812 km langer Fluss, der am Rhonegletscher entspringt und 264 km durch die Schweiz (inklusive 73 km Genfersee) verläuft. Deutsch früher Rottu oder Rotten (noch heute im Oberwallis gebräuchlich), französisch Rhône, italienisch Rodano, romanisch Rodan. Die Rhone durchquert das Wallis mit leichtem Gefälle, fliesst zwischen Noville und Le Bouveret (Gemeinde Port-Valais) in den Genfersee, verlässt diesen in Genf, schlängelt sich zwischen Alpen- und Juramassiv bis nach Lyon, wo die Saône in sie einmündet, strömt weiter nach Valence, Avignon und Arles, verästelt sich im Rhonedelta (Camargue) und mündet schliesslich ins Mittelmeer. Das Einzugsgebiet der Rhone hat eine Fläche von 95'500 km2, davon liegen 10'403 km2 in der Schweiz (Kantone Wallis, Waadt, Genf). Die von der Rhone geführte Wassermenge variiert je nach Jahreszeit stark. Von den zahlreichen, häufig verheerenden Hochwasserereignissen fanden in den Chroniken besonders jene von 563 (Bergsturz von Tauredunum), 1469, 1640, 1740, 1778 und 1860 Niederschlag. Die Etymologie des Namens Rhone ist unklar, vielleicht ist er keltisch oder griechisch (griechisch rhodanos; lateinisch rhodanus). Für die Herkunft aus dem Griechischen spricht der Bericht Plinius' des Älteren in seiner "Naturalis Historia" (III, 5, 2), demzufolge sich eine Händlerkolonie von der Insel Rhodos im 7. oder 6. Jahrhundert v.Chr. am Eingang des Deltas niedergelassen und der Rhone ihren Namen gegeben haben soll.
Oberhalb des Genfersees
Die schwankende Wassermenge und die Nebenarme des Flusses, welche in der Flussebene Inselchen, Sümpfe und Sandbänke entstehen liessen, stellten eine Gefahr für die Gesundheit der am Flussufer lebenden Menschen dar und beeinträchtigten den Personen- und Warenverkehr. Der älteste Rhoneübergang, über den der Verkehrsweg vom Grossen St. Bernhard führte, befand sich in Tarnaiae. Im Zusammenhang mit dem Simplonpass ist ab dem 12. Jahrhundert ein Weg belegt, der einmal dem rechten, einmal dem linken Flussufer folgte. Vom 13. Jahrhundert an werden Brücken in Saint-Maurice, Riddes, Leuk und Naters erwähnt, die jedoch schlecht gebaut waren und häufig weggerissen wurden. Wo Brücken fehlten, wurde der Fluss auf Fähren überquert. Stege verbanden die Dörfer auf beiden Seiten der Rhone. Erst die Brücken, die nach den Flusskorrektionen des 19. Jahrhunderts gebaut wurden, hielten den Überschwemmungen stand. Oberhalb des Genfersees eignete sich die Rhone nur für die Holzflösserei, schiffbar war sie nie. Eine Ausnahme bildete der Canal Stockalper zwischen Vouvry und Collombey, den der Kaufmann Kaspar Stockalper vom Thurm ab 1651 bauen liess. Er war 1659-1678 für den Warentransport geöffnet, wurde 1842 saniert, als Entwässerungskanal genutzt und 1879 bis zum See verlängert. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts betreiben Fabriken in Lavey-Morcles, Chippis (Alusuisse), Visp (Lonza), Mörel und Ernen ihre Maschinen mit der Wasserkraft der Rhone. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren Wasserkraftwerke in Bex-Massongex in Planung.
