eine stetige Zunahme von Doppelbürgern: 1950 besass ein Drittel der 237'443 Auslandschweizer eine zweite Staatsangehörigkeit, 1996 waren von den 541'302 gemeldeten Auslandschweizern 69% Doppelbürger und 2010 von 695'191 72%. Zudem geben die Statistiken Aufschluss über die geografische Verteilung der Auslandschweizer ohne weitere Staatsbürgerschaft. Diese haben sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts vorzugsweise in Frankreich, Deutschland und den USA niedergelassen.

Der Zweite Weltkrieg markiert einen Wendepunkt in der Auswanderung, die durch die robuste Nachkriegskonjunktur gebremst wurde. 1966 nahm das Volk Artikel 45bis der Bundesverfassung an, der dem Bund die Befugnis verleiht, die Beziehungen unter den Auslandschweizern und zur Heimat zu fördern und diesem Ziel dienende Institutionen, wie die Schweizerschulen, finanziell zu unterstützen. Die ersten Auslandschulen waren im 19. Jahrhundert in Italien entstanden. Meist ging die Initiative zu ihrer Gründung von wohlhabenden Schweizer Kolonien aus, die sich im Umfeld von grossen Unternehmen oder Handelskammern gebildet hatten. 2011 betrug ihre Schülerzahl insgesamt 7300, wovon 1800 Schweizer Kinder waren.

Der Verfassungsartikel wurde 1976 durch ein Bundesgesetz ergänzt, das die Stärkung der Schweizer Präsenz im Ausland und eine effizientere Zusammenarbeit aller auf diesem Gebiet tätigen Organisationen zum Ziel hat, namentlich der Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung OSEC, der Pro Helvetia, der ASO und der 1972 gegründeten Koordinationskommission für die Präsenz der Schweiz im Ausland (seit 2000 Präsenz Schweiz), die wie der Auslandschweizerdienst dem EDA untersteht. Seit 1992 können Auslandschweizer ihre politischen Rechte auf eidgenössischer Ebene brieflich wahrnehmen. Sowohl die ASO als auch das ASS sind sehr aktiv. Sie informieren zum Beispiel Auswanderungswillige und sind bemüht, Auslandschweizern der zweiten Generation die alte Heimat näher zu bringen (seit 1934 durch Jugendlager). Zuweilen begeht ein Mitglied des Bundesrats die Bundesfeier in einer Schweizerkolonie, um die Verbundenheit zwischen den Auslandschweizern und der Schweiz zu unterstreichen.

Quellen und Literatur

  • EDA, Dok.
  • G. Arlettaz, «"Les Suisses de l'étranger" et l'identité nationale», in SQ 12, 1986, 5-35
  • «Die Auslandschweizer im 20. Jh.», in SQ 28, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Marc Perrenoud: "Auslandschweizer", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.02.2014, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/007990/2014-02-12/, konsultiert am 04.10.2024.