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Kondensmilch

In der Nestléfabrik in Payerne, um 1900 (Schweizerisches Institut zur Erhaltung der Fotografie, Neuenburg; Fotografie von Victor Attinger).
In der Nestléfabrik in Payerne, um 1900 (Schweizerisches Institut zur Erhaltung der Fotografie, Neuenburg; Fotografie von Victor Attinger). […]

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es Versuche zur Konservierung der Milch mittels Eindicken oder Erhitzen. Auf dem europäischen Markt durchsetzen konnte sich jedoch erst die ab 1867 von der Anglo-Swiss Condensed Milk Co. in den Handel gebrachte gezuckerte Kondensmilch. Sehr rasch entstanden im In- und Ausland zahlreiche Konkurrenzbetriebe: In der Schweiz etwa in Düdingen (Schweizerische Milchgesellschaft Moléson), in Gossau (SG, Schweizerische Milchkondensations Cie.) oder in Egnach (Alpina, Gesellschaft für kondensierte Milch in Luxburg). Qualitäts- und Finanzierungsprobleme veranlassten die meisten, ihren Betrieb nach wenigen Jahren wieder einzustellen oder an die Anglo-Swiss Condensed Milk Co. zu verkaufen. Ernsthafte inländische Konkurrenz – auch auf den Exportmärkten – erwuchs Letzterer vor allem durch die S.A. Farine Lactée Henri Nestlé, die 1878 neben Milchpulver gezuckerte Kondensmilch herzustellen begann (ab 1977 Nestlé). Diese beiden Hauptanbieter von Kondensmilch lieferten sich bis zur Fusion im Jahre 1905 einen erbitterten Konkurrenzkampf. Beide Firmen gingen wegen der starken Exportorientierung, der im Einzugsgebiet ihrer Fabriken knapp werdenden Milchversorgung und der hohen Zollschranken nach wenigen Jahren dazu über, im Ausland eigene Produktionsbetriebe zu gründen (Milchwirtschaft).

Nach einer Krise in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre verzeichnete die schweizerische Kondensmilchindustrie bis zum Höhepunkt Mitte des Ersten Weltkrieges einen Aufschwung. Die Hauptabsatzmärkte waren ganz Europa mit Schwergewicht England sowie die USA. 1911 stellten 28 Fabriken in der Schweiz Kondensmilch her. Zu den bedeutendsten gehörten neben der Nestlé und der Anglo-Swiss Condensed Milk Co. die Berneralpen Milchgesellschaft in Stalden im Emmental und die Schweizerische Milchgesellschaft AG, Hochdorf. Verwendung fand die Kondensmilch nicht nur in der Herstellung von Säuglingsnahrung, im Tourismus, beim Militär und bei der Seefahrt, sondern zunehmend in der (Milch-)Schokoladenindustrie. Der weitaus grösste Teil wurde exportiert. Nach einer erneuten Aufschwungphase in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre kam es in der Krise der 1930er Jahre zu einem rasanten Niedergang mit zahlreichen Fabrikschliessungen, von der sich die schweizerische Kondensmilchindustrie nicht mehr erholte. Andere Milchkonservierungsverfahren (Pasteurisierung, Uperisierung) und Konkurrenzprodukte (Milchpulver) entsprachen dem Rohmilchcharakter oder der gewünschten Anwendbarkeit besser, während das Aufkommen der Kühlschränke generell die Haltbarkeit der Rohmilch erhöhte. Zwischen 1980 (3793 t) und 1999 (493 t) sank die Kondensmilchproduktion auf ein solch marginales Niveau, dass sie nicht einmal mehr den Stand von 1871 erreichte und den Inlandbedarf deckte. Seither ist ein erneuter Anstieg zu beobachten. Die Inlandproduktion stieg bis 2003 wieder (8041 t), und die Ausfuhren (4651 t) übertrafen die Einfuhren (866 t) um ein Mehrfaches.

Quellen und Literatur

  • Archives historiques Nestlé, Vevey
  • E. Wyssmann et al., Milchwirtschaft, 1943
  • HSVw 2, 219-221, (mit Bibl.)
  • W. Bodmer, Die Entwicklung der schweiz. Textilwirtschaft im Rahmen der übrigen Industrien und Wirtschaftszweige, 1960, 413, 495 f.
  • M. Fischer, "Milchmädchen". Wachstum, Orientierungskrise und Innovationsfähigkeit der Anglo-Swiss Condensed Milk Co. (1866-1899), Liz. Zürich, 2000
Weblinks

Zitiervorschlag

Albert Pfiffner: "Kondensmilch", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013998/2015-02-11/, konsultiert am 28.03.2024.