Eigentum ist die rechtmässige Sachenherrschaft oder die umfassende Besitz-, Verfügungs- und Nutzungsgewalt, in den Grenzen der Rechtsordnung über einen körperlichen Gegenstand – Immobilien oder Mobilien – oder sonstige Habe (Rechte) frei zu verfügen.
Begriffsgeschichte
Der Begriff Eigentum (mittelhochdeutsch eginduom) kam im 13. Jahrhundert in Niederdeutschland auf, wurde aber im süddeutschen und schweizerischen Raum, wo die älteren Formen eigen und eigenschaft galten, erst in der Neuzeit üblich. Die deutsche Rechtssprache des Mittelalters benützte Eigen und Eigenschaft (lateinische proprietas) vorrangig zur Bezeichnung des Eigentums an Grund und Boden sowie an Personen (Leibeigenschaft), desgleichen die französische und italienische Sprache mit den Termini propriété und proprietà.
Der mittelalterliche Eigentumsbegriff beinhaltete die Bedeutung von Herrschaft (lateinisch dominium). Er umfasste aber auch immaterielle Rechte wie Gerichtsrechte und allgemeine Herrschaftsrechte. Bei der herrschenden Vieldeutigkeit von Eigen und Eigenschaft drängten sich im Spätmittelalter zur Unterscheidung bestimmter Eigentumsansprüche Präzisierungen auf, zum Beispiel im Bereich der Leibherrschaft «leibeigen» und «Eigenmann».
Kennzeichen der mittelalterlichen Grundbesitzverhältnisse war die Aufteilung der Sachherrschaft und des Nutzungseigentums an einer bestimmten Sache auf mehrere Berechtigte, wie sie im Lehnswesen und in der bäuerlichen Leihe zwischen einem Herrn als Eigentümer der Sache und dem Lehensträger, Vasallen oder Bauern, als Inhaber und Nutzniesser üblich war (Grundbesitz). Unter dem Einfluss des im spätmittelalterlichen Italien aus dem Römischen Recht entwickelten Gemeinen Rechts kam hierfür die Unterscheidung zwischen einem Obereigentum (lateinisch dominium directum) und einem Unter- oder Nutzeigentum (dominium utile) auf. Ab Ende des 15. Jahrhunderts wurde diese Aufteilung im schweizerischen Raum wirksam, als die eidgenössischen Orte, der Fürstabt von St. Gallen und der Fürstbischof von Basel durch ihre an Rechtsschulen ausgebildeten Juristen das Gemeine Recht anwandten, um mit Hilfe des sogenannten Geteilten Rechts sukzessive ein staatliches Obereigentum an vielen Gütern und Rechten durchzusetzen, die ursprünglich ganz der Grundherrschaft zustanden, wie zum Beispiel die Allmenden, Gewässer, Gewerberechte (Ehaften), Bodenschätze, Jagd und Fischerei.
Dieses Geteilte Eigentum des Gemeinen Rechts wurde in der Helvetik mit anderen «feudalen» Eigentumsformen aufgehoben und durch das römisch-rechtliche Volleigentum ersetzt, das in der Folge den verschieden kodifizierten Privatrechtsordnungen zugrunde gelegt wurde.
Formen
Unter den vielfältigen historischen Eigentumsformen, zu denen vom Mittelalter an als wichtigste Grundeigentum, Geteiltes Eigentum, Gemeinschaftliches Eigentum und Fahrniseigentum zählten, spielte das Grundeigentum eine dominierende Rolle.
Das Geteilte Eigentum war eine Folge der mittelalterlichen Aufspaltung in Eigen und Lehen. Eigen und Lehen fanden sich nicht nur beim Boden, sondern auch bei Herrschaftsrechten. Mit dem Erblehen näherten sich Eigen und Lehen in der Rechtswirklichkeit wieder einander an: Inhaber von Erblehen konnten zunehmend unbeschränkt über diese verfügen. Selbst bäuerliches Lehen konnte als Nutzeigentum vom 16. Jahrhundert an wie Eigen vererbt, vertauscht, verpfändet, verschenkt, veräussert und geteilt werden, wobei dem Inhaber des Eigens das ausschliessliche Recht verblieb, Lehen zu besetzen und zu entsetzen.
