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Genietruppen

Seit dem 19. Jahrhundert bezeichnet Genie in der Schweiz im engeren Sinn die Genietruppen, im weiteren Sinn aber die militärische Bautechnik zur Landesverteidigung. Mit der Bautätigkeit des Staates zur Kriegsvorbereitung (Befestigungen) soll die Beweglichkeit der eigenen Truppen erhöht, jene des Gegners vermindert und die eigenen Kampfbedingungen durch Waffenstellungen und Schutzbauten verbessert werden. Das Wort Genie stammt aus Frankreich, wo es im 18. Jahrhundert die Befestigungstechnik bezeichnete, aber auch als Name für das Offizierskorps des Festungsbaus und seiner Schulen gebraucht wurde. Die Mannschaft der Genietruppen besteht aus Sappeuren und Pontonieren, dazu weiteren Spezialisten wie Mineuren, Infanterie- und Festungspionieren, Seilbahn- und Panzersappeuren, Baumaschinenführern sowie Tauchschwimmern. Zeitweise bezeichnete Genietruppen die technischen Truppen allgemein, sodass auch Eisenbahn-, Telegrafen-, Funker- und Ballonpioniere dazu gehörten.

Auf dem Weg zur Spezialwaffe in der Armee von 1874

Fahne des aus Bauern gebildeten Bickel- und Schauflerkorps der Basler Genietruppen, um 1540 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal).
Fahne des aus Bauern gebildeten Bickel- und Schauflerkorps der Basler Genietruppen, um 1540 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal).

Unmittelbare Vorläufer des Genie sind die Ingenieurleistungen in den eidgenössischen Orten, die seit dem 16. Jahrhundert bei den Stadtbefestigungen die herkömmliche Technik ablösten (Ingenieurwesen). Erste kriegerische Einsätze hingegen sind bereits früher überliefert. Im Morgartenkrieg 1315 sollen 50 Zürcher Bauhandwerker auf Seiten Österreichs den Tod gefunden haben, als sie versuchten, die verteidigten Sperren der Eidgenossen zu öffnen. Im Alten Zürichkrieg überbrückten die Eidgenossen 1444 die Limmat mit «Schiffen und Gezüg», um beide Seiten der Belagerung von Zürich zu verbinden. Ab dem 16. Jahrhundert werden in den Heeren von Bern, Zürich und Basel erste Genietruppen erwähnt. Sie hiessen «Schaufelbauern» bzw. «Schanzgräber», waren mit Schanzzeug ausgerüstet und hatten eigene Hauptleute («Schuflislüten-Führer») mit Fähnchen («Schuffelburenfändli»). Meistens waren sie mit der Artillerie verbunden, wo sie die Geschützstellungen verbesserten; ausserdem bauten sie Kriegsbrücken. 1794 beschloss Bern die Schaffung eines Feldingenieurkorps, um nicht seine Artillerieoffiziere zur Leitung von Schanzarbeiten einsetzen zu müssen.

Übung der Zürcher Pontoniere auf der Sihl. Radierung eines unbekannten Künstlers, 1758 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Übung der Zürcher Pontoniere auf der Sihl. Radierung eines unbekannten Künstlers, 1758 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

