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Internierungen

Ein Teil der Bourbakiarmee in Yverdon, 1871 (Schweizerische Nationalbibliothek).
Ein Teil der Bourbakiarmee in Yverdon, 1871 (Schweizerische Nationalbibliothek). […]

Als Internierung wird die Unterbringung ausländischer Militär- oder Zivilpersonen in Kriegszeiten in von der Armee verwalteten Lagern bezeichnet. Laut Artikel 5 und 13 der Haager Konventionen von 1907 sind nicht Krieg führende Länder berechtigt, fremde Truppen zu internieren, eine Massnahme, welche die Schweiz schon 1871 nach dem Grenzübertritt der französischen Ostarmee (Bourbakiarmee) ergriffen hatte. Militärische Verbände oder Einzelkämpfer, die sich nahe der Grenze eines neutralen Staates aufhalten, können diesen um Asyl ersuchen. Wenn die Behörden sie akzeptieren, entwaffnen sie die Flüchtlinge und internieren sie bis zum Ende des Konflikts. Soldaten und Unteroffiziere werden in Lager verbracht; die Offiziere können auf freiem Fuss bleiben, wenn sie ihr Wort geben, das Land nicht zu verlassen. Militärische Verbände, die in Kriegsgefangenschaft geraten, unterstehen den gleichen Bedingungen. Oft ist es schwierig, zwischen Einzelkämpfern, Internierten und Deserteuren zu unterscheiden. Im Falle des Einverständnisses beider Kriegsparteien können Kriegsgefangene einem neutralen Staat übergeben werden, der sie als Internierte behandelt. Die Kosten der Internierung trägt in der Regel das Herkunftsland der Internierten.

Im Ersten Weltkrieg unternahm die Schweiz keine grösseren Internierungsaktionen. Immerhin nahm sie ab Anfang 1916 über 12'000 Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten – Franzosen, Engländer, Belgier und Deutsche – auf. Als Kriegsverletzte wurden sie in Luftkurorten in der französischen Schweiz (Waadtländer und Walliser Alpen, Neuenburger Jura) und in der Deutschschweiz (Berner Oberland, Zugerberg, Davos) untergebracht. Ende November 1918 verliessen sie die Schweiz wieder.

Im Zweiten Weltkrieg internierte die Schweiz im Juni 1940 29'000 französische Armeeangehörige und 12'000 Polen des 45. französischen Armeekorps, die an der Grenze des Berner Juras in die Enge getrieben worden waren; dazu kamen noch rund 2000 Zivilpersonen. Das Eidgenössische Militärdepartement gründete das eidgenössische Kommissariat für Internierung und Hospitalisierung. Mit dem Einverständnis von Vichy und Berlin wurden die Franzosen im Januar 1941 repatriiert, während die Polen bis 1945 in den Lagern verblieben. Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 und der Besetzung Norditaliens durch die Deutschen kamen 20'000 Männer, vor allem Italiener, über die Tessiner Grenze in die Schweiz. Vom Sommer 1944 an wurden zahlreiche Verbände der deutschen Wehrmacht und Einzelpersonen in der Schweiz interniert.

Die schweizerischen Behörden wiesen nur Angehörige der SS und einige auf deutscher Seite kämpfende Militärs zurück, so die Russen der Wlassow-Armee. Als Internierte erachteten sie hingegen hospitalisierte Militärpersonen, Deserteure, Kriegsgegner, Dienstverweigerer aus Gewissensgründen sowie ausgerissene Kriegsgefangene, deren Aufnahme die Haager Konventionen nicht zwingend vorschreiben. Sie unternahmen nichts dagegen, dass geflohene Alliierte durch die Schweiz reisten, um wieder am Kampf teilzunehmen. 1939-1945 wurden insgesamt 104'000 Militärangehörige in der Schweiz interniert: 34'500 Franzosen, 24'400 Italiener, 17'100 Polen, 7200 Deutsche und Österreicher, 5800 Briten, 2100 Jugoslawen, 1600 Amerikaner und 8400 Sowjetbürger, von denen sich einige später weigerten, in die Sowjetunion zurückzukehren, weil sie Repressalien befürchteten. Bei Kriegsende gestaltete sich der Umgang mit den Internierten unterschiedlichster Herkunft nicht einfach. Probleme bereiteten etwa deren Beziehungen zur Zivilbevölkerung, insbesondere zu den Frauen, oder der Umstand, dass sich die Amerikaner nicht den üblichen Regeln für Internierte fügen wollten. Der Alltag der Internierten verlief je nach Ursprungsland unterschiedlich: Einige leisteten harte Arbeit (auf dem Feld oder auf Baustellen), während die amerikanischen Piloten auf Kosten ihrer Botschaft im Hotel einquartiert waren. Wie im Ersten Weltkrieg wurde einigen dieser Personen die Möglichkeit geboten, ein Studium zu absolvieren.

Im Afghanistankrieg (1979-1988) waren die afghanischen Widerstandskämpfer nicht in der Lage, die von ihnen gefangen genommenen Sowjetbürger entsprechend den Genfer Konventionen zu behandeln. Mit dem Einverständnis der beiden Parteien erklärte sich die Schweiz bereit, diese Personen während zwei Jahren auf dem Zugerberg als Kriegsgefangene aufzunehmen – nicht aber als Internierte, da sie nicht aus eigener Kraft an die Grenze gekommen waren.

Quellen und Literatur

  • E. Favre, L'internement en Suisse des prisonniers de guerre malades ou blessés, 3 Bde., 1916-19
  • R. Broggini, Terra d'asilo: i rifugiati italiani in Svizzera, 1943-1945, 1993
  • V. Massarotti, «Internati militari e rifugiati civili nel Ticino tra il 1943 e il 1945», in Rivista militare della Svizzera italiana, Jan./Feb. 1999, 23-27
  • J. Stadelmann, S. Krause, "Concentrationslager" Büren an der Aare 1940-1946, 1999
  • Histoire de l'Université de Neuchâtel 3, 2002, 277-282
  • Veröff. UEK, Schlussber. 2002, 100-102
Weblinks

Zitiervorschlag

Hervé de Weck: "Internierungen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.05.2008, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008704/2008-05-13/, konsultiert am 11.10.2024.