Ausgangspunkt der Diözese (Bistum) und des Fürstbistums von Genf ist die vor 280 anzusetzende Erhebung des römischen Vicus in den Rang einer Civitas. Die frühesten bischöflichen Gebäude, eine Doppelkathedrale mit Baptisterium, wurden von Archäologen freigelegt und in das dritte Viertel des 4. Jahrhunderts datiert. Der erste bezeugte Bischof, Isaac, lebte um 400.
Die Grenzen der Diözese, d.h. des Gebiets, in dem der Bischof seine geistlichen Rechte ausübte – der Ausdruck Fürstbistum bezeichnet im engeren Sinn sein weltliches Herrschaftsgebiet –, sind erst aufgrund der Abrechnung des päpstlichen Zehnten von 1275, die sämtliche 387 Pfarreien aufführt, genau zu bestimmen. Dieses Territorium entsprach nicht demjenigen der spätrömischen Civitas; wie es entstanden ist, ist nicht zu eruieren. Als Teil der Erzdiözese Vienne (5. Jahrhundert-1801) umfasste die Diözese im Norden den westlichen Teil der Waadt, von der Aubonne bis zum Jura, wo sie an die Ländereien der Abtei Saint-Claude grenzte, und im Westen das Tal der Valserine, den Fuss des Waadtländer Juras, das Pays de Gex und das rechte Rhoneufer, welche das an die Erzdiözese Lyon grenzende Dekanat Aubonne bildeten. Das Dekanat von Ceyzérieu im Südwesten bestand aus dem Séran-Tal und dem unteren Rhonetal von Seyssel bis zum Lac du Bourget. Das im Süden links der Rhone gelegene Dekanat von Rumilly umfasste im Wesentlichen das Usses-Tal und das Chéran-Tal, das Dekanat von Annecy, das im Süden durch die Diözese von Grenoble und die Erzdiözese der Tarentaise begrenzt wurde, das ganze Becken des Annecy-Sees. Das Dekanat von Sallanches im Südosten nahm das ganze Arve- und Giffretal ein und stiess an die Diözesen von Aosta und Sitten. Das Dekanat von Allinges am Genfersee bestand aus dem ganzen Tal der Dranse und ihrer Zuflüsse und war im Osten durch die Diözese von Sitten begrenzt. Näher bei Genf gelegen waren das Dekanat Annemasse und das Dekanat Vuillonex, zu dem mehrere wichtige Institutionen, darunter das Kollegiatstift von Viry, gehörten. Schliesslich zählte auch die Bischofsstadt mit ihren sieben Pfarreien, dem Domkapitel und ihren Klöstern zur Diözese.
Bischöfe der Diözese Genf bis zur Reformation
Amtsdaten | Bischof |
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um 400 | Isaac |
mind. ab 441-um 460 | Salonius |
um 470 | Eleutherius |
um 470 | Theoplastus |
um 470-um 490 | Domitianus |
um 513-523 | Maximus |
541-549 | Pappolus |
um 567-573 | Salonius |
584-585 | Cariatto |
601/602 | Rusticius oder Patricius (?) |
626/627 | Abelenus |
um 650 | Pappolus |
664 | Ethoaldus (?) |
769-770 | Gauzibertus |
um 800 | Walternus |
833 | Altaldus |
838 (?) | Aptadus (?) |
Boso | |
877 | Ansegisus |
882 | Aptadus |
899 | Bernardus |
zw. 899 und 906 | Riculfe |
906 | Franco |
927 | Adelgaud |
943-950 | Aymon |
958-978 | Girardus |
993-1020 | Hugo |
zw. 1020 und 1030 | Conrad |
zw. 1020 und 1030 | Adalgod |
zw. 1020 und 1030 | Bernardus |
1030-1073 | Fridericus |
zw. 1073 und 1083 | Boczadus |
1083-1119 | Guy de Faucigny |