Im Bundesheer, das die Kantone seit 1815 zusätzlich zu den eigenen Truppen bereithalten mussten, hatten die Genietruppen eine hohe Bedeutung, obwohl die Mittel anfänglich bescheiden und die Zahl der ausgeführten Bauten gering waren. Im eidgenössischen Generalstab wurde ein Feldingenieurkorps gebildet. Seine Offiziere erstellten für die Einsätze der eidgenössischen Divisionen, die sich nun auf das ganze Land erstreckten, die Pläne für die Befestigungen und die Kartengrundlagen (Kartografie). Daraus entwickelte sich die Idee der Landesbefestigung, die gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die primär durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum motivierte «Entfestigung» und Modernisierung der Städte erlaubte. Die technische Verantwortung lag beim Generalstab, der im aktiven Dienst einen Oberkommandanten des Genie einsetzte (erstmals 1831, ab 1914 Geniechef). Unter dem Eindruck der Beweglichkeit fremder Heere wurden 1817 im Bundesheer auch Genietruppen aufgestellt (drei Kompanien, 1832 erhöht auf fünf). Zusammen mit jenen der Kantone verfügten die eidgenössischen Truppen im Sonderbundskrieg 1847 über zehn Sappeur- und drei Pontonier-Kompanien. Die 1819 zur Vereinheitlichung des Wehrwesens in Thun eröffnete Zentralschule begann mit Kursen für Artillerie und Genie, jene für Infanterie folgten 1826. Vom ersten eidgenössischen Kriegsmaterialbudget (Rüstung) bewilligte die Tagsatzung den Genietruppen eine 115 m lange Pontonbrücke mit einer Tragfähigkeit von 3 t, die in Zürich angefertigt und 1822 ausgeliefert wurde.

Eigene Truppen, Festungsbau und Zerstörungswesen (1874-1945)

In der Militärorganisation von 1874 wurden erstmals Geniebataillone gebildet und jeder Division eines unterstellt. Seither folgte die Gliederung der Genietruppen jener der Armee mit Truppenkörpern in jeder Heereseinheit. Bei den Armeekorps waren es vorab Pontonier- und Telegrafen-Kompanien, die zu den ersten Korpstruppen gehörten (1891-1912 und ab 1938). In die Kompanien der Infanterie eingeteilt waren ausserdem Infanteriepioniere mit der Aufgabe der Geländeverstärkung (1874-1907). Genie- und Baumaterial wurde mitgeführt oder von Fall zu Fall requiriert. Die Pontoniere verfügten ab 1862 über die Birago-Brücke (Tragfähigkeit 3 t) und ab 1935 über die Ponton-Brücke (Tragfähigkeit 12 t), deren Einzelteile immer auch Fährbetrieb erlaubten. Weiter wurden Genietruppen wiederholt zum Bau von permanenten Anlagen wie Festungen, Hindernissen, Strassen und Brücken eingesetzt.

Während des Ausbaus der Landesbefestigung mit Werken am Gotthard und in Saint-Maurice (1885-1921) wurde das Festungswesen unter der Leitung des Generalstabschefs verselbstständigt und Festungstruppen mit Artilleriegeschützen aufgestellt. Geniefachleute blieben zuständig für den Bau, wozu das Büro für Befestigungsbauten betrieben wurde (1886-1921 und 1935-1951). Als schweizerische Besonderheit bildeten sich die Mineure nicht für einen Minenkrieg aus, sondern für Zerstörungen der Verkehrswege, vor allem an Engpässen. Genieoffiziere bereiteten Bauten wie Eisenbahn- und Strassenbrücken als Sprengobjekte und weitere Hindernisse vor. Im Ernstfall erlaubten diese vielfältigen Massnahmen, die Verkehrswege rasch unbrauchbar zu machen; die Genieoffiziere hatten die Aufgabe, die Kampftruppen zu beraten, dass sie die vorbereiteten Objekte geschickt in ihre Pläne einbeziehen konnten (1880 erste Minenkammern und Mineurgruppen, 1893 Verordnung des Bundesrats betreffend Sprengbefugnis, 1938 Reorganisation der Zerstörungstruppen und Zerstörungsabschnitte). Ab 1940 verstärkten Verminungen mit Panzer- und Personenminen diese Wirkung. Die ab 1936 erscheinenden «Technischen Mitteilungen für Sappeure, Pontoniere und Mineure» (1995 «Technische Mitteilungen für Genietruppen, seit 2002 «Bauen & retten») wurden massgeblich von Fritz Stüssi gefördert, Oberst der Genietruppen und Professor der ETH Zürich.

