Als Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen (UNO) löste der im Artikel 7 der UNO-Charta von 1945 vorgesehene Internationale Gerichtshof 1946 den Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIG) ab. Dieser tagte erstmals im Januar 1922, nachdem sein Statut im Dezember 1920 in Genf von der Völkerbundsversammlung angenommen worden war. Gemäss seinem Statut, das auf der Satzung des StIG beruht, obliegt es dem Internationalen Gerichtshof, Streitigkeiten zwischen Staaten zu regeln und Rechtsgutachten für die wichtigsten Organe der UNO oder andere dazu berechtigte Organisationen abzugeben. Die Streitfälle werden grundsätzlich dem Plenargericht oder gelegentlich besonderen bzw. ad hoc gebildeten Gerichtskammern vorgetragen. Der Internationale Gerichtshof setzt sich aus 15 Richtern verschiedener Nationalität zusammen, die von der Generalversammlung und dem Sicherheitsrat der UNO für eine erneuerbare Amtsperiode von neun Jahren gewählt werden.
Die Schweiz war gleichzeitig Mitglied des Völkerbunds und Mitunterzeichnerin des Statuts des StIG. 1921-1930 gehörte der Schweizer Jurist Max Huber dem Internationalen Gerichtshof an (1925-1927 Präsident). 1921 erklärte die Schweiz ohne Vorbehalte und unilateral, dass sie die obligatorische Zuständigkeit des Gerichtshofs anerkenne. Sie war in zwei von insgesamt 31 Streitfällen verwickelt, die der StIG zwischen 1922 und 1939 behandelte. Der erste Fall von 1932 betraf die Freizonen, die 1815 im Pays de Gex und in Hochsavoyen errichtet worden waren, um Genf ein Hinterland zu sichern. Der Internationale Gerichtshof entschied, dass die Schweiz nach dem 1860 erfolgten Übergang der Souveränität über Savoyen und Nizza an Frankreich ihr Anrecht auf die Freizone behalte. Im zweiten Fall, der Losinger-Affäre von 1936, stand der Bundesrat für ein schweizerisches Unternehmen ein, das sich wegen der Nichteinhaltung eines Vertrages mit dem Königreich Jugoslawien zu verantworten hatte. Die Angelegenheit wurde nie abschliessend beurteilt, da es zwischen den beiden Ländern zu einer gütlichen Regelung kam.
Die Schweiz, die erst im September 2002 UNO-Mitglied wurde, trat dem Statut des Internationalen Gerichtshof auf Grund einer 1948 von der UNO-Vollversammlung verabschiedeten Resolution gemäss Artikel 93 der Charta bei, der die Integration von Nichtmitgliedern gestattet. Am 6. Juli 1948 erklärte sie ausserdem ihre uneingeschränkte Anerkennung der obligatorischen Zuständigkeit des Gerichtshofs. Bis heute gehörte noch nie ein Schweizer dem Internationalen Gerichtshof als Richter an, jedoch waren zwei Schweizer Bürger als Richter für einzelne Fälle zuständig: 1955 ernannte Liechtenstein Paul Guggenheim für den Fall Nottebohm, in welchem sich das Fürstentum und Guatemala gegenüberstanden. Paul Carry erhielt 1959 den Auftrag, sich mit der Interhandelaffäre (Interhandel) zu befassen, in der es um die Rückgabe von in den USA blockierten Vermögenswerten ging.
Seit Ende des Ersten Weltkriegs setzt sich die Schweiz für die Stärkung des internationalen Rechts und im Besonderen für den Internationalen Gerichtshof ein. Bis heute ist sie dieser Politik treu geblieben, denn das effiziente Funktionieren dieser Mechanismen dient nicht nur dem Interesse der internationalen Gemeinschaft, sondern hauptsächlich demjenigen der kleinen und mittelgrossen Staaten. Für sie ist die Justiz die wichtigste Waffe zur Gewährung ihrer Rechte. Im Übrigen beeinflussen die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshof (88 zwischen 1946 und 2004) die Entwicklung des Völkerrechts.