Unter Schweizer Bilderchroniken ist eine Gruppe von Papier- oder Pergamenthandschriften des 15. und 16. Jahrhunderts zu verstehen, deren erzählender Text durch eine Fülle von bis zu mehreren hundert Illustrationen ausgestattet ist, wie sie sonst zu dieser Zeit in handschriftlichen Stadt- und Landeschroniken (Geschichte) unüblich ist.
Die Reihe setzt ein mit der «Berner Chronik» (1470) von Benedikt Tschachtlan und Heinrich Dittlinger. Ihr folgen die drei monumentalen Bände der «Amtlichen Berner Chronik» (1483) Diebold Schillings des Älteren, dessen einbändige, in privatem Auftrag erstellte «Spiezer Chronik» (1484) und die «Grosse Burgunderchronik» (1486). Letztere legte Gerold Edlibach zum Teil seiner «Zürcher Chronik» (1485-1486) zugrunde, von der auch eine illustrierte Kopie (1506) erhalten ist. Unabhängig von seinem gleichnamigen Onkel stellte Diebold Schilling der Jüngere seine «Luzerner Chronik» (1511-1513) her, während sich Werner Schodoler von Bremgarten 1514-1515 wieder den «Berner Schilling» zum Vorbild nahm. Als Nachzügler können die Kompilation des Wettinger Abts Christoph Silberysen (1576) und die von den Zeitgenossen ebenfalls als Chronik aufgefasste Sammlung des Zürcher Chorherrn Johann Jakob Wick («Wickiana» 1559-1587) gelten.
Die vorwiegend in gerahmten lavierten Federzeichnungen, ausnahmsweise («Luzerner Schilling») in Deckfarbenminiaturen ausgeführten Bilder verschiedenen Formats sind inhaltlich durch den zugehörigen Text bestimmt; in beschränkter Zahl stellen sie aber auch selbstständige Schlüssel- oder Repräsentationsbilder dar. Zuweilen ergibt sich ― modernen Comics vergleichbar ― aus der dichten Folge inhaltlich zusammenhängender Illustrationen eine fortlaufende Bildergeschichte.
Diese im Wesentlichen auf die politisch führenden Deutschschweizer Städte beschränkte Sonderentwicklung erklärt sich einerseits aus dem im Spätmittelalter allgemein verbreiteten profanen Bilderhunger, andererseits aus dem in den politisch und militärisch erfolgreichen Stadtstaaten ausgeprägten kommunalen Selbstbewusstsein vor allem der Führungsgruppen, das sich seit den Burgunderkriegen zu einem gesamteidgenössischen Bewusstsein auszuweiten begann. Die Bilderchroniken bezeugen diesen Prozess durch den chronologisch aufgebauten und ereignisgeschichtlich konzipierten Text, der in der Fortsetzung mittelalterlicher historiografischer Tradition Wundersames und Mythisches nicht unbedingt ausschliesst, noch weit eindrucksvoller aber ― trotz streckenweise ermüdender Monotonie der Motive ― durch die sich weitgehend an der zeitgenössischen Realität orientierenden Illustrationen. Dadurch werden sie zur unerschöpflichen Bildquelle, namentlich zu Krieg und Fehde, Politik und Diplomatie, zur Mentalitäts-, Rechts- und Alltagsgeschichte ebenso wie zur Realienkunde, Topografie und Heraldik. Die Derbheit der Darstellung, ja die unverhohlene Lust an Gewalt und Grausamkeit dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese aufwendigen Handschriften keineswegs das Wesen eines rohen Bauernvolkes widerspiegeln, sondern vielmehr die Mentalität der städtischen Honoratioren, für die sie bestimmt gewesen sind. Die Breitenwirkung blieb ihnen versagt, weil sie ― im Gegensatz etwa zur 1507 gedruckten eidgenössischen Chronik des Petermann Etterlin ― auf die modernen Kommunikationsmittel wie Buchdruck und Flugblätter verzichteten und von ihren Empfängern wie Staatsschätze gehütet worden sind.
Weitgehend ungelöst ist die Frage nach den Illustratoren. Neuere Untersuchungen haben die Vorstellung, die Chronisten seien ihre eigenen dilettierenden Illustratoren gewesen, als unrichtig oder als zweifelhaft erwiesen, was sich schon aus dem Nachweis verschiedener Hände ergibt. Ausnahmen könnten die Haupthand (A) im «Luzerner Schilling», Edlibach und Silberysen bilden; letzte Sicherheit besteht aber nicht. In der Regel ist mit unterschiedlich versierten, eher professionellen Buchillustratoren zu rechnen, über deren Herkunft, Ausbildung und weitere Tätigkeit bisher höchstens Vermutungen vorliegen.