Nachrichtenagenturen sind den Massenmedien vorgelagerte Organisationen, deren Nachrichtenveröffentlichung sie vorbereiten und prägen, indem sie nach bestimmten Kriterien Nachrichten aller Art (Text, Bild, Film, Ton) sammeln, kaufen, auslesen, ergänzen, verändern, kommentieren, übersetzen, und diese kontinuierlich als allgemeine oder spezielle Dienste vervielfältigt gegen Gebühr oder Beteiligung (Genossenschaft) an eine grosse Zahl von Abnehmern liefern. Nachrichtenagenturen operieren als privatwirtschaftliche oder staatliche Unternehmen national, regional, international oder transnational und sind untereinander durch Austauschverträge verbunden.
Die ersten modernen Nachrichtenagenturen entstanden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die tief greifenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen die Voraussetzungen für ein öffentliches Nachrichtensystem schufen: Mit dem bürgerlichen Rechtsstaat und der Legalisierung einer politisch fungierenden Öffentlichkeit entstand die moderne Massenpresse und mit ihr ein auf Öffentlichkeit ausgelegtes Nachrichtenwesen (Nachrichten). Die wachsende Nachfrage von Öffentlichkeit und Presse nach Informationen sowie von Banken und Industrieunternehmen nach aktuellen Wirtschaftsdaten war für die Gründung von Nachrichtenagenturen ein wichtiges Motiv.
Mit der Erfindung des Telegrafen (1837) wurde die Übermittlung elektrifiziert, die Nachricht zur Ware. Raschere Verbreitung grösserer Nachrichtenmengen und steigende Übermittlungskosten machten die Verselbstständigung und Rationalisierung der Nachrichtenbeschaffung in Form der Nachrichtenagenturen zur ökonomischen Notwendigkeit. Die auch in der Schweiz tätigen ausländischen Nachrichtenagenturen ― die französische Havas (1835), die amerikanische Associated Press (AP, 1848), das deutsche Wolffsche Telegraphenbüro (WTB, 1849) und die britische Reuters (1851) ― gelten als sogenannte Gründeragenturen. Sie beherrschten rasch den globalen Nachrichtenmarkt und steckten ab 1870 im Stil ihrer imperialistischen Regierungen in einem Kartellvertrag ihre globalen Einflusssphären ab. Nationale Nachrichtenagenturen konnten nur über das Kartell Nachrichten beziehen und untereinander austauschen. Es wurde 1934 aufgehoben, seither gelten direkte Austauschverträge.
AP und Reuters bestehen heute noch, während Havas 1944 durch Agence France Presse (AFP) ersetzt wurde. Das WTB wurde 1934 mit der Telegraphen-Union (TU) zum nationalsozialistischen Deutschen Nachrichten-Büro (DNB) zusammengelegt, an dessen Stelle 1949 die Deusche Presse-Agentur (DPA) trat. Bis zum Untergang der Sowjetunion 1991 war auch die 1925 gegründete Telegrafnoje Agenstwo Sowjetskogo Sojusa (TASS) eine Weltagentur. Mit AP, Reuters, AFP und der 1958 gegründeten amerikanischen United Press International (UPI) bestimmen heute aber Nachrichtenagenturen der nordwestlichen Industrieländer den globalen Nachrichtenmarkt. Dieses Nord-Süd-Gefälle im internationalen Informationsfluss führte nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der politischen Emanzipation der Entwicklungsländer, der weltweiten Entwicklung der Massenkommunikation sowie der Entstehung nationaler Nachrichtenagenturen in den meisten Ländern der Erde im Rahmen der Unesco zur Forderung nach einem freien und ausgewogenen internationalen Informationsfluss und einer neuen internationalen Informationsordnung.
Als erste schweizerische und als eine der ersten genossenschaftlichen Nachrichtenagenturen Europas wurde 1894 in Bern die noch heute bestehende Schweizerische Depeschenagentur (SDA) gegründet, um die schweizerische Presse aus der Abhängigkeit ausländischer Nachrichtendienste zu lösen. Es folgte 1916 der Schweizerische Press-Telegraph (SPT) und 1917 die Schweizer Mittelpresse (SMP, 1944-1993 Schweizerische Politische Korrespondenz SPK). Die Schweiz wurde in beiden Weltkriegen zur internationalen Nachrichtendrehscheibe. Es entstanden bis zu 50 in- und ausländische Nachrichtenagenturen, die ihren Betrieb aber über kurz oder lang wieder einstellten. Nach 1945 beherrschten SDA und SPK den schweizerischen Nachrichtenmarkt, mussten sich aber konkurrierender Schweizerdienste von ausländischen Nachrichtenagenturen erwehren (1961-1972 UPI, 1972-1983 Deutscher Depeschen-Dienst, ddp, seit 1981 AP). Seit 1994 arbeiten nur noch SDA und AP auf nationaler Ebene. Auf Anhieb erfolgreich war die einzige Schweizer Sportnachrichtenagentur Sportinformation (SI), die 1922 unter dem Namen Sportnachrichten-Bureau in Zürich gegründet wurde.
Ab den 1930er Jahren entstanden auch in der Schweiz Bildagenturen: Als erste 1931 in Zürich die Illustrations- und Photopress AG, kurz Photopress (1931-1980); 1936 der nach den Initialen seines Gründers Arnold Theodor Pfister benannte ATP-Bilderdienst (1936-1962), der 1962 von Ringier übernommen, mit dessen seit 1945 bestehenden Ringier Illustrations Press Service (Rips) zusammengeschlossen und als Ringier Bilderdienst (Ribidi) bzw. ab 1978 als Ringier Dokumentation Bild (RDB) weitergeführt wurde; Presse-Diffusion Lausanne (1936-1972), Comet (1952-1999), Interpresse (1953-1976), Actualité Suisse Lausanne (1954-2000) und Keystone (seit 1953), der spätere Branchenleader.
Die technische Entwicklung (Telegraf, Telefon, Funktelegraf, Fernschreiber, Telefax) prägte auch die Entwicklung der Nachrichtenagenturen. Von zentraler Bedeutung war der Eintritt ins Computer- und Satellitenzeitalter (erster Synchronsatellit 1963). Der technische Fortschritt revolutionierte die Arbeitsweise der Nachrichtenagenturen und ebnete ihnen den Weg zu diversifizierten Dienstleistungsunternehmen, die den Bedürfnissen der modernen Informationsgesellschaft entsprechen.