Historisch umfasst die schweizerische Maschinenindustrie im Wesentlichen diejenigen Sparten und Branchen, die in der «Allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige» (Noga) von 2002 den Abteilungen Maschinenbau (Abteilung 29), Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen (Abteilung 30), Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung und Ähnliches (Abteilung 31), Herstellung von Geräten der Radio-, Fernseh- und Nachrichtentechnik (Abteilung 32), Herstellung von medizinischen Geräten, Präzisionsinstrumenten, optischen Geräten und Uhren (Abteilung 33), Herstellung von Automobilen und Automobilteilen (Abteilung 34) sowie Sonstiger Fahrzeugbau (Abteilung 35) zugerechnet werden. Im Unterschied zu älteren Nomenklatursystemen ist die Uhrenindustrie kein eigener Industriezweig mehr.
Übersicht über die verschiedenen Zweige der Maschinenindustrie (Stand 2002)a
Maschinenbau
Produkte:
Maschinen für die Erzeugung und Nutzung von mechanischer Energie (Verbrennungsmotoren und Turbinen; Pumpen und Kompressoren; Armaturen; Zahnräder und Antriebselemente)
sonstige nicht wirtschaftszweigspezifische Maschinen (Öfen und Brenner; Hebezeuge und Fördermittel; kälte- und lufttechnische Erzeugnisse; weitere nicht näher umschriebene Maschinen)
land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen
Werkzeugmaschinen
Maschinen für sonstige bestimmte Wirtschaftszweige (Maschinen für die Metallerzeugung, für Bergwerke und Bau, für Hersteller von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren, für Fabrikanten von Textilien, Bekleidung und Lederwaren, für das Papiergewerbe sowie für sonstige Wirtschaftszweige)
Waffen und Munition
Haushaltsgeräte
Herstellung von Büromaschinen, Datenverarbeitungsgeräten und -einrichtungen
Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung und -verteilung
Produkte:
Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren
Elektrizitätsverteilungs- und -schalteinrichtungen
isolierte Elektrokabel, -leitungen und -drähte
Akkumulatoren und Batterien
elektrische Lampen und Leuchten
elektrische Ausrüstungen
Herstellung von Geräten der Radio-, Fernseh- und Nachrichtentechnik
Produkte:
elektronische Bauelemente
nachrichtentechnische Geräte und Einrichtungen
Rundfunkgeräte sowie phono- und videotechnische Geräte
Herstellung von medizinischen Geräten, Präzisionsinstrumenten, optischen Geräten und Uhren
Produkte:
medizinische Geräte und orthopädische Erzeugnisse
Mess-, Kontroll-, Navigationsinstrumente und -vorrichtungen
industrielle Prozesssteuerungseinrichtungen
optische und fotografische Geräte
Uhren
Herstellung von Automobilen und Automobilteilen
Produkte:
Automobile und Automobilmotoren
Karosserien und Anhänger
Teile und Zubehör für Automobile und Automobilmotoren
Sonstiger Fahrzeugbau
Produkte:
Schiffe und Boote
Schienenfahrzeuge
Luft- und Raumfahrzeuge
Motorräder, Fahrräder und Behindertenfahrzeuge
sonstige Fahrzeuge
a gemäss der Allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige Noga 2002 (= Nomenclature générale des activités économiques)
Übersicht über die verschiedenen Zweige der Maschinenindustrie (Stand 2002) - Bundesamt für Statistik
Die Produktpalette war, wie die Zusammenstellung zeigt, überaus breit. Zu ergänzen sind aus historischer Sicht noch einige Erzeugnisse wie zum Beispiel die Dampfmaschinen, die ebenfalls in der Schweiz hergestellt wurden. Mangels einer namhaften Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie ist die schweizerische Maschinenindustrie weit stärker als die ausländische Konkurrenz eine Investitionsgüterindustrie. Die Abgrenzung zur Metallindustrie fällt wegen der vor allem in der Eisen- und Stahlgiesserei engen Verflechtung schwer. In Statistiken werden oft beide zusammengefasst, und Arbeitnehmer- (Smuv, heute Unia) wie Arbeitgeberverbände (ASM, VSM, dann Swissmem) organisieren jeweils Mitglieder aus beiden Bereichen.
