Indiennes sind bemalte oder bedruckte Stoffe, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts aus Indien – daher der Name Indiennes – importiert und danach in Europa im Zeugdruckverfahren hergestellt wurden. Zunächst ein Luxusartikel, erfreuten sie sich im 17. und besonders im 18. Jahrhundert in allen gesellschaftlichen Schichten grosser Beliebtheit. Wie Gewürze und Rohrzucker (Zucker), Kaffee oder Tabak aus den Kolonien (Kolonialismus) spielten Zeugdrucke eine wichtige Rolle in der Globalisierung der Märkte.
Zeugdruck in der Schweiz
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbreitete sich in Westeuropa die Produktion farbiger Baumwollstoffe (Textilindustrie, Baumwolle). Anders als in Indien, wo die bunten Stoffe ursprünglich herkamen, wurden diese nicht mehr von Hand bemalt, sondern mittels Holzmodeln bedruckt. Dieses auch als Zeugdruck bezeichnete Herstellungsverfahren war schneller und kostengünstiger (Technischer Fortschritt), weshalb die Indiennes zu einem Massenkonsumartikel wurden.
Die Widerrufung des Edikts von Nantes 1685 führte zur Übersiedlung zahlreicher französischer Indiennehändler und Drucktechniker sowie zum Zufluss von Kapital in die Schweiz, was sich auf die Zeugdruckereien günstig auswirkte (Technologie- und Wissenstransfer). Als 1686 die Herstellung und die Verarbeitung bemalter Stoffe in Frankreich verboten wurden, entwickelte sich ein ausgedehnter und lukrativer Schleichhandel. In Genf zählte man 1710 vier Manufakturen, darunter jene von Antoine Fazy, dessen Nachfahren über mehrere Generationen im Zeugdruck tätig waren. In den 1720er Jahren gab es in Genf bereits sieben Betriebe. 1720-1760 breitete sich der Zeugdruck entlang der französischen und der deutschen Grenze sowie in Neuenburg, Biel, Basel, im Aargau, in Zürich, im Thurgau und in Glarus aus; die südlichen Gebiete der Schweiz wie das Tessin blieben dagegen von dieser Entwicklung unberührt. Einen erneuten Aufschwung erfuhr der Gewerbezweig, als Frankreich 1759 seine Märkte öffnete. In den darauffolgenden drei Jahrzehnten erlebte der Schweizer Zeugdruck seinen Höhepunkt. Genf und Neuenburg besassen je um die zehn Fabriken und beschäftigten mindestens 2500 Arbeiterinnen und Arbeiter.
Ab 1790 brach die Schweizer Indienneindustrie absolut und noch stärker im Vergleich zu ihren ausländischen Konkurrenten ein. Durch Kriege, die Kontinentalsperre und vor allem den europäischen Protektionismus gingen Absatzmärkte verloren. In Genf zeigte die Branche ab den 1780er Jahren erste Auflösungserscheinungen und erholte sich bis in die 1820er Jahre nicht. In Neuenburg brach sie unter dem Empire ein und ging bis in die 1850er Jahre kontinuierlich zurück. Zürich besass zu diesem Zeitpunkt nur noch zwei bedeutende Manufakturen. Die Ende des 18. Jahrhunderts erfundene Walzendruckmaschine wurde wegen der schwindenden Absatzmöglichkeiten denn auch eher zögerlich eingeführt. Die Entwicklung der Glarner Indienneindustrie verlief demgegenüber atypisch. Sie spezialisierte sich auf die manuelle und bedeutenden Mehrwert schaffende Herstellung von Halstüchern, die im 19. Jahrhundert in Mode waren, und blühte ab den 1820er Jahren erneut auf. Um die Jahrhundertmitte stammten vier Fünftel der in der Schweiz produzierten Indiennes aus den rund 20 Glarner Manufakturen (1864 6250 Beschäftigte). Insgesamt verlor die Branche jedoch an Bedeutung und erlebte einen unaufhaltsamen Niedergang. 1840 betrug der Schweizer Anteil an der europäischen Indienneproduktion nur noch 4%.