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Märkte

Gemäss der historisch älteren Bedeutung, die hier im Vordergrund steht, sind Märkte (von lateinisch mercatus) Einrichtungen und Orte zum Austausch von Gütern. In dieser Bedeutung erscheint der Terminus auch in vielen Toponymen (Marktplatz, usw.). In den Wirtschaftswissenschaften charakterisiert der Begriff Marktwirtschaft zudem eine Wirtschaftsordnung. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Preis durch das – zumindest in der Theorie – freie Spiel von Angebot und Nachfrage im Wettbewerb entsteht. Produzenten und Konsumenten müssen auf dem Markt nicht zwangsläufig direkt Güter tauschen; Kaufleute tätigen einen Zwischenhandel, der durch die Weiterentwicklung der Geldwirtschaft erleichtert wurde.

Entstehung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Märkte

Ab dem Mittelalter gehörten Märkte zusammen mit Mauern und Stadtrecht zum Wesensmerkmal der Stadt. Als öffentliche Institutionen des regionalen Güteraustausches und der lokalen Versorgung sind sie aber älter, nämlich wie Ehaften Bestandteil der älteren Grundherrschaft. Im Frühmittelalter entstanden erste Märkte auf dem Boden verkehrsgünstig gelegener ehemaliger römischer Siedlungen (Genf, Lausanne, Sitten, Solothurn, Basel, Zürich, Chur) und grundherrlicher Höfe geistlicher und weltlicher Herren (u.a. St. Gallen, Luzern). Doch erst mit den Städten und dem durch Mauern, Marktrecht und Marktpolizei gesicherten Stadtfrieden entwickelten die Märkte in der Schweiz ab dem 12. und 13. Jahrhundert Bedeutung. Ziel der Marktpolitik der Städte war es, dem eigenen Ort die Versorgung zu sichern.

Zwischen 1470 und 1800 entstanden viele neue Märkte in den Hügelzonen des höheren Mittellands sowie im städtearmen Voralpen- und Alpenraum, besonders zahlreich im Bündnerland (50 neue auf 4-5 mittelalterliche). In der städtereichen Westschweiz, vor allem in der Waadt und in der Grafschaft Neuenburg, wurde das ohnehin schon gut ausgebaute Marktnetz durch einzelne Gründungen weiter verdichtet.

Marktregal und Marktrecht

Das Recht, Märkte zu schaffen (Marktregal), gehörte nicht zu den ursprünglichen Regalien der deutschen Könige, sondern wurde erst allmählich von diesen beansprucht. Die Entstehung der meisten mittelalterlichen Märkte der Schweiz scheint nicht königlich, sondern feudal- und grundherrlichen Ursprungs zu sein. Manche Städte gründen auf vorstädtischen Märkten. Ältestes Privileg auf schweizerischem Boden ist jenes König Rudolfs I. von Burgund für Lausanne (896). Ab dem 15. Jahrhundert übten die Landesherren, die regierenden Orte und geistlichen Fürsten, in ihren Territorien das Marktregal aus.

Das Marktrecht beinhaltete Bewilligung und Schutz des Handels und war mit den Rechten auf Zölle, eigene Masse und Gewichte sowie vielenorts auch an die Münze gekoppelt. Dem erhöhten Bedürfnis nach (Rechts-)Sicherheit dienten der am Ort gebotene Marktfriede und der Geleitschutz auf den Zufahrtswegen vor, während und nach dem Markt, ferner das kurzfristig einberufbare Sondergericht mit beschleunigten Gerichts- und Vollstreckungsverfahren und eine polizeiliche Kontrolle durch Marktaufseher. Friedensbruch an Markttagen wurde streng gebüsst. Der Marktbetrieb war tageszeitlich geregelt und setzte morgens mit dem Kornverkauf ein. Ab dem 16. Jahrhundert hatten Einheimische zeitlich vor Fremden Zutritt. Die Marktkontrolle durch Beamte der Stadt oder der Zunft betraf Qualität, Menge und Preis des Angebots, Mass und Gewicht; die Benützung der öffentlichen Waagen war obligatorisch. Mit dem Marktrecht verband sich der Marktzwang: Geschäfte waren auf dem offiziellen Markt zu tätigen, keinesfalls ausserhalb des obligatorischen Marktplatzes, weder vor noch nach der offiziellen, durch Glocke und Fähnchen markierten Marktzeit. Preistreibender Zwischenhandel (Fürkauf) und "Markten" in Gasthöfen und vor den Toren waren verpönt. Das Marktrecht deckte auch die fiskalischen Ansprüche des Marktherrn: Sein Entgelt für Geleit- und Marktschutz bestand aus Steuern und Gebühren vom Warenumsatz. An Toren und Brücken wurden Transit-, Brücken- sowie Strassenzölle erhoben, am Markt selbst Markt-, Kaufhaus-, Waag- und Standgebühren.

