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Veduten

Als Veduten werden abbildende Darstellungen einer Landschaft oder eines Stadtbilds bezeichnet, deren Ziel die wirklichkeitsgetreue Wiedergabe des topografischen Bildgegenstands ist. Der Begriff stammt aus dem Italienischen und ist seit dem frühen 17. Jahrhundert schriftlich fassbar. In der Schweiz erlebten die Veduten ihre Blüte im 18. und frühen 19. Jahrhundert.

Vorläufer der Veduten in der frühen Neuzeit waren topografisch zuverlässige Darstellungen in religiösen und profanen Historien, wie etwa die Genfersee-Landschaft auf Konrad Witz' 1444 entstandenem Gemälde «Der Wunderbare Fischzug» oder die Panoramaansicht Zürichs auf dem Altarbild «Felix und Regula» (um 1500) von Hans Leu dem Älteren, während Heinrich Bichlers 1480 für das Freiburger Rathaus gemalte «Schlacht bei Murten» eine der ersten Veduten aus der Vogelschau war. Als Folge humanistisch-kompilatorischer Gelehrsamkeit verbreiteten sich solche Vogelschau-Veduten von Schweizer Städten zu Beginn des 16. Jahrhunderts etwa in Petermann Etterlins «Kronica» (1507), Sebastian Münsters «Cosmographia» (1544) und Johannes Stumpfs «Gemeiner loblicher Eydgnoschafft [...] beschreybung» (1547-1548). Unter dem Einfluss niederländischer und italienischer Vorbilder schufen im späten 16. Jahrhundert Jos Murer, Gregor Sickinger und Martin Martini grossformatige Plan-Veduten von Zürich, Freiburg, Bern und Luzern. Diese basierten auf dem jeweiligen Stadtplan, auf dem Bauten in Kavalierperspektive eingefügt wurden. Solche der Obrigkeit gewidmeten oder von ihr in Auftrag gegebenen idealisierten Darstellungen der Stadt in der Verkleidung eines realistisches Abbilds repräsentierten den Herrschaftsanspruch des Patriziats. Zu gesamteuropäischer Bedeutung führte ab 1615 Matthaeus Merian dieses Genre mit Grossveduten unter anderem zu Basel, Genf, Krakau und Paris sowie mit einem neuen, im «Theatrum Europaeum» (ab 1629) und in der «Topographia Germaniae» (ab 1642) publizierten Vedutentyp, bei dem die in die Landschaft eingebetteten Städte und Burgen von einem realen Betrachterstandpunkt aus dargestellt wurden. Dieser Form bedienten sich auch einige Berner Künstler wie Albrecht Kauw, der ab 1659 Ansichten von bernischen Landvogteischlössern malte.

Der aufkommende Tourismus des 18. Jahrhunderts (Schweizerreisen) schuf eine grosse Nachfrage nach Städte- und Landschaftsansichten, die von den sogenannten Kleinmeistern geschaffen wurden. Hier wurden Städte und Landschaften aus der Distanz wiedergegeben sowie mit Staffagen bereichert, und der Blickwinkel eines Wanderers sowie der malerische Gesamteindruck traten an die Stelle der analytischen Vogelperspektive. Die von Johann Ludwig Aberli 1765 entwickelte kolorierte Umrissradierung erlaubte eine rasche Herstellung von Veduten, was später auch die serielle Produktion in grossen Verlagsunternehmen ermöglichte. In Johann Georg Sulzers «Allgemeiner Theorie der Schönen Künste» von 1774 galten die Veduten wegen ihrer abbildenden Funktion lediglich als praktische Bildquelle für Landschaftsmaler, die dem Künstler das Reisen erspare, nicht aber als Kunst mit hohem ästhetischen Wert. Das gegen Ende des 18. Jahrhunderts aus den Veduten entwickelte Panorama wirkte wieder auf diese zurück: So entstanden panoramaartige Veduten, in denen Stadt und Landschaft als Einheit wahrgenommen wurden. Eine zweite Lösung bot Johann Baptist Isenring ab 1831 mit seinen Mosaikbildern, auf denen eine Stadtansicht im Zentrum des Blatts von Ansichten einzelner Sehenswürdigkeiten umrahmt ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Veduten von der Fotografie, den Reisebuchillustrationen und den Ansichtskarten beerbt. Besonders Letztere übernahmen von den Veduten Blickpunkt und Bildausschnitt sowie in miniaturisierter Form das Kompositionsprinzip des Mosaikbilds. Die Stadtvedute verschwand aus dem Werk der Maler und kehrte im 20. Jahrhundert bloss vereinzelt, etwa bei Niklaus Stoecklin, zurück, während die Landschaftsvedute durch die von subjektiven Eindrücken geprägte Landschaftsmalerei von Alexandre Calame bis Ferdinand Hodler ersetzt wurde. Seit dem späten 19. Jahrhundert gewannen die Veduten mit zunehmendem historischen Bewusstsein und dem Aufkommen der Denkmalpflege und historischen Museen eine neue Bedeutung, die sie zum unentbehrlichen Dokument für die wissenschaftliche Auswertung von Landschafts-, Stadt- und Baugeschichte werden liess.

Quellen und Literatur

  • M. Schefold, Bibl. der Vedute, 1976
  • B. Weber, Die Schweiz in ihren schönsten Ansichten, 1979
  • M.-L. Schaller, Annäherung an die Natur, 1990
  • Itinerari sublimi, Ausstellungskat. Lugano, 1998
  • K+A 53, 2002, H. 4
Weblinks

Zitiervorschlag

Marc Fehlmann: "Veduten", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.01.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011009/2014-01-15/, konsultiert am 17.04.2024.