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Konzentration

Die Wirtschaftsgeschichte und die ökonomischen Wissenschaften unterscheiden zwischen Unternehmenskonzentration, Eigentumskonzentration und geografischer Konzentration.

Unternehmenskonzentration ist ein immanenter Zug jeder Marktwirtschaft. Ein hoher Konzentrationsgrad zieht oft eine marktbeherrschende Stellung sowie unter Umständen auch grosse politische Macht nach sich. Um das Funktionieren des Wettbewerbs sicherzustellen, haben die Regierungen Aufsichtsbehörden eingerichtet, die der Entwicklung von Oligo- oder Monopolen entgegenwirken sollen. Begrifflich ist zwischen horizontaler und vertikaler Unternehmenskonzentration zu differenzieren. Die horizontale Konzentration, die Unternehmen der gleichen Produktionsstufe umfasst, war in der Schweiz nie stark ausgeprägt: Nach wie vor dominieren die kleinen und mittleren Betriebe mit bis zu 250 Mitarbeitenden. In einigen Branchen ist die Konzentration allerdings stärker; so drängten zum Beispiel im Bereich des Detailhandels (Kleinhandel) die Grossverteiler Migros und Coop seit den 1970er Jahren viele kleinere Anbieter aus dem Markt (Stichwort "Lädelisterben"). Besonders bei den multinationalen Unternehmen hat sich eine horizontale Konzentrationsbewegung im Rahmen des Globalisierungsprozesses der 1990er Jahre akzentuiert, von der in der Schweiz vor allem die chemische Industrie, die Banken und die Maschinenindustrie betroffen waren. In der Basler Chemie ging die Anzahl der Betriebe innerhalb des 20. Jahrhunderts infolge von Käufen und Fusionen stark zurück, so dass Anfang des 21. Jahrhunderts nur noch zwei bedeutende Unternehmen übrig waren. Dabei ist interessant, dass die Gesellschaft Novartis im Verlauf eines langdauernden horizontalen Konzentrationsprozesses entstand, während die starke Position der Firma Roche in erster Linie auf internem Wachstum beruht. Eine besonders starke horizontale Konzentration hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Schweizer Bankensektor herausgebildet. Während 1938 sieben Grossbanken knapp 25% der Bilanzsumme aller Banken repräsentierten, kamen 1988 die fünf verbliebenen Grossbanken auf mehr als 50%. Als Folge eines eigentlichen Bankensterbens, das in den 1990er Jahren viele Kleinbanken traf, übernahmen die Grossbanken auch die Führungsrolle im Hypothekar- und Sparkassengeschäft. 1997 schlossen sich die aus der Schweizerischen Kreditanstalt hervorgegangene Credit Suisse Group mit den Winterthur Versicherungen zu einem Allfinanzkonzern zusammen, während die Schweizerische Bankgesellschaft und der Schweizerische Bankverein zur UBS fusionierten und die weltweit zweitgrösste Bank bildeten. Ähnliche Konzentrationsprozesse erfolgten, wenn auch nicht in demselben Ausmass, im Maschinenbau, wo Sulzer viele andere Unternehmen aufkaufte.

Eine vertikale Konzentration liegt vor, wenn vor- oder nachgeordnete Produktions- oder Absatzstufen einem Unternehmen angegliedert werden; so zum Beispiel als der Konfitürenhersteller Hero um die Jahrhundertwende eigene landwirtschaftliche Betriebe erwarb, um die Versorgung mit Obst und Gemüse, d.h. seinen Rohstoffbezug, sicherzustellen.