Markttypen und Marktplätze

Bis ins 19. Jahrhundert wurde ein grosser Anteil der zum Leben benötigten Waren auf Märkten umgesetzt. Verschiedene Markttypen (Jahr-, Monats-, Wochen-, tägliche Märkte) dienten unterschiedlichen Zwecken, nur grössere Marktorte verfügten über alle Typen. Städte und halbstädtische Marktflecken hatten den täglichen Markt, an dem die einheimischen Handwerker ihre Erzeugnisse je nach Handwerkszweig in der öffentlichen Markthalle oder in ihrer Werkstatt verkauften. Wochenmärkte an einem bis drei Wochentagen oder Monatsmärkte boten in breiter Palette Lebensmittel (Getreide, Wein, Fette, Vieh usw.) und Importware (Salz, Metalle, Tuche) an. Die ein- bis mehrtägigen Jahrmärkte waren das Rückgrat aller Marktorte: Hier boten fremde Kaufleute und Händler sonst nicht verfügbare Import- und Luxusware (Stoffe, Glas- oder Zinnprodukte, Spezereien, Arzneien usw.) im Einzelhandel an. Die gleichzeitige Abhaltung von Vieh- und Wochenmärkten erhöhte noch die Bedeutung dieser Warenmärkte. Von den Jahrmärkten unterschieden sich Messen, die bis zu zwei Wochen dauerten und internationaler waren. Jahrmärkte und Messen fanden vor allem im Herbst und Frühjahr – also vor und nach der Alpfahrt bzw. der Ernte – statt und fielen oft mit kirchlichen Festen, Kirchweih- und Patronatstagen zusammen. Sie setzten Termine für die Zinszahlung (Martini), Ämterbesetzung und Einstellung neuer Dienstboten. Fahrende Komödianten, Tanz, Spiel und Wein führten zu ausgelassenem Festbetrieb, den obrigkeitliche Verbote nicht zu verhindern vermochten.

Markt am Stadtrand von Lugano. Aquarellierte Federzeichnung von Rocco Torricelli, um 1799 (Museo d'arte della Svizzera italiana, Lugano, Collezione Città di Lugano).
Markt am Stadtrand von Lugano. Aquarellierte Federzeichnung von Rocco Torricelli, um 1799 (Museo d'arte della Svizzera italiana, Lugano, Collezione Città di Lugano). […]

Da mittelalterliche Marktplätze klein waren, erstreckten sich Jahrmärkte oft über mehrere Plätze und Gassenzüge (Alt-, Neumarkt, Spezialmärkte). Für Verkaufsstände und Buden zahlten die Händler dem Eigentümer (Stadt, Zunft, Private) Standgeld. Zum Schutz der Kaufmannsware, zu besserer Kontrolle und Besteuerung bauten die Marktorte ab dem Spätmittelalter öffentliche Kaufhäuser als obligatorische gebührenpflichtige Handels- und Stapelplätze. Wochenmärkte bestanden aus verschiedenen Spezialmärkten für Korn, Wein, Butter, Salz, Fisch, Vieh, Garn, Holz usw. Während Getreide, mit Abstand wichtigstes Handelsgut, zentral im Erdgeschoss des Rathauses oder in speziellen Kornhäusern gehandelt wurde, verlegte man die Viehmärkte (Viehhandel) aus sanitären Gründen vielfach vor die Städte. Grössere Orte verfügten über öffentliche Markthallen, wo auf Tafeln die amtlichen Richtpreise aushingen.

Marktkonjunkturen und Marktpolitik

Jahr- und Wochenmärkte im alten Bern: Marktentwicklung im 18. Jahrhundert
Jahr- und Wochenmärkte im alten Bern: Marktentwicklung im 18. Jahrhundert […]

Die mittelalterlichen Märkte der Schweiz verteilten sich auf städtische und nichtstädtische Orte. Ab dem 12. Jahrhundert kamen stadtartige, aber nie zu Städten erhobene Marktorte vor allem im Voralpenraum hinzu (Flecken), darunter die Talschaftshauptorte (u.a. Glarus, Schwyz, Stans, Frutigen, Brig, Biasca), aber auch verkehrsgünstig gelegene Orte im Mittelland wie Zurzach. Obgleich jeder Grundherrschaft nach altem Hofrecht der eigene Wochenmarkt zustand, wurden diese Rechte nur vereinzelt ausgeübt (z.B. Uster, Beromünster, Herzogenbuchsee), vermehrt im (Vor-)Alpenraum (Einsiedeln, Interlaken, Saanen), da viele weltliche und geistliche Herrschaften in Zonen mit grosser Marktdichte lagen.