1120-1135 | Humbert von Grammont |
1135-1185 | Arducius de Faucigny |
1185-1205 | Nantelmus |
1205-1213 | Bernard Chabert |
1213 | Pierre (de Sessons ?) |
1215-1260 | Aymo von Grandson |
1260-1267 | Heinrich |
1268-1275 | Aymon de Cruseilles |
1276-1287 | Robert von Genf |
1287-1294 | Guillaume de Conflans |
1295-1303 | Martin de Saint-Germain |
1304-1311 | Aymon de Quart |
1311-1342 | Pierre de Faucigny |
1342-1366 | Alamand de Saint-Jeoire |
1366-1377 | Guillaume de Marcossey |
1378-1385 | Jean de Murol |
1385-1388 | Adhémar Fabri |
1388-1408 | Guillaume de Lornay |
1408-1418 | Jean de Bertrand |
1418-1422 | Jean de Rochetaillée |
1422-1423 | Jean Courtecuisse |
1423-1426 | Jean de Brogny |
1426-1444 | François de Metz |
1444-1451 | Amadeus VIII. von Savoyen (Felix V.) |
1451-1458 | Peter von Savoyen |
1460-1482 | Johann Ludwig von Savoyen |
1482 | Domenico Della Rovere |
1482-1484 | Jean de Compey |
1484-1490 | Franz von Savoyen |
1490-1495 | Antoine Champion |
1495-1509 | Philipp von Savoyen |
1509-1513 | Charles de Seyssel |
1513-1522 | Johann von Savoyen |
1522-1543 | Pierre de La Baume |
Die Ereignisgeschichte der Diözese ist, vor allem wegen archäologischer Untersuchungen, besser bekannt. Um 515 wurde die Kathedrale, die in den Bruderkriegen der burgundischen Fürsten zerstört worden war, durch König Sigismund wieder aufgebaut. Die Namen der Bischöfe zwischen 650 und 833 sind nicht gesichert; die rege Bautätigkeit an der Kathedrale und den Pfarrkirchen, die archäologisch gut dokumentiert ist, zeugt aber von einer stetigen Entwicklung des religiösen Lebens in der Diözese in jener Epoche. Die Bischöfe von Genf nahmen eine besondere Stellung im Reich Karls des Grossen und in Lotharingien ein, dem ihre Diözese aufgrund des Vertrages von Verdun von 843 zugeteilt wurde; Karl der Dicke sprach ihnen Privilegien zu. Im Zweiten Königreich von Burgund leiteten die Bischöfe Aymon und Girardus zwischen 943 und 967 die königliche Kanzlei. Obwohl die Bischöfe die gräflichen Rechte in der Stadt Genf wohl nicht besassen – diese Ansicht ist allerdings umstritten – , übten sie in dieser gewisse Hoheitsrechte aus, so vor allem das seit 1020 bzw. 1030 bezeugte Münzrecht. Die Bischofskanzlei ist seit 1099 bezeugt, doch wurde das Amt des Kanzlers im Jahr 1178 offenbar abgeschafft. Das 11. und insbesondere das 12. Jahrhundert scheinen für die Diözese eine fruchtbare Epoche gewesen zu sein, geprägt durch Gründungen von Cluniazenserklöstern (Saint-Victor, Contamine-sur-Arve), Abteien der Regularkanoniker (Abondance, Peillonnex, Satigny, Sixt, Entremont), Zisterzienserklöstern (Bonmont, Hautecombe, Chézery, Saint-Jean d'Aulps, Bellerive) und Kartausen (Arvières, Oujon, Vallon, le Reposoir, Pomier, Aillon). Das politische Gewicht des Bischofs nahm zu: Im Vertrag von Seyssel von 1124 wurde Humbert von Grammont als alleiniger Herr der ganzen Stadt Genf anerkannt, zum Nachteil des Grafen von Genf. Arducius de Faucigny erhielt 1154 bzw. 1162 die Reichsunmittelbarkeit.
