Konkordate sind völkerrechtliche oder quasivölkerrechtliche Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Staaten zur Regelung der gegenseitigen Beziehung. In der Schweiz wurden im 19. Jahrhundert zudem Verträge zwischen Kantonen und ihren Diözesanbischöfen Konkordate genannt. Der Begriff wurde ab 1803 auch auf interkantonale Verträge übertragen, da sie interkantonale öffentlich-rechtliche Normen und Pflichten begründeten und kantonal vereinheitlichtes Recht schufen. Infolge der föderalistischen Struktur der Schweiz erlangten die interkantonalen Konkordate im öffentlichen Recht des 19. und 20. Jahrhunderts eine zentrale Bedeutung
Kirchenkonkordate
Erstes Konkordat ist das Wormser Konkordat von 1122, mit dem der Investiturstreit beendet wurde. Das Zeitalter der modernen Konkordate leitete das zwischen Pius VII. und Napoleon I. geschlossene Konkordat von 1801 ein, das auch für Teile der heutigen Schweiz (Jura, Genf, Wallis) kurzzeitig gültig war. Im 19. und 20. Jahrhundert handelten eine Reihe von Kantonen – ab 1848 auch die Eidgenossenschaft für sich oder für einzelne Kantone – mit dem Heiligen Stuhl insbesondere zur Regelung der Diözesanverhältnisse Konkordate aus: zum Beispiel 1828 Wiedererrichtung der Diözese Basel, 1847 Errichtung der Diözese St. Gallen, 1884 und 1888 Regelung der Tessiner Diözesanfrage, 1968 Errichtung der Diözese Lugano.
Verträge von Kantonen mit ihren Diözesanbischöfen wurden im 19. Jahrhundert ebenfalls Konkordate (heute Bistumsverträge) genannt. Das bekannteste Beispiel ist das "Wessenbergische Konkordat" von 1806 zwischen Luzern und dem Bischof von Konstanz, welches das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im staatskirchlichen Geist der katholischen Aufklärung regelte. Andere Konkordate betrafen die Unterstellung von Kantonsgebieten unter eine neue Jurisdiktion (z.B. 1824 Schwyz unter Chur, 1857 Glarus unter Chur, 1858 Schaffhausen unter Basel), die Verwendung von säkularisiertem Kirchengut (1859 Wallis mit dem Bischof von Sitten, 1867 Freiburg mit dem Bischof von Lausanne), Zulassungsprüfungen für Pfarrer (1879 Luzern, 1865 Aargau mit dem Bischof von Basel), die Errichtung eines Priesterseminars (1858 Basler Diözesanstände mit dem Bischof von Basel) oder die theologischen Fakultäten (1971 Luzern mit dem Bischof von Basel, 1985 Freiburg mit dem Dominikanerorden und der Schweizer Bischofskonferenz).
Interkantonale Konkordate
Von der Mediationsakte bis zur Bundesstaatsgründung
Mit der Mediationsakte 1803 begann die Zeit der eidgenössischen Konkordate. Im Kapitel XX der Akte, der sogenannten "Bundesverfassung", verbot Artikel 10 Bündnisse der Kantone untereinander oder mit ausländischen Mächten. Artikel 40 sah ferner vor, dass "in Allem, was die innere Einrichtung der Kantone und ihre gegenseitigen Verhältnisse betrifft, [...] keine Rechte auf den ehemaligen politischen Zustand der Schweiz begründet werden" können. Mit den beiden Artikeln sollten einerseits der Bruch mit den tradierten politischen und rechtlichen Normen herbeigeführt und der erneute Abschluss von interkantonalen Übereinkommen und kantonal begründeten Staatsverträgen verhindert werden. Andererseits führte Artikel 40 zu einem Regelungsvakuum, das schon bald offen zutage treten sollte. Bern beantragte nämlich, dass die frühere Übereinkunft mit Solothurn, welche die kirchlichen Verhältnisse des reformierten Bucheggbergs regelte, wiederherzustellen sei. In diesem Dilemma entschied sich die Tagsatzung, interkantonale Regelungen wieder zuzulassen. Am 29. Juni 1803 gestattete sie den Abschluss von "Verkommnissen" über konfessionelle, zivile, polizeiliche und örtliche Angelegenheiten, unter der Bedingung, dass diese der Tagsatzung jedesmal zur Kenntnis gebracht würden. Die den Bucheggberg betreffende Übereinkunft wurde aufgrund ihres konfessionellen Inhalts mit "Konkordat" überschrieben. Künftig wurden solche interkantonalen Verträge nie zwischen den Vertragspartnern allein geregelt, sondern im Rahmen der Tagsatzung ausgehandelt. Sie bedurften der Zustimmung einer Mehrheit der Abgeordneten, waren freilich nur für die zustimmenden Kantone verbindlich. Als "Konkordate" stellten sie "ein ganz eigentümliches Gemisch von Vertrag und Gesetz" dar (Gustav Vogt) und gehörten zum Bundesrecht.