Die mittelalterliche "Gründerzeit" der Märkte wurde um 1350 durch die Pest, sowie die Wirtschafts- und Bevölkerungskrise jäh abgebrochen. Krisengebeutelte Städte wie Bern, Luzern und wohl auch Zürich erhoben in den 1460-1470er Jahren Anspruch auf das Marktmonopol. Sie tolerierten Landmärkte nurmehr in Landstädten und wenigen Dörfern und errichteten um die Stadt eine Bannmeile (z.B. Bern 15 km). Als nach der Krise die Bevölkerung ab dem Ende des 15. Jahrhunderts zunahm, wurde der Ruf nach neuen Märkten laut. Marktpolitik war nun ganz Sache der Landesherren, die keine neuen Städte mehr duldeten, sondern ihr eigenes Marktangebot ausbauten. So kam zum Beispiel Luzern, Drehscheibe im Warenverkehr zwischen den Wirtschaftsräumen Innerschweiz-Italien und Basel-Elsass, zu jährlich sieben Jahrmärkten und drei Messen.

Das Bevölkerungswachstum fand auf der Landschaft statt. Zudem entwickelten sich im (Vor-)Alpengebiet und im Jura Vieh- und Pferdezucht und Käserei sowie im Mittelland Dorfhandwerk und Heimarbeit. Es waren vor allem die Viehzüchter, die ihrem Viehabsatz neue Märkte öffneten: Am Rand der Vieh- und Milchwirtschaftszone entstanden zahllose Viehmärkte in neuen und alten Marktorten für Einkäufer vor allem aus dem Mittelland, Italien und Süddeutschland – am Gotthardweg unter anderem Andermatt, Giornico, Lugano, im Osten Ilanz, Thusis, Herisau, Appenzell, im Westen Erlenbach im Simmental, Bulle, Brig, Aigle und im Jura Cossonay, Sainte-Croix, Biel. Zugleich wuchs der Umsatz der Kornmärkte am Rand des Kornlandes (Moudon, Freiburg, Thun, Bern, Burgdorf, Luzern, Zürich, Rapperswil, St. Gallen, Chur) zur Versorgung der Viehzuchtgebiete.

Kleiner war die Zahl mittelländischer Grossdörfer, die für ihre Tauner, Handwerker und Heimarbeiter Kornmärkte verlangten. Diese dienten später auch dem Absatz der lokalen Produkte, wie die Garn- und Tuchmärkte in Langenthal im 17. und 18. Jahrhundert. Neue Märkte in Grenzorten sollten die Warenausfuhr ins Ausland verhindern (Feuerthalen, Gottlieben) oder den Märkten andersgläubiger Nachbarn schaden (Schangnau, Escholzmatt, Stäfa). In den gemeinen Herrschaften, besonders im Thurgau, erlaubten die eidgenössischen Orte den vielen geistlichen und weltlichen Gerichtsherren die Abhaltung lokaler Märkte, sehr zum Verdruss der Landstädte, denen damit die Kontrolle über ihr Umland entglitt.

Im Ancien Régime boten Messen, Jahr-, Wochen- und Viehmärkte ein dichtes Netz an Einkaufsmöglichkeiten. Marktkalender publizierten Ort und Datum der Märkte. Bauern und Marktfahrer lebten nach einem Marktzyklus, der auch grenzüberschreitend war und in der Westschweiz etwa die Regionen Savoyen und Franche-Comté mit einschloss. Zudem wurden auf den Märkten der frühen Neuzeit auch Kolonialprodukte verkauft; so deckten sich etwa die Sennen auf dem Markt mit Kaffee für die Alp ein. Der guten Organisation zum Trotz litt die Marktfreiheit allgemein unter Eingriffen der zunftgebundenen Handwerker- und Krämerschaft der Städte: Über Ratsverbote suchte man fremde Händler am Marktverkauf von Importware zu hindern. Mit selektiv erteilten Patenten verschlossen sich viele Märkte den Fremden. Ende des 18. Jahrhunderts waren von über 50 Jahrmärkten und Messen im luzernischen Staat nur noch 11 frei von Restriktionen (Marktregulierung, Monopole).