Das Gemeinschaftliche Eigentum, aus der mittelalterlichen Hausgemeinschaft (Hausrecht) gewachsen, umfasste unterschiedliche Formen des Gesamtguts – die Gütergemeinschaft von Eheleuten, Eltern und Kindern und von Miterben, von geistlichen Gemeinschaften wie Klöstern, Stiften, Brüder- und Schwestergemeinschaften, von unterschiedlichen Gesellschaften wie zum Beispiel Zünften und Handelsgesellschaften sowie von Korporationen und Genossenschaften. In der Regel waren Anteilhaber am Gesamtgut, ob an Grundbesitz, Handelsgut oder Kapital, als Nutzniesser beteiligt; die Verfügung über das Gut selbst kam der Gesamthand, nämlich den Eigentümern gemeinsam, zu. Gemeinschaftliches Eigentum von Genossen- und Körperschaften waren die Allmenden sowie häufig auch die Alpen (Alprechte).
Fahrniseigentum war eine Eigentumsform, die nicht am Grundbesitz hing. Fahrhabe (lateinisch mobilia), obschon ursprünglich nicht als Eigentum bezeichnet, hatte Eigentumsqualität. Dies zeigte sich unter anderem beim Erbrecht des Herrn an der Fahrnis seiner Eigenleute, dem einzigen Eigentum von Leibeigenen. Hierzu gehörte die persönliche Habe (Kleidung, Waffen, Schmuck), ferner Möbel, Haushaltsgerät, Vieh und Holzhäuser. Zur Fahrnis zählten ebenfalls Handels- und Kaufmannsgut sowie Wertpapiere. Als Fahrniseigentum galten aber auch mittelalterliche Herrschaftsrechte, zum Beispiel auf Fundgut, herrenloses Vieh und entflogene Bienenschwärme, Jagd und Fischerei.
Erwerb, Schutz und Beschränkung
Eigentum wurde vom Mittelalter an durch Kauf, Erbschaft, Schenkung, Ersteigerung, Ersitzen oder Okkupation (Aneignung herrenloser Sachen) erworben. Alle diese Erwerbsformen sind vor allem beim Grundbesitz überliefert. Handänderungsverträge wurden vom Hochmittelalter an urkundlich geschlossen. Urkunden mit Zeugennennung, besiegelt und/oder unterschrieben, dienten dem Schutz der Parteien durch die Publizität des Geschäfts. Während die Süd- und Westschweiz, dem Beispiel Italiens folgend, schon vom 14. Jahrhundert an zum öffentlichen Notariat und dem Notariatsregister als öffentliches Rechtsmittel übergingen, führten die Landesobrigkeiten der Deutschschweiz erst ab dem 16. Jahrhundert den Notariatszwang zum Schutz der Parteien vor Übervorteilung ein. Handänderungen von Grundbesitz und Herrschaftsrechten waren von der Zustimmung der Erbanwärter abhängig, deren Konsens Käufer und Verkäufer in den Urkunden meist formelhaft festhielten.
Das Eigentumspfand, die älteste, im spätmittelalterlichen Adel stark verbreitete Pfandform, überliess einem Käufer das Pfand – meist Grundbesitz (Grundpfandrecht) oder Herrschaftsrechte – vertraglich zu Eigentum, sicherte aber dem Verkäufer die Wiedereinlösung gegen Zahlung der Kaufsumme zu. Um Weiterverkäufe an Dritte zu unterbinden, wurde oft in einer einschränkenden Klausel festgelegt, dass für die Auslösung nur Eigenmittel verwendet werden dürfen.
Der Erwerb von Fahrniseigentum erfolgte im deutschsprachigen Raum durch die tatsächliche Übergabe des Besitzes an der Sache (Gewere), d.h. dass Fahrnis nicht einfach durch Vertrag, sondern erst mit der Inbesitznahme zum rechtmässigen Eigentum wurde. Dagegen genügte in der Süd- und Westschweiz der vertragliche Konsens zwischen Käufer und Verkäufer. Dem Schutz des Fahrniseigentums vor Entfremdung diente unter anderem die Markierung durch persönliche Hausmarken, zum Beispiel auf Waffen oder mit Brandzeichen beim Vieh. Wesentlich war der Rechtsschutz, den Eigentum genoss: Stadtrechte wie Landrechte regelten unter anderem im Pfandrecht, dass streitige Sachen nur auf richterliche Ermächtigung hin gepfändet werden durften, und Faustpfänder verfielen erst zu Eigentum, wenn eine Schuld nicht vertragsgemäss bezahlt wurde (Kredit). Diebesgut, namentlich Kleider, Waffen und Kirchengerät, war dem Rechtsverkehr entzogen und nicht ersitzbar.