Maschinenbau gab es in der Schweiz bereits vor 1800. Handwerker konstruierten für die Heimindustrie Spinnräder und Webstühle und für verschiedene Gewerbe Wasserräder samt zugehörigen Transmissionen und Arbeitsmaschinen wie Mühlen, Sägen und Stampfen. In der Westschweiz entstanden im Umfeld der Uhrenindustrie verwandte Apparate. Auch zur Herstellung anderer Maschinen und Geräte, zum Beispiel Feuerspritzen, fanden sich Fachleute. Die Mechanisierung der Baumwollindustrie überforderte aber den kleingewerblichen Maschinenbau (Baumwolle). Zur Einrichtung der ersten mechanischen Spinnereien in St. Gallen und Hard in Wülflingen (heute Gemeinde Winterthur) mussten 1800-1801 englische Mechaniker beigezogen und wesentliche Bestandteile importiert werden (Textilindustrie). Weil die Einfuhr ganzer Anlagen mit damaligen Verkehrsmitteln äusserst aufwendig, das Finden qualifizierter ausländischer Fachleute schwierig und die Maschinen zudem wartungs-, reparatur- und verbesserungsbedürftig waren, gliederten sich Spinnereien mechanische Werkstätten an. Diese widmeten sich nicht nur dem Unterhalt, sondern bauten selbst Maschinen oder zumindest Teile, indem sie ausländische Modelle kopierten. Werkstätten dieser Art, die gelegentlich für Dritte produzierten, bestanden bis in die 1860er Jahre. War der Eigenbedarf an Spinnereimaschinen gedeckt, musste die Belegschaft verkleinert werden. In einer solchen Lage übernahm die Spinnerei Escher Wyss in Zürich 1810 vorübergehend und ab 1828 dauerhaft Aufträge von aussen (Escher, Wyss & Cie.). Damit begann die Entwicklung zur Maschinenfabrik; der Umsatz der Maschinenbauabteilung stieg, während die Spinnereiabteilung an Bedeutung verlor. Ähnlich verlief die Entwicklung bei J.J. Rieter & Co. in Niedertöss (Rieter). Neben eigentlichen Spinnereimaschinen begannen beide, die zugehörigen Wasserräder und Transmissionen zu bauen, und bereits in den frühen 1830er lieferten sie komplette Anlagen nach Vorarlberg.
Auch die Mechanisierung der Weberei basierte zunächst auf englischen Webstühlen. Escher Wyss und Rieter befassten sich von den ausgehenden 1830er Jahren an ohne Eifer mit Eigenkonstruktionen. Daneben arbeiteten auch kleine Werkstätten, darunter solche von Webereien, an eigenen Entwicklungen. Einem dieser Unternehmen, der Weberei der Gebrüder Honegger in Siebnen, gelang 1842 die entscheidende Verbesserung (Honegger-Schlag). Nach Ausstattung der eigenen Firma erfolgte 1846 die erste Bestellung durch Dritte, und die Maschinenfabrik Rüti – dorthin war die Werkstätte bei Ausbruch des Sonderbundskriegs 1847 verlegt worden – stieg zum wichtigsten Produzenten auf, der ab 1861 auch Seidenwebstühle anbot und einen beachtlichen Exporterfolg erzielte.
Die Stickmaschine wurde zwar bereits 1828 erfunden; aber erst in den 1850er Jahren entstanden überzeugende Modelle (Stickerei). Nachdem zunächst vor allem die Maschinenfabrik St. Georgen als Lieferantin aufgetreten war, rief der in den späten 1860er Jahren einsetzende Durchbruch weitere Produzenten auf den Plan. Von diesen entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Firma Saurer in Arbon zur bedeutendsten. Der Inlandabsatz beanspruchte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast die gesamten Kapazitäten der Maschinenindustrie, weil die englische Konkurrenz bis 1842 einem Exportverbot unterstand und Lieferung und Service vor dem Eisenbahnbau mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden waren.
