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RobertWalser

Porträt von Robert Walser. Fotografie, um 1900 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Porträt von Robert Walser. Fotografie, um 1900 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

15.4.1878 Biel, 25.12.1956 Herisau, reformiert, von Teufen (AR). Sohn des Adolf Walser, Buchbinders und Kaufmanns, und der Elisa geborene Marti. Bruder von Hermann und Karl Walser. Ledig. 1884-1892 Schulen in Biel, 1892-1895 Lehre bei der Berner Kantonalbank Biel, 1895-1896 Bürokraft in Stuttgarter Verlagen, danach bis 1905 wechselnde Anstellungen und Aufenthalte, unter anderem in Zürich, Thun, München, Täuffelen, Winterthur und Wädenswil. 1905-1913 hielt sich Robert Walser, zum Teil mit Karl, vor allem in Berlin auf und besuchte 1905 eine Dienerschule auf Schloss Dambrau (Dąbrowa, Polen). 1913 kehrte Walser nach Biel zurück, wo er im Hotel Blaues Kreuz wohnte und schrieb. 1921 übersiedelte er nach Bern und war kurz beim Staatsarchiv angestellt. Nach einer psychischen Krise 1929 wies Walser sich selbst in die Psychiatrische Anstalt Waldau ein. 1933 wurde er in die Anstalt Herisau verlegt, wo er das Schreiben aufgab. Von 1936 bis zu Walsers Tod besuchte ihn der Schriftsteller Carl Seelig, der 1944 sein Vormund wurde.

Robert Walser veröffentlichte zwischen 1898 und Anfang der 1930er Jahre 15 Bücher und mehr als 1000 Prosatexte, Gedichte und dramatische Szenen in Zeitungen und Zeitschriften. Durch Josef Viktor Widmanns Vermittlung wurden 1898 anonym erste Gedichte Walsers publiziert. Der Kontakt zu Franz Blei eröffnete ihm den Zugang zum Kreis um die Zeitschrift Die Insel in München, in der unter anderem seine Märchendramolette Aschenbrödel und Schneewittchen (1901) erschienen. Sein erstes Buch, Fritz Kocher's Aufsätze, die fingierten Aufzeichnungen eines Schülers, kam 1904 heraus. Breitere Aufmerksamkeit erfuhren die drei in Berlin entstandenen autobiografisch gefärbten Romane. Sie thematisieren das Verhältnis von künstlerischer und praktischer Tätigkeit (Geschwister Tanner 1907), von Dienst und Herrschaft (Der Gehülfe 1908) sowie von Bildung und Verweigerung (Jakob von Gunten 1909). Walser gilt als Meister der Kurzprosa, in der autobiografisches Schreiben und Fiktionalisierung der eigenen Schriftstellerexistenz ineinandergreifen. Im Zentrum der Prosastücke der Berliner Zeit steht oft Walsers Auseinandersetzung mit dem Kulturleben der Grossstadt. Während Naturschilderungen und zeitlose Motive die Texte der Bieler Zeit wie etwa Der Spaziergang (1917) prägen, verwob Walser in der stärker digressiv verfahrenden Prosa der Berner Zeit meist eine Vielzahl von (Lese-)Eindrücken und Erlebnissen. Aus dieser Phase stammen die 526 nachgelassenen sogenannten Mikrogramme, Bleistiftentwürfe in winzig kleiner Kurrentschrift, darunter der klassische Erzählformen bewusst auflösende Räuber-Roman. Sie wurden erst nach Walsers Tod entziffert und seit den 1970er Jahren veröffentlicht.

Obwohl bereits von Autoren wie Franz Kafka, Walter Benjamin und Robert Musil hochgeschätzt, wurde sein durch Neuentdeckungen immer noch wachsendes Werk erst Ende der 1970er Jahre breiter rezipiert. Durch seine Ironie, seine Hervorhebung des scheinbar Unbedeutenden sowie durch die Art, wie er die Sprache selbst zum Gegenstand seiner Texte machte, prägte Robert Walser massgeblich die Schweizer Literatur ab 1960, unter anderen Paul Nizon, Gerhard Meier und Peter Bichsel. Seine Mikrogramme wirkten nicht nur auf die Literatur, sondern auch auf die bildende Kunst und Philosophie. Walsers Biografie wurde für Autoren wie Martin Walser, Winfried Georg Sebald, Elfriede Jelinek oder John Maxwell Coetzee zum Sinnbild des tragischen Schicksals des modernen Schriftstellers. Mit seinen spielerischen und selbstreflexiven Texten gehört Robert Walser zu den Wegbereitern der literarischen Moderne und zu den wichtigsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Quellen und Literatur

  • Aus dem Bleistiftgebiet, hg. von B. Echte, W. Morlang, 1985-2000
  • Sämtliche Werke in Einzelausgaben, hg. von J. Greven, 1985-1986
  • Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte, hg. von W. Groddeck, B. von Reibnitz, 2008-
  • Robert Walser-Zentrum, Bern, Nachlass
  • C. Seelig, Wanderungen mit Robert Walser, [1957] (Neudruck 1977)
  • R. Mächler, Das Leben Robert Walsers, 1966
  • P. Utz, Tanz auf den Rändern, 1998
  • J. Greven, Robert Walser – ein Aussenseiter wird zum Klassiker, 2003
  • Robert Walsers «Ferne Nähe», hg. von W. Groddeck et al., 2007
  • Robert Walser, hg. von B. Echte, 2008
  • S. Aman, Robert Walser: il culto dell'eterna giovinezza, 2010
  • Robert-Walser-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung, hg. von L.M. Gisi, 2015
Weblinks
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Kurzinformationen
Familiäre Zugehörigkeit
Lebensdaten ∗︎ 15.4.1878 ✝︎ 25.12.1956

Zitiervorschlag

Lucas Marco Gisi: "Walser, Robert", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.12.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012378/2014-12-27/, konsultiert am 06.12.2024.