Die Bundesanwaltschaft ist als Ermittlungs- und Anklagebehörde der Eidgenossenschaft zuständig für die Delikte, die nach Strafgesetzbuch der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, wie verbotener Nachrichtendienst, Sprengstoffdelikte, Angriffe auf Magistraten und Beamte des Bundes, Falschgelddelikte sowie Widerhandlungen gegen das Kriegsmaterialgesetz. Seit 2001 gehören auch internationale oder sich über mehrere Kantone erstreckende Straftaten krimineller Organisationen sowie die internationale Geldwäscherei dazu. Für diese Arbeiten stehen ihr als gerichtliche Polizei die Bundeskriminalpolizei und die kantonalen Polizeikorps zur Verfügung. Neben eigenen Verfahren bereitet die Bundesanwaltschaft auch die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Bundesbeamte, die in ihrer amtlichen Tätigkeit ein Delikt begangen haben, und die Begnadigungsentscheide der Bundesversammlung vor. Ausserdem ist sie mit dem Vollzug der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen betraut, in denen gemäss schweizerischem Recht die Bundesgerichtsbarkeit gegeben wäre.
1848 wurden in der Bundesverfassung (BV) gesetzliche Grundlagen für die Ernennung eines Generalanwaltes und die Schaffung der Bundesanwaltschaft gelegt. Das Bundesgesetz über die Organisation der Rechtspflege 1849 unterstellte die Bundesanwaltschaft dem Bundesrat; das Gesetz über die Bundesstrafrechtspflege 1851 machte präventiv-polizeiliche Massnahmen vom Entscheid des Bundesrats abhängig. Im Bereich der sogenannten politischen Fremdenpolizei, d.h. der Überwachung der Flüchtlinge, arbeitete die Bundesanwaltschaft eng mit den fremdenpolizeilichen Behörden der Kantone zusammen. Die Bundesanwaltschaft blieb unbedeutend und war, einschliesslich des Bundesanwalts, nur mit drei Personen dotiert. Auch die Stelle des Bundesanwalts war nicht immer besetzt.
General- und Bundesanwälte
1851-1852 | Paul Migy |
1852-1856 | Jakob Amiet |
1889-1899 | Jakob Albert Scherb |
1899-1916 | Otto Kronauer |
1916-1948 | Franz Stämpfli |
1949-1955 | Werner Lüthi |
1955-1957 | René Dubois |
1958-1967 | Hans Fürst |
1968-1974 | Hans Walder |
1974-1989 | Rudolf Gerber |
1990-1993 | Willy Padrutt |
1994-1998 | Carla Del Ponte |
2000-2006 | Valentin Roschacher |
2007-2011 | Erwin Beyeler |
2012-2021 | Michael Lauber |
2021- | Stefan Blättler |
Obwohl die Bundesanwaltschaft in der BV 1874 nicht genannt wurde, sah das Verwaltungsorganisationsgesetz aus dem gleichen Jahr vor, im Bedarfsfall jeweils einen Bundesanwalt einzusetzen. 1874-1889 ernannte der Bundesrat nur für sechs grosse Untersuchungen, die ab ca. 1880 vor allem gegen Anarchisten und Sozialisten geführt wurden, einen Bundesanwalt. Nach der Wohlgemuth-Affäre wurde mit dem Bundesgesetz von 1889 die Stelle eines ständigen Bundesanwalts geschaffen und diesem eine Doppelfunktion zugewiesen, die das Amt bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts prägen sollte: Einerseits war er staatlicher Ankläger, anderseits leitete er die nach wie vor von den kantonalen Behörden ausgeführten Massnahmen im Rahmen der politischen Fremdenpolizei, die jetzt auch Schweizer Bürger erfassten. Damit hatte die Bundesanwaltschaft erheblich an Gewicht gewonnen. Gewählt wurde der Bundesanwalt durch den Bundesrat. Das gegen die Einsetzung eines ständigen Bundesanwalts von der Sozialdemokratischen Partei ergriffene Referendum kam nicht zustande.

Bis 1914 agierte die Bundesanwaltschaft vor dem Hintergrund der Feindbilder, die sich gegen linke Gruppierungen richteten. 1903-1935 bemühten sich bürgerliche Politiker als Antwort auf den zunehmenden Antimilitarismus, den Landesstreik und die Krisenjahre um ein verbessertes strafrechtliches Instrumentarium im Bereich des Staatsschutzes. Das Maulkrattengesetz 1903, die Lex Häberlin 1922 und das Staatsschutzgesetz 1934 scheiterten jedoch in der Volksabstimmung. Nach der Jacob-Affäre erliessen die eidgenössischen Räte 1935 den Bundesbeschluss betreffend Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft und schufen damit die Grundlage für den Aufbau eines Fahndungs- und Informationsdienstes unter Führung des Bundesanwalts (Bundespolizei). Als Reaktion auf den Skandal um verbotenen Nachrichtendienst durch den Bundesanwalt René Dubois und einen Inspektor der Bundespolizei verfügte der Bundesrat 1958 in einem weiteren Beschluss eine teilweise Entflechtung der Bundesanwaltschaft und der Bundespolizei. Bundesanwaltschaft und Bundespolizei blieb vorbehalten, den Kreis der staatsgefährdenden Personen und Organisationen zu definieren.
Während des Kalten Krieges liessen Bundespolizei und Bundesanwaltschaft nicht nur Handlungen mutmasslicher Staatsschutzkriminalität, sondern bis 1989 auch rund 900'000 Personen und Organisationen aus dem linken Umfeld präventiv beobachten (Antikommunismus), obwohl für diese Massnahmen keine rechtlichen Grundlagen bestanden. Die sogenannte Fichenaffäre führte in den 1990er Jahren zu einer Neuorganisation von Bundesanwaltschaft und Bundespolizei. Im Rahmen der revidierten, 2002 in Kraft gesetzten Bundesstrafprozessordnung wurden die bestehenden Strafverfolgungsbehörden ausgebaut und neu organisiert sowie zusätzlich ein Bundesstrafgericht geschaffen. Der Bundesanwalt gelangte einstweilen fachlich unter die Aufsicht des Bundesstrafgerichts, währenddem die administrative Aufsicht an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ging. Es wurde auch vorgeschlagen, das zweistufige Strafverfahren zwischen der Bundesanwaltschaft und dem eidgenössischen Untersuchungsrichteramt durch ein einstufiges zu ersetzen. Aufgrund politischer Auseinandersetzungen liessen sich die Verfahrens- und – damit verbunden – die Aufsichtsfrage über eine künftig allein zuständige Bundesanwaltschaft bis 2008 nicht abschliessend klären.