Übergang zum allgemeinen Maschinenbau
Autorin/Autor:
Bernard Degen
War die frühe Maschinenindustrie nicht nur eine Metall, sondern auch eine Holz verarbeitende Industrie – viele Teile der Textilmaschinen, Wasserräder und Transmissionen bestanden aus Holz –, so begannen Eisen und Stahl gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend zu dominieren. Weil Wasserräder mit ihrem geringen Wirkungsgrad vielerorts nicht mehr genügten, nahmen nach früheren Versuchen Escher Wyss und andere Betriebe in den 1840er und 1850er Jahren den Bau von Turbinen auf. Um sich aus der Abhängigkeit von der konjunkturanfälligen Textilindustrie zu lösen, stellte die Zürcher Maschinenfabrik ab 1835 Dampfschiffe für Flüsse und Seen her (Schiffbau). Dampfmaschinen gab es in der Schweiz lange nur wenige, weil Kohle als Brennstoff vor dem Eisenbahnzeitalter zu teuer war. Escher Wyss begann 1836 mit der Montage englischer Fabrikate und 1839 mit dem Eigenbau, zunächst für Schiffe. In den 1850er Jahren übernahm die nicht mehr der Textilindustrie, sondern der Giesserei entwachsene Firma der Gebrüder Sulzer in Winterthur die Führung in diesem Bereich. Sie hatte Ende der 1840er Jahre eine grosse Kesselschmiede errichtet, in der sie auch Dampfmaschinen herstellte. Der entscheidende Durchbruch gelang ihr mit der ersten horizontalen Ventildampfmaschine, die 1867 auf der Pariser Weltausstellung Aufsehen erregte. Danach gehörte die schweizerische Maschinenindustrie international zu den wichtigsten Produzenten.
Weil das schweizerische Bahnnetz erst ab den 1850er Jahren entstand, lag die Maschinenindustrie in diesem Bereich zurück (Eisenbahnen). In Neuhausen am Rheinfall nahm 1853 die Schweizerische Waggon-Fabrik (seit 1863 Schweizerische Industrie-Gesellschaft) den Betrieb auf, welche die ersten Bestellungen mangels Schienennetz noch mit Fuhrwerken auslieferte. Lokomotiven stellten zwar die Werkstätten einiger Bahnen und 1856-1866 Escher Wyss her; sie erwiesen sich aber nicht als konkurrenzfähig. Fast alle kamen daher anfänglich aus ausländischen Fabriken. Die 1871 gegründete Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur entwickelte sich zunächst langsam, konnte aber in den 1890er Jahren die Inlandnachfrage decken.
Die Maschinenfabrik Gebrüder Bühler in Uzwil begann Mitte der 1870er Jahre mit der Produktion von Hartgusswalzenstühlen und weiteren Müllereimaschinen. Zusammen mit einigen weiteren Firmen exportierte sie schon 1885 fast so viel wie die Textilmaschinenhersteller.
Ausweitung der Produktpalette
Autorin/Autor:
Bernard Degen
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden weitere Schwerpunkte. Zu den Dampfmaschinen kamen die Dampfturbinen, die nach 1900 zuerst von Brown Boveri & Cie. (Asea Brown Boveri) und von Escher Wyss vor allem für Kraftwerke, aber auch für Schiffe exportiert wurden. Verschiedene Firmen widmeten sich der Verbesserung von Verbrennungsmotoren und erzielten nach Überwindung der Startschwierigkeiten vor allem bei grossen Dieselmotoren beachtliche Erfolge. So konnte sich Sulzer ab der Zwischenkriegszeit als einer der wichtigsten Lieferanten für die Hochseeschifffahrt etablieren. Auch im Motorfahrzeugbau stellten sich Anfangserfolge ein (Automobil). Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts entstand neben mehreren kleinen Autoherstellern die sich bald auf Lastwagen spezialisierende Abteilung bei Saurer. Bis Ende des Ersten Weltkriegs blühte der Export der neuen Branche.
