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Zirkus

Artisten eines englischen Zirkus in Zürich. Öl auf Holz von Heinrich Freudweiler, um 1783 (Privatsammlung; Fotografie Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich).
Artisten eines englischen Zirkus in Zürich. Öl auf Holz von Heinrich Freudweiler, um 1783 (Privatsammlung; Fotografie Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich). […]

Als Schöpfer des modernen Zirkus gilt der britische Kunstreiter Philip Astley (1742-1814), der in der Arena Pferde- und Tierdressuren, Akrobatik, Pantomimen und Clownerie aufführte. Astleys Etablissement, ursprünglich als Pferdetheater bezeichnet, wurde vom venezianischen Kunstreiter Antonio Franconi (1738-1836) übernommen. Dessen Söhne nannten das Unternehmen mit der neuen theatralischen Unterhaltungsform 1807 Cirque olympique. Der Name Zirkus wurde in den darauffolgenden Jahren von weiteren Akrobaten, Jongleuren, Seiltänzern, Kunstreitern, Clowns, Tierbändigern und Schaustellern übernommen, die in einer Freiluftarena (Manege) auftraten.

Ab dem Mittelalter reisten Spielleute (Gaukler, Jongleure), ab dem 17. Jahrhundert auch Wandertruppen durch das Gebiet der heutigen Schweiz. Letztere traten oft gemeinsam mit Schaustellern auf und bauten deren Ideen (Auftritte mit Riesen und Zwergmenschen) in ihre Programme ein. Im 19. Jahrhundert war die Schweiz Durchgangsland bekannter Zirkus-Unternehmungen wie Hagenbeck aus Deutschland oder Barnum & Bailey aus den USA. Nebst dem üblichen Programm wurden dem Publikum auch Völker- und Tierschauen angeboten sowie artistischen Aufführungen, wie sie sonst in den Stadttheatern und Variétés zu sehen waren.

Um 1814 bereiste die Seiltänzerfamilie Knie aus Wien mit ihrem Arena-Circus zum ersten Mal die Schweiz und liess sich 1849 in Burgdorf und später auch in Rapperswil (SG) nieder. In der vierten Generation gründeten Friedrich und Eugen Knie den Schweizer National-Circus. Ihr erstes Zelt (Chapiteau) stand 1919 in Bern. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden neue Wanderzirkusse, so um 1860 aus der deutschen Artistendynastie Nock der gleichnamige Zirkus, der vorher unter dem Namen Circus Central gereist war. Nock trat 1890 in Richterswil und 1892 in Davos mit einem Orchester und Elefanten auf. Eine Attraktion bildeten auch Nocks ausländische Artisten und das Personal aus Afrika. Ausserdem führte er einen Kinematografen mit, der vor allem in ländlichen Gebieten die erste Begegnung mit dem Medium Film ermöglichte. Ende des 19. Jahrhunderts kam der Deutsche Heinrich Gasser (Gasser, SH) mit seiner Adler-Truppe in die Schweiz. Das Unternehmen wurde 1941 in Circus Olympia umbenannt und liess sich in der Schweiz nieder. Weitere traditionelle Schweizer Zirkusdynastien sind Stey, Bauer, Strohschneider und Inauen.

Gaukler in Luzern. Fotografie von Ernst Brunner, um 1937 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel).
Gaukler in Luzern. Fotografie von Ernst Brunner, um 1937 (Schweizerisches Institut für Volkskunde, Basel).

Anders als in europäischen Metropolen wie Paris, London und Berlin gab es in der Schweiz keine festen Zirkusbauten. Die Zirkusse reisten mit Freilicht-Arenen durch das Land, die bis zum Zweiten Weltkrieg sukzessive durch Zelte ersetzt wurden. Die kalten Monate verbrachten die Zirkusse im Winterquartier. In den 1950er und 1960er Jahren machten neue Medien wie Kino und Fernsehen dem Zirkus Konkurrenz. Rückläufige Besucherzahlen und neue Zirkusgründungen führten zur Spezialisierung der Unternehmen. So wurde das Programm bei Knie ab 1969 mit Auftritten von Prominenten bereichert. Als erster trat Clown Dimitri auf, ihm folgten unter anderem Emil und die Pantomimen Mummenschanz. Der Zirkus Olympia veränderte sein Angebot, indem er (als Erster) ein Restaurant integrierte. Ab Ende der 1970er Jahre entstanden neue Unternehmen, so unter anderem die Raubtiershow von René Strickler, der Jugendzirkus Robiano, der Kinderzirkus Robinson oder der Theaterzirkus Wunderplunder. Die grossen Zirkus-Unternehmen bauten Erlebnisparks (z.B. Knie den Kinderzoo in Rapperswil oder Gasser das Connyland in Lipperswil) oder ein Museum (Zirkus-Nock-Museum in Oeschgen). 1999 gab es rund 25 Zirkusunternehmen in der Schweiz, wovon zwei in der Westschweiz und zwei im Tessin angesiedelt waren.

Quellen und Literatur

  • Manege, 1962-
  • Le grand livre du cirque, hg. von M. Renevey, 2 Bde., 1977
  • Les Cahiers du Cirque, 1979-
  • P. Kaufmann, Kleine Stadt auf Rädern, 1985
  • R. Brändle, Wildfremd, hautnah, 22013
Weblinks

Zitiervorschlag

Roland Brechbühl: "Zirkus", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 25.01.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011906/2015-01-25/, konsultiert am 17.09.2024.