Um den Fluss zu zähmen, bauten die Ufergemeinden ab dem 16. Jahrhundert Dämme aus Faschinen, Erde und Kies, sogenannten bâties, die jedoch eine beschränkte Wirkung zeigten und hohe Unterhaltskosten verursachten. Im 18. Jahrhundert kam die Idee einer Gesamtkorrektion der Rhone auf, die sich aber erst nach dem Beitritt des Wallis zur Eidgenossenschaft 1815 realisieren liess. 1825 erarbeiteten die Ingenieure Ignaz Venetz und Adrien Pichard einen Plan für die Rhonekorrektion unterhalb von Saint-Maurice. Gleichzeitig wurden Kanäle angelegt, insbesondere zwischen Saint-Triphon und Noville (Grosser Kanal), in Martigny, Sitten und oberhalb von Brig, um die Ebene zu entsumpfen und zu bewässern sowie Überschwemmungen zu verhindern. Erst nach den Überschwemmungen von 1860 erfolgte 1863-1894 die Korrektion des Abschnitts zwischen Brig und dem Genfersee. Dabei wurde das sogenannte Sporensystem, eine einzigartige, als Walliser Bauweise bekannte Uferschutztechnik, angewandt. Zusätzlich zu den Längsdämmen wurden Querbuhnen angelegt, die ein neues Flussbett mit engerem Verlauf schufen und so den Geschiebetransport begünstigen sollten. Mit der Korrektion wurden im Rhonetal längerfristig 7000 ha fruchtbares Land für den Wein-, Obst- und Gemüsebau gewonnen, was zu einem landwirtschaftlichen Wachstum führte und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen die Abwanderung bremste. 1930-1960 war eine zweite Korrektion nötig, bei der unter anderem die Auflandungen im Flussbett abgebaggert wurden. Das Projekt für eine dritte, auf 30 Jahre geplante Korrektion von der Quelle bis zum Genfersee war 2009 in der Vernehmlassung.
Unterhalb des Genfersees
Ab Genf gewinnt die Rhone an Fliessgeschwindigkeit. Überschwemmungen sind hier selten, da der flussaufwärts gelegene See als Ausgleichsbecken funktioniert. Der insgesamt ruhigere Verlauf der Rhone erleichterte den Bau von Brücken und Gewerbebetrieben unterhalb des Sees. Der älteste bekannte Flussübergang ist die gallische Brücke, die 58 v.Chr. von Caesar zerstört wurde. Ab dem Mittelalter wurden zahlreiche Mühlen (Kornmühlen, Papiermühlen) und Stampfen errichtet, die bis ins 19. Jahrhundert liefen. Ende des 19. Jahrhunderts trieb die Wasserkraft der Rhone Maschinen an, später wurde sie in den Werken von La Coulouvrenière (1886 und 1905), Chèvres (1896), Chancy-Pougny (1925), Verbois (1943), Génissiat (Ain, 1948) und Le Seuget (1995) zur Produktion von Elektrizität genutzt. Das Rhonetal von Genf bis Lyon und weiter zum Mittelmeer war seit dem Altertum eine für die Versorgung und die wirtschaftliche Entwicklung der Westschweiz entscheidende Verbindungs- und Verkehrsachse. Dieser Abschnitt des Flusses war weitgehend schiffbar, mit Ausnahme der sogenannten Perte du Rhône bei Bellegarde-sur-Valserine, wo das Wasser unterirdisch verlief (heute im Stausee von Génissiat versunken), weshalb Waren auf der Strecke zwischen Genf und dem Hafen von Seyssel auf dem Landweg transportiert wurden. Die starke Strömung eignete sich für Fahrten flussabwärts, während sie das Treideln mit Pferde- oder Menschenkraft erschwerte. Der Abschnitt Lyon-Seyssel war besonders mühsam, dennoch wurde er laut den Quellen regelmässig benutzt. Der Wasserweg diente vor allem dem Transport schwerer Waren: Salz flussaufwärts, in die andere Richtung Stoffe und Tücher sowie ab dem 16. Jahrhundert der als Schiffsproviant gelieferte Greyerzer Käse. Zahlreiche Zollstellen – im 18. Jahrhundert waren es vierzig zwischen Lyon und dem Mittelmeer – behinderten den Verkehr. Die Schifffahrt kam nach dem Bau der Eisenbahn praktisch zum Erliegen. Das Projekt einer Wasserstrasse vom Mittelmeer zum Rhein wurde im 17. Jahrhundert in einem ersten Teilstück umgesetzt (Entreroches-Kanal).