Gewerbefreiheit und Wandel der Märkte nach 1800

Marktzwang für Warengeschäfte und Eingriffe in die Marktfreiheit seitens des Staates und der Zünfte fielen mit der Gewerbefreiheit 1798 dahin, in einigen Kantonen definitiv nach 1830. Zunehmend setzten sich bisher unterdrückte oder eingeschränkte Formen im Warenaustausch durch – auf dem Land Dorfläden und Hausierhandel (Hausierer), in den Städten Ladengeschäfte, Warenhäuser und Bazare. Angesichts dieses täglichen Warenangebots büssten die Warenmärkte schon vor 1850 rasch an Bedeutung ein: Qualitäts- und Luxusartikel wurden durch Billigware, Ramsch und Trödel ersetzt.

Im Gegensatz dazu behielten die Wochenmärkte ihre Kundschaft zum Absatz einheimischer Lebensmittel, wobei Ende des 20. Jahrhunderts ein verstärktes Gesundheits- und Umweltbewusstsein der wohlhabenden Schichten den städtischen Gemüsemärkten Zulauf verschaffte. Unerwartet erlebte das Kornland mit der Umstellung auf Vieh- und Milchwirtschaft eine Blüte der Vieh- und Pferdemärkte in neuen und alten Marktorten, vor allem in der Westschweiz. Ihre Zahl verdoppelte sich in der Waadt 1834-1852 und schwoll unter anderem in Moudon und Payerne von jährlich 6-7 auf 16-20 an. Diese "Bauernmärkte" genossen grosse Popularität auch als gesellschaftlich-geschäftliche Treffpunkte, wie Jeremias Gotthelf sie in der Erzählung "Michels Brautschau" für das Bernbiet beschreibt.

Die allgemeine Wirtschaftskrise der 1870er Jahre setzte diesem Aufwärtstrend ein Ende, es erfolgte ein Märktesterben, das vor allem die Westschweiz traf. Die Verteilung lebenswichtiger Güter, unter anderem Getreide, ging sukzessive an Grossisten und Detailhändler über, an Läden, Ladenketten und seit den 1960er Jahren an regionale Gross- und Supermärkte.

Plakat für den jurassischen Viehmarkt in Delsberg, gestaltet von Armand Schwarz, 1929 (Musée de l'Hôtel-Dieu, Pruntrut; Fotografie Jacques Bélat).
Plakat für den jurassischen Viehmarkt in Delsberg, gestaltet von Armand Schwarz, 1929 (Musée de l'Hôtel-Dieu, Pruntrut; Fotografie Jacques Bélat).

Noch im 19. Jahrhundert setzte gesamtschweizerisch ein Wandel ein, der vom Warenmarkt weg zur Leistungsschau führte: Industrie und Gewerbe gingen nach 1850 mit städtischen und regionalen Gewerbeausstellungen voran, die Landwirtschaft folgte ab 1880/1890 mit Viehschauen. Diese ersetzten den traditionellen Viehmarkt, über ihre Region hinaus bekannt sind bis heute unter anderem die Stierenmärkte von Zug und Bulle. Neu entstanden ab 1900 in allen Landesteilen vielfältig spezialisierte Gewerbemärkte in der Multifunktion von Ausstellung, Produktewerbung und Markt. Verschiedenen Jahrmärkten gelang der Sprung zur regionalen Gewerbeschau (u.a. Novembermarkt in Wil SG), einige wurden zur Touristenattraktion (Herbstmesse in Basel, Andreasmarkt in Chur, Zwiebelmarkt in Bern).

Für das 21. Jahrhundert zeichnet sich eine neue Entwicklung ab: Im Internet entstehen virtuelle Marktplätze, wo Produzenten ihre Waren unter Ausschaltung des Zwischenhandels feil halten. Zudem gibt es kostenlose Internetvergleichsdienste, die den Preisvergleich ermöglichen und so grössere Markttransparenz schaffen.

Quellen und Literatur

  • H. Ammann, «Die Talschaftshauptorte der Innerschweiz in der ma. Wirtschaft», in Gfr. 102, 1949, 105-144
  • H.C. Peyer, Gewässer, Grenzen und Märkte in der Schweizergesch., 1979
  • S. Franscini, La Svizzera italiana 1, hg. von V. Gilardoni, 1987 (Nachdr. der Ausg. von 1837)
  • M. Körner, «Das System der Jahrmärkte und Messen in der Schweiz im period. und permanenten Markt 1500-1800», in Jb. für Regionalgesch. und Landeskunde 19, 1993/94, 13-34
  • A. Radeff, Du café dans le chaudron, 1996
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Märkte", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.10.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013739/2009-10-27/, konsultiert am 18.04.2024.