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Militärischer Vorunterricht

Anknüpfend an aufklärerisch-idealistischen Vorstellungen propagierte der erste Entwurf einer Armeereform von 1868 die Einführung eines militärisch-turnerischen Vorunterrichts, der die physische Entwicklung der Männer zwischen obligatorischer Volksschule und Rekrutenschule fördern sollte. Die Militärorganisation 1874 erklärte jedoch nur das Knabenschulturnen, das vom Eidgenössischen Militärdepartement (EMD) finanziert wurde, für obligatorisch. Trotz eidgenössischer Vorschriften blieben die Kantone im Bereich militärischer Vorunterricht jedoch weitgehend untätig. 1875 schlug die eidgenössische Turnkommission eine Erhebung der physischen Leistungsfähigkeit parallel zur Pädagogischen Rekrutenprüfung vor (Turnbewegung). 1904 wurde eine Turnprüfung bei der militärischen Aushebung (Rekrutierung) eingeführt, welche die Disziplinen Weitsprung, Hantelheben und 80-Meter-Lauf umfasste. Die 1909 erlassene Verordnung über den freiwilligen militärischen Vorunterricht – 1928 erheblich ausgebaut durch die Vorunterrichtverordnung – förderte Angebote verschiedener privatrechtlicher Organisationen, die sich zum Teil konkurrierten, zum Beispiel der turnerische Vorunterricht des Eidgenössischen Turnvereins und der bewaffnete Vorunterricht der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. 1937 legte das EMD einen Entwurf für eine zentralisierte Vorbildung auf die Rekrutenschule für 16- bis 19-Jährige vor; diese sollte die drei obligatorischen Kurstypen turnerischer Vorunterricht, Jungschützenkurse sowie militärische Vorkurse für Diensttaugliche umfassen. Die Vorlage wurde 1940 von Volk und Ständen deutlich verworfen. Gestützt auf die Kriegsvollmacht erliess der Bund bereits 1941 eine neue Verordnung über den militärischen Vorunterricht, die ihm die Kompetenz zur Leiterausbildung übertrug. Betreut von der neu geschaffenen Zentralstelle für Vorunterricht, Turn-, Sport- und Schiesswesen begann die Ausbildung in Magglingen im folgenden Jahr, 1944 an der neu gegründeten Eidgenössischen Turn- und Sportschule. Bis 1971 absolvierten weit über 50'000 sportlich Interessierte die Kurse zum Vorunterrichtsleiter. Der freiwillige Vorunterricht beinhaltete Übungen, Lager, Kurse mit sportlichen und technischen Aktivitäten sowie jährlichen Leistungsprüfungen.

Aufgrund des neuen Bundesgesetzes zur Förderung von Turnen und Sport wurde 1972 der Vorunterricht von Jugend + Sport (J+S) abgelöst. J+S besitzt keine rein militärische Bindung mehr. Unter der Gesamtleitung der Eidgenössischen Fachhochschule Magglingen bezweckt die von Bund und Kantonen getragene Institution, auf freiwilliger Basis Jugendliche beiderlei Geschlechts vom 10. bis zum vollendeten 20. Altersjahr zahlreiche Sportarten altersgerecht und ganzheitlich erleben und mitgestalten zu lassen. Vielfältige modulare Aus- und Weiterbildungsangebote sorgen für fundierte Ausbildung der Leitenden bzw. gewährleisten deren obligatorische Weiterbildung. Etwa 105'500 J+S-Leitende verfügten 2004 über eine gültige Anerkennung in einer oder mehreren der 75 Sportarten. 377'200 Knaben und 212'800 Mädchen wurden in 47'700 Kursen und Lagern unterrichtet, wobei sich Fussball (162'400 Teilnehmende), Schneesport (137'400) und Ferienlager/Trekking (84'200) als populärste Disziplinen auszeichnen.

Quellen und Literatur

  • L. Burgener, Starke Jugend, freies Volk, 1960
  • M. Giuliani, Starke Jugend – freies Volk, 2001
Weblinks

Zitiervorschlag

Max Edwin Furrer: "Militärischer Vorunterricht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008702/2008-11-13/, konsultiert am 19.09.2024.