Der weltliche Herrschaftsbereich des Bistums wurde ab dem 13. Jahrhundert schrittweise aufgebaut. Der Bau der Burgen auf der Genfer Rhoneinsel sowie in den Mandements Jussy, Peney und Thiez durch Aymo von Grandson sowie die zeitgemässe Organisation dieser Herrschaften war eine Reaktion auf den wachsenden Druck, der nicht so sehr von den Grafen von Genf als vom Haus Savoyen ausgeübt wurde. Letzteres gewann vom frühen 13. Jahrhundert an in der Genfer Region an Macht und mischte sich in die Politik der Stadt ein, indem es die Forderungen der Gemeinschaft der Citoyens und Bourgeois unterstützte. Amadeus V. von Savoyen bemächtigte sich 1287 der Burg auf der Insel und eignete sich im folgenden Jahr das Vizedominat des Bischofs an; 1290 anerkannte Bischof Guillaume de Conflans die vollendete Tatsache und gab dem Grafen von Savoyen Festung und Amt zu Lehen. 1309 musste Bischof Aymon de Quart die Existenz einer Gemeinde akzeptieren, die fortan die Verwaltung der Stadt übernahm. Seinen Vorteil mehrend, erlangte Amadeus VI. von Savoyen 1365 von Kaiser Karl IV. das Reichsvikariat in mehreren Fürstbistümern der Region, was die Reichsunmittelbarkeit des Bischofs beeinträchtigte. Bischof Guillaume de Marcossey gelang es jedoch, den Kaiser zum Rückruf dieses Vorrechts zu bewegen (Urkunden von 1366 und 1367). 1387 gewährte Bischof Adhémar Fabri den Citoyens und Bourgeois seine berühmten Freiheiten, die namentlich dem Wirtschaftsleben der Messestadt Genf zugute kamen.
Die Periode des Grossen Schismas (1378-1417) und der Konzile von Konstanz und Basel war durch mehrere herausragende Persönlichkeiten geprägt: Der Gegenpapst Clemens VII., d.h. Robert Graf von Genf, besetzte wichtige Posten mit Personen, die aus der Grafschaft stammten, wie etwa die Kardinäle Jacques de Menthonay und Jean de Brogny, die die päpstliche Kanzlei 1385-1426 leiteten. Der für seinen reformatorischen Eifer bekannte Bischof Jean de Bertrand war Kandidat bei der Papstwahl 1417. Herzog Amadeus VIII. von Savoyen, der 1439 zum Papst gewählt wurde – als solcher nannte er sich Felix V. –, nutzte die Gelegenheit, um sich 1444 des Bistums Genf zu bemächtigen und seinen Nachkommen das Vorschlagsrecht zu sichern.
Das Bistum blieb bis zur Revolution vom Hause Savoyen abhängig. Im Laufe der politischen und religiösen Entwicklung Genfs im frühen 16. Jahrhundert verband sich der Unabhängigkeitsdrang der Bürger mit der Sympathie für das reformatorische Gedankengut: 1533 verliess Bischof Pierre de La Baume die Stadt, um sich in seine Abteien in der Freigrafschaft Burgund zurückzuziehen; seine Nachfolger, die nicht nur ihre Bischofsstadt, sondern auch die Mandements Peney, Jussy und Thiez verloren hatten, sollten nie wieder den Boden Genfs betreten, das zur Reformation überging und sich dem Schutz der Eidgenossen unterstellte.
Bischöfe der Bistümer Genf-Annecy (bis 1801) und Chambéry und Genf (1801-1821)
Amtsdaten | Bischof |
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1543-1550 | Louis de Rye |
1550-1556 | Philibert de Rye |
1556-1568 | François de Bachod |
1568-1578 | Ange Justiniani |
1578-1602 | Claude de Granier |
1602-1622 | Franz von Sales |
1622-1635 | Jean-François de Sales |
1639-1645 | Juste Guérin |
1645-1660 | Charles-Auguste de Sales |
1661-1695 | Jean d'Arenthon d'Alex |
1697-1734 | Michel-Gabriel de Rossillon de Bernex |
1741-1763 | Joseph-Nicolas Deschamps de Chaumont |
1764-1785 | Jean-Pierre Biord |
1787-1801 | Joseph-Marie Paget |
1793-1794 | François-Thérèse Panisseta |
1802-1805 | René des Monstiers de Mérinville |
1805-1821 | Irénée-Yves de Solle |
a verfassungsmässiger Bischof des Bistums Mont-Blanc
