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Mülenen

Burg in der Gemeinde Reichenbach im Kandertal BE, hochmittelalterliche Adelsherrschaft, ab 1352 bernische Kastlanei.

Die im Frutigland im 13. Jahrhundert begüterten Freiherren von Kien geboten auch über die Grosspfarrei Aeschi. Ihre vermutliche Stammburg Aris ob Kien (Gemeinde Reichenbach) ist eine Anlage des 12. und 13. Jahrhunderts (Burgturm, Halsgräben-Wallsystem sichtbar). Ihre zweite Burg in Mülenen (1269 Mulinon, Bau 12.-14. Jh., Mauerreste) lag am mittelalterlichen Saumweg ins Wallis und bildete mit einer Letzi (vermutlich 12. Jh., Mauerreste) gegen Norden eine Talsperre. Konrad Justinger nennt für 1331 ein stetli Mülenen; da ein solches urkundlich nie erwähnt wird, dürfte es sich nach dem archäologischen Befund um südöstlich an Burg und Letzi angebaute Häuser, nicht aber um ein eigentliches Städtchen gehandelt haben. Rechte und Grundbesitz der von Kien gingen vor 1290 an die Freiherren von Wädenswil über. Sie und ihre Erben, die Herren vom Turn, gehörten zur Adelskoalition gegen die Stadt Bern, verschuldeten sich in Kriegszügen und mussten Güter abstossen, unter anderem an ihre Ministerialen (von Scharnachtal, von Ried); Mülenen kam um 1330 als Pfand an Berner Gläubiger. Die Freiherren von Weissenburg lösten dieses 1334 aus. Von ihnen ging die Herrschaft Mülenen um 1350 an Thüring von Brandis über, der sie 1352 mit dem Kirchensatz Aeschi an Bern verkaufte. Die nun mit Sitz auf Burg Mülenen errichtete bernische Kastlanei Mülenen umfasste das Gebiet der heutigen Gemeinde Aeschi bei Spiez und Reichenbach; der Kastlan verwaltete das Wehrwesen sowie hohe und niedere Gerichte. Im 15. Jahrhundert vereinfachte Bern seine Verwaltung im Frutigland: Der Kastlan von Frutigen nahm auch den Titel des Kastlans von Mülenen an und übte dort Berns Hoheitsrechte unter Beibehaltung der örtlichen Infrastruktur (Statthalter, Landschreiber usw.) aus. Krattigen, 1513 von Bern erworben, wurde mit Mülenen verwaltet. Bern liess wahrscheinlich die nicht mehr benötigte Befestigung zerfallen; die Kapelle wurde in der Reformation 1533 abgebrochen und die Kastlanei Mülenen wohl noch im 16. Jahrhundert ganz aufgegeben; ihre drei Gerichte (Aeschi, Mülenen-Reichenbach-Wengi, Krattigen) kamen zur Kastlanei Frutigen. Die Landleute von Mülenen-Aeschi waren in einem Landschaftsverband zusammengeschlossen, der sich teilweise selbst verwaltete (Steuererhebung), ein eigenes Landrecht hatte (1469 nach Archivbrand erstmals kodifiziert, 1835 abgeschafft) und im bernischen Heer unter eigenem Banner marschierte.

Quellen und Literatur

  • SSRQ BE II/2
  • W. Brügger et al., Das Frutigbuch, 21977
  • D. Gutscher, E. Nielsen, «Reichenbach-Mülenen», in ArS 16, 1993, 105 f.
  • D. Gutscher, W. Wild, Reichenbach: Burg und Letzi Mülenen, 1997

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Mülenen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.11.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008344/2009-11-19/, konsultiert am 28.03.2024.