Entscheidend war jedoch der Aufstieg der Elektroindustrie. In der Schwachstromtechnik wurden seit Einführung des Telegrafen in den 1850er Jahren die nötigen Einrichtungen und Apparate gebaut, zuerst in der Eidgenössischen Telegraphenwerkstätte, dann ab 1865 in der durch deren Privatisierung entstandenen Nachfolgefirma Hasler (Ascom). Den weit wichtigeren Zweig bildete jedoch bald die Starkstromtechnik. Verschiedene Firmen produzierten bereits in den 1880er Jahren, so de Meuron & Cuénod in Genf, die in die Ateliers de Sécheron umgewandelt wurde (Sécheron), R. Alioth & Cie. in Basel und die Maschinenfabrik Oerlikon (MFO). Letztere realisierte zusammen mit der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft 1891 die erste Fernübertragung von Elektrizität (Lauffen am Neckar-Frankfurt). Zwei MFO-Ingenieure gründeten im gleichen Jahr die Brown Boveri & Cie. in Baden. Noch vor der Jahrhundertwende konnte die schweizerische Maschinenindustrie die gesamte elektrische Ausrüstung liefern, von der Turbine über die Generatoren und Transformatoren bis zur Steckdose. Parallel dazu entstand eine elektrische Apparateindustrie mit Firmen wie Sprecher + Schuh, Therma, Landis & Gyr, Appareillage Gardy usw., die den durchschlagenden Erfolg der neuen Energie ermöglichte.
Lange hatten schweizerische Maschinenbauer ausländische Modelle bedenkenlos kopiert und die Patentgesetzgebung bekämpft. Mit der ab den 1870er Jahren einsetzenden Spezialisierung verfügten sie selbst zunehmend über schützenswerte Erfindungen, weshalb die innovativen unter ihnen 1887/1888 das Patentgesetz befürworteten.
Der mächtige Aufschwung der Maschinenindustrie um die Jahrhundertwende schlug sich sowohl in der Erwerbs- als auch in der Aussenhandelsstatistik nieder. 1900 lag die Maschinenindustrie allerdings mit gut 35'000 Beschäftigten weit hinter der Textil- und der Bekleidungsindustrie und dem Baugewerbe, sogar noch hinter der Uhren- und der Nahrungsmittelindustrie sowie dem Holzgewerbe. Geografisch konzentrierte sie sich in der Ostschweiz; weitere Schwerpunkte fanden sich um Basel, um Bern sowie um Solothurn und Luzern, die beiden Letzteren zum Teil wegen Giessereien. In der Westschweiz erreichten Genf und das Val-de-Travers, in dem die Firma der Familie Dubied Strickereimaschinen produzierte, Bedeutung.
Rund ein Drittel der Produktion ging ins Ausland (Exportwirtschaft); aber verglichen mit der Textilindustrie blieb der Exporterlös bescheiden, und auch die Uhren- und die Nahrungsmittelindustrie führten mehr aus. Gemessen am Export rangierten die Textilmaschinen mit 24% zuoberst, gefolgt von den dynamoelektrischen Maschinen mit 22%, Dampfmaschinen und -turbinen mit 13%, Müllereimaschinen mit 10%, Wasserkraftmaschinen mit 9%, Last- und Personenwagen mit 7% und Verbrennungsmotoren mit 6%.
