Als Ämteranfragen oder Ämterbefragungen werden in der Geschichtsliteratur die von städtischen Obrigkeiten des 15. bis 18. Jahrhunderts fallweise korporativ durchgeführten Meinungsumfragen in ihren Territorien bezeichnet. Der 1869 entstandene Begriff der "Volksanfragen" wird kaum mehr gebraucht, weil er suggeriert, dass die Ämteranfragen eine Vorstufe des modernen Referendums gewesen seien.
Der an den Landsgemeinden der Länderorte gepflegte Meinungsaustausch war im späten Mittelalter auch zwischen städtischen Obrigkeiten und ihren Untertanen üblich. Aus verschiedenen Kommunikationsformen wie zum Beispiel dem Fürtrag – der Vorladung von Vertretern der Landschaft vor den Rat zur Mitteilung wichtiger Beschlüsse – entwickelte sich ab den 1430er Jahren eine das ganze Territorium umfassende Untertanenbefragung.
Anlass zu Ämteranfragen gaben vor allem drohende Krisen (Kriege, Teuerung usw.) und bevorstehende Bündnisabschlüsse. Indem städtische Obrigkeiten ihre Untertanen zu Aussen- und Innenpolitik, zu Krieg, Bündnissen, Pensionen, Reislaufen sowie Steuern um ihre Meinung befragten, beteiligten sie diese an den Regierungsentscheiden. Die Ämteranfragen halfen Konflikte mit der Landschaft zu verhindern und unpopuläre Entscheide zu legitimieren. Sie dienten der Obrigkeit dazu, ihre Absicht darzustellen und um Konsens und Loyalität der Untertanen zu werben. Die Antworten waren für die Obrigkeit nicht bindend. Ämteranfragen, in denen die Untertanen zu politischen Sachthemen Stellung nehmen konnten, gab es in Bern und Zürich. Luzern kannte eine beschränkte Form von sachgerichteten Ämteranfragen, mit denen sich der Rat über Zustände auf der Landschaft informierte. Um 1500 war diese Form der Untertanenrepräsentation ebenso in süddeutschen Territorien verbreitet.
Es gab drei Arten der Ämteranfragen: Anfänglich berief die Obrigkeit bevollmächtigte Vertreter der Ämter, Landgerichte, Landstädte oder Landgemeinden zu Diskussion und Beratung hängiger Fragen in die Hauptstadt vor den Rat. Später (in Bern ab 1471, in Zürich ab 1490) entsandte sie Ratsherren mit schriftlicher Instruktion auf das Land, die den versammelten Gemeinden Fragen zur Beratung vortrugen und deren Antwort schriftlich zurückbrachten. Ab den 1510er Jahren erfolgten Ämteranfragen zunehmend schriftlich: Die Vögte überbrachten den versammelten Gemeinden die zugesandten Fragen zur Beratung und schickten die Antwort an den Rat.
Zu Landtagen wurde in der Regel die männliche Bevölkerung ab 14 Jahren aufgeboten. Die Antworten, Mehrheitsentscheide durch Handmehr, verraten den Einfluss der politisch und ökonomisch führenden bäuerlichen und landstädtischen Schichten. Ab den 1480er und 1490er Jahren wurden die Untertanengebiete fast regelmässig angefragt, allgemein gehäuft in Krisenzeiten, unter anderem 1435-1450 (Alter Zürichkrieg), 1499-1516 (Mailänderkriege), 1523-1532 (Bauernrevolten, Reformation). Häufige Ämteranfragen, sechs bis sieben pro Jahr in Bern 1516-1522, machten die Landbevölkerung mit der obrigkeitlichen Politik vertraut und darin geübt, sich zu politischen Fragen zu äussern. Grundsätzlich gingen Ämteranfragen von der Obrigkeit aus, doch fanden bei ländlichen Unruhen (1513, 1515-1516, 1523-1525) Versammlungen auch unerlaubt statt und wurden der Obrigkeit Beschwerden ungefragt eingereicht. In der 1536 eroberten Waadt führte Bern keine Ämteranfragen durch, da die sporadisch zusammentretende Ständeversammlung (Etats de Vaud) bis ins erste Viertel des 18. Jahrhunderts konsultative Funktion ausübte.
Die Ämteranfragen galten nicht als Volksrecht, sondern als vom Rat gewährte Gunst. Trotz der von den Untertanen erstrebten und zum Teil erlangten Institutionalisierung der Ämteranfragen (u.a. 1513 im Könizer Aufstand) wurden diese vom 16. Jahrhundert an immer seltener und unterblieben im 18. Jahrhundert ganz (letzte in Bern 1712). Die Einstellung der Ämteranfragen weist auf die nunmehr erstarkte Landesherrschaft der grossen Städteorte im Ancien Régime hin.