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Alois EmanuelBiedermann

2.3.1819 Bendlikon (Gemeinde Kilchberg ZH), 25.1.1885 Zürich, reformiert, von Winterthur. Sohn des Emanuel, Kaufmanns, Soldaten und Magistraten, und der Verena geborene Kern, Magd. 1843 Elisabeth Holzach, Tochter des Emanuel G., Kaufmanns, Appellationsrats von Basel. 1826-1830 besuchte Alois Emanuel Biedermann die von Hermann Krüsi im Geiste Pestalozzis geführte Kantonsschule Trogen. Sie entsprach dem christlich-aufklärerischen Erziehungsideal seines Vaters, der 1831 Stadtrat in Winterthur wurde. Hier besuchte Biedermann die Stadtschule. 1834 bezog er in Basel das Pädagogium, 1837 die theologische Fakultät, was eigener Neigung und väterlichem Wunsch entsprach. Als Lehrer prägten ihn Wilhelm Wackernagel, Friedrich Fischer und Wilhelm Martin Leberecht De Wette, als Autor David Friedrich Strauss. Die Berliner Jahre 1839-1841 brachten im Verkehr mit Wilhelm Vatke und intensiven Hegel- und Schleiermacherstudien die Klärung des theologischen Standpunkts. Nach glänzend bestandenem Examen und einer Glaubensprüfung wurde Biedermann 1842 in Basel ordiniert. Ein Promotionsversuch an der philosophischen Fakultät Tübingen scheiterte am dortigen Antihegelianismus. 1843-1850 war Biedermann Pfarrer in Münchenstein. Sogleich trat er in Wort und Schrift für sein liberales theologisch-kirchliches Credo ein. 1850 wurde Biedermann an die Zürcher Fakultät berufen, 1869 brachte er sein Hauptwerk, die «Christliche Dogmatik», heraus. Biedermann war Religionslehrer am Gymnasium, Synodaler und Kantonsrat. Er nahm an Alfred Eschers Mittwochsgesellschaft teil, war Mitglied des Zofingervereins, des Schweizerischen Alpenclubs und in der Turnbewegung aktiv. Der liberalen Theologie hat Biedermann im deutschen Sprachraum mit der «Freien Theologie» von 1844 den Namen und mit der «Christlichen Dogmatik» das theologische System gegeben; in der deutschen Schweiz hat er ihr zum kirchlichen Durchbruch verholfen. Dies ist auf die logische Stringenz, den religiösen Gehalt sowie die Vereinbarkeit seines Entwurfs mit dem politisch-weltanschaulichen Liberalismus zurückzuführen. Biedermann setzte geschichtlichen Glauben und begriffliches Denken so zueinander in Beziehung, dass sie sich weder gegenseitig neutralisierten noch ineinander aufgingen. Für ihn waren Religion und Wissenschaft Ausdruck des einen menschlichen Geistes. Er setzte beim geschichtlichen Dogma ein, um daraus in kritischer Destruktion und spekulativer Rekonstruktion dessen Wahrheitsgehalt in der Form reinen Denkens zu erheben. Er teilte die Hegelsche Voraussetzung, die Substanz des Geistes sei die Vernunft, sein Erzeugnis also ein Vernünftiges. Dies eröffnete die Möglichkeit, adäquat von Gott zu reden, und verlieh Biedermanns Theologie ihr harmonisch-optimistisches Gepräge. Die Führungsrolle, die Biedermann in der schweizerischen Reformbewegung zukam, nahm er so wahr, dass er vor doktrinärer Richtungstheologie stets warnte.

Quellen und Literatur

  • UBB, Nachlass
  • TRE 6, 484-488
  • R. Dellsperger, «Alois Emanuel Biedermann», in Gegen die Gottvergessenheit, hg. von S. Leimgruber, M. Schoch, 1990, 86-103
  • O. Reinmuth, Religion und Spekulation. Alois Emanuel Biedermann, 1993
  • T.K. Kuhn, Der junge Alois Emanuel Biedermann, 1997
Weblinks
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VIAF
Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 2.3.1819 ✝︎ 25.1.1885

Zitiervorschlag

Rudolf Dellsperger: "Biedermann, Alois Emanuel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.07.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010442/2004-07-13/, konsultiert am 28.03.2024.