Aufstieg zur führenden Industrie
Autorin/Autor:
Bernard Degen
Der Erste Weltkrieg verlieh zusätzlichen Schub. Der Wert der Maschinenimporte fiel im Mittel real um mehr als die Hälfte, derjenige der Exporte stieg sogar leicht. Besondere Erfolge erzielten die Automobil- und die Werkzeugmaschinenindustrie. Letztere war vor dem Krieg der deutschen und amerikanischen Konkurrenz klar unterlegen und trug nur ca. 2% zum Maschinenexport bei. Bis 1916 konnte sie ihren Ausfuhrwert real um fast 1500% steigern, fiel dann allerdings wieder etwas zurück. Gefragt waren vor allem Maschinen zur Metallbearbeitung für Rüstungsbetriebe. Die eigentliche Kriegsmaterialausfuhr erreichte 1916 mit 10% der Gesamtausfuhr ihren Höhepunkt; beträchtliche Teile davon entfielen aber nicht auf die Maschinenindustrie, sondern auf die Metall- und die Uhrenindustrie. Auch wenn sich das hohe Niveau in der Zwischenkriegszeit nicht halten liess, etablierten sich die Exporteure von Werkzeugmaschinen hinter denen von Textil- und Dynamomaschinen sowie von Verbrennungsmotoren an vierter Stelle. Stickereimaschinen verloren wegen des Niedergangs der Stickerei ihre Bedeutung. Saurer als wichtigster Produzent wandte sich stärker dem Lastwagenbau zu. Zusammen mit Berna in Olten und Franz Brozincevic Cie. in Wetzikon (FBW) dominierte sie diesen während Jahrzehnten, nicht zuletzt dank Armeeaufträgen. Die Personenwagenindustrie brach in den 1920er Jahren unter dem Druck der Importe zusammen. Die Produktionsverlagerung der Firma Dornier aus Friedrichshafen in den Kanton St. Gallen (Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein, FFA) 1921 stand am Anfang der Enwicklung des neuen Zweigs der Flugzeugindustrie. Eine Waffenproduktion hatte es neben den bundeseigenen Rüstungsbetrieben lange kaum gegeben (Waffenproduktion und Waffenhandel). Gelegentlich erledigten Maschinenfabriken vorübergehend entsprechende Aufträge. In den 1920er Jahren entstanden durch den Transfer deutscher Rüstungstechnologie exportorientierte Betriebe (Oerlikon-Bührle). Die Elektroindustrie, die auch Lampen, Heiz- und Kühlgeräte, Zähler usw. herstellte, fand dank der raschen Verbreitung der Elektrizität in Haushalten, Industrie und Bahnen einen wachsenden Markt. Angesichts der immer komplexeren Anforderungen begannen die grossen Maschinenfabriken jetzt, selbstständige Forschungsabteilungen einzurichten, vorerst allerdings noch in bescheidenem Rahmen.
Die Weltwirtschaftskrise traf die Maschinenindustrie zwar hart, jedoch weniger als andere Ausfuhrindustrien. Deshalb stieg sie noch vor dem Zweiten Weltkrieg zur stärksten Exportindustrie auf. Gut zwei Drittel der Gesamtproduktion gingen nun ins Ausland. Auch beschäftigungsmässig überholte sie in den 1930er Jahren die Textil- und die Bekleidungsindustrie; im 2. Sektor lag nur noch das Baugewerbe vor ihr.
Boom und Rückschläge
Autorin/Autor:
Bernard Degen
Im Zweiten Weltkrieg lag die Ausfuhr der Maschinenindustrie im Mittel real zwar 15% unter jener während der guten Konjunktur von 1928-1930, aber ein Viertel höher als in den Krisenjahren 1931-1938. Wichtigster Zweig war erneut der Werkzeugmaschinenbau, dessen Zuwachsraten allerdings weit hinter denjenigen während des Ersten Weltkriegs zurückblieben. Der Export von eigentlichem Kriegsmaterial – Waffen, Munition, Zünder, Militäroptik – erreichte 1940-1944 über 14% der Gesamtausfuhr, wiederum unter massgeblicher Beteiligung der Metall- und der Uhrenindustrie. Spätestens Anfang 1943 begann sich die Maschinenindustrie auf die Friedenswirtschaft vorzubereiten. Nicht zuletzt die schweizerische Kreditpolitik ermöglichte es ihr, für den Wiederaufbau Europas in grossem Masse zu liefern. In den 1950er Jahren überholte die Maschinenindustrie beschäftigungsmässig das Baugewerbe und blieb bis in die 1980er Jahre wichtigster Arbeitgeber des 2. Sektors. Das quantitative Wachstum stiess allerdings in den 1960er Jahren wegen Arbeitskräftemangels an Grenzen. Neben dem Ausländer- wurde der bis zum Zweiten Weltkrieg bescheidene Frauenanteil aufgestockt. Dennoch galt die Maschinenindustrie noch lange als Domäne des qualifizierten schweizerischen Arbeiters, wie ihn der Smuv politisch repräsentierte. Im Lohnbereich war jedoch im 20. Jahrhundert keine starke Abweichung vom Mittel des gesamten 2. Sektors festzustellen. Ab der Krise der 1970er Jahre verloren die Arbeiter der Maschinenindustrie zunehmend ihre Sonderstellung.
