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Figurentheater

Puppentheater

Das Figurentheater oder auch Puppentheater ist ein Spiel mit Puppen oder anderen beweglichen Objekten inklusive virtueller Animation (Theater). Man unterscheidet unter anderem Figurentheater mit plastischen Puppen (Handpuppe, Marionette, Stockpuppe) und Figurentheater mit beweglichen oder starren Flachfiguren (Schattenspiel, Papiertheater). Für das Figurentheater bis Ende 19. Jahrhundert sind Kasperl-Possen sowie volkstümliche Stoffe charakteristisch, im 20. Jahrhundert dann Singspiele, Märchen, literarische Dramen und visuell-assoziative Performances mit oder ohne Handlung. Im modernen Figurentheater agiert oft ein Mensch als Gegenspieler einer Figur. Improvisationen, die das Kinderpublikum in die Aufführung miteinbeziehen und während der Interaktion eine aktive Meinung zur Handlung fördern, bilden die pädagogische Basis des zeitgenössischen Figurentheaters.

Kasperlitheater um 1800 unter den Lauben in Bern. Lavierte Tuschzeichnung von Gottfried Mind (Burgerbibliothek Bern).
Kasperlitheater um 1800 unter den Lauben in Bern. Lavierte Tuschzeichnung von Gottfried Mind (Burgerbibliothek Bern).

Der erste bekannte Puppenspieler der Schweiz ist wohl der Solothurner Heinrich Wirre (nachgewiesen 1558-1570). Gegen Ende des Dreissigjährigen Krieges, nach der Schliessung aller englischen Theater 1642, wichen die Schauspieler aufs Festland aus, wo sie zum Teil englische Klassiker mit Marionetten aufführten. Vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts traten in der Schweiz zahlreiche ausländische wie einheimische Wanderkomödianten auf, die Handpuppen, Marionetten, Schattenfiguren oder menschengrosse Figuren auf den Jahrmärkten zur Schau stellten.

Eine eigentliche Puppentheaterbewegung bildete sich in der Schweiz erst im 20. Jahrhundert. 1903 gründete der Kaufmann Hermann Scherrer nach dem Vorbild des Münchners Papa (Joseph) Schmid das St. Galler Marionettentheater (bis 1943), die erste ständige Puppenbühne der Schweiz. 1918 rief Alfred Altherr, angeregt von der Theaterkunstausstellung 1914 in Zürich, das Schweizerische Marionettentheater ins Leben, das bis 1935 an der Kunstgewerbeschule Zürich bestand. Zwei Inszenierungen Carlo Gozzis «König Hirsch» mit Marionetten von Sophie Taeuber-Arp und Debussys «La Boîte à joujoux» mit Marionetten von Otto Morach sind in die Kunstgeschichte als erste Aufführungen mit abstrakten Marionetten eingegangen.

Friedrich Dürrenmatt wirkte 1947 beim Marionettentheater Festi-Ligerz (1927-1947) von Fernand und Elsi Giauque mit. 1929 gründete Marcelle Moynier die Marionnettes de Genève. Das Teatro delle marionette di Ascona (1937-1960) stand unter der Leitung von Jakob Flach; als Mitarbeiter konnten unter anderem Künstler des Monte Verità gewonnen werden. Der Schriftsteller Rudolf Jakob Humm und sein Sohn führten in Zürich ein Marionettentheater (1940-1946). Die Zürcher Marionetten (1942-1960) wurden als Nachfolgebühne des Schweizerischen Marionettentheaters von Wilhelm Zimmermann gegründet.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand eine grosse Anzahl professioneller Puppenbühnen. 1943 gründete Richard Koelner das Basler Marionettentheater. Das Puppencabaret Fred Schneckenburger (1947-1966) prägte das moderne experimentelle Puppentheater. 1968 rief Monika Demenga die Berner Puppenbühne ins Leben. Ein Jahr später gründeten Michel und Michèle Poletti die Compagnia Teatro Antonin Artaud in Lugano, die 1979-1998 das Festival internazionale delle marionette durchführte und dieses seit 2003 erneut veranstaltet. Das Neuenburger Théâtre de la Poudrière, das 1970 – zuerst als Laienbühne – seinen Betrieb aufnahm, organisiert seit 1985 alle zwei Jahre das Festival international de la marionette, an dem kantonsweit jeweils Künstler von Weltruf gastieren. 1984 gründeten Peter Matthias Born und Hana Ribi in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Gemeinderat das Zürcher Puppen Theater (heute Theater Stadelhofen). In Locarno formierte sich 1986 die von Santuzza Oberholzer geleitete Theatertruppe Teatro dei Fauni, welche die Professionalisierung des Figurentheaters in der italienischen Schweiz verfolgt. Bereichert wird ihr Programm seit 1998 durch das jährlich stattfindene Internationale Festival des Figuren- und Schattentheaters, Il castello incantato. 1959 erfolgte die Gründung der Schweizerischen Vereinigung für Puppenspiel (SVfP), die 1972 Anschluss an die Union Internationale de la Marionnette (Unima) fand. Die Unima Suisse, der rund 50 professionelle Bühnen angeschlossen sind, gibt die in französischer und deutscher Sprache erscheinende Zeitschrift «Figura» heraus.

Quellen und Literatur

  • PrivA Hana Ribi, Zürich
  • U. Bissegger, Puppentheater in der Schweiz, 1978
  • H.R. Purschke, Über das Puppenspiel und seine Gesch., 1983
  • V. Falchetto, Marionette di Ascona 1937-1960, 1985
  • Das schweiz. Puppentheater, Ausstellungskat. Winterthur und Bulle, 1986
  • H. Ribi, Fred Schneckenburgers Puppencabaret, Ausstellungskat. Zürich, 1991
  • TLS
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Marionetten

Zitiervorschlag

Hana Ribi: "Figurentheater", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.07.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011896/2008-07-03/, konsultiert am 19.03.2024.