1569 liess sich der ein Jahr zuvor ernannte Bischof Ange Justiniani in Annecy nieder. Sein Nachfolger Claude de Granier reorganisierte das Bistum und teilte es in Erzpriestersprengel ein. Zwischen 1594 und 1597 führten Predigten des Franz von Sales, Propsts des Kapitels Saint-Pierre in Genf, und der Kapuziner zur Rekatholisierung des Chablais, das die Berner mit dem Lausanner Vertrag von 1564 an den Herzog von Savoyen abgetreten hatten. Franz von Sales verfolgte als Bischof das Ziel einer spirituellen Wiedereroberung der Diözese: Das Edikt von Nantes von 1598 erlaubte die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes im französischen Pays de Gex, wo 1604 eigens ein Offizialat geschaffen wurde; aber erst nach der Widerrufung des Edikts von Nantes im Jahr 1685 wurde das Pays de Gex, namentlich durch die Jesuiten von Ornex, rekatholisiert. 1610 gründete Franz von Sales mit Jeanne de Chantal in Annecy den Orden der Visitation. Er förderte die Niederlassung von Barnabiten in der Diözese, denen die Kollegien in Annecy (1614), Thonon (1615) und Bonneville (1648) anvertraut wurden. 1663 wurde in Annecy ein Diözesanseminar errichtet. 1771 wurde die Kirche Saint-François in Annecy, in der das Domkapitel seit 1538 seine Gottesdienste gefeiert hatte, zur Kathedrale St. Peter erhoben – damit sollte sichtbar gemacht werden, dass die Diözese Genf mit Annecy einen neuen Bischofssitz erhalten hatte.
Die Eroberung Savoyens durch die Truppen des revolutionären Frankreich 1793 setzte der Herrschaft der Savoyer ein Ende. Aufgrund eines Gesetzes von 1793 wurde die Diözese Mont-Blanc errichtet, die sich mit dem Gebiet des gleichnamigen Departements deckte. Der letzte Bischof, Jean-Marie Paget, zog sich nach Turin zurück; zahlreiche Priester emigrierten. Der konstitutionelle Bischof François-Thérèse Panisset, der 1793 gewählt wurde, konnte wenig ausrichten, da der katholische Kultus, dem die Savoyarden anhingen, bereits im Januar 1794 im Departement verboten wurde.
Das Konkordat vom 15. Juli 1801, mit dem der Friede zwischen der Kirche und dem französischen Staat wiederhergestellt wurde, ermöglichte die Errichtung des Suffraganbistums Chambéry und Genf (Bulle vom 29. November 1801), das dem Erzbistum Lyon unterstand. 1803 las ein Priester in der Kirche Saint-Germain erstmals wieder eine Messe in Genf – zuletzt waren solche 1679 in der Kapelle des französischen Residenten zelebriert worden.
Die Diözese von Chambéry und Genf wurde aufgrund des Konkordats von 1817 zwischen dem Papst und dem König von Sardinien, der wieder in den Besitz Savoyens gelangt war, von der Kirchenprovinz Lyon losgelöst und in ein Erzbistum umgewandelt. 1819 trennte Pius VII. die katholischen Pfarreien des Kantons Genf trotz des Widerstands des Erzbischofs und vor allem des Pfarrers von Genf, Jean-François Vuarin, vom Erzbistum Chambéry ab und verleibte sie der Diözese Lausanne ein. 1821 entzog der Papst auf Ansuchen der Genfer Regierung dem Erzbischof von Chambéry den Titel des Bischofs von Genf und übertrug diesen dem Bischof von Lausanne, der in Freiburg seinen Sitz hatte.
1864 ernannte der Papst Gaspard Mermillod zum Bischof in partibus von Hebron und Weihbischof von Genf. Die Genfer Regierung ging zunächst davon aus, dass Mermillod die Funktion eines Generalvikars innehätte; erst die Ernennung von Mermillod zum apostolischen Vikar am 18. Januar 1873 interpretierte sie als Errichtung eines neuen Bistums. Damit geriet Mermillod in Konflikt mit dem Staatsrat und wurde auf dessen Betreiben durch den Bundesrat am 17. Februar 1873 aus der Schweiz ausgewiesen. 1987 wurde Amédée Grab zum Weihbischof der Diözese Lausanne-Genf-Freiburg mit Residenz in Genf ernannt.