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Zeugdrucks, der von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur französischen Revolution sein goldenes Zeitalter erlebte, ist nicht zu unterschätzen. Das in Industrie und Handel investierte Kapital bewegte sich zunächst in bescheidenem Rahmen. In den 1780er Jahren betrug das Anlagekapital der grössten Betriebe wie jener von Jean-Louis Fazy in Genf oder Claude-Abram DuPasquier in Cortaillod (Fabrique-Neuve de Cortaillod) jedoch bereits mehrere Millionen Livres. Die stattlichen Gewinne aus Fabrikation und Handel führten zu einer ungeheuren Akkumulation von Kapital, das schliesslich auch in andere Wirtschaftszweige floss. In einer Volkswirtschaft, die noch auf Landwirtschaft, Handwerk und Heimarbeit beruhte, stellten die 8000 bis 10'000 in der Indienneindustrie beschäftigten Männer, Frauen und Kinder das erste Beispiel einer in den Fabriken konzentrierten Arbeiterschaft dar. In den grösseren Betrieben arbeiteten Ende des 18. Jahrhunderts 600-800 Personen. Die mobilen Arbeitskräfte trugen zu einer doppelten Bevölkerungsdurchmischung bei, indem viele von der Deutsch- in die Westschweiz zogen oder von der Schweiz ins Ausland übersiedelten. Rund 1000 Schweizer waren zum Teil in leitender oder ausbildender Funktion in der französischen Indienneindustrie tätig (Johann Rudolf Wetter).
Mit dem Zeugdruck wurde die Schweiz zu einem zentralen Warenumschlagplatz. Für Millionen von Livres führte das Land jährlich weisse Baumwollgewebe und Färbemittel aus Europa, Afrika, Amerika (Lateinamerika und Vereinigte Staaten von Amerika) und Asien ein und exportierte rund 95% seiner Indiennes (Exportwirtschaft). In einer entscheidenden Phase der Industriellen Revolution trug der Zeugdruck somit dazu bei, die Schweizer Wirtschaft in der europäischen und der weltweiten Ökonomie zu etablieren.
Schweizer Indiennes im Überseehandel
Während des gesamten 17. und 18. Jahrhunderts waren Baumwolltuche für die Indienneproduktion in der Schweiz und anderswo in Europa das wichtigste Importgut aus dem indischen Subkontinent. Vorwiegend eingeführt von den Ostindien-Kompanien der Niederländer, Briten und Franzosen, investierten in der Schweiz bevorzugt Bankiers und Handelsleute wie etwa der Zürcher Salomon Volkart, Mitgründer der Firma Gebrüder Volkart, sowie die Société maritime suisse in diesen kapitalintensiven Handel über weite Distanzen. Indische Tuche waren damit ein fester Bestandteil des Grosshandels, der in den Händen protestantischer, meist hugenottischer Kaufleute in Genf, Neuenburg und in der Eidgenossenschaft lag (Protestantische Glaubensflüchtlinge). Auf den Märkten der französischen Hafenstadt Lorient waren im 18. Jahrhundert zahlreiche Genfer und Neuenburger Kaufleute vertreten, wo die Schiffe aus den indischen Handelskontoren anlegten; andere Händler deckten sich je nach Geschäftsbeziehungen bei niederländischen oder britischen Verkäufern ein. Während ein Teil der Stoffe für den (Weiter-)Verkauf bereits gefärbt geliefert wurde, waren die ungefärbten Tuche für die Indiennemanufakturen etwa in Neuenburg, Genf oder Basel bestimmt.
Eine Industrie wie der Zeugdruck mit seinen grossen Investitionen und seinem laufenden Bedarf an Färbereiprodukten und anderen Rohstoffen aus Asien, Afrika, Amerika oder der Levante war unmittelbar vom Überseehandel abhängig. Eine Besonderheit des Schweizer Zeugdrucks war die Arbeit im Verlagssystem, wofür die Kaufleute die Rohstoffe lieferten und die fertigen Produkte vertrieben. Beispielhaft für dieses System ist die Fabrique-Neuve de Cortaillod, die im Fürstentum Neuenburg Indiennes für den Kaufmann Jacques-Louis de Pourtalès herstellte.