Das Eigentum war nie absolut, sondern unterlag vielerlei Beschränkungen, besonders dasjenige an Grund und Boden. Dieses konnte mit Dienstbarkeiten (Weg-, Flucht-, Tränkungs- und Durchleitungsrechte), Grundlasten (Zins-, Dienst- und Zehntpflicht), Pfandrechten, Vorkaufs- und Näherkaufrechten (Zugrecht) belastet sein. Private Äcker waren im Zelgbau strenger genossenschaftlicher Regelung unterworfen.
Legitimation des Eigentums
Die abendländischen Gesellschaften, die durch grosse soziale Unterschiede und erhebliche Wohlstandsgefälle geprägt waren, verwendeten verschiedene Theorien zur sozialphilosophischen Legitimation des Eigentums. Das Naturrecht des späten Mittelalters ging vom aristotelischen Verständnis der Gesellschaft aus, wonach das Individuum ein Mitglied von Familie und Staat sei und sein Eigentum daher eine gesellschaftliche Bedeutung habe. Diese Auffassung liegt sowohl der reformierten Sozialethik wie der katholischen Soziallehre zugrunde; Letztere beruht darüber hinaus auch auf der Naturrechtslehre des Thomas von Aquin. Sie bejaht den Rechtsanspruch des Einzelnen auf ein hinreichendes Privateigentum, beinhaltet aber auch dessen Sozialpflichtigkeit und dessen Einsatz zum Gemeinen Nutzen.
Unter dem Einfluss der Naturrechtslehren der Aufklärungszeit, zumal auf der Grundlage des gemeinrechtlichen Eigentumsbegriffs, wurde das Eigentum zum rechtmässigen Instrument der individuellen und staatlichen Selbsterhaltung. So begründete Samuel von Pufendorf das Eigentum zwar noch traditionell naturrechtlich, individualisierte es aber im Gesellschaftsvertrag. Hugo Grotius rechtfertigte das Eigentum mit der individuellen Fähigkeit zu dessen Beherrschung, John Locke mit dem Einsatz von Arbeit und Fleiss. Diese Theorien erlangten über die Akademien von Genf, Bern, Zürich und Lausanne auch im Gebiet der Schweiz Einfluss. Durch die Französische Revolution bzw. die Erklärung der Menschenrechte von 1789 wurde das Eigentum zum unverletzlichen, «heiligen» Freiheits- und Menschenrecht überhöht. Diese Übersteigerung, die in der Schweiz in der thurgauischen Regenerationsverfassung von 1831 Ausdruck fand, prägte den gemein- und naturrechtlichen Eigentumsbegriff der bürgerlichen Gesellschaft. Aus deren Eigentumsverständnis, das jegliche soziale Verpflichtung negierte, wuchsen im Lauf der Industrialisierung schliesslich jene Folgelasten, die auch in der Schweiz den Arbeiterschutz als Korrektiv nötig machten und zu einer moderaten Verstaatlichung gemeinwirtschaftlich wichtiger Unternehmen wie zum Beispiel der Eisenbahnen führten. Eine Abschaffung des Privateigentums bzw. dessen Ersetzung durch ein Volkseigentum im sozialistischen Sinn war im Bundesstaat allerdings nie auch nur annähernd mehrheitsfähig.
Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert
Die Helvetik und der Liberalismus des 19. Jahrhunderts kämpften gleichermassen für die freie Verfügbarkeit des Eigentums. Man forderte insbesondere die Befreiung des Grundbesitzes von genossenschaftlichen Restriktionen (Zelgzwang, Weiderechte auf Privatland) und Feudallasten sowie generell die Baufreiheit auf eigenem Boden.