Beschäftigtenzahlen in der Maschinenindustrie 1870-2000
[…]
1965 beschäftigten 213 meist grössere Maschinenfabriken über 6100 Wissenschaftler und Techniker ausschliesslich für Forschung und Entwicklung. Über 3900 meist kleinere Unternehmen konnten sich solche Aufwände allerdings nicht leisten. Maschinenbau war nach der – weit vorausliegenden – Chemie die forschungsintensivste Branche. Trotzdem offenbarten sich ab den 1960er Jahren strukturelle Probleme. Nachdem der Export den Import während Jahrzehnten klar übertroffen hatte, begann sich dies nun zu ändern, zuerst wegen der Automobile. Der Abbau der Zollschranken öffnete überdies der ausländischen Konkurrenz den Inlandmarkt. Die Nutzfahrzeugindustrie war von diesem Wandel besonders betroffen. Saurer/Berna und FBW hielten sich zuletzt nur mehr mit Armeeaufträgen über Wasser und wurden 1982 teilweise und 1990 ganz von Daimler-Benz übernommen, womit die einheimische Automobilindustrie verschwand. Verschiedene Firmen versuchten, sich durch Fusionen zu verstärken. So übernahm zum Beispiel Sulzer 1961 die SLM, 1966 und 1969 in zwei Etappen die Escher Wyss sowie 1969 die Maschinenfabrik Burckhardt und Brown Boveri 1967 die MFO sowie 1969 die Sécheron.
Exporte in der Maschinenindustrie 1840-2000
[…]
Seit den 1970er Jahren gilt die Maschinenindustrie als strukturell gefährdet. In den Krisen 1974-1975, 1982-1983 und 1991-1993 litt sie jeweils erheblich, und die massive Aufwertung des Frankens machte ihr zu schaffen. Erschwerend wirkte sich der zögernde Einstieg in die Mikroelektronik aus. Die Stärke der Maschinenindustrie lag in Gütergruppen mit unterdurchschnittlichem Wachstum, die Schwäche in dynamischen wie EDV- und Büromaschinen. Von den 1969 grössten Firmen – Brown Boveri, Sulzer und Oerlikon Bührle – blieb nur ein mit massiven Problemen kämpfender Restbestand. Die Maschinenindustrie besteht aber nicht nur aus Grossbetrieben. Je rund ein Drittel der Beschäftigten arbeitet heute in Klein- (20-100), Mittel- (100-500) und Grossbetrieben (über 500).
Die Maschinenindustrie war im 20. Jahrhundert stark exportorientiert. In den 1980er Jahren gingen fast drei Viertel der Produktion ins Ausland, ein wesentlich grösserer Anteil als bei den Konkurrenten aus den USA, Deutschland, Frankreich und Italien. Wichtigste Abnehmer waren vom späten 19. Jahrhundert an fast immer Deutschland und Frankreich und in etwas geringerem Ausmass Italien; in der zweitenHälfte des 20. Jahrhunderts kamen als neuer Grossabnehmer die USA dazu. Der Weltmarktanteil sank seit dem Höhepunkt in der Hochkonjunktur der 1950er und 1960er Jahre erheblich und lag in den 1990er Jahren in der Grössenordnung von 2-3%, was etwa dem 7. bis 10. Rang entsprach. Die relativ stärkste Stellung auf dem Weltmarkt hielt die Maschinenindustrie 2000 noch immer in ihren traditionellen Bereichen Papierverarbeitungs-, Textil- und Werkzeugmaschinen.
Bernard Degen: "Maschinenindustrie", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.12.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013984/2009-12-08/, konsultiert am 03.11.2024.