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Mieterverbände

1891 wurden in Basel und Zürich aufgrund grosser Wohnungsnot erste Mieterorganisationen nach deutschem Vorbild gegründet. Eine wichtige Basis lieferten Wohnungsenqueten (z.B. diejenige von Karl Bücher in Basel 1889), welche die katastrophalen Wohnverhältnisse in den städtischen Arbeiterquartieren dokumentierten (Wohnen, Wohnungsbau). Die Gründung von Mieterverbänden war zudem eine Antwort auf die etwas früher entstandenen Hauseigentümerverbände. 1915 berief der Mieterverein Genf einen Schweizerischen Mieterkongress in Biel ein, wo der Schweizerische Mieterbund mit Zentralvorstand in Zürich gegründet wurde (heute Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband, MV); für die Vereinstätigkeit entscheidend blieben aber die in den Städten und Regionen wirkenden Sektionen (27 in der ganzen Schweiz 2005). Seit Beginn sind ein wirksamer Mieterschutz und ein mieterfreundliches Mietrecht (Miete) die zentralen Anliegen. Als konkrete Ziele nennen Statuten aus verschiedenen Jahren unter anderem die Gründung von (auch staatlichen) Wohn- und Baugenossenschaften, die Kontrolle der Vermieterseite und die Errichtung von staatlichen Schlichtungs- und Kontrollstellen. Die Mieterverbände setzten sich für eine gerechte Kostenverteilung ein (bei der öffentlichen Beleuchtung, den Instandstellungskosten in den 1930er Jahren, den Luftschutzbauten in den 1950er Jahren), bekämpften Lockerungsversuche der Mieterschutzbestimmungen (in den 1970er Jahren) und forderten Mieter zu kollektiven Mietzinssenkungsbegehren auf (als Reaktion auf die Hypothekarzinssenkungen in den 1990er Jahren). Ein «Recht auf Wohnen» kennt die Bundesverfassung bis heute nicht: Eine entsprechende Initiative wurde 1970 knapp abgelehnt. Hausbesetzungen der vorwiegend ausserparlamentarischen Mietbewegung in den 1980er und 1990er Jahren führten in einigen Sektionen zu Spannungen. Die Mieterverbände versuchen auf politischer Ebene mit parlamentarischen Vorstössen und eidgenössischen Volksinitiativen einen wirksamen Mieterschutz in der Bundesverfassung zu verankern. Dabei arbeiten sie primär mit Gewerkschaften und linken Parteien zusammen. Die 1982 eingereichte Mieterschutz-Initiative wurde zugunsten eines direkten Gegenvorschlags zurückgezogen, der 1986 angenommen wurde. Auf diesem beruht das seit 1990 geltende Mietrecht mit Kündigungs- und Preisschutz. Der Forderung nach Marktmiete setzte der MV 1997 die Volksinitiative «Ja zu fairen Mieten» entgegen. Sie wurde 2003 verworfen, ebenso wie eine vermieterfreundliche Änderung des Obligationenrechts 2004.

Die Mieterverbände boten ihren Mitgliedern verschiedene Dienstleistungen an, in den Anfangsjahren etwa die Abgabe von preisgünstigem Brennstoff. Bis heute von grosser Bedeutung ist die unentgeltliche Rechtsberatung in Mietfragen und der Rechtsschutz vor Schlichtungsbehörden und Gerichten.

Quellen und Literatur

  • W. Arnold, Basel's Wohnungselend!, 1891
  • 50 Jahre Mieterverein Basel, 1907-1957, 1957
  • 70 Jahre Luzerner Mieterinnen- und Mieterverband (LMV), hg. von C. Billeter, A. Schmid, 1993
Weblinks

Zitiervorschlag

Barbara Alder: "Mieterverbände", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.11.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016475/2008-11-13/, konsultiert am 08.12.2024.