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Philipp AlbertStapfer

14.9.1766 Bern, 27.3.1840 Paris, reformiert, von Brugg. Sohn des Daniel, zweiten Pfarrers am Berner Münster, und der Sophie Louise Burnand. Neffe von Johann Friedrich (->), Johann (->) und Albrecht (->). 1798 Marie-Madeleine Pierrette Vincens, aus einer begüterten Hugenottenfamilie in Paris. Philipp Albert Stapfer erhielt eine theologisch-philologische Ausbildung an der Hohen Schule Bern, wobei ihn der Kantianer Johann Samuel Ith nachhaltig prägte. 1789-1790 studierte Stapfer in Göttingen, reiste dann durch die Niederlande und hielt sich bis 1791 in London auf. Nach der Rückreise über Paris unterrichtete er in Bern Sprache und Philosophie am Politischen Institut, an dem junge Patriziersöhne auf ihre Laufbahn vorbereitet wurden, und übernahm 1797 dessen Leitung. Zur selben Zeit vertrat er seinen Onkel Johann an der Hohen Schule und wurde 1796 dessen Nachfolger. Unter Stapfers theologisch-philosophischen Arbeiten vor 1798 ragt die Schrift "Die fruchtbarste Entwicklungsmethode der Anlagen des Menschen" hervor, der Versuch einer Geschichtsdeutung aus dem Geist des Kantianismus und der christlichen Offenbarung.

Stapfer zählte zu jenem Kreis der helvetischen Elite, in dem gemässigte Unitarier die Schweiz politisch-institutionell zu demokratisieren und erneuern suchten. Als Anhänger der Helvetischen Republik wurde Stapfer 1798 vom Direktorium zum Minister der Wissenschaft und Künste ernannt. Er setzte sich für die helvetische Nationalidee ein und betonte die Mission der Schweiz als Vermittlerin zwischen den Sprachkulturen. So schlug er ein Bureau für Nationalkultur, eine Nationalbibliothek, ein Nationalarchiv sowie diverse Museen vor. Bis zu seinem Rücktritt 1800 schuf er auch die Grundlagen für ein neues Bildungswesen. Bei seinem Entwurf eines gesamtschweizerischen Schulgesetzes von der Volksschule bis zur Nationaluniversität stützte er sich auf Enqueten ab und liess sich von namhaften Pädagogen wie Gregor Girard, Heinrich Zschokke und Johann Heinrich Pestalozzi beraten. Seine wegweisenden Ideen und Projekte liessen sich jedoch nicht umsetzen. Als Kultusminister vertrat er ein aufklärerisches Staatskirchentum, das die Spannungen zwischen Kirche und Staat unter Wahrung der religiösen Substanz überbrücken wollte. Aber auch hier geriet er zwischen die Fronten. Von 1800 bis zum Ende der Helvetik 1803 versah Stapfer den Gesandtenposten in Paris. Für die Consulta in Paris übte er Berater- und Koordinationsfunktionen aus. Napoleon Bonaparte bestellte ihn zum Präsidenten der Liquidationskommission der Helvetischen Republik. Stapfer beteiligte sich massgeblich an der Schaffung des neuen Kantons Aargau und setzte sich 1814 vehement gegen bernische Wiedereingliederungsversuche und für dessen Selbstständigkeit ein. Trotz ehrenvoller Berufungen aus der Schweiz verbrachte Stapfer aus Rücksicht auf seine Gattin die zweite Lebenshälfte in Frankreich, unter anderem in Paris und auf Schloss Talcy (Loir-et-Cher), blieb aber dank einer umfangreichen Korrespondenz mit ehemaligen Weggefährten seiner Heimat verbunden. 1835 erhielt er den Ehrendoktor der juristischen Fakultät der Universität Bern.

Stapfers Schriften belegen vielschichtige philosophische, theologische und literarische Interessen sowie dessen Bemühen, deutsche und französische Literatur und Wissenschaft einander näherzubringen. In Paris zählten wichtige Persönlichkeiten aus dem intellektuellen Milieu wie Benjamin Constant, Alexander von Humboldt oder Germaine de Staël zu seinen Gesprächspartnern. Darüber hinaus pflegte Philipp Albert Stapfer einen intensiven Austausch mit der Erweckungsbewegung und stand für religiöse und karitative Organisationen im Einsatz, etwa an der Spitze der Pariser Bibelgesellschaft. Nach 1815 stellte er sich als einer der Wortführer des französischen Protestantismus gegen die klerikalen Tendenzen des restaurativen Königtums in Frankreich.

Quellen und Literatur

  • Mélanges philosophiques, littéraires, historiques et religieux, 2 Bde., hg. von A. Vinet, 1844
  • BAR, Nachlass
  • Aus Philipp Albert Stapfers Briefwechsel, 2 Bde., hg. von R. Luginbühl, 1891
  • Briefwechsel 1789-1791 und Reisetagebuch, hg. von A. Rohr, 1971
  • A. Rohr, Philipp Albert Stapfer, 2005
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Zitiervorschlag

Adolf Rohr: "Stapfer, Philipp Albert", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.02.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/009078/2012-02-28/, konsultiert am 29.03.2024.