Politische und kulturelle Geschichte
Die Rhone war Grenzfluss und Kommunikationsachse. In vorrömischer Zeit trennte sie die Völker der Allobroger und Helvetier (Caesar, "De bello gallico" I, 6, 3). Dann stiessen die Römer dem Fluss entlang vor. Die Verbreitung der lateinischen Kultur und die Christianisierung der angrenzenden Länder folgten dem Flusslauf. Der Abschnitt von Sitten bis Avignon war der Lebensnerv des burgundischen Königreichs zwischen 480 und 534 bzw. des Zweiten Königreichs Burgund im 10. Jahrhundert, das 1032 in das Heilige Römische Reich deutscher Nation integriert wurde. Die Rhone bildete nun die Grenze zum französischen Königreich, 1601-1860 jene zwischen Frankreich und Savoyen, dann zwischen Frankreich und der Schweiz. Auch im Chablais diente die Rhone als Grenze, zuerst zwischen Bern, das an dieser natürlichen Grenze des Gouvernements Aigle festhielt, obwohl der Fluss hier in zahlreichen Windungen verlief (1634 Karte von Joseph Plepp), und dem Wallis, dann zwischen dem Kanton Waadt und dem Departement Simplon und schliesslich 1815 zwischen den Kantonen Waadt und Wallis.
Bildende Künstler fühlten sich von der Rhone nicht sonderlich angezogen: Nur vereinzelt wurde sie in Gravuren oder auf anekdotischen Bildern dargestellt. Auch in der Literatur wird die Rhone selten thematisiert. In der Zwischenkriegszeit liessen sich einige Dichter von der vorerst folkloristischen und regionalistischen Vorstellung der Verbundenheit aller an der Rhone lebenden Menschen (rhodanisme) inspirieren, so Charles Ferdinand Ramuz in "Chant de notre Rhône" (1920) oder René-Louis Piachaud in "L'évocation du fleuve Rhône" (1929). Die ab 1942 erschienenen "Cahiers du Rhône" von Albert Béguin zeugen von einer geistigen Solidarität der Westschweiz mit dem "Freien Frankreich".
Die Rhone ist auch im 21. Jahrhundert ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Energielieferant. Durch die Renaturierung seiner Ufer soll der Fluss aber auch wieder mehr Lebensraum bieten für Pflanzen und Tiere sowie als Naherholungsgebiet an Attraktivität gewinnen. Seit 2001 fördert das Forum économique rhodanien die Beziehungen zwischen französischen und Schweizer Anrainern.
Quellen und Literatur
- J.P. Bravard, Le Rhône, du Léman à Lyon, 1987
- T. Kuonen, Histoire des forêts de la région de Sion du Moyen-Age à nos jours, 1993
- R. Flückiger-Seiler, «Strassen und Wege im Rhonetal zwischen Brig und Siders», in BWG 26, 1994, 119-194
- Le Rhône, un fleuve et des hommes, hg. von A. Vincent, 1999
- D.L. Vischer, Die Gesch. des Hochwasserschutzes in der Schweiz, 2003, 97-103
- J. Rossiaud, Le Rhône au Moyen Age, 2007
- M. Borgeat-Theler, Le Rhône et ses riverains à la fin du Moyen Age, entre Sion et Martigny, Liz. Lausanne, 2008
- P. Allard et al., Le Rhône: dynamique, histoire et société, 2009 (mit Bibl.)
Endonyme/Exonyme | Rhone (Deutsch)
Rhône (Französisch)
Rodan (Rätoromanisch)
Rodano (Italienisch)
Rottu oder Rotten (Deutsch früher)
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Umwelt / Fluss, Bach |