1.9.1862 Genf, 29.2.1928 Nyon, reformiert, von Genf. Sohn des Louis (->). Adolphe Appia besuchte das Progymnasium in Vevey und studierte anschliessend Musik in Genf, Paris, Leipzig und Dresden. Nach prägenden Theatererlebnissen (u.a. Uraufführung des «Parsifal» in Bayreuth 1882) entschloss er sich, sein Leben der Reform der Inszenierung, insbesondere von Werken Richard Wagners, zu widmen. Er absolvierte Praktika an den Hoftheatern in Dresden (1889) und Wien (1890). 1891 und 1892 schuf er Regiebücher und Skizzen zum «Ring der Nibelungen», zu den «Meistersingern» und zu «Tristan». Seiner ersten Reformschrift «La mise en scène du drame wagnérien» (1895) folgte 1899 das grundlegende Werk «Die Musik und die Inscenierung», das erst 1963 in der Originalsprache («La musique et la mise en scène») herauskam. Appia postulierte die Hauptelemente der Inszenierung – acteur, espace, lumière, peinture – als hierarchische interdependente Ordnung. Die rhythmische Struktur des Wort-Ton-Dramas (Musik, Sprache) lege die Bewegung des Darstellers im Raum fest. Letzterer dürfe nicht bloss durch zweidimensionale Elemente – diffus erhellte, illusionistisch bemalte Leinwandstücke – angedeutet werden. Er sei vielmehr (wie der Körper des Darstellers) dreidimensional ― aus plastischen Elementen, sogenannten Praktikabeln – aufzubauen. Wahrnehmbar werde er durch gerichtetes Licht (echte Licht- und Schattenwirkungen). Gestaltungselement sei dieses auch, indem es durch Helligkeitsstufen Stimmungen ausdrücke. In Form von Projektionen könne es den Raum gleichsam «vergeistigen». Die Farbgebung im Bühnenraum hatte nach Appia bloss ergänzenden Charakter. 1909 und 1910 entwarf Appia seine berühmten Espaces rythmiques für Emile Jaques-Dalcrozes «Rhythmische Gymnastik». In den Jahren vor seinem Tod befasste er sich auch mit Werken Goethes, Shakespeares, Ibsens und Grillparzers. Appia hatte zu Lebzeiten wenig Gelegenheit, seine revolutionären Ideen praktisch umzusetzen: 1903 in Paris, 1912-1913 bei der Eröffnung von Jaques-Dalcrozes Bildungsanstalt in Hellerau bei Dresden («Orpheus» von Christoph Willibald Gluck), 1923 an der Mailänder Scala mit Arturo Toscanini («Tristan»), 1924 und 1925 am Stadttheater Basel mit Oskar Wälterlin («Rheingold», «Walküre»). Breite Anerkennung fand Appias Werk als Theaterreformer, Inszenierungstheoretiker und Bühnenbildner erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Quellen und Literatur
- Œuvres complètes, hg. von M.L. Bablet-Hahn, D. Bablet, 1983-1992
- Schweiz. Theaterslg. Bern, Nachlass
- E. Stadler, «Adolphe Appia», in Maske und Kothurn 5, 1959, 144-156
- Adolphe Appia – Darsteller, Raum, Licht, Ausstellungskat. Zürich, 1979
- M. Dreier, «Wort-Ton-Drama und Inszenierung», in Dramat. Werk und Theaterwirklichkeit, hg. von H.J. Lüthi, 1983, 21-33
- Adolphe Appia ou le renouveau de l'esthétique théâtrale, Ausstellungskat. Lausanne, 1992
- Architektenlex., 22 f.
- BLSK, 36 f. (mit Bibl.)
Kurzinformationen
Lebensdaten | ∗︎ 1.9.1862 ✝︎ 29.2.1928 1862-09-011928-02-29 |