Schafe sind mit den Ziegen die ältesten wirtschaftlich genutzten Haustiere. Sie sind vielseitig verwendbar und eignen sich wegen ihrer Genügsamkeit zur Bewirtschaftung von Gebieten mit karger Vegetation oder von landwirtschaftlichen Restflächen. Die Stammform des Hausschafs (Ovis aries) ist der südwestasiatische Mufflon (Ovis orientalis). Die Domestikation erfolgte in den vorderasiatischen Bergregionen (Türkei, Irak, Syrien) im 9. Jahrtausend v.Chr.
In der Schweiz erscheinen die Hausschafe um 5000 v.Chr. in den jungsteinzeitlichen Siedlungen (z.B. bei Sitten) und in den ersten Seeufersiedlungen des Mittellands (bis 4100 v.Chr.), wo sie mit den Ziegen unter den Haustieren dominierten. Die jungsteinzeitlichen Schafe waren von grazilem Körperbau mit einem eher langgezogenen Schädel (durchschnittliche Widerristhöhe 63 cm).
Das Herauszüchten eines primitiven Wollvlieses stellte eine wichtige Neuerung aus dem vorderasiatischen Raum dar. Dort wurde ab dem 4. Jahrtausend v.Chr. nicht mehr nur das Fleisch, sondern auch die Wolle genutzt. Gegen Ende dieses Jahrtausends erfolgte die Verbreitung der leicht grösseren Wollschafe nach Europa; in der Schweiz traten sie wahrscheinlich um 2800 v.Chr. zur Zeit der Schnurkeramik auf. Die starke Präsenz von Schafen in den spätbronzezeitlichen Siedlungen der Westschweiz um 1000 v.Chr. hängt wohl mit der gestiegenen Bedeutung der Wollproduktion zusammen. Denn gleichzeitig dürfte – gemäss archäobotanischen Untersuchungen – der Anbau von Flachs, der zur Herstellung von Leinen diente, zurückgegangen sein.
Der römische Agrarschriftsteller Columella (1. Jh. n.Chr.) bescheinigt der Schafhaltung in Italien ein hohes Niveau, das sicher auch auf die Provinzen abfärbte. Im Tierknochenmaterial der römischen Stadt Augusta Raurica beträgt der Anteil der Schafe und Ziegen für das 1. Jahrhundert n.Chr. zusammen ca. 20%. Sein Rückgang auf ca. 10% im 2.-3. Jahrhundert n.Chr. könnte mit der Urbanisierung des dortigen Siedlungsgebiets zusammenhängen. Die Widerristhöhe römischer Schafe betrug 55 bis 72 cm. Sie sank im Hochmittelalter auf 52 bis 63 cm (Basel-Barfüsserkirche). Das heutige weisse Alpenschaf erreicht Grössen von 67 bis 78 cm.
Im Früh- und Hochmittelalter spielte die Schafhaltung eine wichtige Rolle. Schafe, Schaffelle, Schafkäse und Wolltücher erscheinen häufig als grundherrschaftliche Abgaben (z.B. Kloster St. Gallen). Die Alpbewirtschaftung mit Schafen ist archäologisch belegt (Ämpächli ob Elm, Spilplätz auf der Charretalp im schwyzerischen Bisisthal). Im Spätmittelalter wich eine auf der Verbindung von Schafzucht und Ackerbau beruhende Landwirtschaft besonders in den Zentralalpen immer mehr der Grossviehhaltung (Viehwirtschaft). Den Schafen verblieben die schlechteren Weidezonen. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Wollproduktion war in erster Linie auf Selbstversorgung ausgerichtet und nur von regionaler Bedeutung. Da die hiesigen Umweltverhältnisse rasch zu einer Verdickung der Haare führten, musste das exportorientierte Wollgewerbe der Stadt Freiburg im Spätmittelalter ausländische Wolle von besserer Qualität zukaufen. Im 17. Jahrhundert umfasste der Schafbestand in der Schweiz schätzungsweise 600'000 Tiere.
Schafhalter und Schafbestand 1866-2008 (gerundete Zahlen)
Jahr | Schafhalter | Schafe | Schafe pro Halter |
---|---|---|---|
1866 | 92 000 | 444 700 | 4,8 |
1876 | 76 900 | 367 500 | 4,8 |
1886 | 67 700 | 341 800 | 5,1 |
1896 | 50 100 | 271 900 | 5,4 |
1906 | 37 100 | 210 000 | 5,7 |
1916 | 31 100 | 172 900 | 5,6 |
1921 | 45 800 | 245 300 | 5,4 |
1931 | 26 700 | 184 800 | 6,9 |
1941 | 29 600 | 198 200 | 6,7 |
1951 | 25 100 | 191 700 | 7,6 |
1961 | 23 800 | 227 300 | 9,6 |
1966 | 22 300 | 266 400 | 12,0 |
1973 | 21 800 | 336 000 | 15,4 |
1978 | 23 600 | 383 200 | 16,2 |
1983 | 21 500 | 355 300 | 16,5 |
1988 | 20 700 | 366 800 | 17,7 |
1993 | 20 200 | 424 000 | 21,0 |
1998 | 13 200 | 422 300 | 32,0 |
2003 | 11 800 | 444 800 | 37,7 |
2008 | 10 600 | 447 000 | 42,2 |
Das Wegfallen von Brache und Allmend sowie die Umstellung auf die rentablere Rindviehhaltung und Milchwirtschaft im Zuge der agrarwirtschaftlichen Reformen des 19. Jahrhunderts verdrängte die extensive Bodennutzung und führte zu einem Rückgang der Schafhaltung. In den 1860er Jahren setzte die Konkurrenz durch Billigwolle aus Übersee ein, obwohl bereits vor 1800 Merinoschafe importiert worden waren. Von 1866 bis 1911 sank der Bestand in der Schweiz von 444'672 auf 161'414 Tiere. Ab den 1960er Jahren nahmen die Schafbestände wieder merklich zu. 2005 wurden mit 446'350 Schafen etwa gleich viele gezählt wie 140 Jahre zuvor. Die wenig Arbeit erfordernden Tiere eignen sich gut für die Nebenerwerbslandwirtschaft, auf welche 1993 60% der Schafe entfielen. 1917 erfolgte die Gründung des Schweizerischen Schafzuchtverbands. Seit 1937 werden Leistungsprüfungen durchgeführt. Die Stiftung Pro Specie Rara setzt sich für gefährdete Rassen wie das Spiegelschaf oder das Walliser Landschaf ein. Den Schäden, welche die ab Ende des 20. Jahrhunderts wieder auftretenden Raubtiere Luchs, Wolf und Bär an den Schafherden anrichten, versucht man durch den Einsatz von Herdenschutzhunden vorzubeugen.