Unter dem Eindruck der frühen Industrialisierung glaubten Karl Marx und seine Anhänger, dass die sich zwangsläufig einstellende Konzentration des privaten Eigentums in wenigen Händen, denen die Masse der eigentumslosen Arbeiter gegenüberstünde, langfristig zur Revolution führen würde. Jedoch verhinderten höhere Löhne, soziale Massnahmen und der Aufbau des Wohlfahrtsstaates die vermeintliche übergrosse Konzentration des Eigentums in wenigen Händen. Allerdings zeigt die Eigentumskonzentration seit den 1980er Jahren erneut eine steigende Tendenz; und seit den 1990er Jahren kritisieren Sozialethiker das grosse Gefälle zwischen den oberen und den unteren Lohnklassen sowie die zunehmende Diskrepanz zwischen dem Einkommen, das aus Aktienbesitz resultiert, und demjenigen aus Lohnarbeit. Da der Reichtum in der Schweiz traditionell nicht demonstrativ herausgestellt wird, geniesst er allerdings eine hohe soziale Akzeptanz bzw. seine unterschiedliche Verteilung wird oft nicht zur Kenntnis genommen. Infolgedessen wurde die Eigentumskonzentration im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern in der Schweiz auch nie politisch ernsthaft in Frage gestellt.

Die geografische Konzentration von Arbeitsstätten in einem bestimmten Raum, der regelmässig eine entsprechende demografische Konzentration der Bevölkerung folgt, vollzog sich in der Schweiz nicht im gleichen Mass wie in den Ländern, in denen sich eine auf Kohle- und Eisenerzgewinnung basierende Schwerindustrie entwickelte. Die Spinnereien und Webereien konzentrierten sich während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Gründen der Energieausnutzung noch in Tälern mit ständig schnell fliessendem Wasser. Da die Textilindustrie – und die in ihrem Sog entstehende Maschinenindustrie – auch auf das Potenzial an Arbeitskräften angewiesen war, das sich in den klassischen Gebieten der Heimindustrie und des Verlagsystems gebildet hatte, lagen zahlreiche Fabriken auf dem Lande (Glarus, Toggenburg, Zürcher Oberland, Jura). Erst infolge des Eisenbahnbaus, des Aufkommens anderer Industriezweige und vor allem des Bedeutungsgewinns des Dienstleistungssektors entstanden auch in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Grossstädte. Aber auch jetzt siedelten sich bedeutende Unternehmen noch auf dem Land an, so zum Beispiel Bally in Schönenwerd, Von Roll in Klus, Gerlafingen und Choindez, die Maggi in Kemptthal usw. Diese geografische Dekonzentration ist bis heute ein Kennzeichen der schweizerischen Industrie geblieben.

Typisch wurde für die Schweiz dagegen eine zweite Art der geografische Konzentration, die sogenannte Branchenkonzentration, die sich vom 18. Jahrhundert an entwickelte. Viele Betriebe der Uhrenfertigung liessen sich im Jura westlich der Linie Olten-Liestal nieder. Die holzverarbeitende Industrie findet sich überwiegend in der Innerschweiz, die Maschinenindustrie im Dreieck Baden, Winterthur, Zürich. Privatbanken bevorzugen Genf und Zürich, während die Chemieindustrie im Raum Basel dominiert. Diese Art der Konzentration von Unternehmensstandorten basiert meist auf historischen Entwicklungen, die zu einer Ansammlung von der für die jeweilige Branche spezifischen Kompetenzen (Humankapital) führten, während die naturräumliche Ausstattung der jeweiligen Orte (z.B. Bodenschätze) meist nur eine untergeordnete Rolle spielten. Solche monoindustriellen Strukturen haben grosse Nachteile: Ein konjunktureller Einbruch in der vorherrschenden Branche wirkt sich auf viele Betriebe in der betroffenen Region aus und wird nur ungenügend von anderen Industrien aufgefangen.

Quellen und Literatur

  • Die Konzentration im Lebensmitteldetailhandel, 1979
  • A. Rossi, Concentration des entreprises et dépendance économique spatiale en Suisse, 1988
  • C. Brunner, Bankenübernahmen in der Schweiz, 1993
  • A. Neumann, Fusionen und fusionsähnl. Unternehmenszusammenschlüsse, 1994
Weblinks

Zitiervorschlag

Harm G. Schröter: "Konzentration", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.10.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013738/2008-10-30/, konsultiert am 17.03.2025.