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HeinrichWittenwiler

Erstmals erwähnt 1387 als maister Hainrich von Wittenwile. Der 1387 und 1389 als Zeuge und Schiedsmann sowie 1395 als Advokat der Konstanzer Kurie bezeugte Heinrich Wittenwiler wird mit dem Autor des komisch-didaktischen Versepos "Der Ring" identifiziert, der sich in Vers 52 Hainreich Wittenweilär nennt. Es handelt sich wohl um einen Rechtsgelehrten aus ostschweizerischem niederem Adel, vielleicht einen clericus uxoratus, der später vielleicht bischöflicher Hofmeister war. Das um 1408-1410 in Konstanz entstandene Epos ist in einer einzigen, um 1410 geschriebenen Handschrift erhalten und gilt heute als das bedeutendste spätmittelalterliche Erzählwerk in deutscher Sprache. Es gibt sich in der Versform und stofflich traditionsbetont, stellt dem ländlichen Szenario der Schwankerzählung von der orgiastischen Hochzeit Bertschis mit Mätzli einige der derben Abenteuer des gerissenen Minneritters Neidhart unter den Bauern voran und lässt das Geschehen nach grotesk blutrünstigen Szenen der Dietrichepik im Untergang der Erzählwelt enden. Von diesem Erzählsubstrat heben sich didaktische Partien und Texte ab, die den Bereich der geistlichen und weltlichen Wissensliteratur vertreten oder aus dem geistlichen und weltlichen Alltag stammen. Zusätzliche Komplexität erhält das Werk durch zeitgeschichtliche Bezüge zu den Appenzeller Kriegen (1401-1429), allegorischer Perspektivierung sowie auktorial gesetzte, durchgehende Farblinien am Textrand, die Ernst und Unernst scheiden. "Der Ring" setzt gelehrte Rezipienten voraus, die durch ein anspruchvolles literarisches Spiel nach konkurrierenden Regeln intellektuell gefordert und zugleich unterhalten werden. Dies dürfte seine weitere Verbreitung verhindert haben.

Quellen und Literatur

  • Der Ring, nach dem Text von E. Wiessner übers. und hg. von H. Brunner, 21999
  • Bayer. Staatsbibliothek München, Hs.
  • E.C. Lutz, Spiritualis fornicatio: Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein "Ring", 1990
  • O. Riha, Die Forschung zu Heinrich Wittenwilers "Ring", 1851-1988, 1990
  • VL 10, 1999, 1281-1289
  • O. Riha, «Die Forschung zu Heinrich Wittenwilers "Ring", 1988-98», in Vom MA zur Neuzeit, hg. von D. Klein et al., 2000, 423-430
  • T. Bulag, Enzyklopäd. Dichtungen, 2001, 189-336
  • H.-J. Bachorski, Irrsinn und Kolportage, 2006
  • S. Hagen, Heinrich Wittenwilers "Ring" – ein ästhet. Vexierbild, 2008
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten Ersterwähnung 1387

Zitiervorschlag

HLS DHS DSS: "Wittenwiler, Heinrich", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012408/2013-11-12/, konsultiert am 28.03.2024.