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Deutsche Arbeitervereine

Die ersten deutschen Arbeitervereine gründeten politische Flüchtlinge 1832 in Basel, 1833 in Biel (BE), Bern und St. Gallen sowie 1834 in Genf und Zürich. Ziele waren die Förderung von Geselligkeit und Bildung, die Diskussion liberaler und republikanischer Ideen (Öffentlichkeit), sowie ab den 1840er Jahren auch frühsozialistischer und frühkommunistischer Konzepte. Mitglieder waren Handwerker und Intellektuelle, ihre Zahl betrug weniger als 1000. Erst 1848 fand in Bern ein erster gesamtschweizerischer Kongress statt. Die teilweise als Geheimbünde wirkenden deutschen Arbeitervereine – 1834-1836 das Junge Deutschland (Junges Europa), 1841-1843 die Anhänger Wilhelm Weitlings, 1844-1845 der von Wilhelm Marr gegründete Schweizerische Arbeiterbund – wurden aufgrund ausländischer Interventionen wiederholt verboten, ihre Mitglieder jeweils ausgewiesen.

Während der Revolution von 1848-1849 wirkten die deutschen Arbeitervereine als Organisationsbasen der in Süddeutschland kämpfenden Freischärler. Reorganisationsversuche nach der Niederlage von 1849 beendete der Bundesrat Februar-März 1850, als er die Teilnehmer des «Murtentags» verhaften und ausweisen liess und die mehrheitlich sozialistischen Vereine verbot (Arbeiterbewegung).

Nach diesem Rückschlag entstanden die deutschen Arbeitervereine als Bildungsvereine mit stark geselliger und gemeinnütziger sowie mit heterogener deutschnationaler Zielsetzung wieder. 1853 gelang die Gründung einer Zentralorganisation, die 1865 ca. 3000 Mitglieder in etwa 58 Sektionen, auch in ländlichen Regionen, zählte. Im «Felleisen» (1862-1874) besassen die deutschen Arbeitervereine ein eigenes Organ. In der stark fluktuierenden Mitgliedschaft dominierten die Handwerker wenig qualifizierter Berufe. Beeinflusst von den liberalen Selbsthilfeideen Hermann Schulze-Delitzschs betrieben die deutschen Arbeitervereine Bildungsarbeit, gründeten Wanderunterstützungskassen, Hilfskassen, Speisegesellschaften und Genossenschaften (Genossenschaftsbewegung). Die Entwicklung der deutschen und der internationalen zur sozialistischen Arbeiterbewegung sowie die kleindeutsche Einigung führten zur Krise, 1875 wurde die sogenannte Zentralisation aufgelöst.

Die deutschen Arbeitervereine benannten sich danach in Arbeitervereine um. Sie behielten die Bildungsidee bei, wandten sich jedoch vermehrt den eigenen Klasseninteressen zu. Ende 1880 gründeten deutsche Sozialisten den «Landesausschuss der organisirten deutschen Socialisten in der Schweiz» (LA) mit Sitz in Zürich. Hauptziel der erklärt sozialdemokratischen Mitgliedschaften war die Unterstützung der durch das Sozialistengesetz in Deutschland (1878-1890) verbotenen Partei. Nach 1890 konzentrierte sich der LA auf politische Schulung und Propaganda, den deutschen Arbeitervereinen blieben Geselligkeit und Fürsorge überlassen. Nach der Vereinigung des LA mit den österreichisch-ungarischen Sozialdemokraten 1899 umfasste die Organisation bis 1914 zwischen 2600 und 3850 Mitglieder in 28 bis 43 Sektionen. Die langwierige Debatte über die erneute Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei – 1880 waren die Ausländer nach der Auflösung des Schweizerischen Arbeiterbundes aus der neu gegründeten Partei ausgeschlossen worden – beendete der Kriegsausbruch. Wegen massiver Mitgliederverluste lösten sich die deutschen Arbeitervereine auf oder fusionierten mit lokalen schweizerischen Arbeiterorganisationen.

Die deutschen Arbeitervereine waren als Bildungs- und Organisationspioniere für die schweizerische Arbeiterbewegung in zweifacher Hinsicht bedeutsam: Durch sie wirkten Deutsche an ihrem Aufbau mit und Schweizer lernten dort sozialistisches Gedankengut kennen.

Quellen und Literatur

  • W. Schieder, Anfänge der dt. Arbeiterbewegung, 1963
  • Vom kleinbürgerl. Demokratismus zum Kommunismus 1, hg. von W. Kowalski, 1967 (21983)
  • K. Urner, Die Deutschen in der Schweiz, 1976
  • Gruner, Arbeiter
  • Bildung und Organisation in den dt. Handwerksgesellen- und Arbeitervereinen in der Schweiz, hg. von H.-J. Ruckhäberle, 1983
  • Gruner, Arbeiterschaft 3
Weblinks

Zitiervorschlag

Markus Bürgi: "Deutsche Arbeitervereine", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 31.08.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016478/2011-08-31/, konsultiert am 29.03.2024.