Mechanisierung und Reaktion auf Kernwaffen (nach 1945)

Infolge der veränderten Bedrohung nach 1945 wurden 1952 die Genietruppen und das Festungswesen im eidgenössischen Militärdepartement in einer eigenen Abteilung zusammengefasst. Für die Planung aller feldmässigen und permanenten Geländeverstärkungen vereinheitlichte das Genie ab 1952 die Bautypen und erneuerte sie inklusive Materialversorgung aufgrund von Truppenübungen und Schiessversuchen (1977, 1987). Wissenschaftliche Kenntnisse über Waffenwirkungen lieferte das Forschungsinstitut für militärische Bautechnik (1964 gegründet, 1986-2002 Institut für militärische Sicherheitstechnik an der ETH Zürich). Weiteres Know-how zum Beispiel über den Hinderniswert von Flussläufen erarbeiteten das Korps der Ingenieuroffiziere (1924-1995) und die Baustäbe.

Zur Erhöhung der Beweglichkeit wurden die Genietruppen mit Brücken für Lasten bis zu 70 t ausgerüstet (Schlauchbootbrücke 1961, Feste Brücke 1969, Schwimmbrücke 1995, Stahlträgerbrücke 1998). Für die Mechanisierten Truppen wurden Panzersappeure geschaffen und mit Schützenpanzern ausgerüstet. Das Gebirgsarmeekorps verfügte über Seilbahnmaterial, das die Sappeure aufbauten und betrieben (bis 1995). Allgemein folgte die maschinelle Ausrüstung dem Stand der zivilen Bautechnik, wobei die Armee den Hauptbedarf an Geräten durch Requisition deckte und nur spezifische Geräte beschaffte. Bis 1995 wurden als permanente Geländeverstärkung 1700 Sprengobjekte, 2000 Hindernisse gegen Panzer, 900 bestückte Festungswerke und 6000 Schutzanlagen für ca. 1/5 des Armeebestandes ausgebaut.

Das Geniebataillon 27 bei einem Einsatz in Schlans im Bündner Oberland am 20. November 2002 © KEYSTONE / Peter De Jong.
Das Geniebataillon 27 bei einem Einsatz in Schlans im Bündner Oberland am 20. November 2002 © KEYSTONE / Peter De Jong. […]

In den Armeereformen 1995 und XXI wurden die Genietruppen reduziert und im Hinblick auf die zunehmende Vielfalt an Aufgaben neu strukturiert. Vollständig liquidiert wurden die Personenminen; die Schweiz hat das internationale Anti-Personenminenverbot 1997 angenommen und 1998 ratifiziert. Ausdrücklich geregelt ist die militärische Hilfe zur Bewältigung von Katastrophen (Naturkatastrophen). Genietruppen beheben insbesondere Schäden an der gebauten Infrastruktur, wo zivile Kräfte nicht ausreichen. Ab den 1980er Jahren nahmen diese Einsätze markant zu.

Quellen und Literatur

  • H. Hauser, «Die Gesch. der Genietruppen», in Techn. Mitt. für Sappeure, Pontoniere und Mineure, 1961, Nr. 2/3
  • A. Stutz, «Die militär. Bedeutung unseres Geländes», in Techn. Mitt. für Sappeure, Pontoniere und Mineure, 1979, Nr. 3, 54-61
  • B. Hirzel, «Unser Zerstörungswesen», in Techn. Mitt. für Sappeure, Pontoniere und Mineure, 1981, Nr. 3, 62-66
  • P. Bagnoud, «Geniedienst in der Armee 95», in ASMZ 161, 1995, Nr. 7/8, 31-34
  • U. Jeanloz, «Unter einem Dach - Kanoniere, Pontoniere und Pioniere», in ASMZ 162, 1996, Nr. 9, 9-11
  • R. Kull, «Les troupes et le service du génie», in RMS, 1998, Nr. 1, 27-30
Weblinks

Zitiervorschlag

Bruno Meyer: "Genietruppen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.11.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008581/2006-11-28/, konsultiert am 28.03.2024.