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Carolina

Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., die 1530 auf dem Augsburger Reichstag beschlossen wurde und 1532 auf dem Regensburger Reichstag Gesetzeskraft erhielt. Das Reformwerk der Constitutio Criminalis Carolina sollte der Rechtsvereinheitlichung im Reich dienen und der Willkür in der Strafrechtspflege entgegenwirken. Als Reaktion auf ständischen Widerstand wurde ihr mit der sogenannten salvatorischen Klausel nur subsidiäre Geltung gegenüber den Partikularrechten der Reichsstände eingeräumt; ihre reformatorische Wirkung blieb dennoch erhalten.

Ausgehend von der 1507 von Johann Freiherr von Schwarzenberg verfassten Halsgerichtsordnung von Bamberg greift die Carolina erneut humanistisches Gedankengut der italienischen Rechtsschulen auf (Römisches Recht). Entsprechende Einflüsse lassen sich vor allem in der Strafprozessordnung feststellen. Das materielle Strafrecht entwickelt dagegen mehrheitlich die einheimische Überlieferung auf systematischer Grundlage weiter.

Im Verfahrensrecht sind das Offizial- und das Inquisitionsprinzip ausgestaltet. Materielle Beweisvorschriften und die darin enthaltene Indizienlehre treten an die Stelle der alten, formalen Beweismittel des Germanischen Rechts; allerdings erhält auch die Folter als Geständniserzwingungsmittel gesetzliche Bestätigung. Ein elementares Charakteristikum im materiellen Bereich ist die Einführung des Schuldprinzips, welches die Erfolgshaftung der germanischen Rechtstradition ablöst. Zudem werden die einzelnen Straftatbestände begrifflich genauer erfasst. Vorsatz, Fahrlässigkeit, Gesinnung und Motive, aber auch Versuch, Notwehr, Teilnahme, Alter oder Geisteszustand bilden die subjektiven Kriterien für Schuldspruch und Strafbemessung. Wenig fortschrittlich sind die Sanktionen; im Vordergrund stehen nach wie vor die peinlichen Strafen, namentlich die Todesstrafe.

Die Carolina beeinflusste in der frühen Neuzeit auch im Gebiet der heutigen Schweiz die Entwicklung des Strafrechts. Als subsidiäres Recht kam sie im Stadtort und im Fürstbistum Basel, in Schaffhausen, im Gebiet der Fürstabtei St. Gallen, im Wallis, in den Drei Bünden und nach 1750 in der bernischen Waadt zur Anwendung. Einflüsse der Carolina sind in den Rechtsquellen von Luzern, Schwyz (noch 1834), Zug, Freiburg (erneut ab 1803) und des Fürstentums Neuenburg (bis 1848) zu finden. In den übrigen eidgenössischen Orten sowie in St. Gallen und Genf blieb ihre Wirkung dagegen gering. Für die meisten schweizerischen Söldnertruppen, vor allem diejenigen in französischen Diensten, fand die Carolina bis ins 19. Jahrhundert als neutrales, überkantonales Recht Anwendung.

Quellen und Literatur

  • A. Meier, Die Geltung der peinl. Gerichtsordnung Ks. Karls V. im Gebiete der heutigen Schweiz, 1910
  • A. Baumgärtner, Die Geltung der peinl. Gerichtsordnung Ks. Karls V. in Gemeinen III Bünden, 1929
  • HRG 1, 592-595
  • F.-C. Schröder, Die Carolina, 1986
Weblinks

Zitiervorschlag

Lukas Gschwend: "Carolina", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.02.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008949/2005-02-15/, konsultiert am 29.03.2024.