Um 1800 hielt der römisch-rechtliche Eigentumsbegriff Eingang in die Gesetzeswerke der Nachbarstaaten. Bei der Schaffung des kantonalen Eigentumsrechts ab 1803 dienten diese als Vorbilder. Süd- und Westschweiz folgten dabei dem Code Napoléon, Bern, Luzern, Solothurn und später Graubünden dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811. Dagegen griff Zürich in seinem 1853-1855 in Kraft gesetzten privatrechtlichen Gesetzbuch mit der Trennung von Mobilien und Immobilien auf das überlieferte einheimische Recht zurück; diesbezüglich folgten ihm die Kantone Glarus, Schaffhausen und Thurgau. Auch das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) unterscheidet, vor allem bezüglich des Eigentumserwerbs und -verlusts, zwischen Grundeigentum (Art. 655-712 ZGB) und Fahrniseigentum (Art. 713-729 ZGB). Eigentumsbeschränkungen, sei es durch Nachbarrecht (Art. 684-698 ZGB), Dienstbarkeiten oder Grundlasten (Art. 730-792 ZGB), müssen auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Weiter differenziert das ZGB zwischen dem Alleineigentum und dem Gemeinschaftlichen Eigentum. Letzteres erscheint entweder als Miteigentum, bei dem der Eigentümer über seinen ideellen Bruchteil an der Sache selbstständig entscheidet, oder als Gesamteigentum, bei dem die Eigentümer nur gemeinsam über die Sache verfügen dürfen.
Eigentumsschutz und -garantie
Der Schutz des Eigentums betraf bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus fast ausschliesslich das Sacheigentum. Dessen Schutz regelte 1912 das ZGB auf gesamtschweizerischer Ebene: Zum Inhalt des Eigentums gehört, dass der Eigentümer einer Sache das Recht hat, «sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren» (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Anders stand es um den Schutz des Geistigen Eigentums oder Urheberrechts, dessen rechtliche Regelung in der Schweiz bis in die 1880er Jahre vielfältigem Widerstand begegnete.
Vor 1798 erfolgte der Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums, insbesondere beim Buchdruck, durch die Vergabe obrigkeitlicher Privilegien. Nach 1803 führten die Kantone diese Praxis weiter und dehnten sie auch auf technisch, gewerblich oder industriell verwertbare Erfindungen aus. Der Erfolg dieser Massnahmen blieb gering, zumal die Privilegien nur in dem Kanton galten, in dem sie verliehen worden waren. Einer gesamtschweizerischen Regelung widersetzten sich die Kantone, die eine Verminderung ihrer Souveränität nicht duldeten. Erst 1874 wurde – auch als Resultat der intensiven Mitarbeit der Schweiz in den internationalen Kommissionen zum Schutz des Geistigen Eigentums – dem Bund die Gesetzgebung bezüglich des Urheberrechts an Werken der Literatur und Kunst übertragen. 1887 erhielt der Bund ebenfalls die Kompetenz zur Regelung des Erfindungs-, Muster- und Modellschutzes (Art. 64 aBV). Die Errichtung des schweizerischen Patentamts in Bern im Jahr darauf markierte den Beginn des gesamtschweizerischen Patentwesens.
Die geltende schweizerische Rechtsordnung geht von der Eigentumsfreiheit aus, die sich auf die verfassungsmässige Eigentumsgarantie stützt. Eine solche kannten die eidgenössischen Stände vor 1798 und nach 1803 ebensowenig wie die Bundesverfassungen von 1848 und 1874. Bis zu ihrer Einführung 1969 (Art. 22ter aBV) galt die Eigentumsgarantie indes als ungeschriebenes Verfassungsrecht, das zudem von der Regeneration an durch die meisten kantonalen Verfassungen gewährleistet wurde. Die Eigentumsgarantie der Bundesverfassung 1999 (Art. 26) gewährleistet bei Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen die volle Entschädigung durch den Staat, während zum Beispiel das deutsche Grundgesetz nur eine angemessene Entschädigung kennt. Sie umfasst auch das Eigentum an Geisteswerken, Mustern, Erfindungen, Modellen und Marken.
Wirtschaftlich-soziale Bedeutung
Die Volkswirtschaft unterscheidet zwischen Nutz- und Produktiveigentum. Nutzeigentum ist Eigentum an Sachen des Gebrauchs und Verbrauchs des Einzelnen und betrifft vor allem Gegenstände des persönlichen Bedarfs (Kleidung, Hausrat usw.), somit Sondereigentum als die lange wichtigste Art des Privateigentums. Das Produktiveigentum dagegen dient dazu, neue Werte und Güter zu schaffen. Soweit dieses – häufig ist das bei Handwerk und Gewerbe der Fall – in Familienbetrieben liegt, ist es bis heute im Wesentlichen Privateigentum. Dagegen entfernte das Produktiveigentum sich in der modernen, industriellen Massenproduktion zunehmend vom Privateigentum und ging an Produktions- und Handelsgesellschaften sowie an Verbände über. Ein immer grösserer Teil der Bevölkerung schied damit als Teilhaber am Produktiveigentum aus und war an der Produktion nurmehr durch die Arbeit gegen Lohn beteiligt.
