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Lousonna

Der gallorömische vicus Lousonna (heute Gemeinde Lausanne, Quartier Vidy) lag an einer von zwei Wasserläufen begrenzten Bucht an den Ufern des Genfersees, der auch den Lageplan der Siedlung bestimmte. Er dehnte sich auf einer natürlichen, sanft abfallenden Terrasse auf einer Länge von rund 1 km und auf einer Fläche von zirka 20 ha aus. Seine Entstehung ist eng mit der geografischen Lage verknüpft. Lousonna bildete einen Warenumschlagplatz an der Verbindung zwischen dem Rhonebecken und der Rheinebene, an der Schnittstelle zwischen den Handelswegen, die einerseits Italien über den Grossen St. Bernhard mit Gallien und der Rheingrenze, andererseits den Mittelmeerraum durch das Rhonetal mit Germanien verbanden. Der See – der als Verkehrsweg intensiv genutzt wurde, wie die Korporation der Genferseeschiffer beweist – spielte bei der Entwicklung Lousonnas eine entscheidende Rolle. Lousonnas Bedeutung als Umschlagplatz und Transitraum wird auch dadurch bestätigt, dass das archäologische Fundmaterial zum Teil importiert und zu einem anderen Teil lokal hergestellt worden ist.

Archäologischer Übersichtsplan von Lausanne-Vidy
Archäologischer Übersichtsplan von Lausanne-Vidy […]

In Vidy wurden vom Mittelalter an im Bereich der Ruinen, die ab 1402 belegt sind, immer wieder Zufallsfunde gemacht. Die ersten Überblicksdarstellungen zur Geschichte Lousonnas gehen auf das 18. und 19. Jahrhundert zurück. Sie erwähnen 1739 die Entdeckung einer Inschrift mit dem Namen der antiken Stadt. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine archäologische Karte mit den bis zu jenem Zeitpunkt gemachten Entdeckungen angelegt. Die fortschreitende städtebauliche Entwicklung des Quartiers vom Ende des 19. Jahrhunderts an gab Anlass zu ersten wissenschaftlichen Bestandesaufnahmen und Erhebungen. 1934 wurden in einem Wohnhaus systematische Grabungen vorgenommen, nachdem in einem Zimmer eine Wandmalerei gefunden worden war. Das Zentrum Lousonnas wurde 1935-1939 freigelegt. Im Zusammenhang mit dem Bau der Autobahn A1 1960-1961 sowie mit den Arbeiten für die Landesausstellung 1962-1964 fanden wichtige Grabungen statt, die Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Siedlung erlaubten. Von den 1970er Jahren an konnten die Chronologie und die Interpretation der städtischen Entwicklungsphasen verfeinert werden. Die Forschungen der Archäologen ermöglichten, einen Gesamtplan Lousonnas zu erstellen, was für eine römische Kleinstadt auf helvetischem Boden einzigartig ist. Zudem lieferten sie Elemente zum Verständnis des Phänomens der Romanisierung in den von Rom gegründeten Provinzen. 1993 wurde das Römermuseum Lausanne-Vidy eingeweiht, welches das antike Erbe Lousonnas bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Bei archäologischen Arbeiten, die meist in der Form von Rettungsgrabungen erfolgten, wurden 1998 die Überreste des Theaters entdeckt.

Die ersten Bauten aus Erde und Holz in Lousonna gehen auf das Jahr 15 v.Chr. zurück, als die Angliederung Helvetiens an eine der Provinzen des Römischen Reichs günstige politische und wirtschaftliche Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Siedlungen in der Ebene schuf, während oppida in höheren Lagen aufgegeben wurden. Die grösstenteils keltische Bevölkerung ging rasch zur römischen Lebensweise über (Bauweise, handwerkliche Techniken, Ernährung), obwohl die Verwurzelung in den einheimischen Traditionen stark blieb, insbesondere im Bereich der Glaubensvorstellungen, der Architektur (Grundriss der Häuser, Materialien) und des Alltagslebens. Der vicus, der offenbar eine gewisse Selbstständigkeit hatte, wurde von Magistraten verwaltet, deren Kompetenzen sich über das ganze helvetische Territorium erstreckten. Neben den öffentlichen Gebäuden (Basilika, Tempel, Heiligtum, Thermen, Theater) sowie gemeinschaftlichen oder privaten Einrichtungen (Hafen, Lager), die im Umkreis des Forums lagen, dehnten sich private Wohnquartiere aus, in denen verschiedene Handwerke betrieben wurden. Besonders stark entwickelt war die Keramikherstellung. Lousonna hatte bis zu 2000 Einwohner. Infolge der Germaneneinfälle entleerte sich die Siedlung ab Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. allmählich, doch erst nach der Mitte des 4. Jahrhunderts wurde sie ganz aufgegeben. An ihrer Stelle wurde nun der Cité-Hügel besiedelt.

Quellen und Literatur

  • D. Paunier, «La présence de Rome», in Histoire de Lausanne, 1982, 42-80
  • D. Paunier et al., «Du nouveau à l'ouest de Lousonna», in ArS 10, 1987, 112-125
  • N. Pichard Sardet et al., Lousonna, 1993
  • L. Flutsch, Passé présent: Lousonna ou l'Antiquité d'actualité, 2004
  • S. Berti et al., Trois siècles d'histoire à Lousonna, 2005

Zitiervorschlag

Nathalie Pichard Sardet: "Lousonna", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.03.2009, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012290/2009-03-31/, konsultiert am 10.10.2024.