Der Bundesvertrag von 1815 ermöglichte die Fortführung der Praxis aus der Mediationszeit, da Paragraph 6 lediglich die für den Bund oder die Kantone "nachteiligen" Bündnisse verbot. Es waren gerade die Kantone, die 1815-1848 eine neue Qualität der staatlichen Integration in der Eidgenossenschaft herbeiführten. Von der Literatur interessanterweise fast unbemerkt, führten die zahlreichen Konkordate zu einer faktischen Weiterentwicklung des Bundesvertrags. Dieser wurde gezielt von einem Geflecht aus Konkordaten überlagert, um "auf diesem Wege der allseitig empfundenen Unvollkommenheit des Bundesvertrags in eidgenössischem Sinn und Geist nachzuhelfen" (Gustav Vogt). Der bundesrechtliche Charakter der Konkordate zeigte sich auch in der Zuständigkeit der Tagsatzung: Trat die absolute Mehrheit von zwölf Kantonen einem Vertrag bei, welcher von einer Mehrheit der Stände in der Tagsatzung beschlossen worden war, galt dieser als "Eidgenössisches Konkordat". Diese Konkordate begründeten die Zuständigkeit der Tagsatzung als einer Bundesbehörde. In diesem Sinne bestimmte Paragraph 8 Satz 1 des Bundesvertrags generell, dass die Tagsatzung die ihr von den Ständen übertragenen Bundesangelegenheiten besorge. Der einfache Austritt aus einem Eidgenössischen Konkordat war nicht möglich. Vielmehr musste nach einem Tagsatzungsbeschluss vom 25. Juli 1836 eine Mehrheit der Konkordatskantone dem begründeten Austrittsgesuch zustimmen. Wurde der Austritt verweigert, so hatte die Tagsatzung über die Zulassung eines solchen zu befinden. Im positiven Fall konnte ein konkordatskündender Kanton gegenüber seinen Vertragspartnern schadenersatzpflichtig werden. Dieser Tagsatzungsbeschluss war wegen des Rückzugs mehrerer Kantone vom Konkordat vom 6. Juni 1806 und 9. Juli 1818 über die Auslieferung der Deserteure ("Ausreisser") von besoldeten Kantonstruppen gefasst worden. Diese Stände wollten die baselstädtische Regierung nicht in ihrer militärischen Auseinandersetzung mit der Landschaft unterstützen.
Nach 1848
Die 1848 durch den Bundesstaat begründeten politischen Institutionen bauten inhaltlich direkt auf dem Bundesvertrag und den Konkordaten auf. Letztere büssten mit dem Erlass der Bundesverfassung (BV) zwar an Bedeutung ein, blieben aber erlaubt (Artikel 7 Absatz 2 BV 1848 und Artikel 48 BV 1999) und durchaus gebräuchlich. Die Rechtsgrundlage war indessen eine andere geworden: Konkordate "ergänzten" nicht mehr als Teil des Bundesrechts einen Bundesvertrag, sondern stellten kantonal vereinheitlichtes Recht dar, das über dem kantonalen Recht steht, jedoch den Bundesnormen untergeordnet ist. Damit verlor die im Tagsatzungsbeschluss von 1836 festgelegte Definition (Beitritt einer Mehrheit von zwölf Kantonen) ihren Sinn, das Konzept wurde offener. Die Verfassungsrevisionen seit 1848 haben die bis dahin geltenden Konkordate in Kraft belassen, soweit sie nicht im Widerspruch zum neuen Bundesrecht standen.
Die kantonal ausgerichtete Demokratische Bewegung stellte während der 1860er Jahre ihre Forderung nach direkter politischer Mitsprache des Volkes auch im Zusammenhang mit den Kantonen. Im Gegensatz zum Gesetzesreferendum wurde das Konkordatsreferendum in etlichen Kantonen nicht oder nur beschränkt eingeführt. Es besteht vor allem in direktdemokratisch ausgerichteten Kantonen, die auch das obligatorische Gesetzesreferendum kennen und kommt aufgrund der geringen und abnehmenden Bedeutung der Konkordate selten zur Anwendung.
In der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts regelten Konkordate Materien wie die Form der Heimatscheine (1854), die gegenseitige Mitteilung von Zivilstandsakten (1855-1875), den Schutz des literarischen und künstlerischen Eigentums (1856-1883), die Zulassung reformierter Geistlicher (1862), die Verpflegungs- und Begräbniskosten armer Angehöriger (1865-1875), die Freizügigkeit der Medizinalpersonen (1867-1877), die Gewährleistung von Viehhauptmängeln (1852), den Fahrrad- und Automobilverkehr (1904 bzw. 1914) sowie die Rechtshilfe zur Eintreibung öffentlich-rechtlicher Ansprüche (1911). Themen von Konkordaten zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren die Zulassung reformierter Pfarrer, die Lotterie, der Viehhandel, die Luftseilbahnen ohne Bundeskonzession, das Steuerrecht, das Gesundheits- und Submissionswesen, das Schul- und Universitätswesen, der Strafvollzug und der Waffenhandel. In der Normierung der letzten beiden Sachfragen ist das Konkordatswesen an seine Grenzen gestossen, sie erfolgt demnächst im Rahmen der Bundesgesetzgebung. Diese Entwicklung ist exemplarisch für den zunehmenden Bedeutungsverlust der Konkordate, bedingt durch die Zentralisierungstendenzen im Bundesstaat.
Quellen und Literatur
- Konkordate und weitere Verträge, hg. von C. Winzeler, 2004
- G. Vogt, «Revision der Lehre von den eidg. Konkordaten», in Zs. des Bern. Juristenvereins 1, 1864, 201-228
- U. Lampert, Kirche und Staat in der Schweiz 1, 1929, 65-83
- E. His, Gesch. des neuern Schweiz. Staatsrechts 3, 1938, 399 f.
- H. Kehrli, Interkant. Konkordatsrecht, 1968
- W. Borter, Demokratiegebot und interkant. Vertragsrecht, 1976
- U. Siegrist, Die schweiz. Verfassungsordnung als Grundlage und Schranke des interkant. kooperativen Föderalismus 1, 1976
- Le concordat: forme vivante de la démocratie suisse?, 1990
- Dictionnaire historique de la papauté, 1994, 442-446
- U. Abderhalden, Möglichkeiten und Grenzen der interkant. Zusammenarbeit, 1999
- L. Boegli, Les concordats intercantonaux, 1999