Die enge Verbindung der Indienneproduktion zum Überseehandel beschränkte sich jedoch keineswegs auf die Einfuhr der für die Herstellung unerlässlichen Güter. Gerade im 18. Jahrhundert setzten sich transatlantische Destinationen als neue Absatzmärkte durch. Indiennes und andere Stoffe, Waffen sowie Konsumgüter wurden in Bordeaux, Nantes oder Lissabon verladen und in Westafrika gegen Sklaven für die europäischen Kolonien getauscht. Dieser sogenannte Dreieckshandel versorgte das auf Sklavenarbeit beruhende Plantagensystem auf dem amerikanischen Kontinent und in der Karibik mit Arbeitskräften (Sklaverei). Obwohl sich die Geschichtsschreibung einig ist, dass Stoffe den bedeutendsten Teil an den Ladungen der Schiffe mit Kurs auf die afrikanische Küste ausmachten – im Schnitt etwa 50% des Frachtvolumens –, muss dies für bemalte und bedruckte Tuche relativiert werden: Indiennes stellten vor allem im 18. Jahrhundert nur einen Teil der exportierten, meist baumwollenen Gewebe dar, die den lokalen Eliten vorbehalten blieben. Daneben wurden bereits im Faden eingefärbte Tuche mit einfachen Streifen- oder Karomustern verschifft, für die in Westafrika und in den amerikanischen Kolonien eine starke Nachfrage bestand.
Selbst auf dem Höhepunkt der Indienneproduktion in Europa um 1750 bis zur französischen Revolution wurden neben den europäischen stets auch indische Tuche vertrieben. Wie bedeutsam der Dreiecks- oder Sklavenhandel für die Indienneindustrie auf dem Gebiet der heutigen Schweiz war, kann aufgrund der Quellenlage nicht abschliessend beurteilt werden. Sicher ist allerdings, dass hiesige Manufakturen diese Absatzmöglichkeit nutzten, auch wenn sie vorrangig die europäischen Märkte bedienten. Schweizer Indiennes erscheinen in den 1780er Jahren gelegentlich in Frachtinventaren von Handelsschiffen aus Nantes und Bordeaux; auch benutzte ein Reeder aus Honfleur in der Normandie ein Musterbuch einer Aargauer Zeugdruckerei.
Aufgrund ihrer Handelsbeziehungen, ihrer weiteren Betätigungsfelder oder ganz einfach aufgrund ihrer Niederlassung muss davon ausgegangen werden, dass einzelne Schweizer Unternehmen eng mit dem Sklavenhandel verbunden waren. Diesbezüglich sind die Firmen der Familie Burckhardt aus Basel gut dokumentiert. Christoph Burckhardt (Christoph Burckhardt & Co.) und sein Sohn Christoph Burckhardt (Christophe Bourcard 1766-1815, Bourcard Fils & Cie.) liessen Indiennedruckereien im Raum Basel, vor allem diejenige der Familie Rosenburger, im Verlagswesen produzieren und verfügten in Nantes, dem wichtigsten Atlantikhafen Frankreichs, über gute Kontakte sowie ab 1790 über eine Niederlassung. Sie rüsteten als Reeder ausserdem mehrere Sklavenexpeditionen aus. Die Burckhardt betrieben gemeinsam mit der Neuenburger Familie Pelloutier 1786-1793, in den Jahren des intensivsten Sklavenhandels, die Zeugdruckerei Pelloutier Bourcard & Cie. Zu diesem Kreis von Neuenburger Landsleuten gehörten neben den beiden Familien auch die Gorgerat und Favre-Petitpierre, Besitzer von grossen Indiennemanufakturen in Nantes. Für diese Unternehmen waren die Absatzmärkte in Westafrika und in den amerikanischen Kolonien während der Hochphase des französischen Sklavenhandels und der damit verbundenen Nachfrage nach Indiennes sowie anderen Stoffen zwischen 1760 und 1790 zweifelsohne bedeutsam.
Quellen und Literatur
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