Es wurde zum Anliegen der Sozialpolitik, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Eigentümer und Eigentum wurden durch die Steuergesetzgebung in die Sozialpflicht genommen. Bei der Besteuerung des Eigentums durch die Kantone – anfänglich erfasste diese nur das Vermögen – sollte die Progression die Steuergerechtigkeit gewährleisten; der Kanton Thurgau kennt dieses Verfahren seit 1831, St. Gallen seit 1832 und Basel-Stadt seit 1840. Basel-Stadt führte als erster Kanton 1889 auch die Besteuerung von Aktiengesellschaften, Erwerbsgenossenschaften und -korporationen ein. Im 20. Jahrhundert entstanden schliesslich aus den in Boden und Werttiteln angelegten Geldern der Sozialversicherungen und Pensionskassen die grössten Volksvermögen aller Zeiten.
Im 20. Jahrhundert wurden auch eine ausgeglichene Eigentumsstreuung und die Eigentumsförderung zu sozialpolitischen Zielen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann das Interesse der Schweizer an Werttiteln jenem an Boden langsam den Rang abzulaufen. Wohneigentum war vor 1798 weit verbreitet. Die Zahl der Immobilieneigentümer ging im 19. und 20. Jahrhundert ständig zurück, während diejenige der Mieter anstieg, sodass 1970 mit 28,5% die europaweit tiefste Wohneigentumsquote erreicht wurde. Dagegen nahm die Wertschätzung von Wertpapieren zu. Zur populären grundpfandgesicherten Gülte kamen ab Ende des 19. Jahrhunderts der Spekulation entrückte «mündelsichere» zinstragende Obligationen, unter anderem der öffentlichen Hand (Bund, Kantone, Gemeinden). Eine breitere Beteiligung privater Anleger über den Börsenhandel am Kapitalmarkt setzte hingegen erst in den 1950er und 1960er Jahren ein. In den 1980er Jahren vervielfachte sich die Zahl privater Aktionäre, die am Produktiveigentum teilhatten und über ihre Mitverwaltungsrechte ihren Einfluss auf die Kapitalgesellschaften geltend machten. Im Jahr 2000 besass rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung Aktien.
In den Nachbarstaaten kam in den 1950er Jahren die wegen ihrer Sicherheit zur Sparanlage geeignete Volksaktie auf, die vor allem bei der Privatisierung von Unternehmen der öffentlichen Hand ausgegeben wird. Jahrzehnte später entstanden auch in der Schweiz eine Art «Volksaktien», zum Beispiel 1997 bei der Umwandlung der Rentenanstalt / Swiss Life in eine Aktiengesellschaft, als über 500'000 Genossenschafter zu Aktionären wurden, oder 1998 mit der Ausgabe der «blauen» Aktie der Swisscom. Ende des 20. Jahrhunderts hielten Mitarbeiteraktien und -optionen als Teil des Gehalts Einzug vorerst in der «New Economy» (Computer- und Hightech-Firmen), zunehmend aber auch in traditionsreichen schweizerischen Familienunternehmen und Grosskonzernen. Die in den USA verbreitete Eigentumsbeteiligung am Betrieb soll die Motivation der Beschäftigten und deren Vermögensbildung fördern, kann aber nicht verhindern, dass Mitarbeiteraktien ebenso wenig wie andere vor Kursstürzen und Verlusten gefeit sind.
Quellen und Literatur
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- E. Huber, System und Gesch. des Schweiz. Privatrechts 4, 1893
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- H. Peter, Wandlungen der Eigentumsordnung und der Eigentumslehre seit dem 19. Jh., 1949
- K.S. Bader, Studien zur Rechtsgesch. des ma. Dorfes, 3 Bde., 1957-73
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- T. Bühler, «Zur Gesch. des Eigentumsbegriffs», in Schweiz. Juristenztg. 70, 1974, 289-310
- LexMA 3, 1714-1724
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- A. Kölz, Neue schweiz. Verfassungsgesch., 2 Bde., 1992-2004
- M. Senn, Rechtsgesch. - ein kulturhist. Grundriss, 1997 (42007)